Titel:
Mitbestimmung des örtlichen Personalrats eines Jobcenters bei der erneuten Zuweisung eines Beschäftigten nach einer Unterbrechung aufgrund einer außerordentlichen Kündigung
Normenketten:
BPersVG § 78 Abs. 1 Nr. 7
BPersVG § 75 Abs. 1 Nr. 4a (idF bis zum 15.6.2021)
SGB II § 44g Abs. 2 (idF bis zum 1.1.2023)
SGB II § 44g Abs. 1
Leitsätze:
1. Geht es um die Klärung eines bestimmten, konkreten Einzelfalls, in dem das Eingreifen eines Mitbestimmungstatbestandes streitig ist, ist die Feststellung, dass in diesem konkreten Fall ein Mitbestimmungsrecht des zuständigen Personalrats besteht, grundsätzlich die richtige Antragstellung. Ein solcher konkreter Feststellungsantrag ist aber unzulässig, wenn die zur Überprüfung gestellte Maßnahme im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollzogen ist und keine Rechtswirkungen mehr von ihr ausgehen. (Rn. 22 – 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die durch § 44g Abs. 1 SGB II gewährleistete Mitbestimmung des Personalrats des Jobcenters geht nicht über den Mitbestimmungstatbestand des § 78 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG, nämlich die Mitsprache bei der Eingliederung des Beschäftigten in den Dienstbetrieb des Jobcenters hinaus. Kein Aspekt der Eingliederung ist die rein finanzielle bzw. haushaltsrechtliche Seite der Personalzuweisung. (Rn. 27 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die bislang streitige Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine erneute Zuweisung (Anschlusszuweisung nach Unterbrechung) eines Beschäftigten an ein Jobcenter durch die BA einer erneuten Zustimmung der Geschäftsführung bedarf und damit auch der erneuten Mitbestimmung des Personalrats eines Jobcenters unterliegt, ist durch die Streichung von § 44g Abs. 2 SGB II zum 1. Januar 2023 entfallen. Nach § 78 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG, § 44g Abs. 1 SGB II hat bei jeder Zuweisung, also wohl bei einer Neu- als auch bei einer Wiederzuweisung, das Zustimmungs- und Mitbestimmungsverfahren stattzufinden. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
- konkreter und abstrakter personalvertretungsrechtlicher Feststellungsantrag, - Mitbestimmungspflicht des Personalrats eines Jobcenters bei erneuter Zuweisung eines Beschäftigten nach gewonnener Kündigungsschutzklage, - Wegfall des Rechtschutzbedürfnisses für ein konkretes Feststellungsverfahren wegen der Zuweisung eines Beschäftigten, wenn feststeht, dass der Beschäftigte zur Dienstverrichtung nicht mehr erscheint; die haushaltsrechtliche Stellenbesetzung steht der Erledigung des Rechtsstreits nicht entgegen, - Wegfall des Rechtschutzbedürfnisses für ein abstraktes Feststellungsverfahren bei Aufhebung der ehemals streitigen Rechtsvorschrift (§ 44g Abs. 2 SGB II) durch den Gesetz- geber
Fundstelle:
BeckRS 2023, 11221
Tenor
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe
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Die Beteiligten streiten um die Mitbestimmung des örtlichen Personalrats eines Jobcenters bei der erneuten Zuweisung eines Beschäftigten nach einer Unterbrechung aufgrund einer außerordentlichen Kündigung, die sich als nicht berechtigt herausgestellt hat und in diesem Zusammenhang um die Auslegung des zwischenzeitlich aufgehobenen § 44g Abs. 2 SGB II.
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Die Beteiligte ist die Leitung des Jobcenters …, das eine gemeinsame Einrichtung nach § 44c SGB II der Stadt … und der (Bundes-)Agentur für Arbeit (BA) darstellt. Der Antragsteller ist der örtliche Personalrat des Jobcenters … (Jobcenter).
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Am 15. August 2005 wurde der Beschäftigte I. (Beschäftigter) bei der BA eingestellt und zunächst befristet der damaligen ARGE … zugewiesen. Zum 1. September 2007 wurde er in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen. Zum 1. Januar 2011 erfolgte nach gesetzlicher Regelung die Überführung in das Jobcenter, zum 1. Mai 2015 auf Dauer. Der Beschäftigte war als Sachbearbeiter in der Leistungsgewährung nach dem SGB II und am Ende als Abwesenheitsvertretung des Teamleiters tätig. Die BA kündigte dem ordentlich nicht kündbaren Beschäftigten wegen verhaltensbedingter Vorwürfe (Störung des Betriebsfriedens durch rassistische Äußerungen und sexuelle Belästigungen) außerordentlich (fristlos und hilfsweise mit sozialer Auslauffrist) mit Schreiben vom 20. Januar 2021. Dem Antragsteller wurde die Aufhebung der Zuweisung mit entsprechendem Vordruck am 18. Januar 2021 nach § 2 BPersVG zur Kenntnis gegeben.
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Die Kündigungsschutzklage des Beschäftigten am Arbeitsgericht … endete mit der Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst worden ist (Urteil vom 19.8.21). Zur einer Rückkehr des Beschäftigten ins Jobcenter kam es nicht. Er war zunächst ab 8. Oktober 2021 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Zum 2. November 2021 sollte dem Beschäftigte eine gleichwertige andere Stelle (Unterhaltsheranziehung) im Jobcenter übertragen werden, wozu es letztlich aber nicht kam. Am 18. Oktober 2021 kam es in diesem Zusammenhang zu zwei Vorlagen der Beteiligten an den Antragsteller:
- einer Vorlage nach § 2 BPersVG zur erneuten Zuweisung des Beschäftigten an das Jobcenter ab 2. November 2021 (Vorlage 1).
- einer Vorlage nach § 78 BPersVG zur Eingruppierung, Umsetzung und dem Wegfall der Funktionsstufe Abwesenheitsvertretung mit der Anmerkung, dass der Beschäftigte ab
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2. November 2021 als Sachbearbeiter Unterhaltsheranziehung eingesetzt und im Rahmen dessen ihm die Funktionsstufe Abwesenheitsvertretung entzogen werde (Vorlage 2).
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Zur Vorlage 2 erteilte der Antragsteller seine Zustimmung. Zur Vorlage 1 forderte der Antragsteller die Beteiligte mit Schreiben vom 8. November 2021 auf, eine Beteiligung nach § 78 BPersVG durchzuführen. § 44g Abs. 2 SGB II, wonach das Zustimmungserfordernis der Geschäftsführung der gemeinsamen Einrichtung entfallen könne, wenn ein Beschäftigter in der entsprechenden gemeinsamen Einrichtung bereits zugewiesen gewesen sei, greife nicht ein. Dies sei nach der Rechtsprechung nur dann der Fall, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang bestehe. Auch entspreche die Nichtbeteiligung nicht dem mit der gesetzlichen Regelung verbundenen Zweck der Verfahrensvereinfachung.§ 44g Abs. 2 SGB II sehe nur eine Begünstigung der Umstellung der früheren gesetzlichen in individuelle Einzelzuweisungen vorsehe. Mit Schreiben vom 11. November 2021 wurde seitens der Beteiligten mitgeteilt, dass es bei der Vorlage nur zur Kenntnisnahme verbleibe.
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In seiner Sitzung vom 15. November 2021 beschloss der Antragsteller, das verwaltungsgerichtliche Beschlussverfahren wegen der Missachtung seines Mitbestimmungsrechts einzuleiten.
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Mit beim Verwaltungsgericht Ansbach am 22. März 2022 eingegangenem Schriftsatz beantragte der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten:
1. Es wird festgestellt, dass im Zuge der beabsichtigten Weiterverwendung des Beschäftigten … in der Dienststelle des Beteiligten Mitbestimmungsrechte des Antragstellers gem. § 78 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG (Zuweisung) bestanden haben.
2. Es wird festgestellt, dass bei der Rückkehr eines Beschäftigten unter solchen Umständen, wie sie bei derjenigen des Beschäftigten … in die Dienststelle des Beteiligten im Jahr 2021 vorgelegen haben, ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers nach § 78 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG besteht.
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Das Verfahren sei als abstrakter Feststellungantrag zulässig. Es bestehe ein Mitbestimmungsrecht nach § 78 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG. Habe sich wie hier ein konkretes Feststellungsbegehren erledigt, könne losgelöst vom konkreten Fall ein abstrakter Feststellungsantrag zur Rechtsfrage, die hinter dem Anlass gebenden Fall stehe, gestellt werden. Vorliegend habe sich der konkrete Streitfall durch Vollzug der Maßnahme der Zuweisung erledigt. Es bestehe aber weiterhin die abstrakt klärungsbedürftige Frage der Reichweite des § 44g Abs. 2 SGB II (a.F.).
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Die Wiederzuweisung des Beschäftigten an das Jobcenter für mehr als drei Monate bzw. die notwendige Zustimmung des Geschäftsführers eines Jobcenters zu einer Zuweisung nach § 44g Abs. 1 SGB II stelle eine Maßnahme nach § 78 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG dar. Der Antragsteller sei die nach § 44h Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB II zuständige Personalvertretung. Er sei für Maßnahmen zuständig, die die Leitung der Dienststelle treffe. Mit der Kündigung des Beschäftigten sei die Zuweisung der BA an das Jobcenter zunächst beendet worden. Zum 2. November 2021 sei eine Neuzuweisung der BA an das Jobcenter erfolgt und deshalb eine erneute Zustimmung der Beteiligten erforderlich. Die Ausnahme des § 44g Abs. 2 SGB II greife nicht ein. Dieser sei von seiner Intention her auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Eine erneute Zustimmung scheide nur aus, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Erstzuweisung bestehe, was bei einem Unterbrechungszeitraum vom mehr als neun Monaten, nämlich vom 20. Januar 2021 bis 2. November 2021, nicht mehr der Fall sei. Auch in anderen Fällen, etwa bei Personalentwicklungsmaßnahmen mit einer Unterbrechung von sechs Monaten, werde das Mitbestimmungsverfahren nach § 78 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG angewandt.
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Die Beteiligte beantragte mit Schriftsatz vom 9. Mai 2022, den Antrag abzuweisen.
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Eine Umsetzung des Beschäftigten innerhalb des Jobcenters sei nötig gewesen, weil ein weiterer Einsatz im bisherigen Team den Betriebsfrieden immens negativ beeinträchtigt hätte. Die Vorlage 1 zur erneuten Zuweisung sei „der Form halber“ nach § 2 BPersVG eingebracht worden. Eine Beteiligung des Antragstellers sei nach § 44g Abs. 2 SGB II (a.F.) bei einer erneuten Zuweisung nicht notwendig, eine nahtlose Zuweisung verlange das Gesetz dabei nicht. Lediglich längere Unterbrechungen würden in der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt einer teleologischen Reduktion des § 44g Abs. 2 SGB II (a.F.) anders betrachtet, ein solcher Zeitraum liege aber nicht vor. Es sei lediglich der Status Quo wiederhergestellt worden.
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Die Antragstellerseite berief sich mit Schriftsatz vom 16. August 2022 weiter darauf, dass im Rahmen von Jour-fixe-Terminen zwischen den Verfahrensbeteiligten besprochen worden sei, dass im Falle einer Rückkehr des Beschäftigten eine Zuweisung im gleichen Jobcenter auf keinen Fall erfolge. Der Vorlage 2 sei zugestimmt worden, weil die Umsetzung des Beschäftigten zumindest den Einsatz im bisherigen Team verhindert hätte. Auch die Beteiligte habe den immens negativ beeinträchtigten Betriebsfrieden vorausgesehen. Es sei aber verkannt worden, dass jeder Einsatz im Jobcenter den Betriebsfrieden beeinträchtigen würde. Zwar habe die außerordentliche Kündigung nicht gehalten, jedoch seien Abmahnungen gegenüber dem Beschäftigten ausgesprochen worden, ein tadelloses Leistungsbild des Beschäftigten liege jedenfalls in persönlicher Hinsicht gerade nicht vor. Aus Sicht des Antragstellers wäre der Einsatz des Beschäftigten in der deutlich größeren BA angemessen und pflichtgemäß gewesen. Durch die fehlende Beteiligung des Antragstellers hätten die Sorgen der Belegschaft nicht kommuniziert werden können.
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Die Beteiligte teilte mit Schriftsatz vom 1. September 2022 mit, dass nunmehr feststehe, dass der Beschäftigte nicht mehr in das Jobcenter … zurückkehre. Das Arbeitsverhältnis sei durch Vergleich unwiderruflich unter Freistellung bis zum 31. Januar 2024 beendet worden. Die Finanzierung laufe zwar noch zulasten des Jobcenters …, faktisch würde die Personalkapazität aber flexibel eingesetzt und – wie zuletzt – ständig erweitert. Die Personalplanung und -rekrutierung werden für das Jobcenter nicht wesentlich eingeschränkt.
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Der Antrag wurde seitens der Antragstellerseite dennoch aufrechterhalten (Mitteilung vom 21. September 2022), woraufhin die Beteiligte durch ihren Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2022 in der Sache weitere Ausführungen machte.
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Mit Schriftsatz vom 29. November 2022 machte die Antragstellerseite Ausführungen zur Zulässigkeit des Antrags als abstraktem Feststellungsantrag. Über den anlassgebenden Fall hinaus könnte sich zukünftig die Frage stellen, ob nach obsiegender Kündigungsschutzklage eine Personalratsbeteiligung notwendig sei. Sie verwies auf eine neue Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen zu § 44 g Abs. 2 SGB II.
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§ 44 g Abs. 2 SGB II wurde mit dem Zwölften Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeld-Gesetz) mit Wirkung zum 1. Januar 2023 aufgehoben. Hierauf verwies die Beteiligtenseite mit Schriftsatz vom 30. November 2022.
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Auf gerichtliche Aufforderung machte die Antragstellerseite mit Schriftsatz vom 28. Februar 2023 Ausführungen zum Feststellungs- bzw. Rechtschutzbedürfnis. Ein Feststellungsinteresse hinsichtlich des konkreten Feststellungsantrags sei aus ihrer Sicht nach wie vor gegeben, weil die Vergütung des Beschäftigten bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses weiter zulasten des Jobcenter laufe. Die Stelle bleibe haushaltsrechtlich besetzt, was wegen der akuten Überlastungssituation in der Gruppe von Bedeutung sei. Durch die Zuweisung bleibe eine dringend erforderlich zu besetzende Stelle unbesetzt.
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Dieser Argumentation widersprach die Beteiligtenseite mit Schriftsatz vom 1. März 2023. Die haushaltsrechtliche Überprüfung obliege dem Antragsteller nicht. Eine (Wieder-)Eingliederung des Beschäftigten in das Jobcenter finde nicht statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die Gerichtsakte mit den darin enthaltenen Schriftsätzen Bezug genommen. Für die mündliche Anhörung wird auf die gefertigte Sitzungsniederschrift verwiesen.
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Der mit Ziffer 1. des Schriftsatzes vom 22. März 2022 gestellte konkrete Feststellungsantrag ist ebenso unzulässig wie der unter Ziffer 2 hilfsweise erhobene abstrakte Feststellungsantrag, so dass der Antrag insgesamt zurückzuweisen war.
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1. Zur Klärung der Frage, ob dem Personalrat in einer bestimmten Konstellation ein Mitbestimmungsrecht zusteht, steht diesem prozessual das personalrechtliche Beschlussverfahren in Form eines Feststellungsantrags zur Verfügung, vgl. § 108 Abs. 1 Nr. 3 BPersVG. Geht es um die Klärung eines bestimmten, konkreten Einzelfalls, in dem das Eingreifen eines Mitbestimmungstatbestandes streitig ist, ist die Feststellung, dass in diesem konkreten Fall ein Mitbestimmungsrecht des zuständigen Personalrats besteht, grundsätzlich die richtige Antragstellung (konkreter Feststellungsantrag).
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Ein solcher konkreter Feststellungsantrag ist jedoch dann nicht mehr zulässig, ihm fehlt vielmehr das Rechtsschutzbedürfnis, wenn die zur Überprüfung gestellte Maßnahme vollzogen ist und keine Rechtswirkungen mehr von ihr ausgehen (z.B. eine Einstellung zwischenzeitlich vorgenommen worden ist und nicht mehr rückgängig gemacht werden kann). Ebenso besteht kein Rechtschutzbedürfnis mehr, wenn von der Maßnahme zwischenzeitlich gesichert Abstand genommen worden ist und deren Umsetzung – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr in Frage kommt.
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Für das Vorhandensein eines Rechtschutzbedürfnisses kommt es wie für alle Zulässigkeitsvoraussetzung auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an, nicht auf den Zeitpunkt der Einleitung des Gerichtsverfahrens oder einen Zeitpunkt im vorausgegangenen Verwaltungsverfahrens oder den (beabsichtigten) Zeitpunkt der Umsetzung der Maßnahme. Einer gerichtlichen Entscheidung bedarf des dann nicht mehr, wenn der anlassgebende Sachverhalt sich erledigt hat und für die Zukunft keine Auswirkung mehr hat, sondern das Gericht lediglich bescheinigen könnte, wer Recht gehabt hat bzw. Recht gehabt hätte. Derartige gutachterliche Aussagen sind jedoch nicht Aufgabe der Gerichte.
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Im vorliegende Fall hat sich die zunächst beabsichtigte Wiederzuweisung des Beschäftigten … an das Jobcenter erledigt. Der Beschäftigte ist nach der Beendigung seiner Erstzuweisung zum 20. Januar 2021 bis heute keinen einzigen Tag zur Dienstverrichtung zurückgekehrt und wird auch zu keinem Zeitpunkt, auch nicht für nur kurze Zeit, in das Jobcenter zurückkehren. Er war vielmehr zuerst aufgrund der mit der außerordentlichen Kündigung verbundenen Freistellung vom Dienst gehindert, auf seinen alten Arbeitsplatz zurückzukehren, war in der Zeit nach der gewonnenen Kündigungsschutzklage, nahtlos daran anschließend bzw. sich sogar überschneidend, arbeitsunfähig erkrankt und ist zwischenzeitlich aufgrund eines geschlossenen außergerichtlichen Vergleichs dauerhaft und unwiderruflich bis zum 31. Januar 2024 vom Dienst freigestell; danach endet der Arbeitsvertrag. Zu einer Wiedereingliederung in das Jobcenter ist es damit zu keinem Zeitpunkt gekommen und wird es auch in der Zukunft zu keinem Zeitpunkt mehr kommen.
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Die Zuweisung eines Beschäftigten, die nach § 78 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG einen Mitbestimmungstatbestand darstellt, ist definiert als die Arbeitsübertragung an einen Beschäftigten unter Beibehaltung des bisherigen Dienstherrnverhältnisses (BVerwG, B.v. 24.9.2013 – 6 P 4/13 – juris Rn. 12). Die Definition der Zuweisung orientiert sich auch für Beschäftigte an der beamtenrechtlichen Definition (siehe § 29 BBG); sie hat eine Auffangfunktion und ist wie die Abordnung und Versetzung eines Beamten durch die Eingliederung des Bediensteten in den Dienstbetrieb gekennzeichnet (BVerwG, B.v. 24.9.2013 – 6 P 4/13 – juris Rn. 16 und Rn. 22). Sie unterscheidet sich von der Abordnung und Versetzung jedoch dadurch, dass kein neues bzw. anderes Dienstherrnverhältnis begründet wird, ein Dienstverhältnis zum Jobcenter, das keine Dienststelle der BA darstellt, nicht entsteht (BVerwG, B.v. 24.9.2013 – 6 P 4/13 – juris Rn. 17). Der einem Jobcenter zugewiesene Beschäftigte verbleibt personalrechtlich vielmehr bei der Einstellungsdienststelle, also der BA; dem Jobcenter kommt keine Dienstherreneigenschaft zu (vgl. insbesondere § 44g Abs. 3, § 44d Abs. 4, § 44b Abs. 1 SBG II und § 4 Abs. 3 TV-BA, zum Ganzen auch BVerwG, B.v. 24.9.2013 – 6 P 4/13 – juris Rn. 12 ff.). Der Mitbestimmungstatbestand des § 78 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG (vormals § 75 Abs. 1 Nr. 4a BPersVG a.F.) ist bei der Zuweisung von Personal durch die BA an das Jobcenter erfüllt (BVerwG, B.v. 24.9.2013 – 6 P 4/13 – juris Rn. 12 ff.; BVerwG, B.v. 31.1.2017 – 5 P 10/15 – juris Rn. 24), durch das Zustimmungserfordernis der Geschäftsführung des Jobcenters nach § 44g Abs. 1 SGB II ist auch die Beteiligung des Personalrats des Jobcenters gewährleistet, so dass eine Mitbestimmungslücke für die von der Angelegenheit eigentliche betroffene Personalvertretung verhindert wird.
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Die durch die gesetzliche Regelung des § 44g Abs. 1 SGB II gewährleistete Mitbestimmung des Personalrats des Jobcenters geht jedoch nicht über den Mitbestimmungstatbestand des § 78 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG, nämlich die Mitsprache bei der Eingliederung des Beschäftigten in den Dienstbetrieb des Jobcenters hinaus. Die Mitsprache des Personalrats dient der Überwachung bzw. Gewährleistung des Betriebsfriedens im Jobcenter, der durch die einzugliedernde Person oder durch eine unangemessene Arbeitsverteilung im Team gefährdet sein könnte. Kommt eine Eingliederung definitiv nicht mehr in Betracht, entfällt damit aber die Mitbestimmung des Personalrats, ein bereits anhängiger konkreter Feststellungsantrag erledigt sich und ist, wenn der Situation prozessual nicht mit einem entsprechenden Erledigungsantrag oder einer Antragsänderung begegnet wird, als unzulässig zurückzuweisen.
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Nicht Aspekt der Eingliederung ist die rein finanzielle bzw. haushaltsrechtliche Seite der Personalzuweisung. Die Argumentation, dass durch die Wiederzuweisung des Beschäftigten an das Jobcenter derzeit eine Stelle besetzt ist und damit eine Neubesetzung nicht erfolgt, woraus eine Arbeitsbelastung des Teams resultiert, verfängt nicht. Was nicht den Grund des Mitbestimmungstatbestands, sondern nur eine – als solche nicht mitbestimmungspflichtige – Auswirkung bzw. Folgewirkung einer Maßnahme darstellt, steht der Erledigung der Rechtsstreitigkeit nicht entgegen, auch wenn derartige Folgewirkungen tatsächlich noch bestehen sollten. Zur Mitbestimmung über die personelle und wirtschaftliche Ausstattung von Dienststellen ist der Personalrat nicht berufen, sondern nur zur Mitbestimmung an – konkret im Gesetz benannten – personellen Einzelmaßnahmen nach § 78 BPersVG, in sozialen Angelegenheiten, § 79 BPersVG, und bei organisatorischen Maßnahmen nach § 80 BPersVG.
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Dass haushaltsrechtliche Folgewirkungen für das Jobcenter noch bestehen bzw. kausal auf die ursprünglich beabsichtigte Zuweisung des Beschäftigten … zurückzuführen sind, ist vom Antragstellers überdies nicht ausreichend dargelegt worden. Die Personalausstattung eines Jobcenters wird, worüber sich die Verfahrensbeteiligten einig sind und dies im Rahmen der Anhörung so auch zugestanden haben, von der Trägerversammlung festgelegt, § 44 c Abs. 2 Nr. 8 und Abs. 4 SGB II. Die Personalausstattung ist gesetzlich nicht gesetzlich fixiert und haushaltsrechtlich nicht unabänderbar. Sie hängt nicht zwangsläufig an einer „Zuweisung auf dem Papier“. Der Bevollmächtigter der Beteiligten zeigte in der Anhörung konkret die Möglichkeit der Bildung eines Sonderpostens auf, um einer Sondersituationen wie der vorliegenden zu begegnen. Offenblieb jedoch, ob dieser Weg im vorliegenden gegangen worden ist, von der Beteiligten oder dem Antragsteller eine entsprechende Initiative gegenüber der BA gestartet worden ist. Darüber, ob sich die Zuweisung des Beschäftigten faktisch aktuell überhaupt noch negativ auf die Ausstattung des Jobcenters auswirkt, waren sich die Verfahrensbeteiligten ebenfalls nicht einig. Die vom Antragsteller ins Feld geführten Gründe für die aktuelle Belastung der Mitarbeiter des Jobcenters … und von Jobcentern in Deutschland (insbesondere Zuständigkeit für ukrainische Flüchtlinge) haben mit der anlassgebenden Maßnahme schon nichts zu tun. Die Antragstellerseite gab auf Frage des Gerichts vor allem auch an, dass selbst in der Zeit, in der der Kündigungsschutzprozess noch gelaufen ist und eine Zuweisung des Beschäftigten zum Jobcenter nicht bestanden hat, die erforderlichen Einstellungen von Mitarbeitern aufgrund der allgemeinen Arbeitsmarktlage, also unabhängig von der in Frage stehenden Zuweisung, nicht gelungen ist.
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Die nunmehrige Argumentation mit negativen Auswirkungen auf die Mitarbeiter im Jobcenter wegen der Blockierung einer Stelle ist vom Antragsteller überdies erstmals im Schriftsatz vom 28. Februar 2023 aufgenommen worden und entspricht in keiner Weise der ursprünglichen Argumentation und Intention des Antragstellers, die ganz klar allein dahinging, dass in der Person bzw. dem Verhalten des Beschäftigten. Gründe für die Ablehnung bzw. eine Belastung für das Team gesehen wurden. Offensichtlich stellen die zuvor in keiner Weise herangezogenen haushaltsrechtlichen Aspekte also nicht die Motivation für die Einleitung des personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens dar, sondern wurden nachträglich aufgesattelt.
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2. Der Antrag ist auch nicht als – gleichfalls und von Anfang an hilfsweise erhobener – abstrakter Feststellungsantrag (Antrag Nr. 2) zulässig. Über diesen ist, nachdem der Hauptantrag unter Nr. 1 der Antragsschrift vom 22. März 2023 erfolglos bleibt, zu befinden.
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Hat sich – wie oben dargelegt – ein konkreter Rechtsstreit erledigt, kann ein Rechtschutzbedürfnis für ein personalvertretungsrechtliches Beschlussverfahren auch dann noch gegeben sein, wenn und soweit der Antrag und der Sachvortrag des Antragstellers die Annahme zulässt, dass eine Entscheidung über den konkreten Vorgang hinaus für die Zukunft noch von Bedeutung sein wird, die hinter dem Fall stehende klärungsbedürftige abstrakte personalvertretungsrechtliche Frage sich in Zukunft mit einiger Wahrscheinlichkeit wieder stellt, also eine Wiederholung des Streitfalls mit einiger Wahrscheinlichkeit droht (Rehak in Lorenzen/Gerhold/Schlatmann u.a., Bundespersonalvertretungsgesetz, 217. AL Februar 2021, § 83 Rn. 48 und Rn. 51a; BVerwG, B.v.11.3.2014 – 6 PB 41/13 – juris Rn. 7 -10). Diese Erweiterung des Rechtschutzbedürfnisses in personalvertretungsrechtlichen Verfahren ist der Tatsache und Überlegung geschuldet, dass es im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren in der Regel nicht um Individualrechtsschutz und die Durchsetzung bzw. Verletzung subjektiver Rechte geht, sondern regelmäßig um die Klärung von Zuständigkeiten und Rechtspositionen zwischen Personalverantwortlichem und Personalvertretung („objektives Verfahren“), um auf diesem Weg (auch) eine Richtschnur für die zukünftige Zusammenarbeit zu haben. Auch für einen solchen abstrakten Feststellungsantrag entfällt jedoch das Rechtschutzbedürfnis, wenn sich aus dem Ergebnis des Rechtstreits keine Folgen mehr für ein zukünftiges Zusammenarbeiten ableiten lassen, die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage lediglich um ihrer selbst willen, aber ohne Auswirkungen und Bezug zu einem möglichen künftigen Fall erfolgen soll. Zur Klärung von rein abstrakten Rechtsfragen und gutachterlichen Stellungnahmen sind Gerichte nicht da.
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Vorliegend entfällt das Rechtschutzbedürfnis deshalb, weil die in Frage stehende Rechtsnorm des § 44g Abs. 2 SGB II zum 1. Januar 2023 durch das Bürgergeld-Gesetz ersatzlos aufgehoben worden ist. Die bislang in Literatur und Rechtsprechung streitige Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine erneute Zuweisung (Anschlusszuweisung nach Unterbrechung) eines Beschäftigten an ein Jobcenter durch die BA einer erneuten Zustimmung der Geschäftsführung bedarf und damit auch der erneuten Mitbestimmung des Personalrats eines Jobcenters unterliegt (vgl. hierzu OVG NRW, B.v. 22.6.22 – 33 A 2484/20.PVB; B.v. 17.10.2017 – 10 A 2477/16.A.PVB; VG Hannover, B.v. 29.6.2022 – 16 A 4420/20), stellt sich für die Zukunft damit nicht mehr. Nach § 78 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG, § 44g Abs. 1 SGB II hat zukünftig bei jeder Zuweisung, also wohl bei einer Neu- als auch bei einer Wiederzuweisung, das Zustimmungs- und Mitbestimmungsverfahren stattzufinden (so auch Spitzlei, Das Bürgergeld-Gesetz und seine personalvertretungsrechtlichen Auswirkungen durch die Streichung von § 44g Abs. 2 SGB II, PersV 2023, 93 ff.). Diese Konsequenz der Rechtsänderung stellt die Beteiligtenseite auch nicht Abrede, sie hat vielmehr selbst auf die Gesetzesänderung hingewiesen und für die konkrete anhängige Sachverhaltskonstellation zugestanden, dass diese wegen des Wegsfalls des § 44g Abs. 2 SGB II nunmehr in vergleichbarer Konstellation zu einer Mitbestimmung des Antragstellers führen würde. Für die Klärung der in Mitte stehenden Rechtsfrage besteht somit tatsächlich und rechtlich kein Bedürfnis mehr.
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Im vorliegenden Verfahren nicht zu klären gewesen wäre die Frage, ob eine Unterbrechung der Dienstverrichtung aufgrund außerordentlicher Kündigung mit Dienstfreistellung und anschließender Wieder-Indienststellung des Beschäftigten nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess stets eine Zuweisung und damit eine Maßnahme nach § 78 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG, § 44g Abs. 1 SGB II darstellt oder ein Kündigungsschutzprozess und die damit verbundene Freistellung vom Dienst lediglich zu einem Ruhen der Zuweisung führt, die Wiederaufnahme aber keine Neuzuweisung darstellt. Im hier zugrundeliegenden Fall hat sich diese Frage nicht gestellt, da die BA mit der Kündigung bewusst und ausdrücklich auch die Zuweisung an das Jobcenter beendet hat. Dies ergibt klar sich aus dem Vorbringen der Beteiligtenseite und belegt auch die Vorlage an die Personalvertretung „Aufhebung der Zuweisung“ vom 18. Januar 2021 (S. 9 der Gerichtsakte). Die Ausführungen der Beteiligten, dass mit der Neuzuweisung lediglich der Status Quo von früher wiederhergestellt worden sei, stellt nicht den Vorgang der Beendigung der Zuweisung und der Neuweisung in Abrede, sondern ist lediglich als Argument dazu zu verstehen, dass § 44g Abs. 2 SGB II aus Sicht der Beteiligten im anlassgebenden Fall nach Sinn und Zweck eingegriffen habe. Ob sich die Frage des Eingreifens des Mitbestimmungstatbestandes des § 78 Abs. 1 Nr. 7 BPersVG, § 44g Abs. 1 SGB II in einem Kündigungsfall zukünftig stellen wird, ist völlig offen und auch nicht mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Eine Umstellung des abstrakten Feststellungsantrags auf diese – andere – Fragestellung ist im Übrigen auch nicht erfolgt.
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Der Antrag war damit insgesamt als unzulässig zurückzuweisen.
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3. Eine Kostenentscheidung ist, da das Verfahren nach § 108 Abs. 2 BPersVG, §§ 80, 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG, § 3 Abs. 2 GKG gerichtskostenfrei ist, nicht veranlasst.