Titel:
Zur innerprozessualen Präklusion nach § 6 UmwRG
Normenketten:
BImSchG § 16
UmwRG § 6
VwGO § 82, § 87b Abs. 3
Leitsätze:
1. Die klagende Partei muss nach § 6 UmwRG innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung alle Tatsachenkomplexe benennen, die aus ihrer Sicht die Klage begründen. (Rn. 19 und 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beteiligten sind nicht über die Folgen einer Fristversäumnis zu belehren. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Änderungsgenehmigung ist eine Entscheidung im Sinne von § 1 Abs. 1 S. 1 UmwRG. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
innerprozessuale Präklusion, Immissionsschutz, Änderungsgenehmigung, Nebenbestimmung, Präklusion, innerprozessual, Begründungsfrist, Entschuldigungsgrund
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 07.08.2023 – 22 ZB 23.1071
Fundstelle:
BeckRS 2023, 11227
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen eine Nebenbestimmung in einer Änderungsgenehmigung zu einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, die die Annahmebedingungen für mit Kühlschmierstoffen verunreinigte Metallspäne betrifft.
2
Die Klägerin ist ein Entsorgungsfachbetrieb. Mit Bescheid vom 6. Juli 2006 genehmigte ihr die Beklagte die Errichtung und den Betrieb eines Nichteisenmetalllagers. Am 14. September 2017 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erteilung einer Genehmigung für eine wesentliche Änderung nach den Ziffern 8.12.3.2 und 8.11.2.4 des Anhangs 1 der 4. BImSchV (Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes). Dabei war im Wesentlichen Verfahrensgegenstand die Erweiterung des NE-Metalllagers, wobei NE-Metalle ohne Schadstoffanhaftungen künftig außerhalb der bestehenden Halle in Lagerboxen vorgehalten und ölbehaftete Späne und NE-Metalle innerhalb der Halle gelagert werden sollten. Nach der Betriebsbeschreibung sollen emulsionsbehaftete NE-Metallspäne in der Halle in einer Spänewanne zwischengelagert werden. Die von den Spänen abtropfenden Emulsionen sollen in einen 10 m3-Tank abgeleitet und bis zur Entsorgung zwischengelagert werden. Es sollen in acht Lagerboxen maximal 175 t Späne gelagert werden, wobei der tägliche Wareneingang maximal 20 t NE-Späne betrage. Bei einem Emulsionsanfall von 5% würde damit täglich 1 t Emulsion anfallen. Nach den Behördenakten legte der Klägerbevollmächtigte der Beklagten im Laufe des Genehmigungsverfahrens einen Auszug aus einem Genehmigungsbescheid vor, der die Behandlung von mit Kühlschmierstoffen behafteten Metallspänen in den Nebenbestimmungen aufgreift und insbesondere auf deren praktische Tropffreiheit als Voraussetzung für deren Annahme als ungefährlicher Abfall abstellt. Nach Übersendung eines Bescheidsentwurfs an den Klägerbevollmächtigten mit der Bitte um Rückmeldung und Mitteilung von Änderungs- oder Ergänzungswünschen erklärte dieser telefonisch, dass der Bescheid so erlassen werden könne.
3
Mit Bescheid vom 26. März 2019 erließ die Beklagte die immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung. Dabei sind als Auflage unter Ziffer 4.4 Anforderungen an die Annahme und die Kontrolle und Behandlung der Einsatzstoffe formuliert. Danach (Ziffer 4.4.2) dürfen nur solche Metallspäne als nicht gefährlicher Abfall angenommen werden, denen lediglich Restanhaftungen von Kühlschmierstoffen an den Metallspänen anhaften, die Späne müssen praktisch tropffrei sein. Die Späne würden erst dann als praktisch tropffrei gelten, wenn die mit Kühlschmierstoffen verunreinigten Metallspäne am Ort der Entstehung durch geeignete physikalische Verfahren (zentrifugieren, pressen oder beispielsweise in einem Spänelager ausreichend abtropfen lassen) in eine feste (Späne) und liquide ölhaltige Phase (KSS) getrennt werden. Es sei davon auszugehen, dass, wenn die Kühlschmierstoffe durch ein derartiges Verfahren am Entstehungsort abgetrennt worden sind und keine liquide Phase im Behältnis der abgetrennten Metallspäne feststellbar ist, lediglich vernachlässigbare Restanhaftungen von Kühlschmierstoffen an den Metallspänen vorhanden sind, die nicht mehr abtropfen. Die Klägerin habe vor der Annahme von mit Kühlschmierstoffen verunreinigten Metallspänen als nicht gefährlicher Abfall sicher zu stellen, dass sie ein geeignetes physikalisches Verfahren zur Gewährleistung der Tropffreiheit durchlaufen haben. Mit Kühlschmierstoffen verunreinigte Metallspäne, die ein solches physikalisches Verfahren am Ort der Entstehung nicht durchlaufen haben, seien grundsätzlich als gefährlicher Abfall unter dem Abfallschlüssel 12 01 18* anzunehmen. Es dürften zu jedem Zeitpunkt nur weniger als eine Tonne mit Kühlstoffen verunreinigte Metallspäne gelagert werden. Mit Kühlschmierstoffen verunreinigte Metallspäne seien bei der Gesamtlagerkapazität von maximal 30 Tonnen gefährlicher Abfälle und der Grenze bezüglich der Behandlung gefährlicher Abfälle zu berücksichtigen. Es dürften maximal eine Tonne gefährlicher Abfälle je Tag behandelt werden (Ziffer 4.4.3). Gefährliche Abfälle dürften nur angenommen werden, wenn ein entsprechender Entsorgungsnachweis vorliegt, sofern eine Pflicht zur Führung eines Entsorgungsnachweises besteht (Ziffer 4.4.12). Zur Begründung wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die Auflage Ziffer 4.4.2 der Klarstellung diene. Die Auflage sei notwendig, da mit Kühlschmierstoffen verunreinigte Metallspäne in der jüngeren Vergangenheit noch regelmäßig als nicht gefährlicher Abfall eingestuft worden seien, auch wenn sie kein geeignetes Verfahren zur Gewährleistung der Tropffreiheit durchlaufen hätten. Dies sei nach den Hinweisen des Bayerischen Landesamts für Umwelt nicht zulässig. Die Auflage sei nötig, um zu gewährleisten, dass die Anlage nur im Rahmen der beantragten Anlagenbeschreibung betrieben wird, was nur möglich sei, wenn die Menge an gelagerten gefährlichen Abfällen inklusive mit Kühlschmiermitteln verunreinigte Späne, die nicht praktisch tropffrei sind, 30 Tonnen nicht überschreite. Die Begrenzung der Lagermenge von mit Kühlschmierstoffen verunreinigten Metallspänen auf weniger als eine Tonne sei notwendig, da eine Behandlung von gefährlichen Abfällen nicht beantragt worden sei. Bei einer Lagerung von mit Kühlschmierstoffen verunreinigten Metallspänen finde durch das Abtropfen zwangsläufig immer auch eine Behandlung statt. Eine Behandlung von gefährlichen Abfällen sei ab einer Menge von einer Tonne je Tag genehmigungspflichtig.
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Mit Schreiben vom 12. April 2019, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, ließ die Klägerin unter Vorlage des streitgegenständlichen Bescheids Klage erheben und den Antrag stellen. Die materielle Klagebegründung wurde einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Von Seiten des Gerichts wurde um Klagebegründung zunächst bis 31. Mai 2019 gebeten, nach zweimaliger Bitte um Fristverlängerung aufgrund der Belastung des alleinigen Sachbearbeiters wurde diese zuletzt bis 19. Juli 2019 verlängert. Mit am 31. Juli 2019 eingegangenem Schriftsatz erfolgte die Vorlage der Klagebegründung. Nach dem sehr einvernehmlich verlaufenden Änderungsgenehmigungsverfahren sei einziger Streitpunkt zwischen den Parteien Ziffer 4.4.2 der Genehmigung. Die abfallwirtschaftliche Handhabung von emulsionsbehafteten Eisen- und Metallspänen finde intensiv gerade in den industriellen Ballungsräumen Bayerns statt. Kühlschmiermittelbehaftete Metallspäne würden in den Prozessen der mechanischen Formgebung oder der Oberflächenbearbeitung von Metallen anfallen. Überflüssiges Material werde z. B. durch Drehen, Fräsen oder Bohren in Form von Spänen abgetragen. Kühlschmierstoffe seien nach DIN 5. S., die beim Trennen und Umformen von Werkstoffen zum Kühlen und Schmieren eingesetzt werden. Für spanende und formende Fertigungsverfahren werde zwischen nicht wassermischbaren und wassermischbaren Kühlschmierstoffen unterschieden. Weiterhin kämen Multifunktionsöle zum Einsatz. In letzter Zeit würden auch Kühlschmierstoffe eingesetzt, die nicht auf Öl basieren. Die Bemühungen der Exekutive, emulsionsbehaftete Eisenspäne als gefährlichen Abfall zu handhaben, konzentrierten sich auf die beiden Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg. In allen anderen Bundesländern würden Metallspäne aus der Oberflächenbearbeitung auch bei Emulsionsanhaftungen als einfacher Abfall behandelt. Im Jahr 2015 sei deutlich geworden, dass Bayern keinen Alleingang, sondern eine bundesweite Lösung wünsche. Insbesondere würden die bayerischen Metallrecyclingunternehmer enorme Wettbewerbsnachteile befürchten, wenn aus anderen Bundesländern die Handhabung des Massenabfalls Eisenspäne kostengünstiger geschehen könnte. Würden Eisenspäne als gefährlich bezeichnet werden, müsste das gesamte Nachweisprozedere der Nachweisverordnung eingehalten werden. Die Lagerkapazität von 30 Tonnen werde schnell überschritten. Viele der Eisenspäne würden ins europäische und außereuropäische Ausland gehen. Die Stahlwerke dort würden keine Abfälle, sondern nur Produkte annehmen. Würden die Materialien als gefährlicher Abfall gehandhabt werden, sei damit zu rechnen, dass Abweisungen erfolgen. Die einschlägigen Berufsverbände hätten sich mit einem Leitfaden im November 2014 gegen die Absichten aus Bayern und Baden-Württemberg gestellt. Nach dem Leitfaden handele es sich bei der Behandlung von emulsionsbehafteten Eisenspänen nicht um ein abfall- oder emulsionsschutzrechtliches Problem, sondern allenfalls um ein Transportproblem. Durch flüssigkeitsdichte Container könne ein Auslaufen von möglichen Emulsionsresten verhindert werden. Der Leitfaden sei von den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern nicht akzeptiert worden. Das Regierungspräsidium Tübingen habe daraufhin gegenüber drei Entsorgungsunternehmen entsprechende Anordnungen erlassen, beispielsweise eine Anordnung vom 3. Februar 2015. Auch dort sei es darum gegangen, emulsionsbehaftete Eisenspäne als gefährlichen Abfall zu deklarieren. Im Rahmen des dagegen angestrengten Klageverfahrens habe das Verwaltungsgericht Sigmaringen in der mündlichen Verhandlung am 6. April 2017 sehr deutlich gemacht, dass die Anordnungen keinerlei Aussicht auf Erfolg haben würden. Das Gericht habe entsprechende ausführliche schriftliche Hinweise erlassen. Das Regierungspräsidium Tübingen habe danach die Anordnungen zurückgenommen. Die LAGA-Vollversammlung am 17./18. April 2018 habe sogenannte Vollzugshinweise zur abfallrechtlichen Einstufung von mit Kühlschmierstoffen verunreinigten Metallspänen veröffentlicht. Diese seien in Bayern in den „Hinweisen zur abfallrechtlichen Einstufung von mit Kühlschmierstoffen verunreinigten Metallspänen“, Stand 02/18, wiedergegeben. Danach sehe die Abfallverzeichnisverordnung lediglich für die Monokomponenten-Abfälle konkrete Abfallschlüssel vor. Die gemischte Charge aus Metallspänen und Kühlschmierstoffen werde nach Ansicht der LAGA durch den absolut gefährlichen Abfallschlüssel 12 01 18 – ölhaltige Metallschlämme (Schleif-, Hon- und Läppschlämme) – hinsichtlich Herkunft, Metallkomponente und einstufungsrelevantem Gehalt an Öl oder Öl-Emulsion am besten beschrieben. Nach Meinung der Behördenvertreter des LAGA sei durch die Wahl des absolut gefährlichen Abfallschlüssels die Prüfung der Gefährlichkeitskriterien (HP-Kriterien) und damit verbundene Konzentrationsgrenzen obsolet. Das Abfallgemisch könne danach am Ort der Entstehung durch geeignete physikalische Verfahren in eine feste und in eine liquide, ölhaltige Phase getrennt werden. Wenn nach einer solchen Abtrennung lediglich Restanhaftungen an den Metallspänen vorhanden seien, die nicht mehr abtropfen, könnten die abgetrennten Metallspäne als nicht gefährlicher Abfall entsorgt werden. Die abgetrennte liquide Phase sei als gefährlicher Abfall separat (12 01 06* bis 12 01 10*) zu entsorgen. Bei den neuen Vollzugshinweisen sei der Begriff „praktisch tropffrei“ durch den Begriff „lediglich Restanhaftungen“ ersetzt worden. Nach Auffassung der Klägerseite sei die angegriffene Nebenbestimmung als echte Nebenbestimmung isoliert anfechtbar, leide jedoch bereits an mangelnder hinreichender inhaltlicher Bestimmtheit. Sie enthalte unbestimmte Rechtsbegriffe, die für den Adressaten des Verwaltungsaktes so nicht umsetzbar seien. Dies betreffe beispielsweise die gewählten Begriffe „lediglich Restanhaftungen“ und „praktisch tropffrei“ zu. Zwar enthalte der nachfolgende Absatz der Anordnung einen Erklärungsversuch, jedoch sei dieser in der Praxis nicht umsetzbar. Die Begriffe seien für sich gesehen unverständlich. Der Adressat könne nicht erkennen, was genau von ihm gefordert werde. Restanhaftungen und Tropffreiheit seien keine Merkmale für die Gefährlichkeit eines Abfalls. Technisch sei es nicht möglich, die Eisenspäne von Emulsionen vollständig zu befreien. Auch sei die Frage, wie beispielsweise anhaftende Regentropfen durch Niederschlag in diesem Zusammenhang zu werten seien. Die Abstraktheit des Begriffes berge bei der Umsetzung in der betrieblichen Praxis große rechtliche Unsicherheiten. Insbesondere seien die am Entsorgungsvorgang Beteiligten nicht in der Lage, über die Tropffreiheit bzw. dem Vorliegen von lediglich Restanhaftungen zu entscheiden. Es bleibe offen, wann verbliebene Restanhaftungen nicht mehr akzeptabel oder vernachlässigbar sein sollen. Hochwertige Zentrifugierungsverfahren seien nach dem Stand der Technik unter gewissen Umständen in der Lage, den Wert der Emulsionsanhaftung auf 5 bis 10% zu senken. Ob solche hochwertigen Zentrifugierungsvorgänge in jedem Fall zum Einsatz kommen müssen, bleibe unklar. Auch die ins Feld geführten geeigneten physikalischen Verfahren seien gänzlich ungeeignet, eine praxistaugliche und rechtssichere Handhabung von emulsionsbehafteten Eisenspänen zu gewährleisten. Durch das Verpressen würden Einschlüsse vorgenommen, so dass das behördliche Ziel überhaupt nicht mehr erreicht werden könne. Es bleibe auch im Ergebnis unklar, wie das Material nach Entfrachtung von Emulsionen durch Schwerkraft auf dem Spänelager zu bewerten sei. Wenn die Abfälle mit einem Greifarm oder Bagger in andere Behältnisse verfrachtet werden, sei möglicherweise erst erkennbar, dass nach Lesart der Behörde nicht vernachlässigbare Restanhaftungen vorliegen. Das Zentrifugieren von sogenannten wolligen Spänen, die einen nicht unerheblichen Teil der dem Wertstoffkreislauf wieder zugeführten Späne darstellten, sei überhaupt nicht möglich. Diese müssten gebrochen werden. Auf Haufwerken befindliche Späne besäßen häufig den optischen Eindruck einer Tropffreiheit. Rein visuell sei keine Unterscheidung zwischen echter und praktischer Tropffreiheit möglich. Zudem verstoße die Verpflichtung, einen grundsätzlich als nicht gefährlich eingestuften Abfall unter den in der Nebenbestimmung genannten Voraussetzung als gefährlichen Abfall einzustufen, gegen die Vorgaben und Systematik der Abfallverzeichnisverordnung (AVV). Sie missachte zudem das im Verwaltungsrecht geltende Analogieverbot. Die Klägerin werde damit zu einem gesetzeswidrigen Verhalten gezwungen. § 2 AVV bestimme abschließend die konkreten Zuordnungsvorgaben, die bei der Auswahl eines Abfallschlüssels sowie der dazugehörigen Abfallbezeichnung für einen individuellen Abfall anzuwenden seien. Die Einstufung und Bezeichnung von Abfällen hätten gemäß einer einheitlichen europäischen Nomenklatur über das Abfallverzeichnis zu erfolgen. In erster Linie sei die Herkunft eines Abfalls maßgeblich. Nach der Systematik der Abfallverzeichnisverordnung sei zwischen einfachen Abfällen, gefährlichen Abfällen und sogenannten Spiegeleinträgen zu unterscheiden. Bestehe ein Spiegeleintrag für einen bestimmten Abfall, erfolge die Abgrenzung anhand konkretisierten Gefährlichkeitskriterien. Nach Ziffer 2.2.1 der Einleitung zur Anlage zu § 2 Abs. 1 AVV werde ein Abfall als gefährlich eingestuft, wenn dieser Abfall relevante gefährliche Stoffe enthält, aufgrund derer er eine oder mehrere der im Anhang III der RL 2008/98/EG aufgeführten gefahrenrelevanten Eigenschaften HP 1 bis HP 8 oder HP 10 bis HP 15 aufweist. Des Weiteren finde die Einstufung als gefährlicher Abfall eine Legaldefinition in § 3 Abs. 5 KrWG. Danach seien Abfälle gefährlich, die durch Rechtsverordnung oder aufgrund einer solchen Rechtsverordnung bestimmt worden sind. Nicht gefährliche Abfälle seien im Sinne des Gesetzes alle anderen Abfälle. Diese Systematik der Abfallverzeichnisverordnung sei aufgrund der Vorgabe des europäischen Abfallkatalogs streng formalistisch. Die deutsche Abfallverzeichnisverordnung habe seinerzeit das Regelungsmodell der Entscheidung der Europäischen Kommission vom 3. Mai 2000 vollständig übernommen. Dort würden die nähere Bestimmung der Abfallbezeichnung und die Feststellung, welche Abfälle eine oder mehrere der in der Anlage 3 der RL 91/689/EWG aufgeführten Eigenschaften aufweisen und deshalb als gefährliche Abfälle strengeren Regeln unterliegen sollen, in einem einheitlichen Verzeichnis geregelt. Mit Änderung der deutschen Abfallverzeichnisverordnung, zuletzt mit Änderungsverordnung vom 17. Juli 2017, habe sich an der Systematik nichts geändert. Der Zuordnung in der Abfallverzeichnisverordnung liege eine pauschalisierende Entscheidung über die Gefährlichkeit bestimmter Abfallarten zugrunde, die auf der Basis der bei der Kommission und den am Entscheidungsprozess beteiligten Mitgliedstaaten vorhandenen Erkenntnisse getroffen worden seien. Dieser Erkenntnisstand technischer Art werde fortlaufend fortgeführt. Durch die pauschalisierende Regelung werde eine praktische Abfallüberwachung ermöglicht, weil über die Frage der Gefährlichkeit im Allgemeinen nicht auf Grundlage von Einzelanalysen für jeden konkreten Abfall gesondert entschieden werden müsse. Dabei werde bewusst in Kauf genommen, dass bestimmte konkrete Abfälle, die einer als gefährlich gekennzeichneten Abfallart zugehörten, möglicherweise keine der in der Abfallrahmenrichtlinie 2008/98/EG genannten Eigenschaft erfüllt, ohne bereits dadurch aus der besonderen Überwachungsbedürftigkeit gefährlicher Abfälle herauszufallen. Umgekehrt gelte dies genauso für einfache Abfälle, die nach der Systematik der Verordnung als solche zugeordnet wurden. Der darin liegende Verlust an Einzelgerechtigkeit sei aus Gründen der Praktikabilität gerechtfertigt. Ausgehend von der Systematik und der herkunftsbezogenen Sichtweise habe sowohl die Europäische Kommission als auch der deutsche Verordnungsgeber festgelegt, dass die hier in Rede stehenden Späne wie folgt in die Systematik der Abfallverzeichnisverordnung einzufügen sind: AVV-Nummer 12 01 01 Eisenfeil- und -drehspäne; AVV-Nummer 12 01 03 NE-Metallfeil- und drehspäne. Es handele sich dabei um nicht gefährliche Abfälle. Anders habe dies der Verordnungsgeber bei anderen, bei der Verarbeitung von Metallen anfallenden Materialien, beispielsweise Metallschlämmen, gesehen. Diese seien als gefährliche Abfälle eingestuft worden, z. B. AVV-Abfallschlüsselnummer 12 01 18 (ölhaltige Metallschlämme), da das Material ölhaltig und mit entsprechenden Schlämmen versetzt bzw. durchsetzt sei. Auch Bearbeitungsschlämme, die gefährliche Stoffe enthalten, seien gemäß der AVV-Abfallschlüsselnummer 12 01 14 (Bearbeitungsschlämme, die gefährliche Stoffe enthalten) als gefährlich definiert worden. Nur aufgrund der Anhaftung mit gefährlichen Stoffen sei diese Art von Metallschlämmen als gefährlich einzustufen. Auch der Verordnungsgeber habe gewusst, dass Metallspäne aus der Oberflächenbearbeitung im Regelfall mit Kühlschmierstoffen versehen sind, dennoch habe er die Einstufung von emulsionsbehafteten Eisenspänen als gefährlichen Abfall für nicht erforderlich gehalten. Trotz mehrfacher Anläufe durch die deutschen Behörden habe sich die Europäische Kommission mangels entgegenstehender anderer technischer bzw. chemischer/physikalischer Kenntnisse bis heute nicht veranlasst gesehen, an dieser Systematik etwas zu ändern. Spiegeleinträge seien hinsichtlich der Eisenspäne nicht aufgenommen worden. Aufgrund der herkunftsbezogenen Einstufungssystematik von Abfällen hinsichtlich der hierzu entscheidenden Obergruppe 12 01 – Abfälle aus Prozessen der mechanischen Formgebung – sei eine Umstufung von Eisenspänen als nicht gefährlicher Abfall in einen gefährlichen abfallrechtlich unzulässig. Die Wahl von Abfallschlüsseln nach der Abfallverzeichnisverordnung sei nicht beliebig. Maßgeblich sei vielmehr die Abfallherkunft. In der Regel erfolge die Zuordnung über die jeweiligen branchenspezifischen und prozessartspezifischen Kapitelüberschriften, ehe die Zuordnung über die sonstigen herkunfts- und abfallspezifischen Überschriften erfolge. Es gelte der Spezialitätsgrundsatz. Es stehe somit fest, dass bereits nach der abfallrechtlichen Systematik emulsionsbehaftete Eisenspäne immer als Eisenspäne zu handhaben seien. Ein Rückgriff auf Schlämme, die einen ganz anderen Herkunftsbereich und eine andere Zusammensetzung besäßen, sei damit systematisch nicht möglich. Die zuständige Behörde hätte gemäß § 3 Abs. 3 AVV die Möglichkeit besessen, eine individuelle Höherstufung des Abfalls als gefährlich anzuordnen. Davon habe sie keinen Gebrauch gemacht. Wenn das Bayerische Landesamt für Umwelt der Meinung sei, dass emulsionsbehaftete Eisenspäne als gefährlicher Abfall einzustufen seien, so könne es dies dem Bundesministerium vortragen, das sich wiederum an die Europäische Kommission wenden könne, damit im Falle der Berechtigung die Abfallverzeichnisverordnung entsprechend geändert werde. Da dies aber trotz aller Bemühungen bis heute nicht geschehen sei, müsse nach wie vor die Gesetzessystematik Beachtung finden.
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Die Klägerin beantragt,
Die Nebenbestimmung der Ziffer 4.4.2, Annahmebedingungen für mit Kühlschmierstoffen verunreinigte Metallspäne, des Änderungsgenehmigungsbescheids der Klägerin vom 26. März 2019 wird aufgehoben.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte habe mit der streitgegenständlichen Auflage die fachlichen Vorgaben des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz umgesetzt. Die Einschätzung bezüglich der anderweitigen Genehmigungsbedürftigkeit samt Verfahren, wenn entgegen der fachlichen Maßgaben des Merkblatts des Landesamts für Umwelt, welches in der angefochtenen Auflage inhaltlich umgesetzt worden sei, sei im Verfahren bereits erkannt und thematisiert worden. Materiell wäre die Anlage, vorbehaltlich einer entsprechenden Antragstellung und eines Verfahrens, wohl auch genehmigungsfähig bei Annahme, Behandlung und Lagerung entsprechender gefährlicher Abfälle. Die in der Auflage verwendeten Begriffe seien nicht zu unbestimmt. Der Prozessbevollmächtigte selbst habe einen diesbezüglichen Vorschlag gemacht.
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Im Rahmen der Sachstandsabfrage im September 2022 teilte die Beklagte mit, dass der Sachstand nach deren Kenntnis unverändert sei. Von einem Vollzug der angegriffenen Nebenbestimmung sei bislang abgesehen worden. Die Klägerin teilte mit, dass sie die streitbefangenen emulsionsbehafteten Eisenspäne nach wie vor als nicht gefährlichen Abfall behandele.
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Zum vom Gericht ergangenen Hinweis, dass die Fristverlängerung zur Vorlage der Klagebegründung wohl unbeschadet von § 6 UmwRG ergangen sein dürfte, äußerte der Klägerbevollmächtigte, dass rechtliche Ausführungen von dieser Präklusionsvorschrift nicht erfasst würden. Bereits im Klageantrag vom 12. April 2019 sei klar fixiert, dass einziger Streitpunkt die Handhabung emulsionsbehafteter Eisenspäne sei. Weiteren Sachvortrag gebe es nicht. Der Klägerin gehe es ausschließlich darum festzustellen, dass die angefochtene Nebenbestimmung gegen den Grundsatz der Bestimmtheit verstoße, die Vorgaben und Systematik der Abfallverzeichnisverordnung unterlaufe sowie gegen das Analogieverbot verstoße. Mit der Klagebegründung werde lediglich ein Problem beleuchtet, wie es sich in den letzten Jahren darstellte. Die Beklagte schloss sich diesen Ausführungen an. In der Klagebegründung werde auf Tatsachen und Beweismittel abgehoben, die sich schon aus der Behördenakten ergeben. Eine Präklusion hätte keine relevante Konsequenz.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte sowie auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin ist mit ihrem Vorbringen nach § 6 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-RL 2003/35/EG (UmwRG) innerprozessual präkludiert. Sie kann daher nicht hat die Aufhebung der angegriffenen Nebenbestimmung beanspruchen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
12
Klagegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 26. März 2019, womit der Klägerin nach Durchführung eines vereinfachten Verfahrens nach § 19 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (BImSchG) eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG betreffend die wesentliche Änderung des Nichteisenmetalllagers erteilt wurde, wobei ausschließlich die Nebenbestimmung 4.4.2 – Annahmebedingungen für mit Kühlschmierstoffen verunreinigte Metallspäne – klageweise angegriffen wird.
13
Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage einer Nebenbestimmung zulässig. Ob die Klage zu einer isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führt, ist keine Frage der Zulässigkeit der Klage, sondern der Begründetheit (vgl. BVerwG, B.v. 12.10.2022 – 8 AV 1/22 – juris U.v. 22.11.2020 – 11 C 2.00 – juris Rn. 25; U.v. 6.11.2019 – C 14/18 – juris;). Die Klage wurde insbesondere fristgerecht erhoben.
14
Die Klage ist nach eingetretener innerprozessualer Präklusion nach § 6 UmwRG unbegründet.
15
Die Klägerin hat die zehnwöchige Begründungsfrist nach § 6 Satz 1 UmwRG ab dem Zeitpunkt der Klageerhebung am 12. April 2019 – als fristauslösendem Ereignis – nicht eingehalten; diese selbständige Frist lief ab 13. April 2019 und endete mit Ablauf des 21. Juni 2019 (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Die Begründung der Klage durch den Bevollmächtigten ging erst am 31. Juli 2019 mit Schriftsatz vom gleichen Tag bei Gericht ein.
16
Die Klage ist demnach infolge der innerprozessualen Präklusion unbegründet (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 10 und 20 m.w.N.; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, UmweltR, Stand: September 2022, § 6 UmwRG Rn. 72 ff. und 76). Die Frist stellt eine innerprozessuale, formelle Präklusionsregelung dar, dies folgt nicht zuletzt aus der teilweisen Parallelität mit § 87b VwGO (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2019 – 7 C 5/18 – BVerwGE 166, 321, juris Rn. 28 m.w.N.; NdsOVG, U.v. 15.11.2018 – 1 KN 29/17 – NVwZ-RR 2019, 631 Rn. 22; Marquard, NVwZ 2019, 1162 [1165]; Heinze/Wolff, NVwZ 2022, 931 [934]). Die innerprozessuale Präklusion tritt als zwingende Rechtsfolge kraft Gesetzes ein; sie steht nicht zur Disposition des Gerichts (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 20). Auch hat das Gericht kein Ermessen hinsichtlich der Rechtsfolge der Präklusion (vgl. BT-Drs. 18/12146 S. 16). Auf die Frage, ob eine Zulassung verspäteten Vorbringens das Verfahren verzögern würde, kommt es nicht an (BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8/17 – BVerwGE 163, 380 ff., juris Rn. 14).
17
Gemäß § 6 Satz 1 UmwRG hat eine Person oder eine Vereinigung i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung ihrer Klage gegen eine Entscheidung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn die Voraussetzung nach § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO erfüllt ist (§ 6 Satz 2 UmwRG). Nach § 6 Satz 3 UmwRG gilt § 87b Abs. 3 Satz 2 und 3 VwGO entsprechend; nach Satz 4 kann die Frist nach Satz 1 auf Antrag verlängert werden, wenn die Person oder die Vereinigung in dem Verfahren, in dem die angefochtene Entscheidung ergangen ist, keine Möglichkeit der Beteiligung hatte. Die vorstehenden Sätze gelten nach Satz 5 entsprechend für Fälle, in denen das gerichtliche Verfahren zur Durchführung eines Planergänzungs- oder Planänderungsverfahrens ausgesetzt wurde und später fortgesetzt wird; die Frist läuft ab Fortsetzung des gerichtlichen Verfahrens.
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§ 6 UmwRG wurde mit dem (am 2.6.2017 in Kraft getretenen) Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29. Mai 2017 eingefügt. Vorher war in § 4a Abs. 1 Satz 1 UmwRG a.F. eine sechswöchige Klagebegründungsfrist normiert, die nach Satz 3 a.F. auf Antrag verlängerbar war, wohingegen nunmehr eine Verlängerung nur bei Vorliegen der in § 6 Satz 4 UmwRG genannten Voraussetzung möglich ist. Das Bundesverwaltungsgericht führte zu dieser Klagebegründungsfrist aus, der Gesetzgeber habe damit eine einheitliche und abschließende Regelung für alle Rechtsbehelfe im Geltungsbereich dieses Gesetzes beabsichtigt (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8/17 – BVerwGE 163, 380 m.w.N. unter Verweis auf BT-Drs. 18/9526 S. 41 f., juris Rn. 14). Schon innerhalb der Begründungsfrist, die zum Ausgleich der strengeren Folgen einer Versäumung von sechs auf zehn Wochen verlängert worden ist, hat der Kläger grundsätzlich den Prozessstoff festzulegen. Damit soll für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar feststehen, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird, was späteren lediglich vertiefenden Tatsachenvortrag nicht ausschließt. Der Zweck der Klagebegründungsfrist besteht darin, zur Straffung des Gerichtsverfahrens beizutragen und den Prozessstoff zu einem frühen Zeitpunkt handhabbar zu halten (BT-Drs. 18/12146, S. 16).
19
Die klagende Partei muss alle Tatsachenkomplexe benennen, die aus ihrer Sicht die Klage begründen (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 13 m.w.N.). Der erforderliche Tatsachenvortrag muss zwar nicht erschöpfend sein. Aus Sinn und Zweck der Norm ist jedoch zu folgern, dass die Klagepartei die maßgeblichen Tatsachen mit einem Mindestmaß an Schlüssigkeit und Substanz vortragen muss. Der Vortrag muss geeignet sein, dem Gericht und den übrigen Verfahrensbeteiligten einen hinreichenden Eindruck von dem jeweiligen Tatsachenkomplex zu verschaffen und ihnen ermöglichen, bei verbleibenden Unsicherheiten gezielt nachzuforschen (vgl. BayVGH, GB.v. 12.4.2021 – 8 A 19.40009 – juris Rn. 17 unter Verweis auf OVG Hamburg, U.v. 29.11.2019 – 1 E 23/18 – VRS 137, 281, juris Rn. 142).
20
Mit der Neuregelung wurde zudem die Verweisung auf § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO reduziert; entfallen ist damit die Voraussetzung einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits. Denn die Vorschrift war in der Praxis häufig leergelaufen, weil eine Verzögerung nicht nachgewiesen werden konnte; deshalb wollte der Gesetzgeber erreichen, dass es darauf im Rahmen des § 6 UmwRG nicht mehr ankommt (vgl. Dieterich, jurisPR-BVerwG 14/2019 Anmerkung 5). Aufgrund der genannten Beschränkung der Verweisung besteht auch keine Belehrungspflicht nach § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 VwGO. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bewusst von einer Normierung einer Belehrungspflicht abgesehen hat (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, UmweltR, § 6 UmwRG Rn. 47). Ebenso besteht keine Belehrungspflicht nach § 58 VwGO (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8/17 – BVerwGE 163, 380, juris Rn. 15). Denn diese Begründungsfrist wird nicht mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung in Gang gesetzt, sondern sie läuft als selbständige Frist ab Klageerhebung. Zudem ist sie im Gegensatz zu den Rechtsmittelbegründungsfristen (Berufungs- und Revisionsbegründungsfrist (§ 124a Abs. 3 Satz 1 und 5, § 139 Abs. 3 Satz 1 und § 143 Satz 2 VwGO)) nicht als Sachurteilsvoraussetzung ausgestaltet, sondern als prozessuale Präklusionsvorschrift für Tatsachen und Beweisantritte.
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Ausgehend davon hat die Klägerin die – hier anzuwendende – zehnwöchige Begründungsfrist ab Klageerhebung (Eingang bei Gericht am 12. April 2019, § 81 Abs. 1 VwGO) gegen die angefochtene Genehmigung vom 26. März 2019, welche eine Entscheidung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG darstellt, nicht eingehalten. Innerhalb dieser Frist erfolgte kein Tatsachenvortrag der Klägerin. Im Schriftsatz vom 12. April 2019 zur Klageerhebung hat sich die Klägerin mit dem angegriffenen Bescheid vom 26. März 2019 in keiner Weise auseinandergesetzt. Der Klageschriftsatz enthält lediglich den Klageantrag, keinerlei weitere Ausführungen. Dem Gericht lag bei Ablauf der Begründungsfrist am 21. Juni 2019 allein der mit der Klageerhebung eingegangene streitgegenständliche Bescheid vor. Die schon mit der Klageerhebung angekündigte Begründung ging erst mit Schriftsatz vom 31. Juli 2029 am gleichen Tag ein. Nach den vorgenannten Maßgaben ist die Klägerin damit ihrer Begründungsobliegenheit nach § 6 Satz 1 UmwRG nicht nachgekommen.
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1. § 6 UmwRG ist anwendbar.
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a) Der persönliche Anwendungsbereich des § 6 UmwRG ist eröffnet. Die Klägerin ist als GmbH eine juristische Person des Privatrechts, § 13 Abs. 1 GmbHG, so dass sie als „Person“ im Sinne von § 6 Satz 1 UmwRG die Klagebegründungsfrist einzuhalten hatte. Das ergibt sich eindeutig aus dem Verweis von § 6 Satz 1 UmwRG auf § 4 Abs. 3 Satz 1 UmwRG, wonach Personen gemäß § 61 Nr. 1 VwGO umfasst sind. Personen nach § 61 Nr. 1 VwGO sind natürliche und juristische Personen. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass § 6 UmwRG lediglich auf natürliche Personen oder Vereinigungen Anwendung finden würde. Dies wäre mit dem Wortlaut und mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift, der Fixierung des Prozessstoffes, auch nicht vereinbar.
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b) Nachdem der streitgegenständliche Bescheid im März 2019 erlassen worden ist, ist § 6 UmwRG auch in zeitlicher Hinsicht anwendbar. § 6 UmwRG wurde mit dem (am 2.6.2017 in Kraft getretenen) Gesetz zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben vom 29. Mai 2017 in das Umweltrechtsbehelfsgesetz eingefügt.
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c) § 6 UmwRG ist auch sachlich auf die streitgegenständliche Entscheidung, die Änderungsgenehmigung vom 26. März 2019, anwendbar, da diese eine Entscheidung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG darstellt (§ 6 Abs. 1 Alt. 1 UmwRG). Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a) UmwRG ist dieses Gesetz anwendbar auf Rechtsbehelfe gegen Zulassungsentscheidungen im Sinne von § 2 Abs. 6 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung über die Zulässigkeit von Vorhaben, die nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) haben kann. Nach § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG sind Zulassungsentscheidungen insbesondere Genehmigungen, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen werden. „Zulassung“ wird vom Gesetz nicht definiert, ist aber weit zu verstehen (vgl. Heinze/Wolff, NVwZ 2022, 931 [932]). Zulassungsentscheidungen in diesem Sinne sind nur Entscheidungen, durch die abschließend über die formellen und materiellen Zulassungsvoraussetzungen eines Vorhabens entschieden wird, nicht davon umfasst ist eine reine Modifikation einer Nebenbestimmung (vgl. BVerwG, U.v. 19.12.2019 – 7 C 28/18 – BVerwGE 163, 380 ff, juris Rn. 16). Vorliegend wird klageweise eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG angegriffen, die schon vom Wortlaut her eine Genehmigung, und damit eine Zulassungsentscheidung, darstellt. Mit der Änderungsgenehmigung wird abschließend über die Zulässigkeit einer wesentlichen Änderung einer genehmigungsbedürftigen Anlage entschieden. Es handelt sich auch um ein Vorhaben, für das im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a) UmwRG eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen kann. Hierfür ist ausreichend, dass eine UVP-Vorprüfung durchgeführt werden muss. Die Anwendung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes ist nicht vom Ausgang der Umweltverträglichkeitsprüfung abhängig (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, UmweltR, § 1 UmwRG Rn. 39 unter Verweis auf BVerwG, B.v. 29.6.2017 – 9 A 8.16 und Vergleich mit dem Referentenentwurf zur ursprünglichen Fassung des UmwRG vom April 2018). Für das klägerische Vorhaben der Änderung der genehmigungsbedürftigen Anlage wurde eine standortbezogene UVP-Vorprüfung nach § 7 Abs. 2 UVPG durchgeführt und diese war auch erforderlich nach Ziffer 8.7.1.2 der Anlage 1 zum UVPG. Eine abweichende Einordnung der streitgegenständlichen Änderungsgenehmigung, und damit einschränkende Auslegung des § 6 UmwRG, ist auch nicht deshalb veranlasst, weil hier eine isolierte Anfechtung einer Nebenbestimmung vorliegt. Dies schon vor dem Hintergrund, dass nach obergerichtlicher Rechtsprechung bei der Frage der Begründetheit der isolierten Anfechtungsklage der gesamte Verwaltungsakt in den Blick zu nehmen ist (vgl. BVerwG, U.v. 22.11.2020 – 11 C 2.00 – juris Rn. 25 m.w.N.). Zudem ergibt sich das auch aus dem Wortlaut von § 6 Satz 1 UmwRG selbst. Denn danach sind von dieser Norm Zulassungsentscheidungen und auch deren Unterlassen umfasst. Die Klägerin begehrt die Aufhebung der Nebenbestimmung der Genehmigung, damit wendet sie sich dagegen, dass es von der Beklagten unterlassen wurde, eine Änderungsgenehmigung ohne Nebenbestimmung zu erlassen. Darüberhinaus ist die Nebenbestimmung nach § 12 BImSchG Bestandteil der Änderungsgenehmigung und der Gesetzgeber beabsichtigte mit der Einfügung des § 6 UmwRG eine einheitliche und abschließende Regelung für alle Rechtsbehelfe im Geltungsbereich dieses Gesetzes (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8/17 – BVerwGE 163, 380 f., juris Rn. 14 unter Verweis auf BT-Drs. 18/9526 S. 41).
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2. Es ist nicht relevant, ob eine zeitliche Verzögerung durch ein Zulassen des präkludierten Vorbringens eintreten würde (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2018, a. a. O.). Damit ist auch die Dauer des Gerichtsverfahrens von etwa vier Jahren nicht von Relevanz. Zu diesem Aspekt ist zusätzlich zu erwähnen, dass zum einen weder von der Kläger- noch von der Beklagtenseite während der Rechtshängigkeit des Verfahrens auf eine Eilbedürftigkeit hingewiesen wurde, noch war eine Dringlichkeit den Akten zu entnehmen. Im Gegenteil drängt sich eher die Vermutung auf, dass vor dem Hintergrund, dass die Beklagte die streitgegenständliche Nebenbestimmung während der Rechtshängigkeit nicht vollzogen hat und die Klägerin die mit Kühlschmierstoffen behafteten Metallspäne während dieser Zeit als nicht gefährlichen Abfall annahm, die mehrjährige Verfahrensdauer für die Klägerin eher von Vorteil gewesen sein dürfte.
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3. Die zehnwöchige Klagebegründungsfrist kann nur in den Fällen des § 6 Satz 4 UmwRG verlängert werden (vgl. BayVGH, GB.v. 12.4.2021 – 8 A 19.40009 – juris Rn. 15). Darunter ist insbesondere die vollständige unterbliebene Beteiligung im Verwaltungsverfahren zu verstehen (vgl. BT-Drs. 18/12146 S. 16). Da die Klägerin selbst den Antrag auf Erteilung einer Änderungsgenehmigung gestellt hat und zudem dem Klägerbevollmächtigten der Entwurf des Bescheids mit der Bitte um Rückmeldung von Änderungswünschen übermittelt wurde, scheidet eine Verlängerungsmöglichkeit vorliegend aus. Eine Belehrung über die Folgen einer Fristversäumung ist nicht erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 24).
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4. Die Fristversäumnis wurde nicht genügend entschuldigt, so dass keine Ausnahme von der Präklusion nach § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO vorliegt. Der Klägerbevollmächtigte hat schon keinen hinreichenden Entschuldigungsgrund vorgebracht. Auf die zweimalige Fristverlängerung zur Vorlage der Klagebegründung durch das Gericht kann kein genügender Entschuldigungsgrund gestützt werden. Es ist schon fraglich, ob mit der Fristverlängerung überhaupt ein Vertrauenstatbestand für den Verzicht auf die Begründungsobliegenheit geschaffen wurde (vgl. VG Stuttgart, U.v. 25.2.2022 – 2 K 2277/19 – juris Rn. 71 f.). Denn jedenfalls wurde von der Klägerseite auch innerhalb der zuletzt gewährten Frist bis 19. Juli 2019 keine Klagebegründung vorgelegt. Diese ging erst am 31. Juli 2019, und damit erst auch nach Ablauf dieser Frist ein.
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5. Da die Klägerin erst mit der Klagebegründung vom 31. Juli 2019 in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorgetragen hat, ist sie mit ihrem kompletten Vorbringen präkludiert. § 6 UmwRG steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zu § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wonach die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben werden sollen. Da es sich bei § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO um eine Soll-Vorschrift handelt, bleibt eine fehlende Klagebegründung für den Kläger grundsätzlich sanktionslos. Durch die Regelung des § 6 Satz 1 UmwRG verändert sich diese Obliegenheit in eine Pflicht (vgl. Heinze/Wolff, NVwZ 2022, 931 [935]). Vor dem 31. Juli 2019 lagen dem Gericht lediglich der Klageantrag und der streitgegenständliche Bescheid vor. § 6 UmwRG ist als prozessuale Präklusionsvorschrift für Tatsachen und Beweisantritte ausgestaltet (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8/17 – juris Rn. 15). Auf rein rechtliche Bewertungen aktenkundiger Tatsachen findet § 6 UmwRG keine Anwendung (vgl. BayVGH, B.v. 22.5.2020 – 22 ZB 18.856 – juris Rn. 64). Innerhalb dieser Frist muss der Kläger die ihn beschwerenden Tatsachen so konkret angeben, dass der Lebenssachverhalt, aus dem er den mit der Klage verfolgten Anspruch ableitet, unverwechselbar feststeht. Das schließt späteren vertiefenden Vortrag nicht aus (vgl. BVerwG, U.v. 30.9.1993 – 7 A 14/93 – juris LS 2). Zur Fixierung des Verfahrensstoffs reicht jeder Vortrag aus, der dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten einen Eindruck von der Sicht des Klägers auf den jeweiligen Tatsachenkomplex verschafft und sie in die Lage versetzt, bei verbleibenden Unsicherheiten gezielt nachzuforschen (vgl. Landmann/Rohmer, UmweltR, § 6 UmwRG Rn. 61). Der Vortrag muss ein Mindestmaß an Schlüssigkeit und Substanz aufweisen und dem Gericht einen Eindruck von der Sicht des Klägers auf den jeweiligen Tatsachenkomplex verschaffen (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.2021 – 9 A 8.17 – BVerwGE 163, 380, juris Rn. 24).
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Daran fehlt es hier. In dem Klageschriftsatz, der alleine bei Ablauf der Klagebegründungsfrist vorlag, sind keinerlei Ausführungen enthalten, unter welchen Aspekten die Nebenbestimmung der Änderungsgenehmigung angegriffen wird. Zwar unterfällt die Bewältigung des Rechtsstoffes alleine der Verantwortung des Gerichts (vgl. BVerwG, U.v. 15.9.1999 – 11 A 22/98 – juris Rn. 17) und Verwaltungsakte sind generell Grundlage für die Entscheidungsfindung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BayVGH B.v. 22.5.2020 – 22 ZB 18.856 – juris Rn. 73). Jedoch setzt jede rechtliche Wertung voraus, dass Tatsachen vorhanden sind, an die eine rechtliche Wertung überhaupt erst anknüpfen kann. Solche Tatsachen, z.B. um welche Späne es sich handelt, sind erst mit dem Schriftsatz vom 31. Juli 2019 vorgetragen worden. Es spricht angesichts des Gesetzeszwecks, den Prozessstoff zu straffen, viel dafür, dass im Anwendungsbereich des § 6 UmwRG eine Klageerhebung alleine unter Vorlage des angefochtenen Bescheids ohne Begründung von vornherein den Anforderungen nicht genügt (vgl. VG München, U.v. 26.10.2021 – M 2 K 20.2234 – juris Rn. 29). Auch § 82 Abs. 1 VwGO stützt diese Auffassung, da danach der Klageantrag von der Klagebegründung zu unterscheiden ist und § 6 UmwRG ausdrücklich – in Abweichung von der Soll-Regelung des § 82 Abs. 1 VwGO – eine Begründung fordert. Mangels Klagebegründung stand vorliegend der Lebenssachverhalt, aus dem ein Anspruch hergeleitet wird, bis zum Fristablauf nicht unverwechselbar fest. Alleine durch die Beifügung des streitgegenständlichen Bescheids setzt sich die Klägerin in keiner Weise mit ihm auseinander. Im Rahmen einer Anfechtungsklage zur Einhaltung der Klagebegründungsfrist ist dies jedoch erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 13). Auch ein Verweis auf die im behördlichen Verfahren zur Sprache gebrachten Einwendungen – der vorliegend mangels tatsächlich vorgebrachter Einwendungen im Verwaltungsverfahren nicht einmal gemacht werden konnte – reicht nicht aus (vgl. BayVGH, GB.v. 12.4.2021 – 8 A 19.40009 – juris Rn. 17). Bis zum Ablauf der Frist war für das Gericht durch den klägerischen Vortrag lediglich klar, dass die Klägerin die Aufhebung der Nebenbestimmung begehrt. Die dieses Begehren tragenden Aspekte – tatsächlicher und auch rechtlicher Art – sind alle erst nach Fristablauf eingegangen.
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6. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Präklusion nach § 6 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO liegen nicht. vor.
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§ 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO stellt eine klarstellende einfachgesetzliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar (vgl. BVerwG, U.v. 18.2.1998 – 11 A 6.97 – juris Rn. 25). Eine Ausnahme von der Präklusionsregelung liegt nach § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO regelmäßig vor, wenn deutlich zu Tage tritt, unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten der Kläger die Entscheidung angreift und die Klagebegründungsobliegenheit eine bloße Förmlichkeit wäre (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 1.12.2022 – 8 A 21.40033 – juris Rn. 50). Es handelt sich um einen Bagatellvorbehalt, der lediglich eine im Einzelfall unverhältnismäßige Präklusion ausschließen soll und deshalb eng auszulegen ist (vgl. Fellenberg/Schiller in: Landmann/Rohmer, UmweltR, § 6 UmwRG Rn. 84; Kuchler/Loscher, jurisPR-UmwR 2/2020, Anm. 4). Eine Präklusion kann nicht für jeglichen Sachverhalt ausgeschlossen sein, der sich aus den Verfahrensakten ergibt, vor allem dann nicht, wenn die Einwendungen die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung betreffen (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2019 – 8 A 16.40026 – juris Rn. 25). Ein solches Verständnis ließe die Obliegenheit des Klägers zur Fixierung des Streitstoffes innerhalb der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG im Ergebnis leerlaufen und verpflichtete das Gericht sowie die anderen Beteiligten zur Spekulation, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten der Kläger subjektiv gegen die Entscheidung vorgehen will (vgl. OVG NRW, B.v. 18.2.2020 – 11 B 13/20 – juris Rn. 48). Die Feststellung der das Rechtsschutzbegehren stützenden Gesichtspunkte muss dem Gericht ohne nennenswerten sachlichen, finanziellen oder auch zeitlichen Aufwand möglich sein. Das Studium umfangreichen schriftsätzlichen Vortrags oder das Durchsuchen des Verwaltungsaktes nach bestimmten Tatsachen und Erklärungen ist nicht mehr als geringer Aufwand anzusehen. Eine Ausnahme von der Präklusion ist vielmehr auf Fälle zu beschränken, in denen die vom Kläger nicht ausdrücklich vorgetragenen tatsächlichen Gesichtspunkte dem Gericht ohne weiteres bekannt sind oder sich offensichtlich aus der Akte oder anderen leicht zugänglichen Quellen ergeben (vgl. OVG Hamburg, U.v. 29.11.2019 – 1 E 23/18 – juris Rn. 150 f.).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt im vorliegenden Fall keine Ausnahme von der Präklusion zu machen. Die Obliegenheit der Klägerin, die Klagegründe anzugeben, ist keine bloße Förmelei. Denn ohne Mitwirkung der Klägerin war in keiner Weise mit geringem Aufwand zweifelsfrei erkennbar, unter welchen Gesichtspunkten die Änderungsgenehmigung bzw. die Nebenbestimmung angegriffen werden soll. Die vorgelegten Behördenakten umfassen zwei Ordner mit mehreren hundert Seiten bzw. Plänen, aus denen sich die tatsächlichen Gesichtspunkte, die der Klageerhebung zu Grunde liegen, nicht offensichtlich ergeben. Der Frage der Behandlung von mit Kühlschmierstoffen behafteten Metallspänen kommt in den Akten nur eine sehr untergeordnete Rolle zu. Der Sachverhalt war dem Gericht auch nicht aus anderen Quellen, wie z.B. ein gleichgelagertes gerichtliches Verfahren, bekannt (hierzu vgl. NdsOVG, U.v. 15.11.2018 – 1 KN 29/17 – juris Rn. 31). Die von der Klägerin im gerichtlichen Verfahren vorgebrachten Einwendungen und Aspekte ziehen sich auch nicht wie ein „roter Faden“ durch den gesamten Verfahrensablauf (zu einer solchen Konstellation: vgl. OVG Saarl, U.v. 5.7.2021 – 2 A 123/20 – juris Rn. 20). Es wurden keine Einwendungen im behördlichen Verfahren vorgebracht. Im Gegenteil: die Formulierung der angefochtenen Nebenbestimmung entspricht im Grunde wörtlich einem vom Klägerbevollmächtigten der Beklagten im Verwaltungsverfahren vorgelegten Muster, das einem anderen Bescheid entnommen worden war. Zudem wurde dem Klägerbevollmächtigten, der schon im Verwaltungsverfahren bevollmächtigt war, vor Erlass der Entwurf des Bescheids mit der Bitte um Durchsicht und Mitteilung von Änderungswünschen zugeleitet. Nach einer telefonischen Rücksprache der Beklagten mit dem Klägerbevollmächtigten gab es von der Klägerseite keine Einwände, so dass der streitgegenständliche Bescheid erlassen wurde. Letztlich wurde im Verwaltungsverfahren damit konsensual eine Lösung für das Genehmigungsverfahren, einschließlich der Behandlung von mit Kühlschmierstoffen verunreinigten Metallspänen, gefunden. Vor diesem Hintergrund erscheint die Präklusion des Klagevorbringens nicht als unverhältnismäßig.
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Abschließend sei erwähnt, dass der Klägerbevollmächtigte eine materielle Klagebegründung mit der Klageerhebung angekündigt hat. Die (verspätet) vorgelegte Klagebegründung enthält zudem umfangreiche Ausführungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, so dass wohl auch der Klägerbevollmächtigte selbst von deren Notwendigkeit ausgegangen sein dürfte.
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Nach allem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO)