Inhalt

VG München, Beschluss v. 27.04.2023 – M 30 E 23.1078
Titel:

Antrag auf einstweilige Untersagung einer Vollstreckung, Ersatzvornahme –, (abgelehnt), Entfernung von Fremdmöbeln aus einer Gemeinschaftsunterkunft, Hausordnung einer Gemeinschaftsunterkunft

Normenketten:
VwGO § 123
BayVwVfG Art. 35
BayVwVfG Art. 41
VwZVG Art. 18 f.
VwZVG Art. 32
Schlagworte:
Antrag auf einstweilige Untersagung einer Vollstreckung, Ersatzvornahme –, (abgelehnt), Entfernung von Fremdmöbeln aus einer Gemeinschaftsunterkunft, Hausordnung einer Gemeinschaftsunterkunft
Fundstelle:
BeckRS 2023, 11612

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.250 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, dem Antragsgegner zu untersagen, in die Gemeinschaftsunterkunft B. Straße 14, ... M2. eingebrachte Möbel mittels Ersatzvornahme zu entfernen.
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Die Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft B. Straße 14, M2. werden vom Antragsgegner mit Mobiliar ausgestattet (u.a. ein Bett, Spind und Stuhl pro Person, ein Tisch pro Zimmer, feuerfeste Vorhänge). Die Antragsteller stellten jedoch zusätzliches Mobiliar auf (z.B. Teppich, Sofa, TV Unterschrank). In der Unterkunft bestehen derzeit Probleme in Bezug auf die Sauberkeit, Schimmelbefall und zurückgelassene Möbel, denen der Antragsgegner sowie der Eigentümer mit Maßnahmen zu begegnen beabsichtigen.
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Die Hausordnung vom 16. April 2021, die in der Unterkunft aushängt und seit 19. April 2021 zudem auf der Internetseite der Regierung von Oberbayern abrufbar ist, enthält u.a. folgende Regelungen, die für sofort vollziehbar erklärt wurden (Ziffer 2.2 Satz 2 der Hausordnung):
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„7.4 Das Aufstellen von zusätzlichem Mobiliar und elektrischer Geräte ist grundsätzlich nicht gestattet. Der Betreiber bzw. die Verwaltungsleitung kann auf schriftlich gestellten und begründeten Antrag eine Ausnahme gewähren. Für eingebrachte Gegenstände wird seitens des Betreibers oder der Verwaltungsleitung nicht gehaftet, mit Ausnahme der Fälle von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Eine Genehmigung wird insbesondere versagt, wenn
- die Belegungskapazität beeinträchtigt wird,
- der Brandschutz auf Grund des zusätzlichen Mobiliars oder durch die elektrischen Geräte nicht mehr gewährleistet ist oder
- von dem Mobiliar oder den elektrischen Geräten Gefahren für die Unterkunft oder deren Bewohner/innen ausgehen (insbesondere Schädlingsbefall, Verletzungsgefahr).
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7.5 Liegt für das zusätzliche Mobiliar oder die elektrischen Geräte keine Genehmigung vor und sind diese nicht genehmigungsfähig, kann vom Betreiber bzw. der Verwaltungsleitung eine Zwangsräumung durchgeführt werden. Gegenstände, von denen unmittelbare Gefahren für die Unterkunft und die Bewohner/innen ausgehen (insbesondere bei Schädlingsbefall) und die objektiv wertlos sind oder unter Berücksichtigung der Kosten keinen Erlös erwarten lassen, werden vom Betreiber bzw. von der Verwaltungsleitung umgehend kostenpflichtig entsorgt. Der/die Bewohner/in wird hiervon schriftlich unterrichtet. Die übrigen entfernten Gegenstände werden vom Betreiber bzw. der Verwaltungsleitung für die Dauer von maximal sechs Monaten für den/die Bewohner/in gegebenenfalls kostenpflichtig aufbewahrt. Innerhalb dieses Zeitraums hat der/die Bewohner/in die Gegenstände auf eigene Kosten zu verwerten. Nach erfolglosem Verstreichen dieser Frist erfolgt eine letztmalige schriftliche Aufforderung durch den Betreiber unter Fristsetzung von weiteren zwei Wochen. Die schriftliche Aufforderung ist entbehrlich, wenn der/die Bewohner/in untergetaucht ist, sich im Ausland aufhält und dort nicht erreichbar ist oder aus anderen Gründen der Aufenthalt unbekannt ist. Nach erfolglosem Ablauf dieser Frist werden die Gegenstände durch den Betreiber kostenpflichtig verwertet. Verbleibt abzüglich der Kosten ein Erlös, ist dieser an den/die Berechtigte/n herauszugeben. Ist ein/e Berechtigte/r nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln, ist der Erlös zu hinterlegen. Der Anspruch auf Herausgabe des Erlöses erlischt drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Sache verwertet worden ist.“
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Mit Schreiben vom 13. Februar 2023 wurden alle Bewohnerinnen und Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft vom Antragsgegner unter Verweis auf die Hausordnung aufgefordert, nicht genehmigtes Fremdmobiliar bis spätestens 27. Februar 2023 auf eigene Kosten zu entfernen (d.h. zu entsorgen oder kostenpflichtig einzulagern), da die Unterkunft sukzessive renoviert und mit neuen Möbeln ausgestattet werden solle. Ansonsten werde der Antragsgegner die Möbel im Wege einer Ersatzvornahme entfernen. Ein Teil der Antragsteller bat mit einem dem Antragsgegner am 22. Februar zugegangenen Schreiben um Verlängerung der Frist. Mit Schreiben vom 27. Februar 2023, den Bewohnerinnen und Bewohnern der Unterkunft ausgehändigt am 15. März 2023, wurde die Frist zur Entfernung der eingebrachten Möbel bis 3. April 2023 verlängert. Gegenüber dem Gericht sicherte der Antragsgegner sodann zu, bis einschließlich 10. April 2023 nicht zu vollstrecken und verlängerte diese Zusage schließlich bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Mit Schreiben vom 14. April 2023 wies der Antragsgegner die Bewohnerinnen und Bewohner der Unterkunft nochmals auf Ziffer 7 der Hausordnung hin.
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Die Antragsteller tragen vor, der Antragsgegner habe sie, obwohl ihm bekannt gewesen sei, dass Fremdmobiliar in die Unterkunft eingebracht worden sei, dennoch nicht auf die Genehmigungsbedürftigkeit hingewiesen. Die vom Antragsgegner zur Verfügung gestellten Möbel reichten nicht aus, um ein normales Leben zu führen – insbesondere, wenn man bereits seit längerem in der Unterkunft lebe. Die Anschaffung der Möbel diene zudem der Vorbereitung eines späteren Auszugs. Die im Schreiben vom 13. Februar 2023 gesetzte Frist sei zu kurz bemessen, zudem überstiegen die Kosten für eine Einlagerung die finanziellen Möglichkeiten der Antragsteller. Diese befürchten überdies, im Falle der Entsorgung der Fremdmöbel nicht mehr über zwingend notwendiges Mobiliar (z.B. Betten) zu verfügen.
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Die Antragsteller stellen mit Schriftsatz vom 28. Februar 2023 den Antrag,
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gemäß § 123 VwGO zu beschließen:
Der Regierung von Oberbayern wird einstweilen untersagt, meine im Folgenden genauer bezeichneten Möbel aus der Unterkunft B. Str. 14, 8... M2., in den im Folgenden genannten Zimmern zu entfernen.
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Sie benennen in der Antragsschrift unter Angabe der Zimmernummern, welche einzelnen Möbelstücke von dem Antrag erfasst werden.
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Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 17. März 2023,
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den Eilantrag abzulehnen.
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Mit Schriftsätzen vom 17. März 2023 und vom 14. April 2023 trägt er vor, dass die Hausordnung als hausrechtliche Ordnungsmaßnahme im Wege einer Allgemeinverfügung erlassen worden sei. Das grundsätzliche Verbot von Fremdmöbeln sei zur Gewährleistung des störungsfreien Betriebs der Unterkunft und aus Brandschutzgründen (Freihaltung von Rettungswegen, zügigere Evakuierungen, verringerte Brandlasten) erforderlich. Fremdmöbel seien zudem aus hygienischen Gründen bedenklich, da durch gebrauchte Möbel Schädlinge in die Unterkunft gelangen könnten, bei großflächiger und außenwandnaher Möblierung die Durchlüftung erschwert und Schimmelbildung begünstigt werde. Es sei mittlerweile jedoch gleichwohl ein massiver Überbestand an Fremdmöbeln in der Unterkunft zu verzeichnen. Die Standardmöblierung sei aus robustem, schwer entflammbarem und leicht zu reinigendem Material und trage den Hygiene- und Brandschutzanforderungen Rechnung. Die Regelungen in der Hausordnung seien gegenüber den Antragstellern bestandskräftig geworden. Den Bewohnerinnen und Bewohnern sei das grundsätzliche Verbot der Einbringung von Fremdmöbeln ebenso bekannt wie die Möglichkeit, die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zu beantragen. Diejenigen Bewohnerinnen und Bewohner, die selbst eingebrachtes Mobiliar entfernten, erhielten vom Antragsgegner Ersatzmöbel. Anfang/Mitte April 2023 sei eine Begehung der Zimmer geplant, bei der eine Bestandsaufnahme der in den einzelnen Zimmern vorhandenen Möblierung erfolgen und diese auf ihre Genehmigungsfähigkeit hin geprüft werden solle. Es sei jedoch davon auszugehen, dass ein Großteil des Fremdmobiliars entfernt werden müsse. Dies werde allerdings im Regelfall nicht sofort bzw. bei den geplanten Zimmerbegehungen erfolgen, sondern im Rahmen der für mehrere Monate angesetzten Umzüge in neu renovierte und mit neuem Mobiliar ausgestattete Zimmer. Eine Prüfung der Genehmigungsfähigkeit einzelner Möbel setze einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung voraus, da der Antragsgegner davon ausgehe, dass die vorhandenen Möbel grundsätzlich ausreichten und die Prüfung der Genehmigungsfähigkeit zusätzlicher Möbelstücke angesichts der Situation in der Unterkunft eine Schilderung des individuellen Bedarfs erfordere. Den Antragstellern sei es bereits in der Vergangenheit möglich gewesen, entsprechende Anträge zu stellen.
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Die Antragsteller zu 8 und die Antragsteller zu 86 bis 90 sind zwischenzeitlich aus der Unterkunft ausgezogen.
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Auf richterlichen Hinweis vom 29. März 2023 hin teilte der Antragsgegner am 14. April 2023 mit, bisher habe kein Antragsteller einen schriftlichen, begründeten Antrag auf Genehmigung des vorhandenen Fremdmobiliars gestellt. In begründeten Ausnahmefällen werde durchaus eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Alle Bewohner der Unterkunft seien nochmals auf die entsprechenden Ziffern in der Hausordnung hingewiesen worden. Die Antragsteller hätten − wie im Schriftsatz des Antragsgegners vom 14. April 2023 ausgeführt – nun nochmals die Gelegenheit, einen Antrag auf Genehmigung eingebrachten Mobiliars zu stellen, da bis zur Entscheidung durch das Gericht keine Fremdmöbel entfernt würden.
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Eine Reaktion der Antragsteller auf den richterlichen Hinweis vom 29. März 2023 und die Erwiderung des Antragsgegners ist unterblieben.
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Auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte wird ergänzend Bezug genommen. Die Durchführung eines vom Gericht vorgeschlagenen Erörterungstermins ist vom Antragsgegner abgelehnt worden.
II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf einstweilige Untersagung der Entfernung von Fremdmobiliar aus der Gemeinschaftsunterkunft B. Straße 14, M. (nachfolgend: Unterkunft) ist zulässig, soweit er nicht von den Antragstellern zu 8 und zu 86 bis 90 gestellt wurde (1.), aber unbegründet (2.).
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1. a. Die Antragsteller zu 8 und zu 86 bis 90 verfügen nicht (mehr) über die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO notwendige Antragsbefugnis entsprechend bzw. analog § 42 Abs. 2 VwGO, da ihnen die geltend gemachte Rechtsposition im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 51) offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise zustehen kann (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, U.v. 19.11.2015 − 2 A 6/13 – juris Rn. 15). Da die Antragsteller zu 8 und zu 86 bis 90 zwischenzeitlich aus der Unterkunft ausgezogen sind, ist ausgeschlossen, dass sie einen Anspruch darauf haben, die von ihnen eingebrachten Möbel in den vormals bewohnten Zimmern zu belassen (vgl. Ziffer 7.7 Satz 3 Hausordnung der Regierung von Oberbayern für die staatlichen Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber/innen und Übergangswohnheime im Regierungsbezirk Oberbayern in der Fassung vom 16. April 2021 (nachfolgend: Hausordnung), wonach die Zimmer abgesehen von den zur Verfügung gestellten Gegenständen vollständig geräumt zu übergeben sind).
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b. Die Antragsteller zu 1 bis 7 sowie zu 9 bis 85 und zu 91 bis 93 verfügen angesichts der Umstände des konkreten Einzelfalls allesamt über das für den Erlass einer einstweiligen Anordnung notwendige Rechtsschutzbedürfnis, obwohl nicht alle von ihnen vor der Anrufung des Verwaltungsgerichts ihren Anspruch bei der Regierung von Oberbayern (nachfolgend: ROB) als zuständiger Behörde geltend gemacht haben. Die Frage, ob das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO nur dann besteht, wenn sich der Bürger zuvor an die zuständige Behörde gewandt hat, entzieht sich einer pauschalen Beantwortung (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 34). Zumindest in aller Regel erforderlich ist eine Vorbefassung der zuständigen Behörde mit dem jeweiligen Begehren, wenn das materielle Recht eine Antragstellung bei der Verwaltung vorschreibt. Hinsichtlich der vorliegend begehrten Verhinderung der zwangsweisen Entfernung von Möbeln ist das allerdings nicht der Fall, da der Anwendungsbereich von Art. 21 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) i.d.F. d. Bek. vom 11. November 1970 (BayRS 2010-2-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2022 (GVBl. S. 718) auf das Entfallen des Zwecks der Vollstreckung durch eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage beschränkt ist und damit das Fehlen oder Entfallen der Vollstreckungsvoraussetzungen ebenso wenig erfasst wird wie die übrigen Vollstreckungshindernisse (vgl. Lemke in Danker/Lemke, VwVG, § 18 Rn. 35 sowie zum Fehlen eines vollstreckungsfähigen Titels BayVGH, B.v. 4.5.1994 – 23 CS 94.913 – juris Rn. 16). Im Falle fehlender Vorgaben durch das materielle Recht besitzt ein Antragsteller, der sein Anliegen nicht zuvor an die öffentliche Verwaltung herangetragen hat, ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anrufung des Gerichts im Verfahren nach § 123 VwGO, wenn ausreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die zuständige Behörde seinem Begehren entweder nicht oder nicht innerhalb der Zeitspanne entsprochen hätte, nach deren Ablauf dem Rechtsschutzsuchenden diejenigen Nachteile drohen, die mit der beantragten einstweiligen Anordnung abgewehrt werden sollen (vgl. BayVGH, B.v. 28.5.2018 – 22 CE 17.2260 – juris Rn. 74). Dies ist hier anzunehmen, da das von einem Teil der Antragsteller an die ROB gerichtete Schreiben diese lediglich zu einer Fristverlängerung veranlasst hat, die ROB aber nach wie vor eine Entfernung der Möbel im Wege der Ersatzvornahme beabsichtigt.
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c. Das für die vorbeugende Abwehr künftiger Vollstreckungsmaßnahmen vorauszusetzende besondere Rechtsschutzinteresse liegt vor. Den Antragstellern ist nicht zumutbar, zunächst die Durchführung der Vollstreckung abzuwarten, da durch diese regelmäßig bereits vollendete Tatsachen geschaffen werden. Die Zwangsvollstreckung droht auch bereits, da die ROB zu erkennen gegeben hat, dass sie die Vollstreckungsvoraussetzungen für gegeben erachtet, und beabsichtigt, die diesbezüglichen Regelungen der Hausordnung zwangsweise durchzusetzen (vgl. zu diesem Maßstab BVerwG, U.v. 3.6.1983 – 8 C 43/81 – juris Rn. 23 f.).
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2. Der Antrag ist jedoch, soweit zulässig (siehe oben), unbegründet, da das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht wurde (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung (ZPO)). Dem Antragsgegner ist daher nicht vorläufig zu untersagen, Ziffer 7.4 der Hausordnung zu vollstrecken, da die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt sind (a.) und keine Vollstreckungshindernisse vorliegen (b.).
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a. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen sind erfüllt, da Ziffer 7.4 Satz 1 der Hausordnung, wonach das Aufstellen von zusätzlichem Mobiliar grundsätzlich nicht gestattet ist, einen wirksamen Grundverwaltungsakt mit vollstreckungsfähigem Inhalt darstellt (Art. 18 Abs. 1, Art. 19 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 VwZVG).
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aa. Ziffer 7.4 Satz 1 der Hausordnung fordert ein bestimmtes Handeln (in Form eines Unterlassens) und stellt damit als befehlender Verwaltungsakt – anders als eine nicht durch einen Verwaltungsakt konkretisierte, sich unmittelbar aus einer Rechtsnorm ergebende Verpflichtung − einen vollstreckungsfähigen Verwaltungsakt in Form einer benutzungsregelnden Allgemeinverfügung (Art. 35 Satz 2 BayVwVfG) dar (vgl. VGH BW, B.v. 28.6.2021 – 12 S 921/21 – juris Rn. 61 ff., Rn. 69 ff. zu dem in der Hausordnung einer Erstaufnahmeeinrichtung ausgesprochenen Verbot, eigene Möbelstücke einzubringen; BayVGH, U.v. 29.7.2021 − 5 BV 19.2245 − juris Rn. 82 zur Möglichkeit, die Ausübung des Hausrechts in einer Aufnahmeeinrichtung in Form einer Allgemeinverfügung in der Hausordnung zu regeln).
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bb. Die in Ziffer 7.4 der Hausordnung getroffene Regelung ist auch wirksam, da sie den Antragstellern gegenüber bekanntgegeben wurde (Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG). Unerheblich ist, dass vom Antragsgegner nicht bezüglich aller Antragsteller belegt werden kann, dass die Hausordnung übergeben wurde. Die in Ziffer 7.4 getroffene Regelung konnte als Allgemeinverfügung öffentlich bekanntgegeben werden, da aufgrund der hohen Fluktuation in der Unterkunft davon auszugehen ist, dass eine individuelle Bekanntgabe an die Bewohnerinnen und Bewohner untunlich ist, Art. 41 Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG (vgl. zur Zulässigkeit der öffentlichen Bekanntgabe von Benutzungsordnungen öffentlicher Einrichtungen Baer in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, 3. EL August 2022, VwVfG, § 41 Rn. 96). Von einer wirksamen öffentlichen Bekanntgabe (Art. 41 Abs. 4 BayVwVfG) ist aufgrund des Aushangs der Hausordnung in der Unterkunft sowie des Einstellens in das Internet – z.T. sogar in verschiedenen Sprachen – auszugehen. Damit kommt es nicht darauf an, ob ein bloßer Hinweis auf das grundsätzliche Verbot von Fremdmobiliar oder gar eine Aufforderung, ein bestimmtes Möbelstück aus Brandschutzgründen zu entfernen, für eine Bekanntgabe ausreichen kann.
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Der Wirksamkeit der Regelung steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner das eingebrachte Mobiliar bislang nicht im Wege der Verwaltungsvollstreckung hat entfernen lassen. Hierdurch wurde kein über das Prinzip der Selbstbindung der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) zu berücksichtigender Vertrauensschutz zugunsten der Antragsteller geschaffen, zumal die ROB in einzelnen, dokumentierten Fällen zur Entfernung des Fremdmobiliars aufgefordert hat. Es besteht damit bereits keine einheitliche Verwaltungspraxis, die als Duldung des Fremdmobiliars verstanden werden könnte. Angesichts des hohen Stellenwerts des Gesundheits- und Brandschutzes könnte eine bisherige Praxis im Übrigen ohnehin nicht dazu führen, dem Antragsgegner die zwangsweise Entfernung von Fremdmobiliar nun prinzipiell zu verwehren (vgl. zur hohen Bedeutung der Einhaltung gewisser hygienischer und gesundheitlicher Mindeststandards in Aufnahmeeinrichtungen angesichts der Mindestanforderungen an menschenwürdiges Wohnen BVerfG, U.v. 18.7.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – juris Rn. 64).
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cc. Das in Ziffer 7.4 der Hausordnung ausgesprochene Verbot ist auch vollstreckbar. Offenbleiben kann, ob sich die Vollstreckbarkeit über Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG aufgrund der in Ziffer 2.2 Satz 2 der Hausordnung enthaltenen Bestimmung, wonach die Bestimmungen der Hausordnung sofort vollziehbar sind, begründen lässt, obwohl die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht begründet wurde (vgl. hierzu Mosbacher in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG VwZG, 12. Aufl. 2021, VwVG, § 6 Rn. 7). Denn jedenfalls ist vom Eintritt der Bestandskraft der Regelung auszugehen (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG), da die Hausordnung laut den Angaben auf der Internetseite der ROB bereits am 19. April 2021 auf der Internetseite veröffentlicht wurde und mangels entsprechenden Vortrags der Antragsteller auch nicht davon auszugehen ist, dass der Aushang in der Unterkunft noch nicht zur Bestandskraft der Regelung geführt habe.
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dd. Die Antragsteller sind zudem ihrer Pflicht, es zu unterlassen, Fremdmobiliar in die Unterkunft einzubringen, nicht nachgekommen, obwohl ihnen die Erfüllung der Pflicht tatsächlich wie rechtlich möglich ist. Insbesondere wurde von den Antragstellern nicht vorgetragen, dass sie die Benutzung einzelner Möbelstücke (wie z.B. eines Gebetsteppichs) für sich als rechtlich verpflichtend ansähen, wovon bei der Nutzung eines Möbelstücks (z.B. eines Teppichs) bei lediglich kulturell üblichem Verhalten, wie etwa der Einnahme von Mahlzeiten mit der gesamten Familie auf dem Boden, noch nicht auszugehen ist.
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Dabei ist im vorliegenden Vollstreckungsverfahren nicht zu prüfen, ob Ziffer 7.4 der Hausordnung rechtmäßig ist, wobei sich dem Gericht keine ernsthaften Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Regelung aufdrängen. Das umfassende Verbot in Ziffer 7.4 Satz 1 erscheint aufgrund der hohen Bedeutung des hiermit verfolgten Brand- und Gesundheitsschutzes (Ziffer 7.4 Satz 4) angesichts der Möglichkeit der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung (Ziffer 7.4 Satz 2) angemessen.
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b. Es liegen auch keine zu überprüfenden, nach Erlass des zu vollstreckenden Verwaltungsakts aufgetretenen Vollstreckungshindernisse vor.
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aa. Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner ein anderes Zwangsmittel als die angedrohte Ersatzvornahme einzusetzen gedenkt. Auch ist nicht davon auszugehen, dass der Antragsgegner beabsichtige, die Ersatzvornahme vor Ablauf der von ihm gesetzten und bis zur Entscheidung des Gerichts verlängerten Frist vorzunehmen. Unerheblich ist insofern, ob die in dem Schreiben vom 13. Februar 2023 gesetzte zweiwöchige Frist unangemessen kurz war, da jedenfalls zwischenzeitlich hinreichend Zeit verstrichen ist. Dies kann auch berücksichtigt werden, da sich der Antrag nicht gegen die Androhung der Zwangsvollstreckung, sondern deren Durchführung richtet und maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung über den auf Untersagung der Entfernung von Möbeln gerichteten Antrag (§ 123 Abs. 1 VwGO) der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist. Da insofern lediglich die Wirksamkeit der Androhung Vollstreckungsvoraussetzung ist, kommt es nicht darauf an, dass bei Androhung einer kostenpflichtigen Ersatzvornahme der Kostenbetrag in der Androhung vorläufig zu veranschlagen ist (Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG).
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bb. Der Ersatzvornahme steht auch nicht entgegen, dass der Antragsgegner die Genehmigungsfähigkeit des eingebrachten Mobiliars noch nicht geprüft hat.
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Zwar legt die Formulierung der im Schreiben des Antragsgegners vom 13. Februar 2023 aufgegriffenen Ziffer 7.5 Satz 1 der Hausordnung nahe, dass vor einer zwangsweisen Durchsetzung des Verbots, Fremdmobiliar einzubringen eine – von der Stellung einzelner Genehmigungsanträge unabhängige – Prüfung des eingebrachten Mobiliars auf seine Genehmigungsfähigkeit hin erfolge („Liegt für das zusätzliche Mobiliar […] keine Genehmigung vor und sind diese nicht genehmigungsfähig, kann vom Betreiber bzw. der Verwaltungsleitung eine Zwangsräumung durchgeführt werden.“). Hierzu hat der Antragsgegner schriftsätzlich erläutert, dass die Erteilung einer Genehmigung angesichts der Situation in der Unterkunft (massiver Überbestand an Fremdmöbeln, Schimmel, Blockade von Rettungswegen, anstehende Renovierung und Neuausstattung mit Möbeln) nur in Einzelfällen aufgrund besonderer Umstände möglich sei. Im vorliegenden Einzelfall ist daher unter Berücksichtigung des jeweiligen Vortrags und der nur summarischen Prüfung davon auszugehen, dass der Antragsgegner eine Genehmigungsfähigkeit des eingebrachten Mobiliars aufgrund der konkreten Umstände in der Gemeinschaftsunterkunft verneint, soweit nicht eine besondere Ausnahmebegründung für das jeweilige Mobiliar erfolgt. Eine solche gebe es trotz des erneuten Hinweises bislang von keinem der Antragsteller.
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cc. Die angedrohte Ersatzvornahme ist auch nicht unverhältnismäßig.
35
Der Antragsgegner musste die Antragsteller nicht vorrangig durch ein Zwangsgeld zur Erfüllung ihrer Pflicht anhalten (Art. 32 Satz 2, Art. 29 Abs. 3 VwZVG), da ein Zwangsgeld aufgrund der von den Antragstellern geschilderten schwierigen finanziellen Situation keinen Erfolg erwarten lässt.
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Die Ersatzvornahme wäre auch angemessen. Zwar wirft das vom Antragsgegner vorgesehene Prozedere, die Genehmigungsfähigkeit eingebrachten Mobiliars noch vor der Ersatzvornahme zu prüfen, insofern Fragen auf, als hierdurch diejenigen Bewohnerinnen und Bewohner begünstigt scheinen, die ihre Möbel trotz Androhung der Ersatzvornahme nicht entfernen. Allerdings wurden die Antragsteller zwischenzeitlich – und damit vor der Ersatzvornahme, die vom Antragsgegner angesichts des laufenden gerichtlichen Verfahrens noch nicht eingeleitet wurde − darauf hingewiesen, dass eine im Einzelfall ausnahmsweise bestehende Genehmigungsfähigkeit bei der geplanten Begehung noch Berücksichtigung finden könnte, sodass die Antragsteller ihr Verhalten hiernach ausrichten können. Zudem wurde vom Antragsgegner (nochmals) auf die in Ziffer 7.4 der Hausordnung vorgesehene Möglichkeit des Stellens von Anträgen auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung hingewiesen, durch die den Bedürfnissen der Antragsteller Rechnung getragen werden kann. Aufgrund der Zusicherung des Antragsgegners, die Antragsteller im Falle des Fehlens zwingend benötigter Möbel (z.B. Bett) nach der Entfernung eigener Möbel mit Ersatzmobiliar auszustatten, steht nicht zu befürchten, dass es an zwingend benötigten Möbelstücken fehlen wird. Die grundsätzliche Ausstattung mit lediglich einem Mindestmaß an Möblierung trägt dem Umstand Rechnung, dass Gemeinschaftsunterkünfte nicht als dauerhafte Wohnungen gedacht sind und daher mit kurzen Aufenthaltszeiten und einem häufigen Bewohnerwechsel zu rechnen ist. Da nach Angaben des Antragsgegners die meisten Bewohnerinnen und Bewohner verpflichtet oder zumindest berechtigt sind, in eine Privatwohnung umzuziehen, kann dem Antragsgegner trotz der teilweisen langen Dauer des Verbleibs in der Unterkunft insbesondere aufgrund des notwendigen Brand- und Gesundheitsschutzes nicht angelastet werden, dass er die Möblierung grundsätzlich auf die von ihm zur Verfügung gestellten Möbelstücke begrenzen will. Auch wenn nachvollziehbar ist, dass die Antragsteller ihre Zimmer wohnlicher gestalten und einen späteren Auszug vorbereiten möchten, führt dies nicht zur Unangemessenheit einer Ersatzvornahme, da die Antragsteller durch die Bekanntgabe der Regelung der Hausordnung über das grundsätzliches Verbot von Fremdmobiliar mit Genehmigungsvorbehalt informiert waren und die Anschaffung der Möbel damit auf eigenes Risiko erfolgte, dem Antragsgegner damit etwaige Kosten für eine Einlagerung auch nicht angelastet werden können.
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dd. Die Entscheidung des Antragsgegners für die Ersatzvornahme ist angesichts der konkreten Situation in der Unterkunft und der unmittelbar bevorstehenden Renovierung und Ausstattung mit neuem Mobiliar auch nicht als ermessensfehlerhaft anzusehen (§ 114 Satz 1 VwGO).
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Der festgesetzte Streitwert beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz in Verbindung mit den Empfehlungen in Nrn. 1.1.3 Hs. 3, 1.7.1 Satz 1 und 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.