Inhalt

VG München, Beschluss v. 05.04.2023 – M 23 E 22.6129
Titel:

Einstweilige Anordnung, Taxikonzession, Zuverlässigkeit

Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1
PBefG § 13 Abs. 1 Nr. 2
PBZugV § 1 Abs. 1
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung, Taxikonzession, Zuverlässigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 10779

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig die Genehmigung zum Verkehr mit Taxen mit der Ordnungsnummer 441 bis zum Abschluss des Widerspruchverfahrens, längstens bis zum 31.10.2023, zu erteilen.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der 1962 geborene Antragsteller begehrt im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Verlängerung seiner Taxikonzession.
2
Der Antragsteller betreibt ein Taxiunternehmen ohne Angestellte mit Betriebssitz in der P. Straße ... in M. Er verfügt seit dem … Oktober 2018 über die Genehmigung zum Verkehr mit Taxen aufgrund Bescheids vom 24. Juli 2018. Die Taxilizenz hatte er von seiner Lebensgefährtin übernommen. Zuletzt wurde ihm die Erlaubnis mit Bescheid vom 23. Oktober 2019 mit einer Laufzeit vom 1. November 2019 bis zum 31. Oktober 2022 erteilt. Am 2. August 2022 beantragte er bei der Antragsgegnerin die erneute Erteilung. Am 6. Oktober 2022 wurde er zur beabsichtigten Ablehnung angehört, auf die er mit Stellungnahme vom 27. Oktober 2022 antwortete.
3
Am 17. November 2022 wurde sein Antrag auf Wiedererteilung der Genehmigung von der Antragsgegnerin abgelehnt.
4
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller habe die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Stadtkasse A. (seinem Wohnort) nicht beigebracht. Der Antragsteller werde als unzuverlässig angesehen. Er habe gegen die gesetzliche Tarifpflicht verstoßen, indem er im Zeitraum vom 1. März 2019 bis 12. April 2019 ein Taxameter mit veraltetem Tarif eingesetzt habe. Dies habe eine Betriebsprüfung am 8. August 2019 ergeben. Deswegen sei er abgemahnt worden und habe einen Bußgeldbescheid erhalten. Der Antragsteller habe auch gegen die gesetzliche Betriebspflicht verstoßen. Eine Betriebsprüfung am 16. August 2022 habe ergeben, dass der Antragsteller sein Fahrzeug über mehrere Monate nicht in der gewerblichen Personenbeförderung eingesetzt habe, ohne von der Betriebspflicht befreit gewesen zu sein. Vom 8. März 2020 bis 4. März 2022 sei er, ausgenommen den Zeitraum vom 3. Oktober 2021 bis 20. November 2021, praktisch gar nicht gefahren. Im Ergebnis seien 148 von möglichen 1033 Schichten gefahren worden, einer Quote von lediglich 14,36%. Erschwerend komme hinzu, dass der Antragsteller im Rahmen der Betriebsprüfung am 8. August 2019 über die gesetzliche Betriebspflicht und die Möglichkeit der Befreiung von dieser belehrt worden sei. Der Altunternehmerschutz des § 13 Abs. 3 PBefG greife hier nicht, da der Antragsteller sein Gewerbe nicht nachhaltig betrieben habe. Er sei auch gegenüber anderen Bewerbern nachrangig zu behandeln, da er das Taxengewerbe nicht als Hauptbeschäftigung betrieben habe und seiner Betriebspflicht nicht ordnungsgemäß nachgekommen sei.
5
Gegen den Bescheid erhob der Antragsteller am 28. November 2022 Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.
6
Mit Antrag vom 9. Dezember 2022 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
7
den Bescheid vom 17.11.2022 aufzuheben und anzuordnen, dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Genehmigung zum Taxenverkehr mit der Ordnungsnummer 441 erneut erteilt.
8
Zur Antragsbegründung wurde ausgeführt, die Taxigenehmigung stelle die alleinige Erwerbsquelle des Antragstellers dar. Der finanzielle Schaden bei Nichterteilung wäre für den Antragsteller nicht mehr zu kompensieren. Während der Pandemie habe der Antragsteller staatliche Corona-Hilfen für Soloselbstständige in Anspruch genommen. Die finanziellen Reserven seien inzwischen aufgebraucht. Die von der Antragsgegnerin ermittelten Tatsache rechtfertigten nicht die Annahme der Unzuverlässigkeit. Der Vorwurf, gegen die Tarifpflicht verstoßen zu haben, sei zutreffend, der Antragsteller habe zum März 2019 versäumt, den Taxitarif umzustellen, da er über die Änderung in Unkenntnis gewesen sei. Bezüglich des Vorwurfs eines Verstoßes gegen die Betriebspflicht während der Lockdownzeiten sei es zutreffend, dass der Antragsteller keinen Antrag auf Befreiung von der Betriebspflicht gestellt habe. Er habe aber sein Taxi nicht abgemeldet, sondern jederzeit betriebsbereit gehalten etwa für den Fall, dass behördliche Lockdownmaßnahmen aufgehoben würden oder sich wider Erwarten Fahrgäste melden sollten. Der Antragsteller habe die Lockdownmaßnahmen mit umsetzen helfen wollen. Es sei unsinnig, vom Antragsteller zu verlangen, einer formell verstandenen Betriebspflicht dadurch nachzukommen, dass er sich stundenlang an einen Standplatz aufstelle, nur um dann ohne Fahrten die Schicht abzubrechen. Nach Aufhebung der Lokdownzeiten für die Gastronomie habe er den Betrieb unverzüglich wiederaufgenommen. Öffentliche Verkehrsinteressen seien in dieser Zeit nicht beeinträchtigt gewesen, da kaum Nachfrage bestanden habe. Die Antragsgegnerin selbst warne auf dem online abrufbaren Antrag zur Befreiung von der Betriebspflicht davor, dass Betriebspflichtbefreiungen den Altunternehmerschutz tangierten. Das Beharren der Antragsgegnerin auf der Betriebspflicht bzw. auf der Betriebspflichtbefreiung sei im Hinblick auf die Corona-Zeit nicht sinnvoll. Die Forderung der Antragsgegnerin nach gewissen Mindesteinsatzzeiten oder -umsätzen sei rechtlich nicht haltbar. Die Berechnung der Antragsgegnerin zu den Einsatztagen sei fehlerhaft. Von den rechnerisch anzusetzenden 1033 Einsatztagen seien etwa Urlaubszeiten, Wochenenden und Feiertage abzuziehen.
9
Mit Schreiben vom 4. Januar 2023 beantragte die Antragsgegnerin,
10
den Antrag abzulehnen.
11
Eine Eilbedürftigkeit bestehe ersichtlich nicht, da die Genehmigung laut einem Antrag des Antragstellers vom 27. Oktober 2022 offenbar übertragen werden solle. Nach § 15 Abs. 4 PBefG sei für den Erfolg des Antrags eine hohe Wahrscheinlichkeit des Erfüllens der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich, welche hier nicht gegeben sei. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Schriftsatzes verwiesen.
12
Hierzu nahm der Antragsteller mit Schreiben vom 9. Februar 2023 Stellung.
13
Am 5. April 2023 wurde über den Antrag mündlich verhandelt. Eine gerichtlicherseits vorgeschlagene Verlängerung der Genehmigung um ein halbes Jahr im Hinblick auf die Existenzsicherung des Antragstellers lehnte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 6. April 2020 unter Verweis auf § 20 Abs. 1 PBefG ab. Einer gerichtlichen Entscheidung, dem Antragsteller eine gerichtlich angeordnete einstweilige Erlaubnis längstens für ein halbes Jahr zu erteilen, werde zugestimmt.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
15
Der Antrag ist zulässig, jedoch lediglich teilweise begründet.
16
1. Der Antrag ist zulässig. Er ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1, Abs. 5 VwGO statthaft. Er ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist der Ablehnungsbescheid durch die form- und fristgerechte Einreichung des insoweit statthaften Widerspruchs, § 68 Abs. 1 VwGO, § 55 PfBeG, nicht in Bestandskraft erwachsen.
17
2. Der Antrag ist im tenorierten Umfang begründet. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dies setzt gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) voraus, dass der Antragsteller Tatschen glaubhaft macht, aus denen sich ein Anordnungsanspruch (d.h. der materiell-rechtliche Anspruch) und ein Anordnungsgrund (die besondere Eilbedürftigkeit) ergibt. Ist der Antrag auf eine – wenn auch zeitlich begrenzte – Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur dann in Betracht, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten.
18
Nach der im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage wurden vom Antragsteller Tatsachen glaubhaft gemacht, aus denen sich sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund für die vorläufige Fortführung seines Taxibetriebes ergeben, § 123 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO.
19
2.1. § 15 Abs. 4 PBefG, wonach die Genehmigung nicht vorläufig und nicht mit einem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden darf, steht zunächst nicht entgegen. Vielmehr wird § 15 Abs. 4 PBefG nach der wohl herrschenden obergerichtlichen Rechtsprechung verfassungskonform dahin ausgelegt, dass im Lichte der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) und des Grundrechtsschutzes aus Art. 12 Abs. 1 GG im Wege der einstweiligen Anordnung der Antragsgegner verpflichtet werden kann, eine zeitlich begrenzte Genehmigung zu erteilen. Mit Blick auf das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache sowie mit Rücksicht auf Sinn und Zweck des Verbots vorläufiger Genehmigungen gemäß § 15 Abs. 4 PBefG kommt eine solche einstweilige Anordnung allerdings nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht, nämlich nur dann, wenn der Antragsteller die Genehmigungsvoraussetzungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfüllen wird (VGH BW, V.v. 9.9.2021 – 6 S 1507/21 – juris Rn. 5 mwN.; OVG Hamburg, B.v. 14.11.2013 – 3 Bs 255/13 – juris Rn. 9).
20
2.2. Die Erteilung einer Genehmigung für den Verkehr mit Taxen nach § 47 PBefG wurde dem Antragsteller zunächst mit der Begründung versagt, dass die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG nicht erfüllt seien, da der Antragsteller unzuverlässig sei.
21
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG dürfen keine Tatsachen vorliegen, die die Unzuverlässigkeit des Antragstellers als Unternehmer oder der für die Führung der Geschäfte bestellten Personen dartun. Der Begriff der Unzuverlässigkeit der vorgenannten Personen wird in § 1 Abs. 1 der Berufszugangsverordnung für den Straßenpersonenverkehr (PBZugV) näher konkretisiert. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 PBZugV gelten der Unternehmer und die zur Führung der Geschäfte bestellten Personen als zuverlässig im Sinne von § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PBefG, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei der Führung des Unternehmens die für den Straßenpersonenverkehr geltenden Vorschriften missachtet oder die Allgemeinheit bei dem Betrieb des Unternehmens geschädigt oder gefährdet wird. Solche Anhaltspunkte sind anzunehmen bei rechtskräftigen Verurteilungen wegen schwerer Verstöße gegen strafrechtliche Vorschriften (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 PBZugV) oder schweren Verstößen gegen die in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a bis f PBZugV näher bezeichneten Vorschriften. Da die berücksichtigungsfähigen Anhaltspunkte in § 1 Abs. 1 Satz 2 PBZugV nicht abschließend geregelt sind („insbesondere“), ist für die an dem Gesamtverhalten und der Persönlichkeit des Betroffenen auszurichtende Zuverlässigkeitsprognose (vgl. BVerwG, U.v. 20.11.1970 – VII C 73.69 – juris Rn. 21; OVG Berlin, B.v. 12.6.2012 – OVG 1 S 35.12 – juris Rn. 7) maßgeblich, ob dieser willens oder in der Lage ist, die einschlägigen Vorschriften zu beachten, wobei wegen der ihm anvertrauten Schutzgüter ein strenger Maßstab anzulegen ist und sich die Annahme der Unzuverlässigkeit auch aus einer Häufung von im Einzelnen nicht so schwerwiegenden Verstößen ergeben kann (BayVGH, B.v. 17.1.2018 – 11 CS 17.2555 – juris Rn. 8; OVG Hamburg, B.v. 20.6.2008 – 3 Bs 48/08 – juris Rn. 20).
22
Bei der hier vorzunehmenden Gesamtbetrachtung der im Ablehnungsbescheid genannten Verstöße des Antragstellers bestehen aus Sicht des Gerichts – jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung und nach gebotener lediglich summarischer Prüfung (noch) keine hinreichenden Anhaltspunkte, die auch unter besonderer Beachtung des Art. 12 Abs. 1 GG auf die Unzuverlässigkeit des Antragstellers im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 PBefG schließen lassen, dies wegen der besonderen Umstände der vergangenen „Corona-Jahre“ und wegen der das Taxigewerbe besonders belastenden Umstände durch die jeweiligen „Lockdowns“.
23
2.2.1. Der gegen den Antragsteller zunächst ins Feld geführte Verstoß gegen die gesetzliche Tarifpflicht aus § 51 Abs. 5, § 39 Abs. 3 und 1 PBefG i.V.m. § 2 Taxitarifordnung durch Einsatz eines Taxameters mit veraltetem Tarif im Zeitraum vom 1. März 2019 bis 12. April 2019 stellt objektiv betrachtet keinen schweren Verstoß gegen die genannten Vorschriften dar. Nach §§ 51 Abs. 5, 39 Abs. 3 PBerfG dürfen die nach Absatz 1 festgestellten Beförderungsentgelte im Taxenverkehr nicht zwar über- oder unterschritten werden; sie sind gleichmäßig anzuwenden. Ermäßigungen, die nicht unter gleichen Bedingungen jedermann zugutekommen, sind verboten und nichtig. Die Bewertung des Gerichts, dass dem Antragsteller kein schwerer Verstoß hiergegen vorzuwerfen ist, folgt aber schon daraus, dass der Antragsteller sich zunächst einmal selbst geschadet hat, indem er eine kurze Zeitspanne und lediglich fahrlässig mit einem alten günstigeren Tarif weitergefahren ist. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass das Handeln des Antragstellers subjektiv von dem Willen getragen gewesen wäre, sich durch den Einsatz eines „Billigtarifs“ einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Taxiunternehmen zu verschaffen. Der Einsatz des veralteten Tarifs geschah eine unerhebliche Zeitspanne, beruhte auf bloßer (wenngleich vorwerfbarer) Unkenntnis von der Geltung eines neuen Tarifs und wurde nach Hinweisen der Betriebsprüfer umgehend korrigiert. Eine relevante Wertung dieses Verstoßes zulasten des Antragstellers in der Gesamtbetrachtung muss nach dem Grundsatz „de minimis non curat praetor “ ausscheiden.
24
2.2.2. Der von der Antragsgegnerin hauptsächlich gegen die Zuverlässigkeit des Antragstellers vorgebrachte Vorwurf liegt in dem Verstoß gegen die Betriebspflicht. Die Betriebspflicht besagt nach § 21 Abs. 1 Satz 1 PBefG, dass der Unternehmer verpflichtet ist, den ihm genehmigten Betrieb aufzunehmen und während der Geltungsdauer der Genehmigung den öffentlichen Verkehrsinteressen und dem Stand der Technik entsprechend aufrechtzuerhalten. Konkret für den Taxibetrieb bedeutet dies nach § 47 Abs. 1 S. 1 PBefG, dass die Taxen an den Taxiständen (oder ggf. am Betriebssitz) zum sofortigen Fahrtantritt bereitzuhalten sind, wobei keine Mindestumsätze oder Mindestbeförderungsleistungen zu fordern sind. Auf Antrag kann die Genehmigungsbehörde den Unternehmer von der Betriebspflicht entbinden (§ 21 Abs. 4 PBefG). Hintergrund und Normzweck der statuierten Betriebspflicht ist, dass sie der Befriedigung des öffentlichen Verkehrsinteresses dient, indem sie die Durchführung von Verkehren sicherstellt, an denen ein solches Interesse besteht. Bei solchen Verkehren soll der Verkehrsunternehmen nicht nur das ihm durch die Genehmigung verliehene Recht haben, den Verkehr zu betreiben, sondern zugleich auch verpflichtet werden, von der Genehmigung für die Dauer ihrer Geltung Gebrauch zu machen (vgl. hierzu Bidinger, Personenbeförderungrecht, B zu § 21 Rn. 2). Daraus folgt, dass es wesentlich darauf ankommt, wie die öffentlichen Verkehrsinteressen im konkreten Fall zu gewichten sind und wie schwer diese durch den Betriebspflichtverstoß betroffen sind.
25
Der Erfüllung der Betriebspflicht beim Gelegenheitsverkehr mit Taxen kommt nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs eine geringere Bedeutung zu als im Linienverkehr (BayVGH, U.v. 7. 5.2018 – 11 B 18.12 – juris). Es bleibt aber auch für den Gelegenheitsverkehr mit Taxen grundsätzlich festzuhalten, dass der genehmigte status quo des Verkehrsangebots grundsätzlich über die gesamte Laufzeit der Genehmigung aufrechterhalten werden soll. Nur wenn sich das öffentliche Verkehrsinteresse an dem Verkehr des Unternehmers zwischenzeitlich maßgeblich ändert, bedarf es unter Umständen einer Anpassung des Verkehrsangebots an die veränderten Bedürfnisse der Allgemeinheit. Der Unternehmer darf aber grundsätzlich eine Anpassung an die Veränderung nicht eigenmächtig nach seinem Gutdünken vornehmen, sondern ist an die im Personenbeförderungsgesetz hierfür vorgesehenen Verfahren gebunden (Bidinger, Personenbeförderungrecht, B § 21, Rn. 121).
26
Ob der Antragsteller dadurch seiner Betriebspflicht nachgekommen ist, indem er, wie er ausführt, während der behördlich angeordneten Lockdownmaßnahmen sein Taxi nicht „abgemeldet“, sondern „jederzeit betriebsbereit“ gehalten habe für den Fall, dass behördliche Lockdownmaßnahmen aufgehoben würden oder sich wider Erwarten Fahrgäste melden sollten, bedarf keiner Entscheidung. Die Kammer ist jedenfalls der Ansicht, dass in der singulären Ausnahmesituation der Corona-Pandemie der von der Antragsgegnerin aufgrund der fehlenden Fahrzeiten unterstellte Betriebspflichtverstoß nicht als so schwerwiegend angesehen werden darf, dass mit ihm allein die Unzuverlässigkeit des Antragstellers begründet werden kann. Denn das öffentliche Interesse am Betrieb von Taxen auf dem Gebiet der Antragsgegnerin war während der Corona-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 bekanntermaßen gering bzw. war derartiger Verkehr sogar unerwünscht. Das gilt insbesondere für die Zeiten der behördlich angeordneten sogenannten Lockdowns, die von Ausgangsbeschränkungen und Kontaktreduzierungen auf das unbedingt erforderliche Maß geprägt waren. Hier war für Taxidienstleistungen so gut wie keine keine Nachfrage zu erwarten und auch eine solche weitestgehend nicht vorhanden. Dies gilt erst recht für den Antragsteller, der nach seinem Vortrag im Rahmen des von ihm gewählten Geschäftsmodells vor allem Kunden aus dem Gastronomiegewerbe bedient hat. Ab Ende März 2020, als die Bayerische Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie (1. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung – BayIfSMV vom 27. März 2020) und deren Nachfolgeregelungen in Geltung waren, waren Betriebe der Freizeitgestaltung und Gastronomie untersagt. Gerade der Bereich Gastronomie unterlag ab Ende März im gesamten Jahr 2020 und im Jahr 2021 wesentlichen Einschränkungen, wobei erst mit der 14. BayIfSMV vom 1. September 2021 mit dem sog. 3G-Konzept erstmals substantielle Erleichterungen für das Gastronomiegewerbe griffen, die aber durch die 15. BayIfSMV vom 23. November 2021 teilweise wiederzurückgenommen wurden Dies korrespondiert mit dem Zeitraum, in dem der Antragsteller laut Schichtzettel vorübergehend Umsätze erzielt hat. Bordellbetriebe, Clubs, Diskotheken, sonstige Vergnügungsstätten und vergleichbare Freizeiteinrichtungen, auf deren Kundschaft der vor allem nachts fahrende Antragsteller angewiesen war, waren im Wesentlichen geschlossen, bis die 16. BayIfSMV vom 1. April 2022 alle diese Restriktionen aufhob. Das Gericht bezieht sich im Einzelnen auf die Regelungen der verschiedenen Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen.
27
Angesichts einer solchen Situation, in der es allgemein und für jeden erkennbar kein öffentliches Bedürfnis an einer Bereitstellung von Taxen in einer Anzahl wie zu „normalen“ Zeiten gab, das Taxigewerbe vielmehr darniederlag und nach der plausiblen Darstellung des Antragstellers ganze Schichten ohne einen einzigen Fahrtauftrag wieder abgebrochen werden mussten, war dem Antragsteller nicht anzusinnen, dennoch einer formell verstandenen Betriebspflicht – etwa durch von ihm thematisierte, in bestimmten Abständen durchgeführte „Gefälligkeitsfahrten“ für Freunde und Bekannte – nachzukommen. Wo zweifelsohne ein öffentliches Bedürfnis für einen Verkehr von Taxen nicht bestand, im Gegenteil Staat und Behörden die Bevölkerung auf Kontaktreduzierung und Vermeidung von Kontakten eingeschworen hatten und das Angebot an Taxen die Nachfrage bei weitem überstieg, darf ein Betriebspflichtverstoß objektiv nach dem Sinn und Zweck der Betriebspflicht wenig wiegen. Der Verweis der Antragsgegnerin auf die Möglichkeit einer Befreiung von der Betriebspflicht, die der Antragsteller unstreitig nicht beantragt hat, verfängt im hier zu entscheidenden Einzelfall nicht, da einerseits in dem online zur Verfügung gestellten Formular zum entsprechenden Antrag ein – der Sache nach unzutreffender – Warnhinweis dergestalt enthalten war, dass Befreiungen von der Betriebspflicht den Altunternehmerschutz tangieren, was auf den Antragsteller abschreckend wirken musste. Wenn andererseits die Antragsgegnerin darauf verweist, dass der Antragsteller die Möglichkeit gehabt hätte, sich bei der Genehmigungsbehörde zu informieren und dass erstmals mit IMS des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnung, Bau und Verkehr vom 16. März 2020 die Möglichkeit eröffnet worden sei, eine vorübergehende Entbindung von der Betriebspflicht aufgrund der Corona-Pandemie zu gewähren mit dem dortigen Hinweis, dass den Unternehmern keine Nachteile aufgrund dieser Befreiung entstehen dürften, so ist dem entgegenzuhalten, dass es tendenziell eher Aufgabe der Genehmigungsbehörde gewesen sein dürfte, aus Anlass der Corona-Pandemie eigenständig und von sich aus über diese Möglichkeit zu informieren, und zwar flächendeckend alle Taxiunternehmer und nicht nur die, die über entsprechende Anbindung an Taxizentralen wie die Taxi eG oder den Isarfunk verfügten, wie sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt hat. Eine solche proaktive Vorgehensweise wurde offenbar von anderen Genehmigungsbehörden in Deutschland gewählt. Es entspricht der Billigkeit, gerade weil die Pandemie und die rechtlichen Instrumente zu deren Bekämpfung eine erstmals eingetretene Sondersituation und von ungeheurer Tragweite für das Beförderungswesen und auch das Taxigewerbe waren, die sich erkennbar auf jeden einzelnen Konzessionär auszuwirken geeignet waren, die tatsächlichen Folgen nicht nur bzw. vorwiegend dem Konzessionsinhaber anzulasten. Vor diesem Hintergrund ist dem nicht an eine Taxizentrale angebundenen Antragsteller nicht berücksichtigungsfähig vorwerfbar, wenn er eine Befreiung von der Betriebspflicht nicht von sich aus beantragt hat, sondern die Entwicklung der Verhältnisse abgewartet hat, um sofort nach Beendigung der Restriktionen seinen Betrieb wiederaufzunehmen.
28
Nach alledem kann das Gericht aufgrund einer summarischen Prüfung – besonders im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG – nicht davon ausgehen, dass der Antragsteller zukünftig weder willens noch in der Lage wäre, die einschlägigen Vorschriften des Personenbeförderungsrechts zu beachten. Weitere verwertbare Pflichtverletzungen sind von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen, so dass an der fortbestehenden Zuverlässigkeit des Antragstellers keine nachhaltigen Zweifel bestehen und diese somit glaubhaft gemacht ist.
29
Die weiteren im Bescheid erörterten Fragen der Anrechenbarkeit der Betriebszeiten und des Altunternehmerschutzes im Zusammenhang mit den Gegebenheiten der Corona-Pandemie können nicht im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens, sondern wären allenfalls in einem Hauptsacheverfahren zu klären.
30
2.3. Der Antragsteller konnte auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Die vorliegende zeitlich begrenzte Konzessionserteilung ist schon deswegen eilbedürftig, weil nach seinem glaubhaften Vortrag nur der Betrieb des Taxiunternehmens den Lebensunterhalt des Antragstellers sichert. Während der Pandemiezeit konnte und musste der Antragsteller staatliche Coronahilfen für Soloselbständige in Anspruch nehmen, welche inzwischen aufgebraucht sind. Der Antrag des Antragstellers, die Konzession auf seine Lebensgefährtin zu übertragen, wurde nach seinem glaubhaften Vorbringen nur hilfsweise für den Fall gestellt, dass ihm selbst die Konzession nicht verlängert würde.
31
2.4. Dass mit der einstweiligen Anordnung die Hauptsache teilweise vorweggenommen wird, steht ihrem Erlass nicht entgegen. Die partielle Vorwegnahme der Hauptsache ist im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG geboten, weil der Antragsteller andernfalls unzumutbare und nicht behebbare Nachteile erleiden würde (vgl. OVG Bremen, B.v. 22.03.2018 a.a.O. Rn. 25). Dabei hält die Kammer insgesamt nach Würdigung aller Umstände, insbesondere auch des Alters des Antragstellers, eine zeitliche befristete und verfahrensbegleitende Wiedererteilung für angemessen. Im Hinblick auf die zeitlich unbegrenzte Wiedererteilung war der Antrag hingegen abzulehnen.
32
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VwGO, da der Antragsteller lediglich teilweise obsiegt und im Übrigen unterliegt.
33
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 47.4 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
34
Einer Rechtsmittelbelehrungbedarf es hinsichtlich Ziffer I des Tenors nicht, da die Antragsgegnerin durch ihre am 6. April 2023 übermittelte Mitteilung, dem Vorschlag des Gerichts, dem Antragsteller eine gerichtlich angeordnete einstweilige Erlaubnis längstens für ein halbes Jahr zu erteilen, werde zugestimmt, konkludent auf Rechtsmittel verzichtet hat. Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat sich bereits in der mündlichen Verhandlung mit einer derartigen Regelung einverstanden erklärt.
35
Hinsichtlich Ziffer III des Tenors gilt folgende Rechtsmittelbelehrung.