Inhalt

VG München, Gerichtsbescheid v. 04.04.2023 – M 1 K 19.1852
Titel:

Erfolglose Klage auf Erteilung eines Vorbescheides zur Errichtung eines Holz- und Gerätehauses im Außenbereich

Normenkette:
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3
Leitsatz:
Der Schutz der natürlichen Eigenart der Landschaft,die geprägt wird von der naturgegebenen Art der Bodennutzung, einschließlich von Eigentümlichkeiten der Bodenformation und ihrer Bewachsung, soll eine wesensfremde Bebauung des Außenbereichs verhindern und verfolgt den Zweck, dass der Außenbereich mit seiner naturgegebenen Bodennutzung für die Allgemeinheit erhalten bleibt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erteilung eines Vorbescheides, Errichtung eines Nebengebäudes im Außenbereich, Sonstiges Vorhaben;, Bezugsfälle, Bauplanungsrecht, Außenbereich, Holz-und Gerätehaus, sonstiges Vorhaben, keine Privilegierung, Flächennutzungsplans, öffentlicher Belang, natürliche Eigenart der Landschaft, Splittersiedlung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 11604

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Erteilung eines Vorbescheids zur Errichtung eines 12 m mal 8 m großen Holz- und Gerätehauses, teils als zukünftigen H.platz, auf seinem im Außenbereich gelegenen Grundstück FlNr. 393 Gem. …, als Ersatz für einen verfallenen Stadel, der sich ausweislich des amtlichen Lageplans vom 25. September 2002 weiter südlich auf dem Grundstück des Klägers befunden hat. Im Flächennutzungsplan der Gemeinde … ist das Vorhabengrundstück als landwirtschaftliche Fläche festgesetzt.
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Mit am 14. Dezember 2017 beim Beklagten eingegangenem Antrag beantragte der Kläger für o.g. Vorhaben die Erteilung eines Vorbescheids mit folgenden Fragen:
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„1. Standortauswahl: Ist der gekennzeichnete Standort für eine Bebauung geeignet anzusehen und baurechtlich unproblematisch?“ sowie „2. Größe des Gebäudes: Der in der Vergangenheit hier platzierte Stadel wies eine gleiche Größe auf. Ist diese Größe des Gebäudes legitim?“.
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Die Gemeinde, die dabei von einer Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ausging, erteilte mit Beschluss vom 6. Dezember 2017 ihr Einvernehmen. Gleichwohl hörte der Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 30. Mai 2018 zur beabsichtigten Ablehnung des Vorbescheidsantrags an. Das Vorhaben diene nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb und widerspreche als sonstiges Vorhaben den Festsetzungen des Flächennutzungsplans. Zudem beeinträchtige es die natürliche Eigenart der Landschaft, im Außenbereich von Bebauung frei zu sein. Das Nebengebäude sei mit seiner Grundfläche von 12 m auf 8 m überdimensioniert.
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Hierzu brachte der Kläger zunächst vor, zwar diene das Vorhaben natürlich keinem landwirtschaftlichen Zweck, es sei jedoch beabsichtigt, zukünftig eine Hackschnitzelheizung samt Lagerfläche einzubauen. Auf dem Vorhabengrundstück habe weiter südlich früher schon ein Stadel gestanden, dieser sei jedoch aufgrund eines herabgestürzten Baumes eingefallen. In einem weiteren Schreiben fragte er nach, weshalb er nicht als Landwirt gelte, obschon er jährlich Unfallversicherung an die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft für dieses Grundstück bezahle. Er verwies zudem auf Gebäude im Gemeindegebiet, die nach seiner Ansicht im Außenbereich errichtet worden und damit seinem Vorhaben vergleichbar seien.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 1. April 2019 lehnte der Beklagte die Erteilung des Vorbescheids aus den in der Anhörung angeführten Gründen ab. Das Vorhaben würde zudem einen Bezugsfall schaffen, weil es noch weiter in den Außenbereich hineinführe.
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Hiergegen hat der Kläger mit am 29. April 2019 bei Gericht eingegangenem Schreiben Klage erhoben und beantragt sinngemäß,
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den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids zu verpflichten, den beantragten Vorbescheid zu erteilen.
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Es handle sich bei dem Bauvorhaben um einen Ersatzbau für den eingefallenen Stadel. Zudem verwies er erneut nachdrücklich auf drei Gebäude im Gemeindegebiet, die seines Erachtens im Außenbereich errichtet und damit vergleichbar seien. Es komme der Verdacht auf, dass mit zweierlei Maß gemessen worden sei.
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Der Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
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Das nicht privilegierte Vorhaben widerspreche den Festsetzungen des Flächennutzungsplans und beeinträchtigte die natürliche Eigenart der Landschaft stark. Zudem sei der Bedarf aufgrund einer im Jahr 2002 genehmigten Holzlege sowie einer Doppelgarage mit Unterkellerung nicht nachvollziehbar. Ein räumlicher Zusammenhang zum Wohnhaus sei nicht erkennbar. Der Beklagte nahm zudem Bezug auf die vom Kläger herangezogenen Gebäude und führte aus, weshalb diese seines Erachtens nicht vergleichbar seien.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage – über die nach Anhörung der Beteiligten im Wege des Gerichtsbescheids gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, weil sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist – hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheids nicht zu, weil das Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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1. Das Vorhaben, das sich offensichtlich nicht innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile im Sinne von § 34 BauGB befindet, ist als Außenbereichsvorhaben nicht nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegiert. Es dient offensichtlich nicht einem landwirtschaftlichen Betrieb. Hierfür ist unerheblich, ob und weshalb der Kläger, wie er vorgetragen hat, jährliche Beiträge zur Unfallversicherung bei der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft zahlt. Es ist nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen, dass das Vorhaben einem landwirtschaftlichen Betrieb dienen soll.
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2. Das Vorhaben muss sich daher als sonstiges Vorhaben an den Voraussetzungen des § 34 Abs. 2 BauGB messen lassen. Danach können sonstige Vorhaben im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
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2.1 Das Vorhaben widerspricht bereits den Festsetzungen des Flächennutzungsplans der Gemeinde … und damit dem öffentlichen Belang gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Im Flächennutzungsplan ist das Grundstück des Klägers als Fläche für die Landwirtschaft festgesetzt. Es handelt sich vorliegend aber gerade nicht um ein landwirtschaftliches Vorhaben.
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2.2 Zudem beeinträchtigt das Vorhaben die natürliche Eigenart der Landschaft, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB schützt die Wahrung der natürlichen Eigenart der Landschaft, um eine wesensfremde Bebauung des Außenbereichs zu verhindern. Die natürliche Eigenart der Landschaft wird geprägt von der naturgegebenen Art der Bodennutzung, einschließlich von Eigentümlichkeiten der Bodenformation und ihrer Bewachsung. Dieser Belang verfolgt den Zweck, dass der Außenbereich mit seiner naturgegebenen Bodennutzung für die Allgemeinheit erhalten bleibt. Die Landschaft soll in ihrer natürlichen Funktion und Eigenart bewahrt bleiben. Aus diesem Grund sollen bauliche Anlagen abgewehrt werden, die der Landschaft we-sensfremd sind oder die der Allgemeinheit Möglichkeiten der Erholung entziehen (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 147. EL August 2022, Rn. 96 zu § 35). Eine Bebauung mit Nebengebäuden, die nicht der Landwirtschaft dienen, ist dem Außenbereich naturgemäß wesensfremd, sodass das Vorhaben diesen öffentlichen Belang beeinträchtigt.
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2.3 Daneben ließe die Verwirklichung des Vorhabens das Entstehen einer Splittersiedlung befürchten, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB. Anliegen dieses öffentlichen Belangs ist es, eine unorganische Siedlungsstruktur und Zersiedlung des Außenbereichs zu verhindern. Dabei könnte die Verwirklichung des streitgegenständlichen Vorhabens ein Präjudiz für eine Fortsetzung der Bebauung südlich des Wohnhauses des Klägers darstellen und damit eine unorganische Ausweitung der Siedlungsstruktur zur Folge haben.
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2.4 Das Vorhaben ist auch nicht nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB teilprivilegiert. Danach kann der alsbaldigen Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle nicht entgegengehalten werden, dass sie Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1, 2, 5, 7 BauGB beeinträchtigt, soweit sie im Übrigen außenbereichtsverträglich im Sinne von § 35 Abs. 3 BauGB ist. Dies scheitert vorliegend schon daran, dass der Stadel ausweislich des Auszugs aus dem amtlichen Lageplan vom 25. September 2002 nicht an der Stelle errichtet werden soll, an der sich der zerstörte Stadel befunden hat, sondern mehrere Meter nördlich davon.
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2.5 Es kann für den vorliegenden Rechtsstreit, der auf Erteilung des begehrten Vorbescheids gerichtet ist, dahinstehen, inwiefern die vom Kläger benannten Gebäude formell und materiell baurechtmäßig und seinem Vorhaben vergleichbar sind. Denn selbst wenn diese Vorhaben vergleichbar wären, ergäbe sich hieraus für den Kläger kein Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheids. Bereits aus rechtsstaatlichen Erwägungen erklärt sich, dass es einen Anspruch auf Erteilung eines rechtswidrigen Bescheids nicht gibt.
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2.6 Die zweite Vorbescheidsfrage, mit der der Kläger geklärt haben möchte, ob angesichts der Größe des zerstörten Stadels die Größe des nun geplanten Stadels legitim sei, erübrigt sich aufgrund der Verneinung der ersten Vorbescheidsfrage. Das Vorhaben ist schon nach Art der Nutzung bauplanungsrechtlich im Außenbereich nicht zulässig. Die zweite Vorbescheidsfrage kann auch nicht losgelöst von der Art der Nutzung beantwortet werden, denn es ergeben sich jeweils unterschiedliche Prämissen für die Ausmaße eines Vorhabens, schon im Hinblick auf das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs.
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3. Die Klage war daher mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 167 VwGO i.V.m. §§ 704 ff. ZPO.