Inhalt

VG München, Beschluss v. 08.05.2023 – M 8 S 23.2010
Titel:

Untersagung der Wohnnutzung in Tiny-Haus

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1
BayBO Art. 76 S. 2
LStVG Art. 9
Leitsätze:
1. Aufgrund des Grundsatzes der Einheit von Anlage und Nutzung kann auch die bauaufsichtliche Anordnung, bestimmte Gegenstände aus einer baulichen Anlage zu entfernen, auf Art. 76 S. 2 BayBO gestützt werden, wenn bereits das Vorhalten dieser Einrichtungsgegenstände Teil der untersagten Nutzung ist. Die sog. gegenstandsbezogene Nutzungsuntersagung kommt in Betracht, wenn sich die rechtwidrige Nutzung gerade in der speziell ihrem Zweck dienenden Anwesenheit dieser Gegenstände manifestiert. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Geht es um die Inneneinrichtung von Räumen, die nicht unter den Anlagenbegriff des Art. 76 S. 1 BayBO fällt, als Voraussetzung einer illegalen Wohnnutzung, kann die bauaufsichtliche Anordnung auf Beseitigung der Möbel und Einrichtungsgegenstände auf Art. 76 S. 2 BayBO gestützt werden. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Belassen der wohntypischen Einrichtung in einem Gartenhaus führt zur Aufrechterhaltung und Fortdauer des baurechtswidrigen Zustands. Ein Gartenhaus mit wohnungsspezifischer Ausstattung ist kein Gartenhaus mehr. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, Nutzungsuntersagung eines „Tiny-Hauses“, Entfernung wohntypischer Einrichtung, Rückwärtige Baugrenze, Gartenhaus, Ermessen, negative Vorbildwirkung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 11615

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen Bescheid, der ihm die Wohnnutzung im Gartenhaus auf dem Grundstück …allee 13, FlNr. …, Gemarkung …  (im Folgenden: streitgegenständliches Grundstück) untersagt und anordnet, die Installationen und Einbauten für die Wohnnutzung zu entfernen.
2
Der Antragsteller ist Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks, das straßenseitig mit einem zweigeschossigen Wohngebäude bebaut ist. Für das streitgegenständliche Grundstück ist eine vordere, straßenbegleitende Baulinie und eine rückwärtige Baugrenze festgesetzt.
3
Im Jahr 2020 errichtete der Antragsteller im rückwärtigen, südöstlichen Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks ein 6,8 m langes, 3,64 m breites und 2,92 m hohes Gebäude (sog. „Tiny Haus“). Nach einer Ortskontrolle forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, für ein Gartenhaus einen Antrag auf Befreiung von der rückwärtige Baugrenze zu stellen. Sollte es sich um ein Wohnhaus handeln, müsse der Antragsteller einen Bauantrag einreichen. Mit Bescheid vom 26. Oktober 2020 erteilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller daraufhin eine Befreiung wegen Überschreitung der rückwärtigen Baugrenze durch ein Gartenhaus.
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Nach weiteren Ortskontrollen sowie Anzeigen von Nachbarn stellte die Antragsgegnerin fest, dass sich in dem Gartenhaus u.a. eine kleine Küchenzeile, ein Schreibtisch, eine Schlafcouch, ein Bad mit Toilette, ein Waschbecken und eine Dusche sowie ein Kleiderschrank (vgl. Bl. 2-3, 21-22, 37-39 der Behördenakte) befinden. Es bestehe der Eindruck, dass in dem Gartenhaus dauerhaft gewohnt werde. Nach Anhörung des Antragstellers teilte dieser mit, dass er die Mieter nochmals darauf hingewiesen habe, dass das Gartenhaus nicht zur dauerhaften Wohnnutzung genutzt werden dürfe. Ein Mieter teilte in einer Stellungnahme mit, dass das Gartenhaus als erweitertes Wohnzimmer, Kochnische, allgemeiner Rückzugsort und „Workspace“ diene und die Mieter sich dort tags und auch nachts aufhielten (Bl. 41 der Behördenakte). Die Antragsgegnerin wies darauf hin, dass die Aussagen nicht entkräften könnten, dass im Gartenhaus eine dauerhafte Wohnnutzung stattfände und forderte den Antragsteller auf, die Aufgabe der Nutzung zuzusichern und zu bestätigen. Mit dem Erlass einer kostenpflichtigen Verfügung sei zu rechnen, diese umfasse auch die Verpflichtung, alle Installationen und Gegenstände auszubauen bzw. zu entfernen, welche den Verdacht der unerlaubten Wohnnutzung stützten. Hieraufhin teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, die Mieter hätten ihm gegenüber versichert, dass sie das Gartenhaus – wie mietvertraglich vereinbart – nicht zur dauerhaften Wohnnutzung nutzten und sprach ein Betretungsverbot gegenüber der Antragsgegnerin aus. Recherchen vom 18. Oktober 2022 und 21. November 2022 zeigten, dass das Gartenhaus/“Tiny Haus“ auf ´airbnb´ zur Miete angeboten wurde.
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Mit Bescheid vom 5. Januar 2023 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller unverzüglich, spätestens innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung dieser Verfügung die Nutzung des mit Baugenehmigung vom 26. Oktober 2020 genehmigten Gartenhauses zu Wohnzwecken zur Eigennutzung oder zur Überlassung an Dritte (Ziffer 1). Die Nutzungsuntersagung beinhalte die Entfernung aller Installationen und Einbauten in diesen Räumen, die für die untersagte Aufenthalts- bzw. Wohnnutzung vorgesehen/zugehörig sind (zum Beispiel Sanitärinstallationen, Möblierung, Kühlschränke, Waschmaschinen, Küchenzeile, Fernseh- und Kochgeräte). Hierfür wurde eine Frist von einem Monat nach Zustellung eingeräumt (Ziffer 2). Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung der Verpflichtung unter Ziffer 1 und 2 dieser Verfügung wurde jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500 EUR angedroht (Ziffer 4). Die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet (Ziffer 3) und Kosten i.H.v. 502,49 EUR nach anliegender Kostenrechnung erhoben (Ziffer 5).
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Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, eine vorbeugende Nutzungsuntersagung sei dann möglich, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine bereits erfolgte bzw. bevorstehende Nutzungsaufnahme vorlägen. Die Anordnung sei erforderlich, da das Gartenhaus entgegen einem klassischen Gartenhaus als „Tiny Haus“ eingerichtet sei. Somit sei eine Vermietung als eigenständige Wohneinheit möglich. Bei der Ortskontrolle sei der Eindruck entstanden, dass eine Nutzung als eigenständige Wohneinheit auch schon durchgeführt werde. Darüber hinaus werde das Gartenhaus zur Miete auf der Internetplattform www.airbnb.de angeboten. Damit gäbe es genügend Anhaltspunkte, dass bereits eine rechtswidrige Nutzung erfolgt sei. Um den Eintritt eines rechtswidrigen Zustands entgegenzuwirken, sei der Erlass dieser Verfügung erforderlich. Die Antragsgegnerin handele in pflichtgemäßem Ermessen. Eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit sei nicht gegeben. Es handele sich um eine Nutzungsintensivierung, welche als unerwünschter Bezugsfall dienen könne. Eine diesbezügliche Anfrage läge der Antragsgegnerin gegenwärtig bereits vor. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei notwendig, da eine Weiterführung der Nutzung zur Verfestigung des rechtswidrigen Zustands führe und möglicherweise als Bezugsfall für weitere Nutzungen im Anwesen oder in der Umgebung diene. Es bestehe zudem ein öffentliches Interesse daran, dass eine ohne die erforderliche Genehmigung aufgenommene widerrechtliche Nutzung wirksam unterbunden werde, da nur so der sonst bestehende Anreiz vermieden werden könne, Nutzungsänderungen ohne Genehmigung ins Werk zu setzen, um sich dadurch wirtschaftliche Vorteile gegenüber rechtstreuen Bürgern zu verschaffen und sich eine Rechtsposition durch Einlegung von Rechtsmitteln anzumaßen, die ihnen nicht zustehe. Insbesondere bei einer Nutzung als mietbarer Wohnraum seien erhebliche Mieteinnahmen zu erwarten. Auf die Begründung des Bescheids im Übrigen wird Bezug genommen. Der Bescheid wurde dem im behördlichen Verfahren bestellten Bevollmächtigten des Antragstellers am 11. Januar 2023 zugestellt.
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Am 13. Februar 2023 erhob der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag den Bescheid vom 5. Januar 2023 aufzuheben (M 8 K 23.661). Über diese Klage ist bislang nicht entschieden.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 21. April 2023 beantragt der Antragsteller weiter,
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die aufschiebende Wirkung der Klage insoweit herzustellen, als sich diese gegen Ziff. 2 und Ziff. 4 Satz 2 richtet.
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Der Antragsteller habe das „Tiny-Haus“ (3,64 m x 6,8 m x 2,92 m) im Sommer 2019 bei der Firma … * … zum Preis von 75.651,60 EUR gekauft. Da der Bruttorauminhalt des Gebäudes kleiner als 75 m² sei, sei die Errichtung deshalb bauordnungsrechtlich verfahrensfrei. Der Antragsteller habe das bebaute Grundstück an Frau … …, Herrn … … … und Herrn Dr. … … … … vermietet. In § 7 Abs. 1 des Mietvertrags sei vereinbart worden, dass die Mieter die Mieträume nur zu dem vertraglich bestimmten Zweck nutzen dürften. Nachdem der Antragsteller durch das Schreiben der Antragsgegnerin erfahren habe, dass deren Baukontrolleure den Eindruck einer unzulässigen dauerhaften Wohnnutzung des Gartenhauses gewonnen hätten, sei dieser unverzüglich im Rahmen seiner Möglichkeiten als Vermieter dem nachgegangen und habe die Mieter ausdrücklich daran erinnert, dass das Gartenhaus nur als Gartenhaus und nicht zu Wohnzwecken genutzt werden dürfe. Erst durch den streitgegenständlichen Bescheid habe der Antragsteller erfahren, dass das Gartenhaus auf der Internetplattform ´www.airbnb.de´ angeboten worden sei. Auf Nachfrage bei seinem Mieter habe dieser die Vermietung dem Grunde nach bestätigt, jedoch die Auffassung vertreten, dass es sich noch nicht um eine genehmigungspflichtige dauerhafte Wohnnutzung handele, solange nur hin und wieder einmal jemand in dem Gartenhaus übernachte. Der Antragsteller habe keine inhaltlichen Einwände gegen Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids. Das mobile Gartenhaus sei weder noch werde es in Zukunft rechtswidrig zu Wohnzwecken genutzt. Ziffer 2 und 4 Satz 2 des streitgegenständlichen Bescheids seien rechtswidrig. Diese Verpflichtung sei bereits zu unbestimmt, sodass Sanktionen an die Nichterfüllung der unbestimmten Verpflichtung nicht geknüpft werden könnten. Die geforderten Maßnahmen seien außerdem offensichtlich unverhältnismäßig, solange noch nicht einmal feststehe, dass hier überhaupt eine öffentlich-rechtliche rechtswidrige Nutzung vorliege, für die der Antragsteller – wenn überhaupt – dann auch nur als Zustandsstörer mitverantwortlich sei. Die Antragsgegnerin verkenne, dass der von ihr angenommene Verstoß gegen ordnungsgemäße bauliche Zustände gegebenenfalls nicht in der im Gartenhaus vorhandenen technischen Innenausstattung zu sehen sei, sondern ausschließlich in der konkreten Nutzung des Gartenhauses. Durch Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids sei bereits sichergestellt, dass eine etwaige rechtswidrige Nutzung zu Wohnzwecken bereits jetzt sanktioniert werden könne. Die Entfernung der im Gartenhaus seit der Aufstellung vorhandenen und fest eingebauten, insgesamt ca. 20.800 EUR zuzüglich Umsatzsteuer teuren Sanitär- und Inneneinrichtung wäre, selbst wenn dies, wie nicht, ohne einen weiteren Schaden am Gebäude möglich wäre, zur vorläufigen Sicherstellung ordnungsgemäßer baulicher Zustände nicht geboten. Dazu würde es zum Beispiel bereits völlig ausreichen, dem Antragsteller aufzugeben, das Gartenhaus abzusperren.
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Die Antragsgegnerin legt die einschlägigen Behördenakten vor und beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Wohnnutzung des rückwärtigen Gartenhauses sei formell rechtswidrig, da es an der erforderlichen Baugenehmigung fehle. Sie sei auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig, weil eine Wohnnutzung einem Gartenhaus nicht immanent sei und im rückwärtigen Gartenbereich einen Präzedenzfall schaffe, der Nachahmung nach sich ziehe. Bei den nach Ziffer 2 zu entfernenden Einbauten wie Küchenzeile und Sanitärinstallation handele sich es sich nicht um ein für ein Gartenhaus typische Einrichtung, denn dieses diene im Regelfall zur Aufbewahrung von Gerätschaften o.ä.. Die vollständige Ausstattung als autarke Wohnung entspreche nicht einem Gartenhaus. Die unstrittige Anordnung, die Nutzung des Gartenhauses als Wohnraum zu unterlassen, umfasse auch die Pflicht, alles zu tun, was erforderlich sei, um die untersagte Nutzung dauerhaft aufzugeben. Könne eine Nutzungsuntersagung nur dadurch realisiert werden, dass auch auf Gegenstände bezogene Anordnungen getroffen würden, so sei dies zulässig, wenn sich die rechtswidrige Nutzung gerade in der speziell ihrem Zweck dienenden Anweisung dieser Gegenstände manifestiere. So liege der Fall auch hier, da eine Wohnnutzung bei gleichbleibender Ausstattung problemlos wiederaufgenommen werden könne, zumal der Antragsteller sich gegen spontane Kontrollen der Antragsgegnerin verwahrt habe. Daher griffen auch besondere Vorkehrungen, wie das vom Antragsteller vorgeschlagene Abschließen des Gartenhauses, zu kurz, weil dies in keiner Weise kontrollierbar sei. Die Vermietung über `airbnb` belege dies eindeutig.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten, insbesondere dem Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten in diesem und im Hauptsacheverfahren sowie die Behördenakten verwiesen.
II.
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Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet und bleibt daher ohne Erfolg.
16
1. Der Antrag ist zulässig.
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1.1. Der Antrag war nach § 122 Abs. 1 i.V.m. §§ 88, 86 Abs. 3 VwGO so auszulegen, dass der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage in der Hauptsache hinsichtlich Ziffer 2 und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich Ziffer 4 Satz 2 begehrt. Grundsätzlich hat die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung, § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Soweit die Behörde die sofortige Vollziehung – wie hier in Ziffer 3 hinsichtlich Ziffer 2 – gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung wiederherstellen, vgl. § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 VwGO. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung kommt der Klage nach Art. 21a VwZVG keine aufschiebende Wirkung zu (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). Insoweit ist der Antrag auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gerichtet, § 80 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 1 VwGO.
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1.2. Der so auszulegende Antrag ist zulässig, insbesondere steht ihm nicht die Bestandskraft des zugrundeliegenden Bescheids entgegen. Ein Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist dann nicht (mehr) statthaft (vgl. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 80 Rn. 130) bzw. es besteht für ihn jedenfalls kein Rechtsschutzbedürfnis (mehr) (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2019 – 15 CS 18.2459 – juris Rn. 21), sobald und soweit der streitgegenständliche Verwaltungsakt bestandskräftig bzw. unanfechtbar geworden ist, ohne dass eine Wiedereinsetzung in Betracht kommt. Die einmonatige Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist vorliegend mit Einreichung der Klage am 13. Februar 2023 gewahrt. Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 11. Januar 2023 zugestellt. Die Klagefrist begann damit am 12. Januar 2023 und endete – da der 11. Februar 2023 ein Samstag (vgl. § 57 Abs. 2 i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO) war – am 13. Februar 2023 (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB).
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung formell rechtmäßig erfolgt ist (2.1) und die vom Gericht vorzunehmende originäre Interessenabwägung ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Nutzungsuntersagung das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt.
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2.1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden, da sie insbesondere eine den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügende schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung enthält.
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Im Rahmen der Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung sind die besonderen, auf den konkreten Einzelfall bezogenen Gründe anzugeben, die die Antragsgegnerin dazu bewogen haben, die aufschiebende Wirkung auszusetzen (BayVGH, B.v. 2.8.2018 – 9 CS 18.996 – juris Rn. 13). An dieses Begründungserfordernis sind generell keine zu hohen Anforderungen zu stellen; so ist es ausreichend, wenn die Behörde zu erkennen gibt, dass sie die Anordnung der sofortigen Vollziehung für geboten erachtet (BayVGH, B. v. 30.1.2019 – 9 CS 18.2533 – juris Rn. 16). Ob die Begründung rechtlich zutreffend ist, ist keine Frage der formellen Rechtmäßigkeit. In Bezug auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Nutzungsuntersagung ist darüber hinaus anerkannt, dass diese in der Regel gerechtfertigt ist, wenn die Voraussetzungen für den Erlass einer solchen Verfügung vorliegen (vgl. BayVGH, B.v. 2.11.2011 – 2 CS 11.1558 – juris Rn. 7).
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Die Antragsgegnerin hat zudem vorliegend in hinreichend konkreter Weise – insbesondere unter Verweis auf die Verhinderung der Verfestigung baurechtswidriger Zustände und der Gefahr der Bezugsfallwirkung dargelegt, weswegen die weitere Nutzung bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht hinnehmbar ist.
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2.2. Die Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung und dem öffentlichen Vollzugsinteresse fällt zu Lasten des Antragstellers aus, da Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist und sonstige Gründe, die für eine Aussetzung sprechen, nicht vorliegen.
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Im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes gem. § 80 Abs. 5 VwGO werden die Interessen der Antragsgegnerin am sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts und die des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage in der Hauptsache abgewogen. Das Gericht trifft eine eigene Ermessenentscheidung darüber, ob das Supensivinteresse des Antragstellers oder das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin – die sich grundsätzlich gleichwertig gegenüberstehen – höher zu gewichten ist. Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache sind als wesentliches, jedoch nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt nach summarischer Prüfung als rechtswidrig, so besteht kein öffentliches Interesse an dessen Vollziehung. Dagegen stellt es ein gewichtiges Indiz für das Überwiegen des Vollzugsinteresses dar, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache keinen Erfolg verspricht (BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris Rn. 18).
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2.2.1. Rechtsgrundlage für die Anordnung in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids ist Art. 76 Satz 2 BayBO. Nach dieser Vorschrift kann die Bauaufsichtsbehörde eine Nutzung untersagen, wenn eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt wird. Die Nutzungsuntersagung wird regelmäßig durch das Aufgeben der bisherigen rechtswidrigen Nutzung, mithin durch schlichtes Unterlassen, erfüllt. Nach der Rechtsprechung kann jedoch aufgrund des Grundsatzes der Einheit von Anlage und Nutzung auch die bauaufsichtliche Anordnung, bestimmte Gegenstände aus einer baulichen Anlage zu entfernen, auf Art. 76 Satz 2 BayBO gestützt werden, wenn bereits das Vorhalten dieser Einrichtungsgegenstände Teil der untersagten Nutzung ist. Die sog. gegenstandsbezogene Nutzungsuntersagung kommt in Betracht, wenn sich die rechtwidrige Nutzung gerade in der speziell ihrem Zweck dienende Anwesenheit dieser Gegenstände manifestiert (vgl. BayVGH, B.v. 23.7.2018 – 15 ZB 17.1092 – NVwZ-RR 2018, 837/838). Die rechtswidrige Nutzung beginnt hier mit dem zweckgerichteten Vorhalten bestimmter Einrichtungsgegenstände und deren Belassen am Ort der baulichen Anlage führt zu einer Perpetuierung der rechtswidrigen Nutzung. Die Bauaufsichtsbehörde kann daher auf Grundlage des Art. 76 Satz 2 BayBO anordnen, diese Gegenstände entweder zu beseitigen oder – falls ihre schlichte Lagerung in der Anlage eine legale Nutzung darstellt – funktionslos zu stellen (vgl. BayVGH, B.v. 23.7.2018 – 15 ZB 17.1092 – NVwZ-RR 2018, 837/838; zur Entfernung vorhandener Wohnungseinrichtung in Kellerräumen eines Wochenendhauses zur Vorgängervorschrift Art. 82 Satz 2 BayBO a.F.: U.v. 19.11.2007 – 25 B 05.12 – ZfBR 2008, 595/596; B.v. 17.1.2019 – 1 ZB 16.1621 – juris Rn. 11; dagegen: BayVGH, E.v. 15.5.1986 – 2 B 85 A 1080 – Ls., dahingehend auch BayVGH, B.v. 4.8.2004 – 15 CS 04.1648 – NVwZ-RR-2005, 611). Eine solche gegenstandsbezogene Nutzungsuntersagung ist auch im Verhältnis zur verhaltensbezogenen Nutzungsuntersagung ein selbstständiger Verwaltungsakt mit eigenständiger Regelung.
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Wenn es um die Beseitigung einer baulichen oder sonstigen Anlage geht, ist der Anwendungsbereich des Art. 76 Satz 1 BayBO mit entsprechend höheren Eingriffsvoraussetzungen eröffnet. Geht es jedoch um die Inneneinrichtung von Räumen, die nicht unter den Anlagenbegriff des Art. 76 Satz 1 BayBO fällt, als Voraussetzung einer illegalen Wohnnutzung, kann die bauaufsichtliche Anordnung auf Beseitigung der Möbel und Einrichtungsgegenstände auf Art. 76 Satz 2 BayBO gestützt werden (vgl. BayVGH, U.v. 19.11.2007 – 25 B 05.12 – a.a.O.)
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Die sanitäre Ausstattung, die Heizungsinstallation und die sonstige der Wohnnutzung dienenden Einrichtungsgegenstände stehen der zugelassenen Nutzung als Gartenhaus, das keinen Wohnzwecken dienen soll, entgegen. Die Installationen verfolgen ersichtlich allein den Zweck, das Gartenhaus zum dauernden Aufenthalt vorzubereiten bzw. zu nutzen und sind daher baurechtswidrig, weil die Nutzung des gegenständlichen Gartenhauses zum dauernden Aufenthalt baurechtlich nicht zugelassen werden kann (vgl. 2.2.2). Das vom Antragsteller erworbene „Tiny-Haus“ hat das Gepräge eines Wohnhauses und nicht eines Gartenhauses. In einem dem Hauptgebäude zugeordneten Nebengebäude bedarf es weder einer Heizung, eines Bades, einer Koch- oder Schlafmöglichkeit.
28
Die oben ausgeführte Rechtsprechung berücksichtigend, liegt die untersagte Wohnnutzung des „Tiny Hauses“ nicht erst dann vor, wenn in diesen Räumen gewohnt, geschlafen oder gekocht wird. Die illegale Nutzung beginnt vielmehr schon dann, wenn das vermeintliche Gartenhaus als Wohnhaus, d.h. mit funktionsfähiger und betriebsbereiter Küche und Wohnzimmereinrichtung oder Schlafmöglichkeiten, eingerichtet wird. Das Belassen der wohntypischen Einrichtung im Gartenhaus führt zu einer Aufrechterhaltung und Fortdauer des baurechtswidrigen Zustands. Ein Gartenhaus mit wohnungsspezifischer Ausstattung ist eben kein Gartenhaus mehr.
29
Die streitgegenständliche Regelung stellt zutreffend darauf ab, dass nur „Installationen und Einbauten in diesen Räumen die für die untersagte Aufenthalts- bzw. Wohnnutzung vorgesehen“ zu entfernen sind, sodass nicht das Abstellen oder Lagern von Möbeln, das hinsichtlich der untersagten Wohnnutzung unproblematisch ist, angeordnet wird, sondern das Einrichten des „Tiny-Hauses“ zu Wohnzwecken. Das Gericht teilt auch die Einwände des Antragstellers hinsichtlich der Bestimmtheit der Ziffer 2 des Bescheids nicht. Es ist ohne Weiteres erkennbar, dass dem Antragsteller aufgegeben wird, die Einrichtungen, die dem Wohnen dienen und – wie bereits oben ausgeführt – deren Einrichtung als Beginn der illegalen Nutzung zu bewerten ist, zu entfernen sind. Befinden sich Möbeleinrichtungen zu Lagerungszwecken im Gartenhaus, stellt dies keine Wohnnutzung dar und ist erkennbar auch nicht von der Verfügung umfasst. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin zur weiteren Verdeutlichung Beispiele aufgezählt.
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2.2.2. Die Anordnung erging auch ermessenfehlerfrei.
31
Eine Wohnnutzung ist insbesondere nicht genehmigungsfähig (bei der Nutzungsuntersagung reicht grds. die offensichtliche Genehmigungsfähigkeit aus: vgl. BayVGH, U.v. 16.2.2015 – 1 B 13.648 – juris Rn. 22; B.v. 18.9.2017 – 15 CS 17.1675 – juris Rn. 13 m.w.N.).
32
Das Gebäude liegt außerhalb der rückwärtigen Baugrenze. Ein Anspruch auf eine Befreiung eines Wohngebäudes von der Einhaltung der Baugrenze besteht nicht. Schon tatbestandlich wären die Voraussetzungen für eine Befreiung nicht gegeben, da die ausgeübte Wohnnutzung eine Hauptnutzung darstellt, die besonderes Gewicht hat, und eine Zulassung der Nutzung daher die Grundzüge der Planung berühren würde. Nicht vergleichbar ist insoweit, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller eine Befreiung von der rückwärtigen Baugrenze für das Gartenhaus erteilt hat, da dieses eine Nebenanlage ist und eine solche die an sich planwidrige Nutzung nicht im gleichen Maße verfestiget wie der Hauptnutzung dienende Anlagen. Nebenanlagen ordnen sich der Hauptnutzung regelmäßig unter und werden nicht mit gleicher Intensität wie Hauptgebäude genutzt, weil sie zum dauernden Aufenthalt nicht bestimmt sind.
33
Ermessenfehler bestehen auch im Übrigen nicht. Es genügt bei der Nutzungsuntersagung bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen in der Regel, wenn die Bauaufsichtsbehörde zum Ausdruck bringt, dass der beanstandete Zustand wegen seiner Baurechtswidrigkeit beseitigt werden muss. Die wohnungsspezifischen Einrichtungen können schon beseitigt werden, um der negativen Bezugsfallwirkung vorzubeugen. Die Nutzungsuntersagung dient auch der Verhinderung der Wiederaufnahme der Nutzung, sodass die Beseitigung der Einrichtung als vorbeugende Maßnahme geeignet und verhältnismäßig ist, um einer Aufnahme der Wohnnutzung entgegenzuwirken. Ein Absperren des „Tiny-Hauses“ – wie es der Antragsteller vorträgt – ist nicht gleich effektiv und für die Antragsgegnerin schwer kontrollierbar. Selbst wenn man den Vortrag des Antragstellers dahin verstehen wollte, dass im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen sei, dass die Nutzungsuntersagung durch Eingriffe in die Substanz einer Beseitigungsanordnung gleichkäme und daher auch von der materiellen Illegalität abhängig zu machen sei – käme man zu keinem anderen Ergebnis, da die Wohnnutzung im Gartenhaus nicht genehmigungsfähig ist (vgl. oben).
34
Die Nutzungsuntersagung konnte auch gegenüber dem Antragsteller ausgesprochen werden. Insoweit ist Art. 9 LStVG entsprechend heranzuziehen, da die Bayerische Bauordnung keine Regelung enthält, an wen die Nutzungsuntersagung zu richten ist. Bei mehreren Störern ist das Gebot rascher und effektiver Gefahrenabwehr zu beachten. Als Grundstückseigentümer ist der Antragsteller zumindest Zustandsstörer und schon vor diesem Hintergrund ist auch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin ihn aus Effektivitätserwägungen heranzieht. Darüber hinaus ist für jeden einzelnen Beteiligten zu prüfen, ob der Beitrag des Veranlassers im Sinne eines normativen Wertungszusammenhangs als unmittelbare Verursachung anzusehen ist (Lindner in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Art. 7 PAG Rn. 31 f.). Daher ist der Antragsteller auch als Handlungsstörer zu qualifizieren, da er unstreitig das vollständig zu Wohnzwecken ausgestattete „Tiny-Haus“ gekauft und den Mietern zur Verfügung gestellt hat, was den Beginn der illegalen Nutzung darstellt. Der Vortrag, das „Tiny-Haus“ sei zur reinen Gartenhausnutzung gekauft worden, ist unglaubhaft. Ein voll ausgestattetes und entsprechend auch deutlich teureres „Tiny-Haus“ wird nicht gekauft, um es dann typisch eines Gartenhauses zu Lagerungszwecken o.ä. zu verwenden.
35
Selbst wenn man annehmen wollen würde, dass ein über das Vollzugsinteresse hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse aufgrund des Substanzeingriffs vorliegen muss, hat die Antragsgegnerin sich hier zurecht auf die negative Vorbildwirkung berufen und darauf abgestellt, dass bereits Bauanträge für ähnliche Vorhaben, mithin konkrete Bezugsfälle vorliegen. Durch eine sofort vollziehbare bauaufsichtliche Maßnahme kommt zum Ausdruck, dass auch gegen vergleichbare Anlagen effektiv eingeschritten wird. Der Anreiz zu baurechtswidrigem Verhalten wird so entgegengewirkt und verhindert, dass hierdurch wirtschaftliche Vorteile durch Ausschöpfung von Rechtsmitteln gezogen werden können (vgl. hierzu Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Art. 76 Rn. 335 ff. m.w.N.).
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2.3. Auch die Zwangsgeldandrohung erweist sich nach summarischer Prüfung als rechtmäßig, sodass eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich Ziffer 4 Satz 2 ausscheidet. Der Antragsteller beruft sich hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung nur auf die Rechtswidrigkeit der Grundverfügung, die jedoch – wie oben ausgeführt – nicht gegeben ist. Im Übrigen liegen die Voraussetzungen des Art. 19, 29 VwZVG vor. Dem Antragsteller wurde hinsichtlich der Verpflichtung in Ziffer 2 ein bestimmtes Zwangsgeld angedroht. Die Höhe des Zwangsgelds, das sich im gesetzlichen Rahmen befindet (vgl. Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG), begegnet keinen Bedenken. Die gesetzte Frist (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) erscheint angemessen.
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3. Der Antragsteller trägt als unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO).
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Der Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.