Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 16.01.2023 – AN 2 K 22.01122
Titel:

Kein Anspruch auf Ausbildungsförderung – rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung

Normenkette:
BAföG § 11 Abs. 1, Abs. 2, § 26, § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Leitsatz:
Hinsichtlich des Vermögensumfangs ist anerkannt, dass dem Auszubildenden fiktiv Vermögen zugerechnet wird, das er – ggf. auch zivilrechtlich wirksam – vor der Beantragung von Ausbildungsförderung unentgeltlich auf Dritte überträgt, sofern die Übertragung dem mit der Vermögensanrechnung verfolgten Gesetzeszweck widerspricht und daher als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist; der Gesetzeszweck der Vermögensanrechnung liegt darin, den in § 1 BAföG verankerten Nachrang der staatlichen Ausbildungsförderung durchzusetzen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
rechtsmissbräuchliche Vermögensverfügung, Frage der Heilung einer rechtsmissbräuchlichen Vermögensverfügung durch Rückabwicklung, Ausbildungs- und Studienförderungsrecht, rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung, fiktive Anrechnung von Vermögen, gleichwertige Gegenleistung, Rechtsgrund, Rückabwicklung, Heilung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 11236

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin erstrebt mit ihrer Klage eine höhere monatliche Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) als bisher vom Beklagten bewilligt.
2
Die am ... 2000 geborene Klägerin studiert seit dem Wintersemester 2019/2020 im Studiengang Umweltsicherung (Bachelor) an der Hochschule … Im Wintersemester 2021/2022 leistete sie vom 9. August 2021 bis 18. Januar 2022 ein praktisches Studiensemester ab.
3
Unter dem 17. August 2019, beim Beklagten eingegangen am 9. September 2019, beantragte sie erstmals die Leistung von Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum 10/2019 bis 09/2020. Im Rahmen der Antragstellung gab sie mit bei dem Beklagten am 1. Oktober 2019 eingegangenem aktualisierten Formblatt an, im Bewilligungszeitraum voraussichtlich Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 2,00 EUR zu erzielen und Bargeld in Höhe von 10,00 EUR zu haben (Zeile 92). Die Höhe ihres Bank- und Sparguthabens bezifferte sie mit 4.957,00 EUR (Zeile 93), die Höhe ihres Bauspar- und Prämiensparguthabens mit 1.242,00 EUR (Zeile 94). Weiteres Vermögen, Schulden und Lasten bzw. freizustellende Vermögenswerte (Zeilen 95-104, 106 -112) habe sie nicht. Eingereicht war ferner eine Vertragsübersicht der Sparkasse … Diese enthielt die jeweiligen Kontostände zum 26. September 2019 für die Konten …, …, … und … Handschriftlich war zudem vermerkt, dass der Bausparvertrag bei der … mit der Nummer … einen Stand von 1.177,84 EUR aufweise und innerhalb dieses Vertrages ein Prämienanspruch in Höhe von 108,69 EUR bestehe. Insoweit war eine Übersicht der … für den genannten Bausparvertrag zum Stand 26. September 2019 beigefügt. Aus einer weiter eingereichten Übersicht der Sparkasse … geht eine Umbuchung von der Spareinlage mit der Kontonummer … am 29. Juli 2019 in Höhe von 6.800,00 EUR auf das Konto der Mutter der Klägerin hervor. Handschriftlich durch die Mutter vermerkt und von dieser unterschrieben ergibt sich daraus zudem, dass die Summe für einen geplanten Autokauf für das Studium der Klägerin in … bestimmt sei.
4
Mit Schreiben vom 5. November 2019 wurden Nachweise über den aktuellen Zeitwert des Kraftfahrzeuges, eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I, der aktuelle Kilometerstand sowie eine Kopie des Kaufvertrages angefordert. Weiter wurde u.a. um Erklärung dahingehend gebeten, ob es einen schriftlichen Darlehensvertrag gebe, der Grundlage für den Übertrag am 29. Juli 2019 an die Mutter gewesen sei.
5
Mit bei dem Beklagten am 26. November 2019 eingegangenem Schreiben teilte die Klägerin mit, dass der Kauf eines Autos zurückgestellt worden sei, da sich eine Mitfahrgelegenheit gefunden habe und so kein eigenes Auto benötigt werde. Es gebe keinen Darlehensvertrag mit der Mutter, es handele sich um eine mündliche Vereinbarung.
6
Mit Bescheid vom 3. März 2020 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die Berechnung keine monatliche Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum 10/2019 bis 09/2020 ergebe. Das Vermögen der Klägerin wurde insoweit bei der Berechnung auf 12.836,70 EUR festgesetzt, sodass nach Abzug des Vermögensfreibetrages von 7.500,00 EUR ein Reinvermögen in Höhe von 5.336,70 EUR verblieb. Es wurde darauf hingewiesen, dass rechtsmissbräuchlich übertragenes Vermögen in Höhe von 6.800,00 EUR angerechnet worden sei und sich der Betrag aus der Überweisung an die Mutter am 29. Juli 2019 ergebe. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
7
Unter dem 17. August 2020, beim Beklagten eingegangen am gleichen Tag, beantragte die Klägerin die Leistung von Ausbildungsförderung für den Bewilligungszeitraum 10/2020 bis 09/2021. Im Rahmen der Antragstellung gab sie an, Bargeld in Höhe von 20,00 EUR zu haben (Zeile 92). Die Höhe ihres Bank- und Sparguthabens bezifferte sie mit 3.448,00 EUR (Zeile 93), die Höhe ihres Bauspar- und Prämiensparguthabens mit 1.489,00 EUR (Zeile 94). Zu weiterem Vermögen, Schulden und Lasten bzw. freizustellenden Vermögenswerten (Zeilen 95-104, 106-111) machte sie keine Angaben.
8
Nach Anforderung durch den Beklagten ging am 30. August 2020 eine Übersicht der Sparkasse … vom 28. August 2020 für die dortigen Konten der Klägerin ein. Hieraus ergeben sich für die Klägerin zum Stand 17. August 2020 folgende Vermögenswerte:
- Kontonummer …: 693,82 EUR
- Kontonummer …: 48,55 EUR
- Kontonummer …: 800,06 EUR
- Kontonummer …: 1.821,96 EUR
9
Eingereicht war zudem eine Übersicht zum Bausparvertrag mit der Nummer … mit einem Kapitalsaldo in Höhe von 1.415,98 EUR zum Stand 17. August 2020 sowie ein Finanzstatus der … für die Konten … und … mit einer Summe in Höhe von 20,58 EUR zum Stand 30. August 2020.
10
Mit Bescheid vom 25. September 2020 wurde der Klägerin Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 153,00 EUR (davon 76,50 EUR als Zuschuss und 76,50 EUR als Darlehen) für den Zeitraum 10/2020 bis 07/2021 bewilligt. Keine Bewilligung erfolgte für den Zeitraum 08/2021 bis 09/2021. Das Vermögen der Klägerin wurde hierbei auf 11.479,35 EUR festgesetzt, sodass nach Abzug des Vermögensfreibetrages von 8.200,00 EUR ein Reinvermögen in Höhe von 3.279,35 EUR zur Anrechnung gekommen war. Hingewiesen war u.a. darauf, dass rechtsmissbräuchlich übertragenes Vermögen in Höhe von 6.800,00 EUR angerechnet worden sei und sich dieser Betrag aus der Überweisung an die Mutter am 29. Juli 2019 ergebe.
11
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 1. Oktober 2020, beim Beklagten eingegangen am 5. Oktober 2020, Widerspruch. Ihr berechnetes Vermögen sei nicht korrekt. Es sei der Betrag in Höhe von 6.800,00 EUR, der am 29. Juli 2019 an ihre Mutter überwiesen worden sei, in voller Höhe berücksichtigt worden. Allerdings sei regelmäßig Geld von der Mutter zurücküberwiesen worden, um das Studium zu finanzieren. Dies lasse sich den beigefügten Kontoauszügen entnehmen. Außerdem seien 200,00 EUR in den Bausparvertrag eingezahlt worden. Der Betrag habe sich somit um 4.150,00 EUR verringert und liege nun bei 2.650,00 EUR.
12
Mit Bescheid vom 2. Oktober 2020 wurde der Klägerin auf Grund der Einreichung des Feststellungsbescheides des Versorgungsamtes betreffend ihren Vater Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 159,00 EUR (davon 79,50 EUR als Zuschuss und 79,50 EUR als Darlehen) für den Zeitraum 10/2020 bis 07/2021 bewilligt. Keine Bewilligung erfolgte für den Zeitraum 08/2021 bis 09/2021. Das Vermögen der Klägerin wurde hierbei erneut auf 11.479,35 EUR festgesetzt, sodass nach Abzug des Vermögensfreibetrages von 8.200,00 EUR ein Reinvermögen in Höhe von 3.279,35 EUR zur Anrechnung gekommen war. Hingewiesen war darauf, dass frühere Bescheide insoweit aufgehoben würden, als in diesem Bescheid für gleiche Zeiträume Entscheidungen getroffen würden.
13
Mit Bescheid vom 1. Oktober 2021 wurde der Klägerin nach Vorlage eines Wohnraummietvertrages ab 1. August 2021 Ausbildungsförderung in Höhe von monatlich 138,00 EUR (davon 69,00 EUR als Zuschuss und 69,00 EUR als Darlehen) für den Zeitraum 10/2020 bis 09/2021 bewilligt. Das Vermögen der Klägerin wurde hierbei erneut auf 11.479,35 EUR festgesetzt, sodass nach Abzug des Vermögensfreibetrages von 8.200,00 EUR ein Reinvermögen in Höhe von 3.279,35 EUR zur Anrechnung gekommen war. Hingewiesen war darauf, dass frühere Bescheide insoweit aufgehoben würden, als in diesem Bescheid für gleiche Zeiträume Entscheidungen getroffen würden. Zudem erfolgte der Hinweis, dass über den Widerspruch vom 5. Oktober 2020 gesondert entschieden werde.
14
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2022, der Klägerin zugestellt am 23. März 2022, wurde der Widerspruch vom 5. Oktober 2020 zurückgewiesen. Der Widerspruch sei sachlich nicht begründet. Der Übertrag vom 29. Juli 2019 in Höhe von 6.800,00 EUR, den die Klägerin an ihre Mutter geleistet habe, sei in zeitlichem Zusammenhang sowie rechtsgrundlos erfolgt, da keine Zahlungspflicht nachgewiesen worden sei, und stehe im Widerspruch zum Gesetzeszweck. Daher sei das übertragene Vermögen gem. Teilziffer 27.1.2 der allgemeinen Verwaltungsvorschriften des BAföG weiterhin anzurechnen gewesen. Die Rechtswidrigkeit der ursprünglichen Übertragung sei von der Klägerin nicht mehr bestritten worden. Der Zeitpunkt der Antragstellung sei der 17. August 2020 gewesen. In der Folge enthält der Widerspruchbescheid die nachfolgende Tabelle:

Datum

Betrag

Leistender

Verwendungszweck

Sonstiges

04.11.2019

400,00

Unterhalt Oktober und November

Kann nicht anerkannt werden, da die Leistung vom Unterhalt nicht gleichzeitig eine Rückübertragung eines RMÜ sein kann.

27.12.2019

200,00

Bausparvertrag (Überweisung direkt auf Bausparkonto, nicht auf Girokonto)

Kann nicht anerkannt werden. Kein Zusammenhang ersichtlich.

03.01.2020

800,00

Umbuchung auf Girokonto

Kann nicht anerkannt werden. Kein Zusammenhang ersichtlich.

04.03.2020

120,00

K...

Kann nicht anerkannt werden. Kein Zusammenhang ersichtlich.

31.03.2020

260,00

Unterhalt

Kann nicht anerkannt werden, da die Leistung vom Unterhalt nicht gleichzeitig eine Rückübertragung eines RMÜ sein kann.

21.04.2020

800,00

Studium …

Kann nicht anerkannt werden. Kein Zusammenhang ersichtlich.

25.05.2020

320,00

Kann nicht anerkannt werden. Kein Zusammenhang ersichtlich.

23.06.2020

350,00

… – Juli

Kann nicht anerkannt werden. Kein Zusammenhang ersichtlich.

01.09.2020

900,00

Umbuchung

Kann nicht anerkannt werden. Kein Zusammenhang ersichtlich.

Summe

4.150,00

15
Die von der Klägerin geltend gemachte Rückübertragung durch die Mutter könne die Höhe des rechtswidrig übertragenen Vermögens in Höhe von 6.800,00 EUR nicht mindern, da die Zahlungen der Mutter an die Klägerin nicht als eine Rückübertragung im förderungsrechtlichen Sinne erkennbar bzw. nicht von Unterhaltszahlungen oder Schenkungen abgrenzbar seien. Es sei weder von den Zeitpunkten der Zahlungen noch von den Beträgen noch vom Verwendungszweck ein Zusammenhang zwischen der Übertragung in Höhe von 6.800,00 EUR und der Überweisungen an die Klägerin in Höhe von insgesamt 4.150,00 EUR erkennbar. Dies gelte sowohl für die Zahlungen auf das Girokonto der Klägerin als auch für die einmalige Zahlung in Höhe von 200,00 EUR auf deren Bausparvertrag. Eine Reduktion des zugerechneten Vermögens in Höhe von 6.800,00 EUR um 4.150,00 EUR wäre demnach nicht rechtens gewesen.
16
Mit Schriftsatz vom 13. April 2022 hat die Klägerin Klage erhoben.
17
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen sinngemäß aus, nachdem der geplante Autokauf nicht zustande gekommen sei, seien die Rückzahlungen auf ihren Wunsch zum Bestreiten des Lebensunterhalts wie Miete, Fahrtkosten, Studienmaterial, Kleidung usw. erfolgt. Dies habe dem Beklagten leider nicht vermittelt werden können, obwohl laut dem Bescheid über die Bewilligung von Ausbildungsförderung vom 25. September 2020 sowie nach dem Bescheid vom 1. Oktober 2021 kein Einkommen ihrer Mutter angerechnet worden sei. Wenn für den Beklagten kein Zusammenhang ersichtlich sei, erkläre ihre Mutter diesen Zusammenhang.
18
Der Klageschrift war beigefügt eine Erklärung der Mutter der Klägerin vom 12. April 2022, in der diese im Wesentlichen mitteilt, der an sie überwiesene Betrag in Höhe von 6.800,00 EUR sei für einen Autokauf der Klägerin vorgesehen gewesen. Die Vereinbarung sei mündlich erfolgt. Nachdem der Autokauf wegen Mitfahrgelegenheiten aufgegeben worden war, habe der Betrag zur Finanzierung des Studiums verwendet werden können (Miete, Lebensunterhalt, Fahrtkosten, Kleidung, Studienmaterial etc.). Zwischen dem 4. November 2019 und dem 1. September 2020 seien deswegen auf Wunsch der Klägerin Rückzahlungen in Höhe von insgesamt 4.150,00 EUR erfolgt. Trotzdem werde dem Vermögen ihrer Tochter weiterhin der Betrag von 6.800,00 EUR hinzugerechnet. Das entspreche nicht den Tatsachen.
19
Die Klägerin beantragt wörtlich:
1. Der Widerspruchsbescheid vom 21.03.2022 wird aufgehoben.
2. Das Amt wird angewiesen, bei der Berechnung des BAföG-Anspruchs den Betrag in Höhe von Euro 4.150,00 nicht dem Reinvermögen der Antragstellerin für den zweiten Bewilligungszeitraum 10/2020 bis 09/2021 hinzuzurechnen.
20
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
21
Auch das Vorbringen im Klageverfahren könne zu keiner anderen Beurteilung des Sachverhalts führen. Die Klägerin mache im Widerspruchsverfahren wie auch im Klageverfahren einen Verbrauch der rechtsmissbräuchlich übertragenen 6.800,00 EUR in Höhe von insgesamt 4.150,00 EUR geltend. Die letzte von der Klägerin vorgetragene Überweisung der Mutter an die Klägerin vom 1. September 2020 in Höhe von 900,00 EUR sei nach der streitgegenständlichen Antragstellung vom 17. August 2020 erfolgt, so dass sie bereits aus diesem Grund nicht als Verbrauch im Rahmen der Antragstellung vom 17. August 2020 berücksichtigt werden könne. Soweit die Klägerin bzgl. der Antragstellung am 17. August 2020 einen Verbrauch der der Mutter übertragenen Summe in Höhe von 4.150,00 EUR geltend gemacht habe, werde darauf hingewiesen, dass sich die angeblichen Rückzahlungen im Zeitraum vom 7. November 2019 bis 1. September 2020 zum Bestreiten des Lebensunterhalts nicht von – ggf. freiwilligen – Unterhaltszahlungen oder Schenkungen abgrenzen ließen. Die Zahlungen hätten gerade nicht den Zweck der bloßen Rückabwicklung des angeblich geschlossenen Darlehens verfolgt, sondern den Unterhalt der Klägerin sichern sollen. Dies zeigten bereits die Überweisungen vom 7. November 2019 und 31. März 2020 mit dem Verwendungszweck „Unterhalt Oktober und November“ bzw. „Unterhalt“. Es fehle außerdem an einem substantiierten Vortrag der Klägerin, dass sie und ihre Mutter vereinbart hätten, dass die überwiesenen 6.800,00 EUR rückabgewickelt werden sollten. Unklar sei, wann, warum und mit welchem Inhalt eine solche Abrede ggf. getroffen worden sei, insbesondere ggf. wann Teilzahlungen in welcher Höhe fällig werden sollten. Die Klägerin habe hierzu lediglich ausgeführt, die Rückzahlungen seien auf ihren Wunsch erfolgt und dass sie sich vorbehalte, weitere Rückübertragungen für ihren Lebensunterhalt von ihrer Mutter anzufordern. Es erschließe sich zudem nicht, warum die Klägerin überhaupt eine solche Abrede mit ihrer Mutter hätte treffen sollen, da sie ihren Lebensunterhalt durch die einmalige Überweisung der 6.800,00 EUR problemlos hätte bestreiten können. Dies gelte auch für die Überweisung der 200,00 EUR auf das Bausparkonto der Klägerin durch ihre Mutter. Wie bereits im Widerspruchsbescheid ausgeführt, sei den Unterlagen der Klägerin nicht hinreichend zu entnehmen, dass die geltend gemachten Zahlungen überhaupt in einem Zusammenhang mit der Überweisung vom 29. Juli 2019 stünden. Neben den o.g. Formulierungen fänden sich im Verwendungszweck auch noch solche wie „Umbuchung auf Girokonto“, „K...“, „…“ oder „Studium …“. Hätte die Klägerin mit ihrer Mutter die Rückabwicklung der Überweisung vereinbart, so wäre zu erwarten gewesen, dass sich diese Vereinbarung auch in den Formulierungen des Verwendungszwecks wiederfinden würde. Insgesamt betrachtet könne daher ein tatsächlicher Vermögensverbrauch nicht angenommen werden, da davon auszugehen sei, dass eine entsprechende Rückabwicklung tatsächlich nicht erfolgt sei. Die Klägerin habe den am 29. Juli 2019 überwiesenen Betrag in Höhe von 6.800,00 EUR nicht in Teilbeträgen zurückerhalten und somit auch nicht verbraucht. Dem Reinvermögen der Klägerin sei daher zu Recht weiterhin der Betrag von insgesamt 6.800,00 EUR hinzugerechnet worden.
22
Hierzu führt die Klägerin im Wesentlichen aus, es werde moniert, dass die Rückzahlung nicht durch eine einmalige Überweisung der 6.800,00 EUR erfolgt sei. Wie bereits erläutert, hätten die Rückzahlungen auf einer mündlichen Abrede basiert, wobei die Rückzahlung situationsabhängig je nach Verbrauch und Bedarf rücküberwiesen worden sei und werde. Ohne die Rücküberweisungen hätte sie ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten können, da sie in diesem Zeitraum kein Einkommen erwirtschaftet habe.
23
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gerichtsakte und die Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

25
Gemäß § 101 Abs. 2 VwGO konnte das Gericht aufgrund des beiderseitigen Verzichts ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
26
Die Klägerin begehrt nach Auslegung ihres Klagebegehrens (§ 88 VwGO) die Aufhebung des zuletzt ergangenen Bescheids des Beklagten vom 1. Oktober 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2022, soweit für den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum 10/2020 bis 09/2020 lediglich ein Betrag in Höhe von monatlich 138,00 EUR festgesetzt wurde, mithin die Gewährung von Ausbildungsförderung über den bisher bewilligten Betrag hinaus. Die so verstandene Klage ist zwar zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
27
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft. Der Zulässigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin den zuletzt ergangenen Bescheid des Beklagten vom 1. Oktober 2021, der wie bereits die vorangegangenen Bescheide vom 25. September 2020 und 2. Oktober 2020 den Bewilligungszeitraum 10/2020 bis 09/2021 betrifft und lediglich eine Änderung des Bedarfssatzes aufgrund des nunmehr eingereichten Mietvertrages zum 1. August 2021 während des praktischen Studiensemesters enthält, nicht innerhalb der maßgeblichen Frist von einem Monat mit Widerspruch oder Klage angegriffen hat. Im Bescheid vom 1. Oktober 2021 ist explizit ausgeführt, dass frühere Bescheide insoweit aufgehoben würden, als in diesem Bescheid für gleiche Zeiträume Entscheidungen getroffen würden, und weiter, dass über den Widerspruch vom 5. Oktober 2020 (gegen den früheren Bescheid vom 25. September 2020 betreffend den gleichen Bewilligungszeitraum) gesondert entschieden werde. Mithin ist im vorliegenden Einzelfall davon auszugehen, dass der Beklagte eine Einlegung eines weiteren Widerspruchs gegen den nunmehr aktualisierten Bescheid vom 1. Oktober 2021 nicht für erforderlich hielt, vielmehr davon ausging, der Widerspruch vom 5. Oktober 2020 gelte fort, zumal auch im Widerspruchsbescheid zu Beginn explizit auf den Bescheid vom 1. Oktober 2021 Bezug genommen und insoweit hierüber eine Entscheidung getroffen worden ist. Die Berufung auf die Bestandskraft des Bescheids vom 1. Oktober 2021 wäre nach alldem als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben zu werten, da die Klägerin gerade aufgrund des Hinweises des Beklagten im Bescheid vom 1. Oktober 2021, über ihren Widerspruch vom 5. Oktober 2020 werde gesondert entschieden, davon ausgehen durfte, einer erneuten Widerspruchseinlegung gegen den nunmehr aktualisierten Bescheid, der ebenfalls eine Anrechnung in Höhe von 6.800,00 EUR als rechtsmissbräuchliche Vermögensverfügung enthielt, bedürfe es nicht.
28
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 1. Oktober 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin besitzt gegenüber dem Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Bewilligung von Ausbildungsförderung für den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum über den bisher bewilligten Betrag hinaus (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Vielmehr erweist sich die streitgegenständliche Vermögenszurechnung in Höhe von 6.800,00 EUR als rechtmäßig, da insoweit von einer rechtsmissbräuchlichen Vermögensverfügung auszugehen ist, die auch nachfolgend nicht durch Rückzahlung geheilt wurde.
29
a) Dem Vermögen der Klägerin sind aufgrund der streitgegenständlichen Überweisung vom 29. Juli 2019 zunächst (fiktiv) weitere 6.800,00 EUR hinzuzurechnen.
30
aa) Nach § 11 Abs. 1 BAföG wird Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet. Auf diesen Bedarf anzurechnen ist insbesondere das Vermögen des Auszubildenden (§ 11 Abs. 2 Satz 1 BAföG). Entsprechend erhalten nur solche Auszubildende Ausbildungsförderung, deren Vermögen nach Maßgabe der Vorschriften über die Vermögensanrechnung nicht zu hoch ist (Winkler in Beckscher Online-Kommentar Sozialrecht, 67. Edition Stand 1.12.2022, § 26 BAföG Rn. 1). Von dem gemäß § 26 BAföG grundsätzlich anzurechnenden Vermögen des Auszubildenden bleibt nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BAföG ein Freibetrag anrechnungsfrei. Hinsichtlich des Vermögensumfangs ist weiter anerkannt, dass dem Auszubildenden fiktiv Vermögen zugerechnet wird, das er – ggf. auch zivilrechtlich wirksam – vor der Beantragung von Ausbildungsförderung unentgeltlich auf Dritte überträgt, sofern die Übertragung dem mit der Vermögensanrechnung verfolgten Gesetzeszweck widerspricht und daher als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist (Hartmann in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Stand November 2021, § 27 Rn. 8.3). Der Gesetzeszweck der Vermögensanrechnung liegt darin, den in § 1 BAföG verankerten Nachrang der staatlichen Ausbildungsförderung durchzusetzen (BVerwG, U.v. 14.3.2013 – 5 C 10/12 – NVwZ-RR 2013, 689 Rn. 19). Ausbildungsförderung soll als sozialstaatliche Leistung auf solche Auszubildende konzentriert werden, die der Förderung insbesondere mangels eigenen Vermögens auch tatsächlich bedürfen. Diesem Gesetzeszweck widerspricht es, wenn Auszubildende Vermögen übertragen, um es der Vermögensanrechnung zu entziehen. Von einer solchen Zweckbestimmung ist grundsätzlich auszugehen, wenn Auszubildende Vermögen bzw. Teile hiervon auf Dritte übertragen, ohne eine werthaltige Gegenleistung zu erhalten. Ob der Umstand der Unentgeltlichkeit ausreichend ist, um ohne weiteres rechtsmissbräuchliches Handeln anzunehmen, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. So kann etwa das Kriterium der Unentgeltlichkeit mit zunehmendem zeitlichen Abstand zur Antragstellung an Aussagekraft verlieren. Entsprechend ist es gerechtfertigt und im Einzelfall auch geboten, auch auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen Antragstellung und Vermögensübertragung abzustellen (vgl. so zum Ganzen BVerwG, U.v. 14.3.2013 – 5 C 10/12 – NVwZ-RR 2013, 689 Rn. 19). Die zeitliche Nähe der Vermögensübertragung zur Beantragung von Ausbildungsförderung spricht gewichtig für die Annahme von Rechtsmissbrauch (BVerwG a.a.O., dort: etwa eineinhalb Monate; OVG Münster, B.v. 10.6.2011 – 12 A 2098/10 – beck-online: 14 Tage). Dagegen ist subjektiv verwerfliches Handeln für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Vermögensübertragung nicht notwendig (BayVGH, B.v. 30.1.2012 – 12 C 11. 114 – beck-online Rn. 7).
31
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist hier von einer rechtsmissbräuchlichen Vermögensübertragung auszugehen. Es ist der Klägerin nicht gelungen, einen Rechtsgrund bzw. eine gleichwertige Gegenleistung für die Übertragung der 6.800,00 EUR an ihre Mutter nachzuweisen.
32
Für den Nachweis von Rechtsverhältnissen unter Angehörigen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein strenger Maßstab anzulegen. Zwar muss die Gestaltung des Vertrags nicht einem strikten Fremdvergleich in dem Sinne standhalten, dass sämtliche Punkte, die Fremde üblicherweise im Falle eines Vertrages regeln, unter Angehörigen in gleicher Weise geklärt und festgehalten sein müssen, jedoch muss ein rechtswirksamer Vertrag geschlossen sein und darf nicht im Kern eine verschleierte Schenkung oder eine Unterhaltsgewährung vorliegen. Bei der Prüfung der Wirksamkeit eines Vertrages unter Angehörigen sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und zu bewerten, wobei die Vereinbarung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten als Indiz für die Wirksamkeit spricht (so zum Darlehensvertrag BVerwG, Urt. v. 4.9.2008 – 5 C 30/07 – juris Rn. 24 ff.). Die dargestellten Grundsätze gelten dabei nicht nur für Rückzahlungsverpflichtungen aus Darlehen, sondern können auf die hier vorliegende Konstellation – in der vorgetragen wird, der Betrag in Höhe von 6.800,00 EUR sei für einen geplanten Autokauf vorgesehen gewesen – übertragen werden. Denn in beiden Fällen machen Auszubildende geltend, ihr Vermögen sei gemindert sowie, dass sie – nicht rechtsmissbräuchlich – allein auf eine zivilrechtlich wirksame Verpflichtung geleistet hätten. In beiden Fällen fällt die Frage der zivilrechtlichen Wirksamkeit zudem allein in die Sphäre des Auszubildenden. Sofern danach ein solches Rechtsverhältnis nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden kann, muss dies nach den Grundsätzen der materiellen Beweislast zu Lasten der Klägerin gehen.
33
Zunächst kann unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände nicht davon ausgegangen werden, dass mit der übertragenen Summe in Höhe von 6.800,00 EUR tatsächlich ein geplanter Autokauf finanziert werden sollte und die Klägerin mit ihrer Mutter insoweit eine entsprechende, zivilrechtlich wirksame Abrede getroffen hat. So ist unstreitig geblieben, dass die Klägerin und ihre Mutter jedenfalls keine schriftliche Abrede dahingehend getroffen haben. Es bleibt auch offen, wann genau die behauptete Abrede getroffen worden sein soll. Vor allem aber fehlt es an einem plausiblen Grund für eine etwaige Abrede. Sofern die Klägerin selbst einen Pkw kaufen wollte, ist nicht ansatzweise dargelegt und auch nicht ersichtlich, weshalb die volljährige Klägerin die Summe für den behaupteten, geplanten Autokauf an ihre Mutter überweisen hätte sollen, damit diese den Kaufpreis an den Verkäufer weiterleitet, statt unmittelbar selbst den Kaufpreis an den Verkäufer zu überweisen. Auch soweit die Klägerin ggf. einen zivilrechtlich wirksamen Anspruch gegen ihre Mutter auf Verschaffung eines Pkw erworben haben will, ist in keiner Weise ersichtlich, warum die Klägerin diesen Umweg gewählt haben sollte, statt selbst einen Pkw zu erwerben. Außerdem steht die Überweisung in Höhe von 6.800,00 EUR an die Mutter hier in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Erstantrag auf Ausbildungsförderung. So ist die Überweisung am 29. Juli 2019 erfolgt und der Erstantrag auf Ausbildungsförderung bereits knapp drei Wochen später am 17. August 2019 unterschrieben worden.
34
Nach alledem und da sich der geplante Autokauf nach Angaben der Klägerin zerschlagen hat, kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei ihrer Zahlung vom 29. Juli 2019 an ihre Mutter über 6.800,00 EUR um eine entgeltliche Vermögensübertragung gehandelt hat. Vielmehr muss von einer Leistung ohne werthaltige Gegenleistung in engem Zusammenhang mit der Antragstellung ausgegangen werden, also von einer rechtsmissbräuchlichen Vermögensübertragung.
35
Nichts anderes ergibt sich im Übrigen, sofern zugunsten der Klägerin unterstellt würde, sie hätte tatsächlich eine wirksame Vereinbarung mit ihrer Mutter getroffen. Denn sofern die Klägerin die fragliche Summe ihrer Mutter lediglich zur Weiterleitung an einen Verkäufer überlassen hätte, wäre der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Summe auf Seiten der Mutter jedenfalls in dem Zeitpunkt nachträglich entfallen, in dem sich der beabsichtigte Kauf eines Pkw endgültig zerschlagen hätte. Insoweit hätte der Klägerin aus § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 6.800,00 EUR zugestanden, der wiederum in voller Höhe in ihr Vermögen gefallen wäre. Sofern unterstellt wird, die Klägerin hätte einen Anspruch gegen ihre Mutter auf Verschaffung eines Pkw erworben, wäre der entsprechende Vertrag ebenfalls – etwa nach Rücktritt vom Vertrag – rückabzuwickeln gewesen, wobei der Rückzahlungsanspruch wiederum in das Vermögen der Klägerin gefallen wäre.
36
b) Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung nicht mehr auf den streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum auswirkt. Insbesondere kann nicht angenommen werden, dass die rechtsmissbräuchliche Vermögensübertragung rückabwickelt und damit geheilt worden wäre.
37
aa) Zwar spricht vieles dafür, im Fall der vollständigen, zeitnahen Rückabwicklung einer rechts-missbräuchlichen Vermögensübertragung von einer solchen Heilung auszugehen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der Rechtsfigur der rechtsmissbräuchlichen Vermögensübertragung eine fortdauernde Sanktionswirkung zukäme. Vielmehr bewirkt die Rechtsfigur allein, dass die aus-bildungsrechtliche Vermögenszurechnung nicht durch zivilrechtlich wirksame Vermögensverfügungen entgegen dem Prinzip des Nachrangs von Ausbildungsförderung beeinträchtigt wird. Solche zivilrechtlich wirksamen Rechtsgeschäfte werden ausbildungsrechtlich nicht anerkannt, so dass dem Auszubildenden das fragliche Vermögen weiterhin (fiktiv) zuzurechnen ist. Dieser Zweck der Rechtsfigur entfiele aber mit der vollständigen Rückabwicklung, da vollständig rück-übertragenes Vermögen dem Auszubildenden (wieder) zivilrechtlich zuzuordnen wäre. Eine solche Heilung rechtsmissbräuchlicher Vermögensübertragungen würde aber zumindest – gleichsam eines actus contrarius – deren vollständige Rückabwicklung voraussetzen. Da eine etwaige Heilung für Auszubildende rechtlich vorteilhaft ist, tragen diese für die zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände nach allgemeinen Grundsätzen die materielle Beweis- bzw. Feststellungslast (vgl. Hüttenbrink in Kuhla/Hüttenbrink, Verwaltungsprozess, 3. Aufl. 2002, Rn. 230).
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bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann hier nicht von einer Heilung der rechtsmissbräuchlichen Vermögensübertragung ausgegangen werden. Denn eine (vollständige) Rückabwicklung ist weder hinreichend ersichtlich noch belegt, zumal die Klägerin insoweit die materielle Feststellungs- bzw. Beweislast trifft.
39
(1) Zu einer Rückabwicklung der rechtsmissbräuchlichen Vermögensübertragung im Sinne eines actus contrarius ist es hier nicht gekommen. Denn die spiegelbildliche Rückabwicklung der Überweisung vom 29. Juli 2019 in Höhe von 6.800,00 EUR läge in einer Rücküberweisung in gleicher Höhe, also einer Einmalzahlung. Hierzu ist es unstreitig nicht gekommen.
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(2) Auch eine Rückabwicklung in Teilbeträgen ist hier weder hinreichend ersichtlich noch belegt. Entsprechend kann hier auch offen bleiben, ob eine solche Rückabwicklung rechtlich überhaupt zu einer Heilung führen könnte.
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(a) Es fehlt bereits an einem substantiierten Vortrag der Klägerin, dass ihre Mutter und sie vereinbart hätten, die fragliche Überweisung vom 29. Juli 2019 rückabzuwickeln. Unklar ist, wann und mit welchem Inhalt eine solche Abrede ggf. getroffen worden ist, insbesondere ggf. wann Teilzahlungen in welcher Höhe fällig werden sollten.
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(b) Auch den klägerseits vorgelegten Unterlagen ist nicht hinreichend zu entnehmen, dass die geltend gemachten Überweisungen der Mutter überhaupt in einem Zusammenhang mit der Überweisung vom 29. Juli 2019 stehen. So finden sich als Verwendungszweck der Überweisungen etwa die Formulierungen „Umbuchung auf Girokonto“, „K...“ und „…“. Hätten die Klägerin und ihre Mutter dagegen die Rückabwicklung der fraglichen Überweisung vereinbart, wäre zu erwarten gewesen, dass sich diese Vereinbarung auch in der Formulierung des Verwendungszwecks niedergeschlagen hätte. Zu denken wäre beispielsweise an Formulierungen wie „Rückzahlung“, „Rückerstattung“ o.Ä. Denn wäre man sich tatsächlich der Rückübertragung bewusst gewesen, hätte es – auch für juristische Laien – nahegelegen, in diesem Bewusstsein einen entsprechenden Verwendungszweck zu wählen. Dagegen bedarf die Formulierung anderweitiger Verwendungszwecke eines gedanklichen Mehraufwands samt entsprechender Motivation. Es ist aber kein Grund ersichtlich, warum es zu einem solchen Mehraufwand gekommen sein sollte, sofern sich der Zweck der Überweisungen schlicht in der Rückübertragung von Vermögen erschöpft hätte. Dies gilt umso mehr, als den Beteiligten im Fall einer Rückabwicklungsabrede naheliegender Weise bewusst gewesen wäre, dass eine Dokumentation dieser Abrede nach außen, etwa mit Hilfe der Formulierung entsprechender Verwendungszwecke, für künftige Anträge auf Ausbildungsförderung besonders vorteilhaft gewesen wäre.
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(c) Die Zahlungen der Mutter der Klägerin an diese deuten auch sonst nicht spezifisch auf eine Rückabwicklung der rechtsmissbräuchlichen Vermögensübertragung hin. So betreffen einige Überweisungen ausweislich ihres Verwendungszwecks den „Unterhalt Oktober und November“ bzw. generell „Unterhalt“, also (ggf. auch freiwillige) Unterhaltsleistungen und erstrecken sich die Überweisungen über einen Zeitraum von November 2019 bis September 2020, ohne dass beispielsweise regelmäßige Überweisungszeitpunkte oder gleiche Beträge für die Überweisungen gewählt worden sind.
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c) Auch die Annahme eines Vermögensverbrauchs mit Blick auf die streitgegenständliche Überweisung vom 29. Juli 2019 in Höhe von 6.800,00 EUR scheidet aus.
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aa) Ein tatsächlicher Vermögenverbrauch kann schon deswegen nicht angenommen werden, weil – wie ausgeführt – nicht davon auszugehen ist, dass eine entsprechende Rückabwicklung tatsächlich erfolgt ist. Da die Klägerin demnach den am 29. Juli 2019 überwiesenen Betrag in Höhe von 6.800,00 EUR auch nicht in Teilbeträgen zurückerhalten hat, konnte sie diesen auch nicht tatsächlich verbrauchen.
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bb) Auch der Ansatz eines fiktiven Vermögensverbrauchs scheidet aus Rechtsgründen aus. Denn anerkannt ist, dass lediglich bei rückwirkenden Vermögensberechnungen, etwa im Rahmen von Rückforderungen rechtswidrig geleisteter Ausbildungsförderung, ein solcher fiktiver Vermögensverbrauch zu berücksichtigen ist (vgl. Winkler in Beckscher Online-Kommentar Sozialrecht, 67. Edition Stand 1.12.2022, § 28 BAföG Rn. 21 m.w.N,). Dagegen ist rechtsmissbräuchlich übertragenes Vermögen dem Auszubildenden in jedem Bewilligungszeitraum neu zuzurechnen (vgl. BVerwG, U.v. 13.1.1983 – 5 C 103/80 – NJW 1983, 2829; so auch, die Entscheidung zitierend Hartmann in Rothe/Blanke, BAföG, 5. Aufl., Stand Mai 2014, § 30 Rn. 4 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Danach wird rechtsmissbräuchlich übertragenes Vermögen zwar dauerhaft für die Zukunft angerechnet, was allerdings weder systemwidrig noch unbillig erscheint. Denn zum einen ist Auszubildenden das fragliche Vermögen mangels tatsächlichen Verbrauchs – regelmäßig werden Auszubildende über weggegebenes Vermögen tatsächlich nicht verfügen können – weiterhin (ausbildungsrechtlich) zuzuordnen. Zum anderen besitzen Auszubildende im Fall rechtsgrundloser Vermögensübertragung regelmäßig einen Rückübertragungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung nach §§ 812 ff. BGB. Soweit dies teilweise – etwas mit Blick auf § 817 Satz 2 BGB oder im Fall des Rechtsgrunds der vollzogenen Schenkung – nicht der Fall ist, erscheinen Auszubildende im Übrigen wenig schutzwürdig.
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d) Nach alldem hat der Beklagte das anzurechnende Vermögen der Klägerin richtig ermittelt und dementsprechend einen weitergehenden Anspruch der Klägerin im streitgegenständlichen Bewilligungszeitraum zu Recht verneint.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.