Titel:
Unzulässigkeit der Klage, Statthaftigkeit der Klage (verneint), Aufhebung des angefochtenen Bescheids, Keine Glaubhaftmachung von Verhandlungsunfähigkeit
Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 1
VwGO § 102
ZPO § 227 Abs. 2
Schlagworte:
Unzulässigkeit der Klage, Statthaftigkeit der Klage (verneint), Aufhebung des angefochtenen Bescheids, Keine Glaubhaftmachung von Verhandlungsunfähigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 1108
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen eine (weitere) Zwangsgeldandrohung zur Durchsetzung einer Wiederbelegungsanordnung hinsichtlich des Anwesens …straße 3 (hier: Wohnungen 1. OG rechts, 2. OG links, DG Mitte).
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Die Klägerin hat den Nießbrauch am Anwesen …straße 3 in … inne (Amtsgericht München, Grundbuch von … Bd. …, Bl. …).
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Mit Bescheid vom 4. November 2020 wurde der Klägerin (wegen Leerstands) unter Zwangsgeldandrohung aufgegeben, die streitgegenständlichen Wohnungen wieder Wohnzwecken zuzuführen. Auf den Bescheid und seine Begründung wird verwiesen.
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Mit Bescheid vom 14. Dezember 2021 drohte die Beklagte der Klägerin ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 15.000,- EUR an (Ziffer II.1). Auf den Bescheid und seine Begründung wird verwiesen.
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Mit Schreiben vom 13. Januar 2021, bei Gericht eingegangen am 14. Januar 2021, erhob die Klägerin „Klage gegen den Bescheid vom 14. Dezember 2021“ zum Bayerischen Verwaltungsgericht München.
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Mit Beschluss vom 28. Februar 2022 (M 8 S 21.2764) ordnete die erkennende Kammer in einem Parallelverfahren die aufschiebende Wirkung der Klage der Klägerin (M 8 K 21.2763) gegen die (weitere) Androhung eines Zwangsgelds zur Durchsetzung einer Wiederbelegungsanordnung für andere Wohnungen im streitgegenständlichen Anwesen (1.OG links und 1.OG Mitte) wegen Ungeeignetheit des Zwangsmittels an. Die Beschwerde der Beklagten hiergegen wurde zurückgewiesen (Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. April 2021 - 12 CS 22.828). Auf die den Beteiligten bekannten Entscheidungen und ihre Begründungen wird verwiesen.
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In einer am 14. November 2022 durchgeführten mündlichen Verhandlung, zu der die Klägerin nicht erschien, hob die Beklagte daraufhin den streitgegenständlichen Bescheid auf.
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Mit Schreiben des Gerichts vom 15. November 2022 und 16. Dezember 2022 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie aufgrund dessen die Hauptsache für erledigt erklären müsse, um eine Abweisung der Klage als unzulässig mit entsprechender Kostenfolge zu vermeiden.
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Mit Schreiben vom 23. Dezember erklärte die Klägerin, dass sie sich am 17. Dezember 2022 den Fuß gebrochen habe und ersuchte um „eine Abladung für den anberaumten Gerichtstermin am 16. Januar 2023“.
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Das Gericht hat am 16. Januar 2023 eine weitere mündliche Verhandlung durchgeführt, in der für die Klägerin niemand erschien und die Beklagte beantragte,
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten - auch in den Verfahren M 8 K 20.885, M 8 K 21.2763, M 8 S 21.2764, M 8 K 22.205, M 8 K 20.6458, M 8 K 20.887, M 8 K 19.3526, M 8 K 20.6458, M 8 K 20.5554, M 8 K 22.206 und M 8 K 22.1845 - sowie die vorgelegten Behördenakten und das (schriftsätzliche) Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen verwiesen.
Entscheidungsgründe
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I. Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2023 entschieden werden, obwohl für die Klagepartei niemand erschienen ist. Die Klägerin wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde vom 14. Dezember 2022 rechtzeitig und ordnungsgemäß zum Termin geladen. Die Beteiligten wurden mit der Ladung auf die Möglichkeit hingewiesen, dass gemäß § 102 Abs. 2 VwGO beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
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Erhebliche Gründe für eine Terminsänderung wurden - trotz entsprechendem Verlangen des Vorsitzenden vom 28. Dezember 2022 - nicht glaubhaft gemacht, § 173 S. 1 iVm § 227 Abs. 2 ZPO. Es obliegt dem um Terminsverlegung ersuchenden Beteiligten, alles Erforderliche zu tun, um dem Gericht seine Verhandlungsunfähigkeit nachzuweisen (BVerwG, B.v. 20.4.2017 - 2 B 69.16 - juris Rn. 7 ff). Die dem Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2023 durch den Sohn der Klägerin überreichte CD mit Aufnahmen des Bruchs ist zum Nachweis der Verhandlungsunfähigkeit der Klägerin nicht ausreichend. Bei einer Erkrankung ist regelmäßig eine ärztliche Bescheinigung mit näheren Angaben zur Art der gesundheitlichen Beeinträchtigung und der daraus folgenden fehlenden Verhandlungsfähigkeit vorzulegen (Schübel-Pfister in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, § 102 Rn. 10a). Das Vorlegen einer solchen ärztlichen Bescheinigung war der Klägerin angesichts des Zeitraums zwischen dem angegebenen Krankheitseintritt (17. Dezember 2022) und der anberaumten mündlichen Verhandlung (16. Januar 2023) auch möglich und zumutbar.
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II. Die Klage ist unzulässig.
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Bei verständiger Würdigung und Auslegung des Vorbringens begehrt die Klägerin mit ihrer Klage die Aufhebung des Bescheids vom 14. Dezember 2021 (§ 88 VwGO).
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Gegenstand der Anfechtungsklage - § 42 VwGO - ist ein wirksamer Verwaltungsakt. Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG). Der von der Klägerin angefochtene Verwaltungsakt vom 14. Dezember 2021 wurde von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 14. November 2022 aufgehoben. Er hat damit seine Wirksamkeit verloren.
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Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage ist daher nicht mehr statthaft (vgl. zur Statthaftigkeit der Anfechtungsklage statt vieler: Schmidt-Kötters in: BeckOK VwGO, Posser/Wolff, Stand: 1.10.2019, § 42 Rn. 10 ff). Die mit der Klage bekämpfte beschwerende Regelung bzw. deren Gegenstand (der Bescheid vom 14. Dezember 2021) ist weggefallen. Eine prozessbeendende Erklärung (Hauptsacherledigung, vgl. § 161 Abs. 2 VwGO) zur Vermeidung der Klageabweisung mit entsprechender Kostenfolge wurde von der Klägerin trotz zweimaliger schriftlicher Aufforderung durch das Gericht nicht abgegeben.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.