Titel:
Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung (Diesel-Klage) – Bewilligungsreife
Normenketten:
VVG § 128 S. 3
ARB 2010 § 3a Abs. 1
BGB § 852 S. 1
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256
Leitsätze:
1. Ein Feststellungsantrag des Versicherungsnehmers einer Rechtsschutzversicherung, ihm für die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Fahrzeughersteller im Zusammenhang mit dem sog. "Diesel-Skandal" Deckungsschutz zu gewähren, genügt den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; eine genaue Bezifferung des geltend zu machenden Erstattungsanspruchs ist für die Bestimmtheit des Klageantrags nicht erforderlich. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Frage, ob für das Rechtsschutzbegehren hinreichende Erfolgsaussicht iSv § 18 der hier vereinbarten ARB 2008 (§ 3a Abs. 1 ARB 2010) besteht, ist auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife abzustellen (Anschluss an OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2015, 11335; OLG Schleswig BeckRS 2022, 14543; BeckRS 2022, 14549). Ist in diesem Zeitpunkt die Rechtslage noch unklar und entfallen die Erfolgsaussichten erst später – etwa aufgrund höchstrichterlicher Klärung –, so kann sich der Rechtsschutzversicherer, der die Deckung zunächst durch eine aus damaliger Sicht unberechtigte Ablehnung verzögert hat, nicht nachträglich auf die zwischenzeitliche Klärung berufen. (Rn. 35 und 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Demgemäß fehlt der beabsichtigten, auf einen Anspruch aus § 852 S. 1 BGB gestützten Klage gegen die VW-AG im Zusammenhang mit dem Erwerb des Fahrzeugs einer Konzerntochter im Zeitpunkt der Bewilligungsreife im April 2021 – ungeachtet der späteren Entscheidungen des BGH vom 10.2.2022 (BeckRS 2022, 4167) und vom 14.7.2022 (BeckRS 2022, 21386) – nicht die Erfolgsaussicht. Aufgrund der zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife existierenden divergierenden Entscheidungen und Ansichten war zu jenem Zeitpunkt keinesfalls deutlich, dass bei Erwerb eines nicht auf Kundenwunsch hin bestellten Neuwagens bzw. eines markenfremden Fahrzeugs ein Anspruch aus § 852 BGB ausscheidet; vielmehr war im April 2021 die Annahme eines Restschadensersatzanspruchs vertretbar. (Rn. 39 – 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsschutzversicherung, Erfolgsaussicht, Dieselskandal, Verjährung, Schiedsgutachterverfahren, Stichentscheid, Bewilligungsreife, Restschadensersatz
Vorinstanz:
AG Bayreuth, Endurteil vom 24.06.2022 – 103 C 498/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 1114
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Amtsgerichts Bayreuth vom 24.06.2022, Az. 103 C 498/22, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem mit dem Kläger geschlossenen Rechtsschutzschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer … verpflichtet ist, für die gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Volkswagen AG aufgrund des Fahrzeugkaufs vom 22. März 2012 (FIN:) Deckungsschutz zu gewähren.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Kosten beider Rechtszüge hat der Kläger 18 % und die Beklagte 82 % zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Deckung aus einem Rechtsschutzversicherungsvertrag.
2
Der Kläger war bei der Beklagten vom 30.10.2008 bis zum 29.10.2019 rechtsschutzversichert (vgl. Versicherungsschein, Anlage K 9). Dem hier gegenständlichen Rechtsschutzfall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Der Kläger hatte bei der Firma … am 22.03.2012 einen PKW Skoda Yeti 2.0 TDI als Neuwagen zu einem Kaufpreis von 26.070,00 Euro erworben. In dem Fahrzeug war ein Motor des Typs EA 189 verbaut worden. Der Kläger war der Auffassung, dass er gegen die Konzernmutter VW AG einen Schadensersatzanspruch wegen betrügerischer Manipulationen am Motor geltend machen könne.
4
Deshalb stellte der Kläger, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, am 07.05.2020 bei der Beklagten eine Deckungsanfrage unter Darlegung des oben genannten Sachverhalts sowie weiterer technischer Einzelheiten zur Abschalteinrichtung und bat um Erteilung des Deckungsschutzes für das außergerichtliche und gerichtliche Verfahren betreffend Ansprüche aus §§ 826 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB (vgl. Anlage K 2).
5
Die Beklagte verweigerte den Deckungsschutz mit Schreiben vom 12.05.2020 (vgl. Anlage K 3) wegen nicht hinreichender Erfolgsaussichten. Sie war der Auffassung, mögliche Ansprüche des Klägers seien spätestens seit 31.12.2019 verjährt.
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Am 08.04.2021 stellte der Kläger, wiederum vertreten durch seinen Bevollmächtigten, eine aktualisierte Deckungsanfrage und führte aus, das begehrte Anspruchsziel könne ungeachtet einer möglichen Verjährung über die Anspruchsgrundlage des § 852 BGB verwirklicht werden (vgl. Anlage K 4).
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Mit Schreiben vom 13.04.2021 verweigerte die Beklagte erneut die begehrte Deckungszusage wegen ihrer Ansicht nach nicht hinreichender Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Interessenwahrnehmung (vgl. Anlage K 5). Zur Begründung führte sie aus, dass die Vorschrift des § 852 BGB auf den vorliegenden Fall zum einen nicht anwendbar sei, zum anderen fehle es an einem substantiierten Vortrag des Klägers.
8
Beide Ablehnungsschreiben enthielten einen Hinweis auf ein Schiedsgutachterverfahren, das zweite zusätzlich den Hinweis auf einen Stichentscheid.
9
Der Kläger machte von beiden Verfahren keinen Gebrauch und erhob in der Hauptsache gegen die Volkswagen AG am 16.02.2022 Klage zum Landgericht Bayreuth unter dem Aktenzeichen 43 O 79/22 (vgl. Anlage K 7). Nur wenige Tage zuvor, am 11.02.2022, hatte er die Volkswagen AG mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten außergerichtlich zur Schadensregulierung aufgefordert (vgl. Anlage K 6).
10
Im gegenständlichen Rechtsstreit vertrat der Kläger erstinstanzlich die Auffassung, sein Anspruch auf Erteilung der Deckungszusage ergebe sich bereits aus der Deckungsfiktion gemäß § 128 Satz 3 VVG. Der Hinweis der Beklagten in beiden Ablehnungsschreiben entspreche nicht den Anforderungen des § 128 Satz 2 VVG. Ferner habe das Vorgehen gegen die Volkswagen AG auch hinreichende Aussicht auf Erfolg. Für die Frage, ob dem Rechtsschutzbegehren des Versicherungsnehmers hinreichende Erfolgsaussichten zu attestieren sind, sei ausschließlich auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife abzustellen. Dies sei vorliegend spätestens der Tag, an dem die Beklagte den Deckungsschutz abgelehnt hätte. Es gälten überdies insoweit die Kriterien, die im Rahmen von § 114 ZPO maßgeblich seien. Unstreitig stünde dem Kläger nach dem Grundsatzurteil des BGH vom 25.05.2020 ein Anspruch aus § 826 BGB gegen die Volkswagen AG zu. Auch wenn spätestens im Jahr 2020 Verjährung eingetreten sei, könne hieraus nicht der Schluss gezogen werden, dass die Volkswagen AG sich auf diese Einrede berufen würde. Die VW-AG habe die Verjährungseinrede in vergleichbaren anderen Verfahren teils gar nicht erhoben bzw. wieder fallenlassen. Überdies folge der Schadensersatzanspruch aus § 852 BGB. Auch insoweit bestünden hinreichende Erfolgsaussichten.
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Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem mit der Klägerpartei geschlossenen Rechtsschutzschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer verpflichtet ist, für die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Volkswagen AG aufgrund des Fahrzeugkaufs vom 22. März 2012 (FIN: …) Deckungsschutz zu gewähren.
Klageabweisung beantragt.
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Sie hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die von ihr verwandte Belehrung nicht gegen die Anforderungen des § 128 VVG verstoße, sodass die Deckungsfiktion des § 128 Satz 3 VVG nicht zur Anwendung komme. Die Beklagte sei den gesetzlichen Voraussetzungen durch die Regelung in § 18 ARB 2008 nachgekommen. Die in dem Ablehnungsschreiben erfolgte Belehrung sei ausreichend. Hinsichtlich der Frage der Erfolgsaussicht einer beabsichtigten Klage, damit auch bezüglich des Stands der höchstrichterlichen Rechtsprechung, sei nicht auf den Zeitpunkt der Deckungsanfrage abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Darüber hinaus sei der Klageantrag viel zu unbestimmt und daher unzulässig, weil sich weder aus dem Inhalt der Deckungsklage noch der Deckungsanfrage ergebe, in welcher Höhe Ansprüche verfolgt werden sollen. Es werde weder die aktuelle Laufleistung des Fahrzeugs angegeben, noch in welcher Höhe der Anspruch aus § 852 BGB verfolgt werden solle. Die Beklagte habe mit zutreffender Begründung die Deckung zur Verfolgung von Ansprüchen aus § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB abgelehnt, weil solche Ansprüche verjährt seien. Auch der Anspruch aus § 852 BGB sei mittlerweile (mit Ablauf des 22.03.2022) verjährt. Die Einrede der Verjährung dürfe bei der Prüfung der Erfolgsaussichten auch dann berücksichtigt werden, wenn sie noch nicht erhoben sei. Selbst dann, wenn keine Verjährung eingetreten sei, sei die Beklagte nicht zur Deckungszusage verpflichtet, weil der klägerische Vortrag zu § 852 BGB unsubstantiiert sei. Jedenfalls sei die Beklagte nicht zu einer Deckungszusage bezüglich einer außergerichtlichen Tätigkeit verpflichtet, weil eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nicht entstanden sei.
14
Der Kläger hatte die gegenständliche Klage zunächst beim Landgericht Bayreuth erhoben (Klageschrift vom 23.02.2022, eingegangen am selben Tag, zugestellt am 23.03.2022). Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Bayreuth, Az. 24 O 103/22, setzte den Streitwert mit Beschluss vom 19.05.2022 auf lediglich 4.254,84 Euro fest und erklärte sich für örtlich unzuständig (vgl. Bl. 86/87 d.A.). Das Verfahren wurde schließlich erstinstanzlich beim AG Bayreuth geführt.
15
Das Amtsgericht Bayreuth gab mit Endurteil vom 24.06.2022 der Klage vollumfänglich statt.
16
Zur Begründung führte es aus, dass der Klageantrag hinreichend bestimmt sei i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Auch das erforderliche Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO liege vor. Der Anspruch auf Deckungszusage ergebe sich aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag i.V.m. § 125 VVG. Die Beklagte sei eintrittspflichtig, weil der Rechtsschutzfall mit dem Abschluss des Kaufvertrags am 22.03.2012 eingetreten sei, welcher in die versicherte Zeit falle und die Beklagte innerhalb eines Zeitraums von 3 Jahren ab Vertragsbeendigung eintrittspflichtig bleibe. Es bestehe auch hinreichende Erfolgsaussicht für die bereits eingeleitete Rechtsverfolgung gegenüber der VW-AG vor dem Landgericht Bayreuth. Das Amtsgericht ließ dahinstehen, ob der Kläger sich insoweit auf § 826 BGB oder die Vorschrift des § 852 BGB berufen könne. Jedenfalls sei die Rechtsfrage, ob der Anspruch auf § 852 BGB gestützt werden könne, zum Zeitpunkt der Ablehnung durch die Beklagte strittig gewesen, so dass hinreichende Erfolgsaussicht nicht verneint werden könne, zumal mehrere Gerichte einen vergleichbaren Anspruch bejaht hätten. Der Kläger habe in seiner Deckungsanfrage auch alle notwendigen Tatsachen vorgetragen, die zur Prüfung der Erfolgsaussichten für einen Anspruch nach § 852 BGB erforderlich sind.
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Wegen der Einzelheiten der amtsgerichtlichen Entscheidung wird auf das Endurteil vom 24.06.2022 (Bl. 99-108 d.A.) Bezug genommen.
18
Gegen die ihrem Prozessbevollmächtigten am 24.06.2022 zugestellte Entscheidung des Amtsgerichts hat die Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21.07.2022, beim Landgericht Bayreuth eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und diese mit weiterem, beim Landgericht am 24.08.2022 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tag begründet.
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Die Beklagte verfolgt mit seiner Berufung ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiter und rügt, dass das Amtsgericht den Klageantrag als ausreichend bestimmt und somit als zulässig gewertet habe. Es ergebe sich weder aus der Deckungsklage noch aus der Deckungsanfrage, in welcher Höhe Ansprüche verfolgt werden sollen. Weiter führt sie aus, dass Schadensersatzansprüche gegen die VW-AG (Restschadensersatzanspruch nach § 852 Satz 1 BGB) nicht bestünden, weil es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um einen Skoda Yeti handele und es somit an einer Vermögensmehrung auf Seiten der Konzernmutter mangele. Der Anspruch scheitere auch daran, dass der Kläger das Fahrzeug nicht als Neufahrzeug bestellt habe, sondern sich das Fahrzeug bereits beim Händler befunden habe. Sie beruft sich insoweit auf eine höchstrichterliche Entscheidung vom 07.11.2022 (Az. VI ZR 557/21). Für eine Verurteilung von Volkswagen bestünden somit keine Erfolgsaussichten. Die Beklagte rügt zudem, dass das Amtsgericht einen Anspruch aus § 826 BGB trotz zwischenzeitlich eingetretener Verjährung bejaht habe. Die Begründung, die Verjährung sei ausschließlich eine Frage, die im Hauptsacheverfahren zu klären sei und auf die Frage der Deckung keinen Einfluss habe, sei rechtsfehlehrhaft. Auch in der Deckungsklage sei eine vorweggenommene Beweiswürdigung wie im PKH-Recht zulässig. Jedenfalls bestehe kein Anspruch auf Erteilung einer Deckungszusage für die geltend gemachte außergerichtliche Tätigkeit. Eine außergerichtliche Tätigkeit gegenüber einem Autohersteller sei nicht erforderlich, da allgemein bekannt sei, dass dieser hierauf nicht reagiere. Schließlich ergebe sich dies auch aus der Rechtsprechung des BGH, wonach bei unbedingt erteiltem Auftrag kein Raum für eine entsprechende Gebühr sei. Die Beklagte hält auch im Berufungsverfahren an ihrem Rechtsstandpunkt fest, dass es für die Frage der Beurteilung der Erfolgsaussichten auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankomme.
20
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Bayreuth aufzuheben und die Klage abzuweisen.
die Berufung zurückzuweisen.
22
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil, insbesondere sei der Klageantrag ausreichend bestimmt und zulässig. Der Deckungsanspruch ergebe sich - auch wenn dies das Amtsgericht offengelassen habe - bereits aus § 128 Satz 3 VVG. Er ist weiterhin der Ansicht, dass die Beklagte ihrer Hinweispflicht aus § 128 Satz 2 VVG in den Ablehnungen vom 12.05.2020 bzw. 13.04.2020 nicht hinreichend nachgekommen sei. Ferner habe das Amtsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass ein Vorgehen des Klägers gegen die VW AG hinreichende Erfolgsaussicht habe. Anders als der Beklagte dies in seiner Berufungsbegründung ausführe, habe das Amtsgericht die Erfolgsaussichten nicht schon auf der Grundlage des § 826 BGB bestätigt, sondern diese Frage offengelassen. Jedenfalls sei die Frage der Verjährung zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife (Ablehnung am 07.05.2020) noch umstritten und höchstrichterlich nicht geklärt gewesen. Teils sei die Ansicht vertreten worden, dass Ansprüche erst mit Ablauf des Jahres 2020, teils erst mit Ablauf des Jahres 2023, verjährten. Der Kläger wiederholt zudem das erstinstanzliche Vorbringen, dass jedenfalls auch hinreichende Anhaltspunkte bestanden hätten, dass die VW AG sich nicht auf die Einrede berufe bzw. diese wieder fallen lasse. Hinreichende Erfolgsaussicht ergäbe sich jedenfalls auf der Grundlage eines Restschadensersatzanspruchs aus § 852 BGB. Die beklagtenseits zitierte Entscheidung des BGH vom 10.02.2022 sei zeitlich nach der Bewilligungsreife ergangen und also bei der Prüfung der Erfolgsaussichten nicht zu berücksichtigen. Das Vorbringen, der Anspruch aus § 852 BGB bestehe nicht bei einem markenfremden Fahrzeug, sei zudem präkludiert. Ein Nachschieben von Ablehnungsbegründungen sei im Deckungsprozess nicht zulässig. Auch der Einwand, dass zumindest die vorgerichtlichen Kosten nicht übernommen werden müssten, erfolge erstmals in der Berufungsbegründung. Die Beklagte sei daher mit diesem Vorbringen präkludiert. Es sei überdies unzutreffend, dass der Kläger der prozessbevollmächtigten Kanzlei sogleich einen unbedingten Klageauftrag erteilt habe. Diese sei zunächst unter dem 06.05.2020 mit der außergerichtlichen Tätigkeit beauftragt worden. Der Auftrag zur Klageerhebung sei sodann unter dem 02.02.2022 erfolgt. Die vorgerichtlichen Kosten seien auch erforderlich gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze beider Parteien Bezug genommen.
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Beide Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung zugestimmt (vgl. Schriftsatz vom 05.12.2022 (Kläger) bzw. vom 06.12.2022 (Beklagte), Bl. 219 ff. d.A.). Eine entsprechende Beschlussfassung der Kammer erfolgte am 06.12.2022 (Bl. 223-224 d.A.), zugleich wurde als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden konnten, der 03.01.2023 bestimmt.
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Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat sie allerdings nur teilweise Erfolg.
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Die Berufung hat insoweit Erfolg, als - entgegen der amtsgerichtlichen Entscheidung - sich der Feststellungsausspruch nicht auf den begehrten Deckungsschutz für die außergerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen erstrecken konnte. Der Feststellungsantrag ist insoweit jedenfalls unbegründet (nachfolgend unter Ziff. 2.).
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Das Amtsgericht hat in dem angefochtenen Urteil jedoch zu Recht festgestellt, dass die Beklagte aus dem streitgegenständlichen Rechtsschutzversicherungsvertrag dem Kläger gegenüber verpflichtet ist, für die gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die VW-AG aufgrund eines Fahrzeugkaufs von 22.03.2012 Deckungsschutz zu gewähren. Das amtsgerichtliche Urteil lässt insoweit keine Rechtsfehler erkennen (nachfolgend unter Ziff. 1.).
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1. Der Feststellungsantrag ist hinreichend bestimmt und auch begründet, soweit Deckungsschutz für die gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die VW-AG begehrt wird. Der Anspruch des Klägers auf Deckung folgt aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag i.V.m. § 125 VVG.
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1.1 Der Klageantrag ist ausreichend bestimmt genug i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug genommen auf die zutreffenden Gründe des amtsgerichtlichen Urteils. Lediglich ergänzend ist auszuführen wie folgt:
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Soweit der Berufungsführer rügt, dass sich weder aus dem Inhalt der Deckungsklage noch der Deckungsanfrage entnehmen lasse, in welcher Höhe Ansprüche verfolgt werden sollen, vermag dies der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen.
31
Nach der Rechtsprechung des BGH gilt das Erfordernis eines bestimmten Antrags (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) als eine die Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung betreffende Prozessvoraussetzung auch für die Feststellungsklage nach § 256 ZPO. Der Kläger muss deshalb in seinem Antrag das Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden soll, so genau bezeichnen, dass über dessen Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft des begehrten Feststellungsanspruchs keinerlei Ungewissheit herrschen kann (vgl. BGH, Urt. v. 4.10.2000 - VIII ZR 289/99 -, Rn. 35, juris). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger benennt in dem Klageantrag die Parteien des Rechtsstreits, den Rechtsgrund der Deckungsverpflichtung unter Angabe der Versicherungsnummer, den Schadensfall und den Kostenumfang mit der Bezifferung als außergerichtliche und erstinstanzliche Kosten, sowie das Klageziel. Eine genaue Bezifferung des Erstattungsanspruchs ist, wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht erforderlich. Im Übrigen kann die notwendige Bestimmtheit auch erst durch weitere Angaben in der Klageschrift sowie deren Anlagen erreicht werden (vgl. BGH, VIII ZR 289/99, Rn. 36). Bereits die Deckungsanfrage vom 07.05.2020 (Anlage 1) enthält den Kilometerstand des PKW bei Kauf sowie den aktuellen Kilometerstand zum damaligen Zeitpunkt. Aus der Klageschrift selbst ergibt sich auch der Streitwert der beabsichtigten Klage gegen die VW-AG. Hinzukommt, dass auch der Klageentwurf der beabsichtigten Klage als Anlage 7 vorgelegt wurde, aus welcher sich ferner ergibt, von welcher Gesamtfahrleistung bei der Berechnung des vom Kaufpreis abgezogenen Nutzungsersatzes ausgegangen wird.
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1.2 Es kann dahinstehen, ob die Beklagte ihr Ablehnungsrecht wegen Verstoßes gegen § 128 Satz 1 und 2 VVG verloren hat, § 128 Satz 3 VVG. Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hatte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife hinreichende Aussicht auf Erfolg.
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Es kann insoweit - wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat - auch dahinstehen, ob sich der Kläger zur Stützung der Erfolgsaussichten seiner Klage wegen des unstreitig bestehenden Anspruchs aus § 826 BGB darauf berufen kann, dass die Frage, ob die Einrede der Verjährung erhoben wird, erst im Hauptsacheprozess zu klären ist, oder, ob dies antizipiert werden darf, da zumindest hinreichende Erfolgsaussicht hinsichtlich eines Anspruchs aus § 852 BGB bestand.
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1.2.1 Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. etwa NJW 1988, 266; NJW-RR 2003, 672) ist die hinreichende Erfolgsaussicht nach den zu § 114 ZPO entwickelten Grundsätzen zu prüfen (vgl. auch Prölss/Martin/Piontek, 31. Aufl. 2021, ARB 2010 § 1 Rn. 8). Dies bedeutet, dass der Standpunkt des Versicherungsnehmers nach den von ihm aufgestellten Behauptungen und den ihm bekannten Einwendungen des Gegners zumindest vertretbar sein muss (BGH, NJW 1988, 266). Darüber hinaus ist erforderlich, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs besteht, denn allein aus dem Umstand, dass eine von einer in Lehre und Rechtsprechung herrschenden Auffassung abweichende Ansicht vertretbar erscheint, ergibt sich noch nicht, dass eine hierauf gegründete Klage hinreichende Erfolgsaussicht bietet. So fehlt es am Vorliegen hinreichender Erfolgsaussicht, wenn das Prozessziel nur auf der Grundlage einer zwar vertretbaren, aber von Lehre und ständiger Rechtsprechung mehrheitlich oder gar einhellig abgelehnten Meinung erreicht werden kann, es sei denn, es werden zur Begründung der vertretenen abweichenden Auffassung neue, noch nicht erörterte Argumente vorgebracht, die eine Änderung der herrschenden Meinung als zumindest möglich erscheinen lassen (Senat, NJW-RR 1991, 31 = VersR 1991, 65). Es muss zudem als möglich erscheinen, dass der Versicherungsnehmer den Beweis der von ihm zu beweisenden Tatsachen mithilfe zulässiger und geeigneter Beweismittel zu führen vermag. Eine Beurteilung der Beweischancen durch antizipierte Beweiswürdigung darf jedoch bei der Prüfung der Erfolgsaussichten grundsätzlich nicht stattfinden (BGH, NJW 1988, 266). Etwas Anderes kann gelten, wenn ein Beweismittel schon in einem anderen Verfahren gerichtlich gewürdigt worden ist oder die Klage auf bewusst falschem Vorbringen basiert, mit dessen Widerlegung zu rechnen ist (Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl. 2015, § 1 ARB 2010 Rn. 8 ff. m.w.N.).
35
1.2.2 Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es für die Frage, ob für das Rechtsschutzbegehren hinreichende Erfolgsaussicht besteht, auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife an (vgl. OLG Frankfurt a.M. r+s 2015, 388 = VersR 2016, 246; OLG Schleswig, Hinweisbeschluss vom 12.05.2022 - 16 U 53/22, juris Rn. 34 ff. und Beschluss v. 21.06.2022, NJW-RR 2022, 1118, dort Rn. 30 ff.; Harbauer/Bauer, Rechtsschutzversicherung, 8. Aufl., Vor § 8 ARB Rn. 20), hier demnach auf den Zeitpunkt April 2021.
36
Ist im maßgeblichen Zeitpunkt die Rechtslage noch unklar und entfallen die Erfolgsaussichten erst später - etwa aufgrund höchstrichterlicher Klärung -, so kann sich der Rechtsschutzversicherer, der die Deckung zunächst durch eine aus damaliger Sicht unberechtigte Ablehnung verzögert hat, nicht nachträglich auf die zwischenzeitliche Klärung berufen.
37
So hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 22.03.2021 (Az. 2 BvR 353/21 - BeckRS 2021, 6234) zu § 114 ZPO ausgeführt, dass aus dem verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt der Rechtsschutzgleichheit folgt, dass Änderungen in der Beurteilung der Erfolgsaussichten, die nach der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrags eintreten, grundsätzlich nicht mehr zu Lasten des Rechtsschutzsuchenden zu berücksichtigen sind.
38
Soweit die Beklagte sich auf eine Entscheidung des LG Bonn vom 24.11.2022 (Az. 10 O 144/22, vgl. Bl. 167 ff. d.A.) beruft, ist dies unbehelflich. Die zitierte Entscheidung setzt sich mit der Frage des Zeitpunkts der Beurteilung der Erfolgsaussichten nicht auseinander, sondern zitiert lediglich die Entscheidung des BGH vom 16.09.1987 (Az. IVa ZR 76/86 - NJW 1988, 266), wonach für die Prüfung der Erfolgsaussichten die zu § 114 ZPO entwickelten Grundsätze anzuwenden seien. Die zitierte Entscheidung des BGH enthält - wie die Klagepartei zutreffend ausführt - keine Ausführungen zum Zeitpunkt der Beurteilung der Erfolgsaussichten.
39
1.2.3 Nach den vorgenannten Maßstäben ist hinsichtlich der Frage, ob ein Anspruch des Klägers aus § 852 BGB gegeben ist, die Annahme einer Erfolgsaussicht als (noch) vertretbar einzustufen. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife im April 2021 war höchstrichterlich insbesondere noch ungeklärt, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen bei verjährtem Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB für vom sog. Diesel-Abgasskandal betroffene Geschädigte ein Restschadensersatzanspruch aus § 852 BGB besteht.
40
Mit Urteilen vom 21.02.2022 bejahte der BGH einen Anspruch beim Kauf eines Neuwagens vom Hersteller (Az. VIa ZR 8/21) oder vom Händler (Az. VIa ZR 57/21).
41
Zuvor hatte der BGH die Frage, ob ein Anspruch aus § 852 BGB - bei Erwerb eines Gebrauchtwagens - in seinem Urteil vom 17.12.2020 (Az. VI ZR 739/20) noch offen gelassen.
42
Auch hat der BGH erst mit Urteilen vom 10.02.2022 (Az. VII ZR 679/21) und vom 14.07.2022 (Az: VII ZR 422/21) entschieden, dass ein Anspruch aus § 852 Satz 1 BGB mangels Vermögensmehrung auf Seiten der VW-AG zu verneinen sei, wenn diese lediglich Herstellerin des mangelbehafteten Motors, nicht jedoch des Fahrzeugs ist. Zuvor wurde durchaus auch vertreten, dass ein Anspruch aus § 852 BGB auch dann zu bejahen sei, wenn es sich bei dem streitgegenständlichen PKW nicht um einen VW, sondern um ein Fahrzeug einer anderen Konzernmarke handele (§ 852 bei einem gebrauchten SEAT bejahend: LG Regensburg; Aktz: 43 O 716/21; LG Stade Aktz: 5 O 266/20, BeckRS 2021, 49232, Rn. 36 ff.).
43
Soweit die Beklagte einwendet, dass ein Anspruch aus § 852 BGB deshalb nicht gegeben sei, weil sich das Fahrzeug bereits beim Händler befunden habe und es sich nicht um ein auf Wunsch des Klägers beim Hersteller bestelltes Fahrzeug handele, ist zwar zuzugeben, dass höchstrichterlich zwischenzeitlich entschieden ist, dass insoweit kein Anspruch nach § 852 BGB gegeben ist (vgl. BGH, Hinweisbeschluss vom 14.07.2022 - VII ZR 743/21; Urteil vom 21.03.2022 - VIa ZR 275/21). Doch auch diese Entscheidungen datieren auf einen Zeitpunkt nach April 2021. Bis zur Entscheidung des BGH in den Urteilen vom 10.02.2022 (Az. VII ZR 365/21, VII ZR 692/21 und VII ZR 717/21), wonach bei Erwerb eines Gebrauchtwagens ein Anspruch nicht gegeben ist, wurde selbst obergerichtlich durchaus vertreten, dass selbst in diesem Fall (Gebrauchtwagen) die Voraussetzungen des § 852 BGB vorlägen (§ 852 BGB bejahend insoweit: OLG Köln, BeckRS 2021, 39123; OLG Naumburg, BeckRS 2021, 34775; Bruns NJW 2021, 1121, 1124; verneinend dagegen: OLG Stuttgart Urt. v. 02.02.2021 - 10 U 229/20; LG Münster Urt. v. 26.02.2021 - 8 O 208/20; Martinek, jM 2021, 9, 13 f.).
44
Aufgrund der zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife existierenden divergierenden Entscheidungen und Ansichten war zu jenem Zeitpunkt keinesfalls deutlich, dass bei Erwerb eines nicht auf Kundenwunsch hin bestellten Neuwagens bzw. eines markenfremden Fahrzeugs ein Anspruch aus § 852 BGB ausscheidet. Vielmehr war im April 2021 die Annahme eines Restschadensersatzanspruchs durchaus vertretbar, mithin haben also ausreichende Erfolgsaussichten für das Rechtsschutzbegehren des Klägers bestanden.
45
Soweit die Berufung zudem auf ein Urteil des BGH vom 07.11.2022 (Az. VIa ZR 557/21) verweist, ist dies unbehelflich. Die zitierte Rechtsprechung kann aus den bereits genannten zeitlichen Gründen nicht gegen die Erfolgsaussicht angeführt werden.
46
1.2.4 Soweit die Beklagte lediglich pauschal einwendet, die Deckungsklage enthalte keinen ausreichenden Vortrag zur Begründung des Anspruchs und sie sich insoweit auf eine Entscheidung des OLG Bamberg vom 18.08.2022 (Az. 1 U 167/22, vgl. Anlage zum Schriftsatz vom 05.12.2022, Bl. 209 ff. d.A.) bezieht, verhilft dies der Berufung nicht zum Erfolg. Die dortigen Ausführungen sind auf den hiesigen Sachverhalt nicht übertragbar, weil dort - wie hier nicht - bereits das Vorhandensein einer unzulässigen prüfstandsbezogenen Abschalteinrichtung und somit die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB streitig war.
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Der Kläger hat zu den Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 852 BGB ausreichend vorgetragen. Es wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen auf die zutreffenden Ausführungen in den Gründen der amtsgerichtlichen Entscheidung.
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2. Die Berufung hat jedoch insoweit Erfolg, als die Beklagte nicht verpflichtet ist, dem Kläger auch für die außergerichtliche Geltendmachung seiner Ansprüche Deckung zu gewähren. Der Feststellungsantrag ist insoweit jedenfalls unbegründet, da Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit tatsächlich nicht angefallen sind.
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2.1 Entgegen dem klägerischen Vorbringen in der Berufungserwiderung hat die Beklagte bereits in der 1. Instanz vorgebracht, dass ihrer Ansicht nach kein Anspruch auf Erteilung einer Deckungszusage für die außergerichtliche Tätiigkeit bestehe. Insoweit hatte sie behauptet, der Kläger habe seine Prozessbevollmächtigten zeitgleich mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Tätigkeit zur Durchsetzung seiner Ansprüche beauftragt (vgl. Schriftsatz vom 17.05.2022, dort Seite 1 unten), weil die VW-AG mit Schreiben vom 11.02.2022 zur Schadensregulierung aufgefordert und nur fünf Tage später die Klage eingereicht wurde.
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2.2 Der Beklagten ist ferner zuzugeben, dass bei einem unbedingt erteilten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden, bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren auslösen, auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG VV ist dann kein Raum mehr (vgl. BGH, Urt. v. 22.06.2021 - VI ZR 353/20, NJW-RR 2021, 1070, Rn. 7).
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Die Klagepartei hat in ihrer Berufungserwiderung vorgebracht, dass der Kläger die prozessbevollmächtigte Kanzlei zunächst unter dem 06.05.2020 lediglich mit der außergerichtlichen Tätigkeit beauftragt habe. Der Auftrag zur Klageerhebung sei sodann unter dem 02.02.2022 erfolgt.
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Zwar hat der Kläger in der Sache behauptet, dass zum Zeitpunkt der außergerichtlichen Aufforderung zur Schadensregulierung gegenüber der VW-AG (vgl. Schreiben vom 11.02.2022, Anlage 6) noch kein Klageauftrag bestanden habe. Zugleich trägt er jedoch vor, dass der Auftrag zur Klageerhebung bereits unter dem 02.02.2022 (und demnach bereits vor dem genannten Schreiben an die VW-AG) erteilt wurde. Hierfür spricht zudem auch die Tatsache, dass die Klage bereits fünf Tage nach der außergerichtlichen Zahlungsaufforderung eingereicht wurde, die außergerichtliche Aufforderung mithin gänzlich sinnlos war und ins Leere ging. Ein Sinn kann allenfalls in einem Selbstzweck, d.h. darin gesehen werden, dass noch kurzfristig eine außergerichtliche Gebühr ausgelöst werden sollte.
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Eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist demnach in Bezug auf das vorgerichtliche Schreiben vom 11.02.2022 nicht entstanden, weil die der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG VV abgegolten ist.
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Neben dem Schreiben vom 11.02.2022 kann eine weitere außergerichtliche Tätigkeit des klägerischen Bevollmächtigten, bezogen auf den Schadensersatzanspruch gegenüber der VW-AG, nicht festgestellt werden. Eine (weitere) außergerichtliche Tätigkeit erfolgte allein in Bezug auf die hier streitgegenständliche Deckungsfrage. Eventuelle sich hieraus ergebende Ansprüche des Klägers sind jedoch nicht Klagegenstand. Andere Gründe für das Entstehen der Geschäftsgebühr sind weder vom Kläger vorgebracht noch sonst ersichtlich.
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Auf die Frage, ob eine außergerichtliche Geltendmachung der Ansprüche erforderlich war, kommt es demnach gar nicht an.
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Die Klage war daher insoweit abzuweisen.
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Soweit das Rechtsmittel der Beklagten Erfolg hatte, war das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Im Übrigen war die Berufung der Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.
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Dia Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Revision gegen diese Entscheidung war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, § 543 Abs. 2 ZPO.