Titel:
(Landes) Disziplinarrecht, Verweigerung der Zahlung der Umlage an die Verwaltungsgemeinschaft, Innerdienstliche, uneigennützige Untreue eines Bürgermeisters, Kürzung des Ruhegehalts im höchstmöglichen Umfang
Normenketten:
BeamtStG § 47
BeamtStG § 33 ff.
StGB § 266
BayDG Art. 12
Schlagworte:
(Landes) Disziplinarrecht, Verweigerung der Zahlung der Umlage an die Verwaltungsgemeinschaft, Innerdienstliche, uneigennützige Untreue eines Bürgermeisters, Kürzung des Ruhegehalts im höchstmöglichen Umfang
Fundstelle:
BeckRS 2023, 10776
Tenor
I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts i.H.v. 1/10 für die Dauer von 60 Monaten erkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt im Wege der Disziplinarklage die Kürzung des Ruhegehalts des Ruhestandsbeamten für die Dauer von 60 Monaten aufgrund einer innerdienstlichen Untreue durch die Verweigerung der Zahlung der Verwaltungsgemeinschaftsumlage.
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1. Der am ... 1952 geborene Beklagte ist seit 1. Mai 2020 Ruhestandsbeamter und bezieht Ruhestandsbezüge i.H.v. derzeit 2914,- € brutto aus seinem Amt als Bürgermeister der Gemeinde …
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Bis dahin war der Beklagte seit dem 1. Mai 1990 Kommunaler Wahlbeamter, zunächst als ehrenamtlicher Bürgermeister, ab Mai 2008 als hauptamtlicher erster Bürgermeister der Gemeinde …, zuletzt in der Besoldungsgruppe A 14.
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Der Beklagte ist mit Ausnahme der ihm im vorliegenden Verfahren zur Last gelegten Vorwürfe weder strafrechtlich noch disziplinarisch vorbelastet. Insoweit wurde ein Strafverfahren gegen ihn wegen Untreue nach Strafbefehl des Amtsgerichts Memmingen vom 18. September 2019 über 50 Tagessätze – ... – und Einspruch des Beklagten vom 24. September 2019 gemäß § 153a StPO nach Zahlung einer Geldauflage i.H.v. 3.000,- € mit Beschluss des Amtsgerichts Memmingen vom 8. Januar 2020 eingestellt.
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Der geschiedene Beklagte hat vier erwachsene Kinder. Neben seiner Ernennung zum Altbürgermeister der Gemeinde … wurde er zu dessen Ehrenbürger ernannt.
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2. Nach Übertragung der Disziplinarbefugnisse gemäß Art. 18 Abs. 4 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) i.V.m. § 5 DVKommBayDG durch das Landratsamt Unterallgäu mit Schreiben vom 6. Juli 2018 auf die Landesanwaltschaft B. leitete diese mit Verfügung vom 24. Juli 2018 ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten gemäß Art. 19 BayDG ein und gab dem Beklagten Gelegenheit zur Stellungnahme i.S.v. § 22 BayDG. Hierauf nahm der Beklagte zunächst schriftlich am 14. September 2018 Stellung und sodann am 29. Oktober 2018 im Wege der persönlichen Anhörung bei der Landesanwaltschaft.
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Für die Dauer des o.g. Strafverfahrens setzte die Landesanwaltschaft das Disziplinarverfahren gemäß Art. 24 Abs. 3 BayDG aus.
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Nach einer Stellungnahme des Bevollmächtigten des Beklagten vom 17. Januar 2020 und Fortsetzung des Disziplinarverfahrens durch die Landesanwaltschaft vermerkte diese am 28. Februar 2020 das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen gemäß § 32 BayDG und hörte den Beklagten an. Der Bevollmächtigte des Beklagten nahm hierzu mit Schriftsatz vom 22. Juni 2020 Stellung.
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3. Daraufhin hat die Landesanwaltschaft Bayern als Disziplinarbehörde am 15. Juli 2020 Disziplinarklage mit dem Ziel der Kürzung des Ruhegehalts für die Dauer von 60 Monaten erhoben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Disziplinarklage Bezug genommen, § 117 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Ergänzend wurde in der mündlichen Verhandlung am 18. April 2023 vorgetragen. Insoweit wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
gegen den Ruhestandsbeamten eine Kürzung des Ruhegehalts in Höhe von 1/10 auf die Dauer von 60 Monaten zu verhängen.
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Der Beklagte beantragt,
von der Kürzung der Dienstbezüge abzusehen.
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Mit Schriftsatz durch seinen Bevollmächtigten vom 28. September 2020 sowie in der mündlichen Verhandlung am 18. April 2023 hat sich der Beklagte zum Vorwurf und zum Disziplinarverfahren geäußert. Dabei wurden insbesondere die Darstellung des Sachverhalts und der von der Disziplinarbehörde erhobene Vorwurf der Dienstpflichtverletzung eingestanden, hingegen die aus Sicht des Beklagten bestehenden besonderen Umstände, nämlich die erheblichen Missstände in der Verwaltungsgemeinschaft und ein Ausbleiben von Reaktionen der Kommunalaufsicht als Motivation für das uneigennützige Dienstvergehen, herausgestellt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die zitierten Schriftsätze und insbesondere die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
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Auch im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Akten der Disziplinarbehörde – LAB ... – einschließlich der Personalakte und die beigezogene Strafakte der Staatsanwaltschaft Memmingen – 220 … … – verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Auf die Disziplinarklage des Klägers hin wird auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts gemäß Art. 12 BayDG im höchstmöglichen Umfang von 60 Monaten erkannt.
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I. Formelle Mängel des Disziplinarverfahrens sind weder i.S.v. Art. 53 Abs. 1 BayDG geltend gemacht noch sind solche ersichtlich. Insbesondere ist dem Beklagten jeweils Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden.
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II. Die Landesanwaltschaft legt dem Beklagten in der Disziplinarklage den nachfolgenden Sachverhalt zur Last:
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„Die Gemeinde … ist Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft … … Mit Schreiben vom 18.09.2017 an das Landratsamt Unterallgäu kündigte der Ruhestandsbeamte an, die Zahlung der Verwaltungsgemeinschaftsumlage 2018 zu verweigern, da die Verwaltungsgemeinschaft ihre Aufgaben nicht im Sinne der Gemeinde … erfülle. Mit Schreiben des Landratsamts Unterallgäu vom 12.10.2017 wurde der Ruhestandsbeamte auf die Verpflichtung der Gemeinde … zur Zahlung der Verwaltungsgemeinschaftsumlage gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VGemO hingewiesen.
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Die Verwaltungsgemeinschaft … … setzte mit bestandskräftigem Bescheid vom 19.03.2018 die Verwaltungsgemeinschaftsumlage für das Haushaltsjahr 2018 gegenüber der Gemeinde … in Höhe von insgesamt 228.938,11 Euro fest, die je mit einem Zwölftel ihres Jahresbetrages am 25. eines jeden Monats zur Zahlung fällig wurde.
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Der Ruhestandsbeamte vermerkte handschriftlich auf der Auszahlungsanordnung am 27.03.2018, dass er die Unterschrift sowie die Zahlung verweigere, und schickte diese an die Verwaltungsgemeinschaft … … zurück, die dort am 28.03.2018 einging. Für die Auszahlungsverweigerung lag kein entsprechender Gemeinderatsbeschluss vor. Das Landratsamt Unterallgäu wies nach Kenntniserlangung der Zahlungsverweigerung vom 27.03.2018 den Ruhestandsbeamten mit Schreiben vom 06.04.2018 darauf hin, dass die Umlage zu den im Bescheid genannten Daten zur Zahlung fällig sei. Dies gelte selbst für den Fall, dass Rechtsmittel eingelegt würde. Mit Schreiben vom 25.04.2018 an das Landratsamt Unterallgäu verwies der Ruhestandsbeamte auf Mängel in der Verwaltungsleistung sowie darauf, dass es üblich wäre, Zahlungen nur für erbrachte Leistungen zu tätigen. In einem persönlichen Gespräch am 02.05.2018 wies Herr L2. … den Ruhestandsbeamten ausdrücklich auf seine Dienstpflichten hin und legte dies zudem im Schreiben an den Ruhestandsbeamten vom 14.05.2018 dar. Der Ruhestandsbeamte blieb bei seiner Verweigerung, die Verwaltungsgemeinschaftsumlage für das Haushaltsjahr 2018 zu bezahlen.
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Daraufhin veranlasste die Verwaltungsgemeinschaft … … mit Pfändungs- und Überweisungsverfügungen vom – 14.05.2018 für die Monate Januar bis März 2018,
- 13.06.2018 für die Monate April und Mai 2018,
- 22.08.2018 für die Monate Juni und Juli 2018,
- 25.10.2018 für die Monate August und September 2018,
- 12.12.2018 für die Monate Oktober und November 2018 und
- 20.02.2019 für Dezember 2018
die zwangsweise Beitreibung der monatlichen Verwaltungsumlage in Höhe von 19.078,18 Euro.
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Aufgrund dieser zwangsweisen Beitreibung fielen Kosten für Säumniszuschläge, Gebühren und Auslagen sowie Mahngebühren in Höhe von insgesamt 3.441,10 Euro an, die bei ordnungsgemäßer Zahlung der bestandskräftig festgesetzten Forderung nicht angefallen wären. Bei der Gemeinde … entstand ein Schaden in Höhe dieser angefallenen Kosten. Den Eintritt eines finanziellen Schadens der Gemeinde … infolge zwangsweiser Beitreibung der Verwaltungsgemeinschaftsumlage nahm der Ruhestandsbeamte bei der Verweigerung der Zahlung der angeforderten Beträge zumindest billigend in Kauf. Der Ruhestandsbeamte ersetzte der Gemeinde … den entstandenen Schaden am 19.03.2019.“
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III. Dieser Sachverhalt steht aufgrund der Strafakte, insbesondere der zusammenfassenden Darstellung im – allerdings aufgrund Einstellung nach § 153a StPO nicht rechtskräftig gewordenen Strafbefehl – und der Disziplinarakte mit den jeweiligen Einlassungen des Beklagten fest. Der Beklagte ist dem sachverhaltsmäßigen Vorwurf nicht entgegengetreten, sondern hat schriftsätzlich sowie in der mündlichen Verhandlung auf Frage des Gerichts ausdrücklich keine Einwände gegen die Darstellung erhoben.
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IV. Der Beklagte hat dadurch ein Dienstvergehen i.S.v. § 47 Abs. 1 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) begangen.
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Er hat zum einen als damals aktiver Bürgermeister, der als Kommunaler Wahlbeamter dem Anwendungsbereich des BayDG gemäß Art. 1 Abs. 1 BayDG unterliegt, und damit innerdienstlich gegen seine Pflicht zur Beachtung der Gesetze i.S.v. § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verstoßen, indem er durch die Weigerung der Zahlung der Verwaltungsgemeinschaftsumlage eine Untreue als Amtsträger nach § 266 Abs. 1, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 Strafgesetzbuch (StGB) beging. Damit verhielt er sich ansehens- und vertrauensschädigend, vgl. § 34 Satz 3 BeamtStG a.F.. Zudem verstieß er dabei gegen seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung nach § 34 Satz 1 BeamtStG a.F.. Als gesetzlicher Vertreter der Gemeinde oblag ihm, die Auszahlungsanordnung nach Art. 38 Abs. 1 Gemeindeordnung (GO) i.V.m. Art. 8 Abs. 1 Verwaltungsgemeinschaftsordnung (VGemO) zu unterschrieben. Darüber hinaus wäre nicht er, sondern der Gemeinderat gemäß Art. 29, 37 Abs. 1 GO i.V.m. § 11 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. d) der Geschäftsordnung der Gemeinde … zuständig gewesen, über eine Weigerung der Zahlung der Umlage zu beraten und entscheiden.
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Der Beklagte ist der diesbezüglichen Darstellung der Dienstpflichtverletzungen in der Disziplinarklage weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten.
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Der Beklagte handelte vorsätzlich. Rechtsfertigungs- und Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich. Der Umstand, dass der Beklagte auf Seiten der Verwaltung der Verwaltungsgemeinschaft erhebliche Missstände wahrnahm und aufzeigte, stellt keine Rechtfertigung für die Nichtzahlung der Gemeinschaftsumlage dar.
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V. Das Dienstvergehen wiegt derart schwer, dass unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten des Beklagten als Gesichtspunkte der Maßnahmebemessung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayDG die Kürzung des Ruhegehalts gemäß Art. 12 BayDG auf die höchstzulässige Dauer von 60 Monate angezeigt ist.
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1. Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist dabei die Schwere des Dienstvergehens. Das Gericht stuft diese bei Berücksichtigung der Einzelfallumstände als schwer und erheblich ein, aber noch nicht derart, dass sie die Höchstmaßnahme nach sich zieht.
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a) Dabei eröffnet bereits die Strafandrohung, wodurch der Gesetzgeber einen allgemeinen Unwertgehalt des Verhaltens zum Ausdruck gebracht hat, einen Orientierungsrahmen bis zur Höchstmaßnahme (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 20; BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24/16 – juris Rn. 14).
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b) Die Ausschöpfung des maßgeblich in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens kommt sodann nur dann in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 17). Dabei verbietet sich ein wie auch immer gearteter Schematismus (BVerwG, a.a.O. m.w.N.). Hierbei bedarf es jeweils einer Betrachtung der Umstände des Einzelfalls.
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(1) Schwer fällt ins Gewicht, dass der Beklagte innerdienstlich und unter Ausnutzung seiner Stellung handelte. Dabei verstieß er zudem seine Kompetenzen übersteigend gegen die Vorgaben der Gemeindeordnung i.V.m. der gemeindlichen Geschäftsordnung.
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(2) Wenngleich tatsächlich und rechtlich (nur) ein verhältnismäßig geringer Schaden i.H.v. 3.441,10 € durch eine erforderlich gewordene Vollstreckung eingetreten sein mag, so darf bei der Würdigung der Einzelfallumstände nicht außer Betracht bleiben, dass der Beklagte monatliche Zahlungen auf einen Gesamtbetrag von über 200.000 € bezogen im vollen Bewusstsein der Zahlungspflichtigkeit verweigerte und dies über einen langen Zeitraum.
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(3) Der Beklagte hat dabei uneigennützig gehandelt und von vorneherein eine Übernahme des eintretenden Schadensbetrags in Aussicht gestellt.
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(4) Er handelte jedoch in erheblichem Maße eigenmächtig, seinen eigenen Worten nach „aus persönlichem Protest“ und seiner besonderen Vertrauensstellung als Bürgermeister zuwider. Der Beklagte hat zeitweilig in seinem Kernpflichtbereich versagt, seine Aufgaben gesetzmäßig zu erfüllen, und setzte sich eigenmächtig über Recht und Gesetz hinweg.
Die strikte Beachtung der Gesetze ist wesentlicher Bestandteil der beamtenrechtlichen Kernpflicht auch eines Bürgermeisters (BayVGH, U.v. 21.12.2016 – 16a D 2335/13 – juris Rn. 107 ff; OVG Magdeburg, U.v. 6.7.2022 – 10 L 1/21 – beck-online Rn. 126). Er wird damit zum Garanten der rechtsstaatlichen Ordnung der Gemeinde (OVG Magdeburg, a.a.O.). Den weitreichenden Befugnissen eines Bürgermeisters als Kommunalem Wahlbeamten stehen hohe Anforderungen an seine Führungsfähigkeiten und seine Integrität gegenüber; er hat Vorbildfunktion für nachgeordnete Bedienstete (BayVGH, a.a.O.). Als gewählter Repräsentant steht er außerdem unter besonderer Beobachtung der Gemeindebürger, so dass sein Fehlverhalten in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in eine gesetzestreue Gemeindearbeit zu beschädigen (BayVGH, a.a.O.). Ein Bürgermeister, welcher diese Seite seines Amts hartnäckig ignoriert, verfehlt eine seiner wesentlichen Aufgaben und ist in seinem Amt nicht tragbar (OVG Magdeburg, a.a.O.). Er gibt zudem ein äußerst negatives Beispiel mangelnder Rechtstreue, welches das Vertrauen der Bürger in eine rechtsstaatliche Verwaltung erschüttern und sie ermuntern kann, auch die eigenen Interessen nach Gutdünken zu verfolgen (OVG Magdeburg, a.a.O. m.w.N.).
Dem Beklagten wird vorliegend keine derartige, hartnäckig amtsschädigende Grundhaltung vorgeworfen, sonst (nur) ein einmaliges, aber über fast ein Jahr lang andauerndes Fehlverhalten in seiner langen Zeit als Bürgermeister. Damit hat er dennoch zeitweilig seiner herausgehobenen Stellung zuwider ein fatales Bild gezeichnet, das geeignet ist, erheblichen Ansehensschaden gegenüber der allgemeinen öffentlichen Verwaltung nach sich zu ziehen, wenn der Anschein gesetzt wird, Kommunale Wahlbeamte könnten sich – folgenarm – über Recht und Gesetz hinwegsetzen, während dem Bürger hingegen vergleichsweise erhebliche Vollstreckungsmaßnahmen drohen.
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Es mag sein, dass der Beklagte durch sein Verhalten das Ziel hatte, die von ihm dargestellten Missstände in der Verwaltungsgemeinschaft würden dadurch endlich angegangen. Das berechtigt jedoch nicht, sich selbst über Recht und Gesetz zu stellen und stellt auch keinen Entschuldigungsgrund dar.
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(5) Besonders erschwerend wirkt, dass der Beklagte nicht nur die Warnungen des Landrats hinsichtlich seines pflichtwidrigen Verhaltens in den Wind schlug, sondern sein Dienstvergehen selbst dann fortsetzte, als gegen ihn bereits die Landesanwaltschaft ein Disziplinarverfahren führte. Für die Annahme eines persönlichkeitsfremden Augenblickversagens ist insofern kein Raum. Der Beklagte hat sein dienstpflichtwidriges Verhalten vielmehr vorher schon angekündigt und im vollen Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit „aus persönlichem Protest“ gehandelt.
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2. Im Rahmen der weiteren Maßnahmebemessung sind dem etwaige mildernde sowie erschwerende Gesichtspunkte gegenüberzustellen, die sich insbesondere aus der Persönlichkeit des Beamten, aus seinem bisherigen dienstlichen Verhalten oder seinem Nachtatverhalten ergeben etc..
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a) Zugunsten des Beklagten erkennt das Gericht das bisherige dienstliche Verhalten des Beklagten als langjähriger Bürgermeister mit all seinen kommunalen Erfolgen an, wenngleich auch eine langjährige pflichtgemäße Dienstausübung selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen für sich genommen regelmäßig nicht geeignet ist, derartige Pflichtverstöße wie dem vorliegenden in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (vgl. BVerwG, B.v. 12.2.2019 – 2 B 6.19 – beck-online Rn. 4; vgl. BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09. 3029 – juris Rn. 96).
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b) In gewissem, wenngleich nicht durchschlagendem Umfang berücksichtigt das Gericht, dass der Beklagte dadurch, dass er keinen Gemeinderatsbeschluss herbeiführte, bemüht war, Schaden von diesem fern zu halten. Zu Gunsten des Beklagten spricht daher auch, den eingetretenen finanziellen Schaden durch erforderliche Vollstreckungsmaßnahmen i.H.v. 3.441,10 € – wie von Anfang an in Aussicht gestellt – privat übernommen zu haben. Die Dienstpflichtwidrigkeit seines Verhaltens lässt das hingegen nicht entfallen.
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c) Zu Gunsten des Beklagten ist ebenso seine Geständigkeit zu werten. Das Gericht folgt hingegen den Zweifeln der Landesanwaltschaft in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf eine Reue beim Beklagten.
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VI. Im Rahmen der nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayDG gebotenen Gesamtbetrachtung hält das Gericht daher eine Kürzung des Ruhegehalts gemäß Art. 12 BayDG im höchstmöglichen Umfang für angemessen. Eine Zurückstufung nach Art. 10 BayDG ist bei Kommunalen Wahlbeamten nicht möglich, Art. 6 Abs. 4 BayDG. Der Kürzungsbruchteil von 1/10 ergibt sich in ständiger Rechtsprechung aus der Zugehörigkeit zur vierten Qualifikationsebene des Beklagten.
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Zur Wahrung bzw. Wiederherstellung des Ansehens des Beamtentums, vorliegend insbesondere Kommunaler Wahlbeamter, und des Vertrauens in eine ordnungsgemäße Verwaltung bedarf es, auch i.S.v. Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDG einer erheblichen Disziplinarmaßnahme im Anschluss an die Einstellung des Strafverfahrens. Dem steht nicht entgegen, dass das schwer pflichtwidrige Verhalten des Beklagten in seiner Gemeinde für die Ernennung zum Ehrenbürger sowie zum Altbürgermeister ohne Auswirkung blieb.
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Die ausgesprochene Maßnahme ist – auch wenn sie den Beklagten nicht mehr als aktiven Kommunalen Wahlbeamten, sondern erst im Ruhestand trifft – geeignet, auf die enorme Ansehensschädigung zu reagieren. Sie ist in diesem hohen Umfang auch erforderlich, da der Beklagte zeitweilig in seinem Kernpflichtbereich versagt und sich dabei als Amtsträger strafbar gemacht hat. Dem kann die strafrechtliche Verfahrenseinstellung alleine nicht hinreichend begegnen. Die Maßnahme ist auch angemessen und trifft den Beklagten nicht in unzumutbarer Härte. Der Beklagte handelte in vollem Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit seines Handelns „aus persönlichem Protest“ und formulierte dabei bereits, er werde die Folgen seines Handelns tragen. Auch nach Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen ihn setzte er sein Handeln zunächst unbeirrt fort. Mögliche Missstände in der Verwaltung der Verwaltungsgemeinschaft sowie ein etwaiges unzureichendes kommunalaufsichtliches Einschreiten ermächtigen in keiner Weise dazu, sich in der herausgehobenen Position eines Bürgermeisters über das Gesetz zu stellen. Nach dem Eindruck, den das Gericht in der mündlichen Verhandlung durch die Äußerungen des Beklagten gewonnen hat, ist ihm bis heute die Tragweite seines Fehlverhaltens und sein Versagen bezüglich der Vertrauensstellung eines Bürgermeisters nicht bewusst. Die Maßnahme im Grenzbereich zur Höchstmaßnahme ist daher angemessen.
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VII. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG