Titel:
Tierschutzrechtliche Anordnungen
Normenkette:
TierschG § 16 a Abs. 1 S. 1
Schlagwort:
Tierschutzrechtliche Anordnungen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 11610
Tenor
I. Die Verfahren werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Klagen werden abgewiesen.
III. Der Kläger hat die Kosten der Verfahren zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt
Tatbestand
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Die Klagen wenden sich gegen tierschutzrechtliche Bescheide.
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Der Kläger, Herr J. H. sen., ist Landwirt und hält Rinder, Kälber und Hunde. Nach Beanstandung des Milchprüfrings wegen erhöhter Keimzahlen in der Milch vom Hof des Klägers wurde der Betrieb des Klägers am 8. November 2019 durch Veterinäre des Landratsamts kontrolliert. Im Anschluss daran erging der erste streitgegenständliche Bescheid vom 21. November 2019, gerichtet an Herrn J. H. sen., mit dem dem Kläger umfangreiche tierschutzrechtliche zwangsgeldbewährte Handlungspflichten in Bezug auf die Hunde, Rinder und Kälberhaltung auferlegt wurden (siehe im Einzelnen die Ziffern.1. bis 9 des Bescheidstenors). Sofortvollzug wurde angeordnet.
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Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, welcher mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 6. Mai 2021 zurückgewiesen wurde.
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Nach einer Kontrolle vom 4. Dezember 2019, die die Überprüfung der im Bescheid vom 21. November 2019 beanstandeten Mängel zum Gegenstand hatte, erging ein weiterer Bescheid vom 17. Januar 2020, welcher die meisten der Anordnungen des Bescheides vom 21.11.2019 wiederholte und neue Anordnungen lediglich dahingehend enthielt, dass beiden Hunden jederzeit Wasser und Futter in ausreichender Menge und Qualität zur Verfügung stehen müsse und Mastrindern in Laufboxen ausreichender Platz zur Verfügung gestellt werden müsse, sodass sich alle Tiere gleichzeitig ablegen könnten. Die Fristen wurden angepasst und für den Fall der Nichterfüllung erhöhte Zwangsgelder von 300 bzw. 450 EUR angedroht. Sofortvollzug wurde angeordnet.
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Auch gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, welcher mit Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 6. Mai 2021 zurückgewiesen wurde.
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Mit zwei Schreiben vom 2. Juni 2021, eingegangen bei Gericht jeweils am 8. Juni 2021 erhob der Sohn des Klägers (laut Briefkopf J. H. jun.) gegen den Bescheid vom 21. November 2019 und den Bescheid vom 17. Januar 2020 sowie die jeweiligen Widerspruchsbescheide vom 6. Mai 2021 jeweils Klage, welche bei Gericht unter den Aktenzeichen M 23 K 21.3013 und M 23 K 21.3015 geführt werden. Er beantragt sinngemäß
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die Aufhebung der Bescheide vom 21.11.2019 und 17.1.2021 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 6.5.2021.
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Eine Begründung wurde über die Behauptung hinaus, dass die Bescheide rechtverletzend seien, nicht gegeben.
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Mit Schriftsatz vom 12. August 2021 beantragte der Beklagte in beiden Verfahren jeweils
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Auf die Begründung wird verwiesen.
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Mit Schreiben vom 17. Januar 2023 beantragte der Kläger in beiden Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts.
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Mit Beschluss vom 5. Januar 2023 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Am 21. April 2023 hat die mündliche Verhandlung stattgefunden, zu der von den Beteiligten niemand erschienen ist.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht konnte über die Sache entscheiden, obwohl keiner der Beteiligten zur mündlichen Verhandlung erschienen ist. Die Beteiligten wurden ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen, dass auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
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Das Gericht hat die Klagen nach § 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
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Die Klagen sind zulässig erhoben. Der Sohn des Klägers J. H. junior ist befugt, seinen Vater, den Kläger, im Rechtsstreit zu vertreten, § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VwGO.
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Die Klagen sind unbegründet. Die beiden streitgegenständlichen Bescheide vom 21. November 2019 und vom 17. Januar 2020 in Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide vom 6. Mai 2021 sind jeweils rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die einzelnen Anordnungen in den Bescheiden können sich jeweils auf die Rechtsgrundlage des § 16a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Tierschutzgesetz (TierschG) stützen. Im Einzelnen wird verwiesen auf die Begründung der Ausgangsbescheide und der Widerspruchsbescheide, denen das Gericht folgt, § 117 Abs. 5 VwGO.
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Darüber hinaus wird lediglich wie folgt ergänzt:
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Die tierschutzrechtlichen Mängel wurden durch das Veterinäramt des Landratsamts bei Kontrollen vor Ort festgestellt. Die entsprechenden aktenkundigen Protokolle vom 15. November 2019 sowie 6. Dezember 2019 enthalten veterinärfachlich begründete, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Angaben zu den tierschutzrechtlichen Zuständen auf dem Hof des Klägers und lassen erkennen, dass jeweils Anlass zu tierschutzrechtlichem Einschreiten besteht und welche Maßnahmen zur Abhilfe angezeigt sind.
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Die Anordnungen sind auch hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG, indem ihnen mithilfe der einschlägigen Normen und Regelwerke, nämlich der Tierschutz-Hundeverordnung, der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sowie der Tierschutzleitlinien für die Mastrinderhaltung jeweils hinreichend sicher entnommen werden kann, was dem Kläger als Handlungs- oder Unterlassungspflichten aufgegeben wird.
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Ziffer 9 des Bescheides vom 21.11.2019, wonach bei zukünftigen Kontrollen das Betreten der Tierhaltungen und der zugehörigen Räumlichkeiten durch das Veterinäramt zu ermöglichen und die Behörde kooperativ und wahrheitsgemäß zu unterstützen ist sowie zugehörige Dokumentationen vorzuzeigen sind, kann sich auf § 16 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 Tierschutzgesetz stützen (BayVGH, B.v. 14.07.2020 – 23 CS 20.1087 -juris).
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Der Ausgangsbescheid vom 21. November 2019 enthält keine Ermessenserwägungen. Diese sind aber im Widerspruchsbescheid der Regierung von Oberbayern vom 6. Mai 2021 nachgeholt, was bei der Beurteilung durch das Gericht dazu führt, dass ein Ermessensausfall nicht festgestellt werden kann, da Gegenstand der Prüfung der Ausgangsbescheid in der Gestalt ist, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat, § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Dagegen enthält der Bescheid vom 17.01.2020 die erforderlichen Ermessenserwägungen. Eine Unverhältnismäßigkeit der Anordnungen vermag das Gericht nicht festzustellen. Vielmehr enthalten die Bescheide weitestgehend tierschutzrechtliche Selbstverständlichkeiten, wie das Gebot, den Tieren täglich ausreichend Wasser und Futter zur Verfügung zu stellen
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Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass sich der erste Bescheid durch die inhaltsgleichen Anordnungen des zweiten Bescheides insoweit erledigt hat, da es keinen Sinn macht, den Kläger bei unveränderter Sach- und Rechtslage zweimal mit inhaltsgleichen Anordnungen zu belegen.
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Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war bereits aus formellen Gründen deshalb abzulehnen, weil der Kläger dem Antrag nicht die gemäß § 166 VwGO i.V.m § 117 Abs. 2 ZPO erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat folgen lassen. Im Übrigen bestanden auch keine hinreichenden Erfolgsaussichten nach § 166 VwGO, § 114 ZPO, s.o.