Titel:
Verjährung von Ansprüchen gegen Audi wegen des dort entwickelten, hergestellten und eingebauten 3,0-Liter-Motors (hier: Audi Q7 3.0 TDI V6)
Normenketten:
BGB § 195, § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 214 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 826, § 852
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Leitsätze:
1. Vgl. zu 3,0 Liter-Motoren von Audi mit unterschiedlichen Ergebnissen auch: BGH BeckRS 2021, 37683; BeckRS 2022, 21374; KG BeckRS 2023, 2608; OLG Brandenburg BeckRS 2022, 32170; OLG Braunschweig BeckRS 2022, 28824; BeckRS 2022, 27100; OLG Nürnberg BeckRS 2023, 5896; BeckRS 2023, 5895; BeckRS 2023, 8575; BeckRS 2023, 9333; OLG Zweibrücken BeckRS 2022, 39887; BeckRS 2022, 39888; BeckRS 2022, 18797; OLG München BeckRS 2022, 43580; BeckRS 2023, 7833; BeckRS 2022, 36080 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1); OLG Bamberg BeckRS 2022, 28703 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1) sowie OLG Brandenburg BeckRS 2021, 52227 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1). (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Käufern von Fahrzeugen mit dem von Audi entwickelten, hergestellten und eingebauten 3,0-Liter-Motor ist spätestens im Jahr 2018 von grob fahrlässiger Unkenntnis hinsichtlich der konkreten Betroffenheit ihrer Fahrzeuge von der Implementierung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auszugehen, da es bereits im Jahr 2017 zu einer Berichterstattung in großen Tageszeitungen über die Betroffenheit von Fahrzeugen der Marke Audi mit V-TDI- bzw. V6-Motoren im Rahmen des Dieselskandals gekommen war, diese Berichterstattung sich im Jahr 2018 fortsetzte und das KBA in einer Pressemitteilung vom 23.1.2018 darauf hinwies, dass in Audi-Fahrzeugen mit dem 3-Liter-Motor, Abgasnorm Euro 6 unter anderem beim Fahrzeugtyp Q7 unzulässige Abschalteinrichtungen nachgewiesen wurden und der verpflichtende Rückruf angeordnet wurde, wobei auf der Internetseite von Audi abgefragt werden konnte, ob ein Fahrzeug mit einer bestimmten Fahrzeugidentifikationsnummer von einem Rückrufbescheid betroffen war. (Rn. 20 und 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Aus dem Abschluss eines Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen kann der Käufer auch keinen Anspruch auf Restschadensersatz aus § 852, § 818 Abs. 1 BGB geltend machen. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Audi AG, 3.0 l V6 Dieselmotor, EA 897, unzulässige Abschalteinrichtung, Aufheizstrategie, Vorkonditionierung, Verjährung, grob fahrlässige Unkenntnis, Restschadensersatzanspruch, Gebrauchtwagen
Vorinstanz:
LG Bamberg, Endurteil vom 23.09.2022 – 44 O 125/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 10858
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 23.09.2022, Az. 44 O 125/22, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger begehrt von der Beklagten deliktischen Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sogenannten Dieselskandal.
2
Der Kläger kaufte am 29.11.2016 von der Firma Rohde und Ahlers OHG in Witzenhausen ein gebrauchtes Fahrzeug vom Typ Audi Q7 3.0 TDI V6, Abgasnorm Euro 6 mit einem Motor vom Typ EA 897 zum Preis von 32.700,00 €. Das Fahrzeug wurde erstmals am 16.05.2012 zugelassen und wies beim Kauf eine Gesamtlaufleistung von 63.800 km auf. Die Beklagte ist Herstellerin des Fahrzeuges und des darin verbauten Dieselmotors.
3
Für das vorliegende Fahrzeug existiert ein verbindlicher Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt (Anlage BKl des Klägers) wegen der Verwendung von sogenannten „Strategien A und B“ (Aufheizstrategie und Vorkonditionierung), die nahezu ausschließlich auf dem Prüfstand aktiviert werden und die Abgasbehandlung im Realbetrieb nachteilig beeinflussen.
4
Der Kläger begehrt Schadensersatz in Höhe von insgesamt 20.608,96 € zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung seines Fahrzeuges, sowie die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.295,43 €.
5
Zur Begründung führt der Kläger aus, dass in seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Abgasbehandlung verbaut wurde. Aufgrund der Manipulationen fühle er sich getäuscht.
6
Das Landgericht hat mit Endurteil vom 23.09.2022 die Beklagte verurteilt, an die Klagepartei 17.361,74 € zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des klägerischen - Fahrzeuges zu bezahlen und festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeuges in Annahmeverzug befindet. Die Beklagte wurde weiter verurteilt, die Klagepartei von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.295,43 € gegenüber ihren Rechtsanwälten freizustellen. Das Landgericht hat einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte gemäß S. 826 BGB angenommen. Aufgrund der in der Motorsteuerung eingebauten Abschalteinrichtung habe der Kläger einen wirtschaftlich nachteiligen Vertrag geschlossen. Er habe ein Fahrzeug erworben, für das die Gefahr einer Stilllegung bestanden habe. Das Verhalten der Beklagten sei als sittenwidrig zu qualifizieren und sie habe vorsätzlich gehandelt. Der Anspruch des Klägers sei nicht verjährt, weil in der Gesamtschau aller vorgetragenen Faktoren und Umstände nicht von einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeugs auszugehen sei. Eine positive Kenntnis habe nicht vorgelegen.
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Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, S. 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
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Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts seien Schadenersatzansprüche verjährt. Seit 2017 sei die Dieselthematik auch hinsichtlich des vorliegenden Fahrzeuges Gegenstand der Berichterstattung gewesen. Es habe eine Pressemitteilung der Beklagten vom 21.07.2017 und eine Pressemitteilung des Kraftfahrtbundesamts vom 23.01.2018 über einen Rückruf des Fahrzeugtyps gegeben. Zudem habe die Möglichkeit der Abfrage von der Betroffenheit des konkreten Fahrzeuges auf der Internetseite der Beklagten bestanden.
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Die Beklagte beantragt,
In Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Bamberg vom 23. September 2022, Az. 44 O 125/22, wird die Klage insgesamt abgewiesen.
die Berufung der Beklagten vom 24.10.2022 gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 23.09.2022, Az.: 44 O 125/22 zurückzuweisen.
11
Der Kläger verteidigt das Ersturteil. Das Landgericht habe zu Recht die grob fahrlässige Unkenntnis im Jahr 2017 und 2018 abgelehnt. Eine Information der Halter über das Update sei erst im Jahr 2019 oder 2020 erfolgt. Aus der Pressemitteilung der Beklagten sei nicht erkennbar gewesen, dass ein verpflichtender Rückruf für das Fahrzeug des Klägers ergangen sei. Aus der Medienberichterstattung habe nicht auf die konkrete Betroffenheit geschlossen werden können.
12
Der Kläger wendet sich gegen das Ersturteil mit seiner Anschlussberufung. Mit ihr greift er die vom Landgericht zugrunde gelegte Gesamtfahrleistung von 250.000 km für die Berechnung des Nutzungsersatzes an. Nach Ansicht der. Anschlussberufung sei für den Nutzungsersatz eine Gesamtfahrleistung des Fahrzeuges von 300.000 km zugrunde zu legen.
13
Der Kläger beantragt mit der Anschlussberufung,
1. das Urteil des Landgerichts Bamberg, Az.: 44 O 125/22 vom 23.09.2022 teilweise zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 3.246,87 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 5. Februar 2022 abzüglich der weiter seit Klagerhebung angefallenen, vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu beziffernden Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges Audi Q7 3.0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... zu zahlen und
2. festzustellen, dass der Rechtsstreit in Höhe von 1.140,63 EUR erledigt ist.
14
Die Beklagte beantragt.
die Zurückweisung der Anschlussberufung der Klagepartei.
15
Das Landgericht sei zutreffend von einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km ausgegangen. Dies entspreche der obergerichtlichen Rechtsprechung.
16
Ergänzend wird auf die Berufungsbegründung vom 21 .11.2022, auf die Berufungserwiderung und Begründung der Anschlussberufung vom 20.12.2022 und auf die Erwiderung zur Anschlussberufung vom 02.02.2023 Bezug genommen.
17
Die gemäß SS 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1, 517, 519 f. ZPO zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Ersturteils (l.). Die zulässige Anschlussberufung des Klägers bleibt erfolglos (11.).
18
Die zulässige Klage ist unbegründet und daher abzuweisen.
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Der Anspruch der Klagepartei gemäß S. 826 BGB und aus S. 823 Abs. 2 BGB i.V.m. S. 6 Abs. 1, S. 27 Abs. 1 Satz I EG-FGV oder mit Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) 715/2007 ist wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar, S. 214 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat mit der Klageerwiderung vom 20.06.2022 die Einrede der Verjährung erhoben. Die Erhebung der Einrede der Verjährung ist nicht rechtsmissbräuchlich (BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – VII ZR 717/21 –, Rn. 32, juris).
20
Beim Kläger ist spätestens im Jahr 2018 von grob fahrlässiger Unkenntnis im Sinne von S. 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB hinsichtlich der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeuges von der Implementierung einer unzulässigen Abschalteinrichtung auszugehen.
21
a) Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des S. 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall 2 BGB liegt dann vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt und auch ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder dasjenige nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung vorgeworfen werden können (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 – VII ZR 492/21 Rn. 20, juris).
22
Den Geschädigten trifft dabei im Allgemeinen weder eine Informationspflicht noch besteht für ihn eine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten. Inwieweit der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Das Unterlassen einer solChen Ermittlung ist nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Gläubigers als unverständlich erscheinen lassen. Für den Gläubiger müssen konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein, so dass er aus verständiger Sicht gehalten ist, die Voraussetzungen des Anspruchs aufzuklären, soweit sie ihm nicht ohnehin bekannt sind (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2022 – VII ZR 250/21 –, Rn. 18, juris).
23
b) Nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Beklagten kam es bereits im Jahr 2017 zu einer Berichterstattung in großen Tageszeitungen über die Betroffenheit von Fahrzeugen der Marke Audi mit V-TDI- bzw. V6-Motoren im Rahmen des Dieselskandals (Klageerwiderung vom 20.06.2022, Seite 8 ff.). Diese Berichterstattung setzte sich im Jahr 2018 fort (a.a.O., Seite 10 ff.). In einer Pressemitteilung der Beklagten vom 21.07.2017 wurde darauf hingewiesen, dass Dieselfahrzeuge der Beklagten mit dem Sechszylinder-Motor V6 eine neue Software bekommen, die das Emissionsverhalten im realen Fahrbetrieb verbessert. In einer Pressemitteilung des Kraftfahrtbundesamtes vom 23.01.2018 wurde darauf hingewiesen, dass in Fahrzeugen der Beklagten mit dem 3-Liter-Motor, Abgasnorm Euro 6 unter anderem beim Fahrzeugtyp Q7 unzulässige Abschalteinrichtungen nachgewiesen wurden und der verpflichtende Rückruf angeordnet wurde. Zudem konnte auf der Internetseite der Beklagten abgefragt werden, ob ein Fahrzeug mit einer bestimmten Fahrzeugidentifikationsnummer von einem Rückrufbescheid betroffen war (a.a.O., Seite 14 f.).
24
c) Die Kenntnis der generellen Diesel-Thematik und der Medienberichterstattung über die auch beim klägerischen Fahrzeug zum Einsatz gekommenen V-TDI- bzw. V6-Motoren einschließlich der Pressemitteilung des KBA vom 23.01.2018 hinsichtlich des klägerischen Fahrzeugtyps Q7 wird vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Der Kläger bestreitet lediglich die positive Kenntnis von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeuges und trägt vor, dass aufgrund der Berichterstattung nicht von grob fahrlässiger Unkenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeuges auszugehen sei. Eine Vergleichbarkeit mit dem Motor EA 189 sei nicht gegeben (Schriftsatz des Klägers vom 05.08.2022, Seite 18 ff.).
25
d) Nach Auffassung des Senats ist bei Kenntnis von der allgemeinen Berichterstattung spätestens im Jahr 2018 von grob fahrlässiger Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen auszugehen. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Dieselskandal im Allgemeinen bereits im Jahr 2015 im Zusammenhang mit dem allseits bekannten Motor EA 189 bekannt wurde. Dieser Berichterstattung kann sich niemand verschlossen haben. Entsprechendes wird auch von dem Kläger nicht vorgetragen. Bei Kenntnis der oben dargestellten Berichterstattung in den Jahren 2017 und 2018 über die Fahrzeuge der Beklagten mit einem 3-Liter-Dieselmotor und insbesondere über den Fahrzeugtyp Q7, den auch der Kläger besaß, drängte sich eine Nachforschung hinsichtlich der konkreten Betroffenheit geradezu auf. Diese aus Sicht des Senats bestehende Nachforschungspflicht begründet eine grobe Fahrlässigkeit, wenn den Anhaltspunkten für eine Betroffenheit nicht nachgegangen wird.
26
Ein Käufer, der im Jahr 2017 allgemeine Kenntnis vom Dieselskandal auch hinsichtlich des im Streit stehenden 3,0-Liter-Dieselmotors erlangt und die sich bis Ende 2018 keine Kenntnis von der Betroffenheit ihres Fahrzeugs verschafft hatte, obwohl dies anhand öffentlich zugänglicher Informationsquellen wie der von der Beklagten gestellten Online-Plattform leicht möglich gewesen wäre, trifft der Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis von dieser Betroffenheit im Sinne von S. 199 Abs. 1 Nr. 2 Fall -2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – VII ZR 679/21 Rn. 31, juris zum Motor EA189), Nachdem die Informationsquellen öffentlich kommuniziert und leicht zugänglich waren, wäre der Kläger ohne Weiteres auf die Internetseite der Beklagten gestoßen. Er hätte sich dadurch Gewissheit über die Betroffenheit seines Fahrzeugs durch Inanspruchnahme öffentlich verfügbarer Informationsquellen verschaffen können. Der Kläger hat damit auf der Hand liegende Erkenntnismöglichkeiten, die weder besondere Kosten noch nennenswerte Mühe verursacht hätten, nicht ausgenutzt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – VII ZR 679/21 -j Rn. 31, juris).
27
Die Erhebung einer Klage gegen die Beklagte war spätestens im Jahr 2018 auch hinsichtlich der 3-Liter-Dieselmotoren zumutbar. Die Rechtslage war bei einer unzulässigen Abschalteinrichtung, die die Abgaswerte nahezu ausschließlich auf dem Prüfstand reduziert, nicht mehr in einem die Unzumutbarkeit der Klageerhebung begründeten Maße zweifelhaft. Namentlich bedurfte es keiner näheren Kenntnis darüber, welche im Sinne des S. 31 BGB maßgeblichen Personen im Einzelnen für den Abgasskandal verantwortlich sind. Darauf, ob der Kläger bereits im Jahr 2018 aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse gezogen hat, insbesondere aus ihnen einen Anspruch aus S. 826 BGB herleitete, kommt es ebenfalls nicht an. Dass noch nicht alle Fragen aus dem sogenannten Dieselskandal durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt waren, kann die Unzumutbarkeit der Klageerhebung bei gesicherter Tatsachengrundlage ebenfalls nicht begründen (BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – VII ZR 679/21 –, Rn. 35, juris).
28
Gemäß S. 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist für den Schadensersatzanspruch drei Jahre. Sie beginnt gemäß S. 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (S. 199 Abs. I Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (S. 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Der für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebliche Zeitpunkt lag somit im Jahr 2018. Mit Ablauf des Jahres 2021 war der Anspruch verjährt. Die später im Jahr 2022 eingereichte Klage konnte die Verjährung nicht mehr gemäß S. 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen.
29
f) Das betrifft des Weiteren auch Ansprüche nach S. 823 Abs. 2 BGB i.V.m. S. 6 Abs. 1, S. 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV oder mit Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) 715/2007. Grundlage der Haftung nach diesen Vorschriften ist die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Rahmen der Abgasbehandlung des Fahrzeuges. Dass eine derartige Abschalteinrichtung beim Fahrzeug des Klägers verbaut war, ergibt sich aus dem Rückrufbescheid des Kraftfahrtbundesamtes, auf den die Pressemitteilung des Kraftfahrtbundesamtes vom 23.01.2018 verweist (vergleiche Anlage BBI). Bei gebotener Nachforschung im Jahr 2018 wäre eine Klageerhebung auch unter diesem Gesichtspunkt zumutbar gewesen.
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2. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Restschadensersatz aus SS 852, 818 Abs. 1 BGB.
31
Ein Anspruch aus S. 852 Satz 1 BGB setzt jedenfalls voraus, dass die Herstellerin im Verhältnis zum Geschädigten etwas aus dem Fahrzeugverkauf an diesen erlangt hat (BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 – VII ZR 679/21 –, Rn. 40, juris). Aus dem Abschluss des Kaufvertrags über einen Gebrauchtwagen zwischen dem Kläger und einem Dritten folgt kein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte (BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 VII ZR 679/21 –, Rn. 41, juris).
32
Vorliegend hat der Kläger sein Fahrzeug am 29.11.2016 bei einem Kilometerstand von 63.800 km als Gebrauchtwagen erworben. Bei diesem Erwerbsvorgang hat die Beklagte als Herstellerin des Fahrzeugs und des Motors nichts mehr erlangt.
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3. Mangels des Bestehens einer durchsetzbaren Hauptforderung gegen die Beklagte besteht auch kein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß S. 826 BGB oder S. 823 Abs. 2 BGB. Gleiches gilt für die Feststellung des Bestehens von Annahmeverzug durch die Beklagte mit der Annahme des klägerischen Fahrzeuges.
34
Die form- und fristgerecht eingelegte Anschlussrevision des Klägers, die mit dem von der Revision erfassten Streitgegenstand in einem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang steht, ist unbegründet. Der Durchsetzung eines Anspruchs aus SS 826, 31 BGB bzw. S. 823 Abs. 2 BGB steht die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nach S. 214 Abs. 1 BGB entgegen. Ein Anspruch aus SS 826, 852 Satz 1 BGB besteht aus den genannten Gründen nicht. Daher ist auch die Feststellungsklage auf teilweise Erledigung des Rechtsstreits unbegründet, weil die ursprüngliche Klage insoweit unbegründet war.
35
c. Die Kostenentscheidung folgt aus SS 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf SS 708 Nr. 10 Satz 1, 709, 711 ZPO.
36
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des S. 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.
37
Hinsichtlich der Voraussetzungen für grob fahrlässige Unkenntnis von der konkreten Betroffenheit eines Dieselfahrzeuges vom sogenannten Dieselskandal besteht eine gesicherte RechtspreChung. Der Senat weicht auch nicht von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte ab (vgl. OLG Köln, Urteil vom 17. Januar 2023 – 3 U 88/22 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 18. Januar 2023 – I-25 U 172/22 –, Juris; OLG München, Beschluss vom 27. Januar 2023 – 27 U 5217/22 –, juris).