Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 19.04.2023 – AN 2 E 23.676
Titel:

Erfolglose einstweilige Anordnung auf Zulassung zu einer beruflichen Abschlussprüfung zum/zur Steuerfachangestellten/Steuerfachangestellter; Erhebliche Fehlzeiten

Normenketten:
VwGO § 123
BBiG § 43, § 45
Leitsatz:
Eine nach einer Prüfungsordnung vorgeschriebene Ausbildungsdauer ist nur dann zurückgelegt, wenn der Auszubildende tatsächlich aktiv ausgebildet worden ist; ein bloß kalendarischer Ablauf der Ausbildungsdauer reicht nicht aus (vorliegend: im Hinblick auf einen Anordnungsanspruch iSv § 123 VwGO). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
(Vorläufige) Zulassung zur Abschlussprüfung zum/zur Steuerfachangestellten/Steuerfachangestellter, Zurücklegung der Ausbildungsdauer, erhebliche Fehlzeiten, Ausbildungsziel nicht erreicht, Zulassung, Abschlussprüfung, Steuerfachangestellter, Steuerfachangestellte, Ausbildung, einstweilige Anordnung, Prüfungsrecht, Versetzungsrecht, Fehlzeit, zurückgelegte Ausbildungsdauer
Fundstelle:
BeckRS 2023, 10764

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 7.500,00 EUR.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Zulassung zur Abschlussprüfung Sommer 2023 im Ausbildungsberuf Steuerfachangestellte/Steuerfachangestellter am 25. und 26. April 2023.
2
Zum 2. September 2019 begann der Antragsteller eine Berufsausbildung zum Steuerfachangestellten mit voraussichtlichem Ausbildungsende 1. September 2022. Im Berufsausbildungsvertrag wurde mit dem Ausbildungsbetrieb eine Fünftagewoche sowie ein Urlaubsanspruch für das Jahr 2019 von acht Urlaubstagen, für das Jahr 2020 von 23 Urlaubstagen, für das Jahr 2021 von 21 Urlaubstagen und für das Jahr 2022 von 20 Urlaubstagen vereinbart. Der Berufsausbildungsvertrag wurde in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse der Steuerberaterkammer … eingetragen. Am 27. Juli 2020 nahm der Antragsteller an der Zwischenprüfung teil und erreichte folgende Noten:
Steuerwesen: 6 (ungenügend)
Rechnungswesen: 6 (ungenügend)
Wirtschafts- und Sozialkunde: 5 (mangelhaft)
Gesamtnote: 5,8
3
Erstmalig meldete sich der Antragsteller zur Abschlussprüfung für Steuerfachangestellte für den Termin Sommer 2022 bei der Antragsgegnerin an. Hierfür gab der Ausbildungsbetrieb des Antragstellers für den Ausbildungszeitraum bis einschließlich 3. Februar 2022 insgesamt 97 Fehltage (Krankheitstage) des Antragstellers an und beurteilte diesen wie folgt:
„Verantwortungsbewusstsein: befriedigend
Leistung: befriedigend
Fleiß: befriedigend
Auffassung: gut
Führung: gut
Nach dem ebenfalls eingereichten Jahreszeugnis der Berufsschule 4 der Stadt … erzielte der Antragsteller im Schuljahr 2020/2021 folgende Leistungen in den Pflichtfächern:
Religionslehre (EV): sehr gut
Ethik: …
Deutsch: ausreichend Politik und Gesellschaft: ausreichend Englisch: sehr gut Allgemeine Wirtschaftslehre: befriedigend Steuerlehre: ausreichend Rechnungswesen mit Datenverarbeitung: mangelhaft Mandantenorientierte Kommunikation: …
Finanzwirtschaft …
Das Jahreszeugnis enthielt u.a. den Vermerk, dass in Hinblick auf die Abschlussprüfung die Leistungen in den Kernfächern noch erheblich gesteigert werden sollten. Außerdem habe der Antragsteller an einem Unterrichtstag gefehlt, an diesem sei er entschuldigt gewesen.“
4
Mit Bescheid vom 22. März 2022 ließ die Antragsgegnerin den Antragsteller erstmalig nicht zur Abschlussprüfung zu, da die erforderliche Ausbildungsdauer aufgrund der erheblichen Fehlzeiten (17,3% der Ausbildungsdauer) nicht zurückgelegt worden sei. Daraufhin wurde die Ausbildungsdauer des Antragstellers auf entsprechenden Antrag um sechs Monate verlängert. Als neues Ausbildungsende wurde der 28. Februar 2023 vereinbart sowie ein Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr 2023 von drei Arbeitstagen.
5
In der Folge meldete sich der Antragsteller erneut zur Abschlussprüfung für Steuerfachangestellte Termin Winter 2022/2023 an. Hierfür gab der Ausbildungsbetrieb des Antragstellers für den Ausbildungszeitraum 4. Februar 2022 bis 11. Oktober 2022 insgesamt 130 zusätzliche Fehltage (Krankheitstage) des Antragstellers an. An 14 Tagen habe kein ärztliches Attest vorgelegen. Die Beurteilung des Ausbildungsbetriebs entsprach derjenigen in der ersten Prüfungsanmeldung.
6
Nach dem ebenfalls eingereichten Entlassungszeugnis der Berufsschule erfüllte der Antragsteller im Schuljahr 2021/2022 die Berufsschulpflicht und erzielte folgende Leistungen in den Pflichtfächern:
Religionslehre (EV): gut
Deutsch: befriedigend
Politik und Gesellschaft: ausreichend
Englisch: befriedigend
Allgemeine Wirtschaftslehre: ungenügend
Steuerlehre: ungenügend
Rechnungswesen mit Datenverarbeitung: ungenügend
Finanzwirtschaft: befriedigend
Mit Bescheid vom 25. Oktober 2022 ließ die Antragsgegnerin den Antragsteller erneut nicht zur Abschlussprüfung zu, da die erforderliche Ausbildungsdauer aufgrund der erheblichen Fehlzeiten (seit Ausbildungsbeginn 31,6% Fehlzeitquote) weiterhin nicht zurückgelegt worden sei. Daraufhin wurde die Ausbildungszeit des Antragstellers auf entsprechenden Antrag um weitere sechs Monate verlängert. Als neues Ausbildungsende wurde der 31. August 2023 vereinbart sowie ein Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr 2023 von 20 Arbeitstagen.
7
Unter dem 8. Februar 2023 meldete sich der Antragsteller zur Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Steuerfachangestellte/Steuerfachangestellter für den Termin Sommer 2023 an. Hierbei gab der Ausbildungsbetrieb des Antragstellers für den Ausbildungszeitraum 12. Oktober 2022 bis einschließlich 3. Februar 2023 insgesamt 22 zusätzliche Fehltage (Krankheitstage) des Antragstellers, mithin für den gesamten bisherigen Ausbildungszeitraum (2. September 2019 bis 3. Februar 2023) insgesamt 249 Fehltage an.
8
Nach der ebenfalls eingereichten Mitteilung der Berufsschule erzielte der Antragsteller im laufenden Schuljahr 2022/2023 folgende Leistungen mit Stand 3. Februar 2023:

Fach

Schulaufgabe

Stegreifaufgabe

Steuerlehre

5

2

Rechnungswesen

5

6 4

Allgemeine Wirtschaftslehre

5

Politik und Gesellschaft

3 4

9
Am 20. März 2023 tagte der Prüfungsausschuss der Steuerberaterkammer … erneut, beriet über die Zulassung des Antragstellers zur Abschlussprüfung Sommer 2023 und lehnte den Antrag auf Prüfungszulassung ab. Ausweislich des Protokolls ging dieser insbesondere von 17,32% Fehlzeiten (97 Tage) bei 560 „Arbeitstagen-Soll“ für die Abschlussprüfung Sommer 2022 aus. Weiterhin ging er von 82,30% Fehlzeiten (130 Tage) bei 158 „Arbeitstagen-Soll“ für den Zeitraum zwischen der Anmeldung zur Abschlussprüfung Sommer 2022 und der Anmeldung zur Abschlussprüfung Winter 2022/2023 aus. Für den Zeitraum zwischen der Anmeldung zur Abschlussprüfung Winter 2022/2023 bis zur Anmeldung zur Abschlussprüfung Sommer 2023 ging er von 28,95% Fehlzeiten (22 Tage) bei 76 „Arbeitstagen-Soll“ aus, mithin seit Ausbildungsbeginn von insgesamt 31,6% Fehlzeiten (249 Tage) bei 788 „Arbeitstagen-Soll“ für die Abschlussprüfung Sommer 2023. Außerdem berücksichtigte der Prüfungsausschuss die ihm bekannten bisherigen Leistungen des Antragstellers in den Fächern Steuern, Rechnungswesen und allgemeine Wirtschaftslehre, wobei er für das Schuljahr 2022/2023 in dem Fach Steuern von der Note 3,0, im Fach Rechnungswesen von der Note 5,0 und im Fach Allgemeine Wirtschaftslehre von der Note 4,0, ausging. Weiterhin berücksichtigte er, dass sowohl der Arbeitgeber als auch der Antragsteller die Fehlzeiten weiterhin mit Krankschreibungen begründeten. Zur Begründung der Antragsablehnung ist im Protokoll im Wesentlichen sinngemäß festgehalten, die Voraussetzungen aus § 43 Bundesbildungsgesetz seien nicht erfüllt und in der Beurteilung der Berufsschule für das Schuljahr 2020/2021 werde auch auf eine unbedingt erforderliche Leistungssteigerung für das Bestehen der Abschlussprüfung hingewiesen. Der Arbeitgeber vertrete die gleiche Meinung. Es bestünden nach wie vor zu hohe Fehlzeiten und es sei keine positive Tendenz erkennbar. Außerdem bleibe die Möglichkeit bestehen, bei der kommenden Abschlussprüfung im Winter 2023/2024 als externer Teilnehmer teilzunehmen.
10
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23. März 2023 ließ die Antragsgegnerin den Antragsteller erneut nicht zur Abschlussprüfung zu, da die erforderliche Ausbildungsdauer aufgrund der erheblichen Fehlzeiten weiterhin nicht zurückgelegt worden sei. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen sinngemäß vor, der Prüfungsausschuss der Steuerberaterkammer … habe sich in seiner Sitzung vom 20. März 2023 ausgiebig beraten und beschlossen, den Antragsteller nicht zur Abschlussprüfung Sommer 2023 zuzulassen. Zur Abschlussprüfung sei zuzulassen, wer die Ausbildungsdauer zurückgelegt habe oder wessen Ausbildungsdauer nicht später als zwei Monate nach dem Prüfungstermin ende. Die Berufsausbildung müsse in der Ausbildungszeit auch im Wesentlichen systematisch betrieben worden sein. Es handle sich nicht nur um einen kalendarischen Ablauf. Geringfügige Fehlzeiten, zum Beispiel aufgrund kurzfristiger Erkrankungen, hätten auf die Zurücklegung der Ausbildungsdauer keinen Einfluss. Eine Geringfügigkeit sei immer anzunehmen, wenn eine Fehlzeit wegen Krankheit oder sonstiger Verhinderung zusammengerechnet nicht mehr als 10% der im Berufsausbildungsvertrag vorgesehenen Ausbildungsdauer betrage. Die Anmeldung des Antragstellers zur Abschlussprüfung Sommer 2022 vom 25. Januar 2022 weise eine Fehlzeit bis dato in Höhe von 97 Tagen und damit von nahezu 17,3% der entsprechenden Ausbildungsdauer auf. Für den Zeitraum 25. Januar 2022 bis 30. September 2022 weise die Anmeldung zur Abschlussprüfung Winter 2022/2023 eine Fehlzeit von 130 Tagen und somit von nahezu 82,3% in diesem kurzen Zeitraum aus. Die Anmeldung zur Abschlussprüfung Sommer 2023 weise eine Fehlzeit im Zeitraum vom 6. Oktober 2022 bis 3. Februar 2023 von 22 Tagen und somit von nahezu 28,9% in diesem kurzen Zeitraum aus. Gerechnet auf die gesamte Ausbildungszeit würden sich damit Fehlzeiten von nunmehr 249 Tagen, mithin 31,6% ergeben.
11
Im Bereich der betrieblichen Umschulung seien zur Behandlung von Fehlzeiten entsprechende Regeln vereinbart worden, um in diesen Fällen einheitlich vorzugehen. Diese Überlegungen würden auch in der dualen Ausbildung Anwendung finden. Betrage die Fehlzeit mehr als 10%, aber nicht mehr als 20%, sei mit der Anmeldung zur Abschlussprüfung darzulegen, dass aufgrund des individuellen Leistungs- und Ausbildungsstandes trotz der erheblichen zeitlichen Lücken das Gesamtziel der Ausbildung dennoch erreicht worden sei. Betrage die Fehlzeit mehr als 20%, sei nachzuweisen, welche Unterrichts- bzw. Praxisgebiete durch die Fehlzeiten betroffen gewesen und wie die entstandenen Lücken jeweils ausgeglichen worden seien.
12
Die Berufsschule habe auf eine unbedingt erforderliche Leistungssteigerung für das Bestehen der Abschlussprüfung hingewiesen. Bezüglich der aufgetretenen Fehlzeiten habe der Antragsteller lediglich „Krankheit“ angegeben. Weiterhin habe er in der Zwischenprüfung im Jahr 2020 in Steuerwesen die Note 6, in Rechnungswesen die Note 6 sowie in Wirtschafts- und Sozialkunde die Note 5 erreicht. Auch soweit es für die Fehltage zwingende Gründe geben sollte, was bisher nicht nachgewiesen worden sei, fehle es an der Zulassungsvoraussetzung gemäß § 9 Abs. 4 Nr. 1a) der Prüfungsordnung. Maßgeblich sei insoweit, dass eine deutliche Leistungssteigerung durch eine Vorlage von schulischen Noten nicht nachvollziehbar gewesen sei. Letztlich habe mangels schulischer Leistungen keine Aussage gemacht und insbesondere keine Steigerung der Leistungen erkannt werden können. Im Übrigen sei bezüglich der Fehlzeiten keine positive Tendenz erkennbar.
13
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 27. März 2023, eingegangen bei Gericht am 31. März 2023, Klage gegen die Nichtzulassung zur Abschlussprüfung Sommer 2023 im Ausbildungsberuf Steuerfachangestellte/Steuerfachangestellter und mit Schriftsatz vom 4. April 2023, eingegangen bei Gericht am selben Tag, den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
14
Er trägt sinngemäß im Wesentlichen vor, die hohe Dringlichkeit ergebe sich durch den zeitlich festgelegten Termin der Prüfung vom 25. bis 26. April 2023. Seine sehr hohe Fehlzeit belaufe sich aufgrund des genutzten Quotenverfahrens, trotz Besserung der Anwesenheit, immer noch auf 31,6%. Die Verwendung des Quotenverfahrens sei für ihn in diesem Fall nicht nachvollziehbar und stelle eine ziemliche Härte dar. Sein Fernbleiben sei selbst bei kurzweiliger Erkrankung durchgehend mit einem ärztlichen Attest belegt worden. Außerdem sei es bereits die dritte Ablehnung und eine notentechnische Leistungssteigerung im Vergleich zur angemerkten Zwischenprüfung des Jahres 2020 sowie zur Anmeldung zur Abschlussprüfung 2022 deutlich zu sehen. Die im Bescheid ausgewiesenen Fehlzeiten fielen fast ausschließlich auf Praxistage in seiner Ausbildungskanzlei, was der beigefügten Übersicht entnommen werden könne. Das versäumte Wissen an Berufsschultagen des dritten Lehrjahres habe er spätestens durch eine Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses um bereits ein ganzes Schuljahr mit erneutem Besuch der 12. Klasse der Berufsschule vermittelt bekommen. Zudem habe er eine umfangreiche Vorbereitung zur Prüfung absolviert. Insbesondere habe er einen prüfungsvorbereitenden Kurs des …, welcher sich über 12 Wochen erstreckt habe, besucht. Insoweit legte der Antragsteller eine Rechnung für den Vorbereitungskurs zur Abschlussprüfung Winter 2022/2023 … – Samstagskurs im Zeitraum 20. August 2022 bis 12. November 2022 – vor. Auch das erforderliche Wissen der Praxis habe er durch die Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses erworben.
15
Der Antragsteller beantragt sinngemäß seine Zulassung zur Abschlussprüfung Sommer 2023 im Ausbildungsberuf Steuerfachangestellte/Steuerfachangestellter am 25. und 26. April 2023.
16
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
17
Sie führt sinngemäß im Wesentlichen über ihren Vortrag im streitgegenständlichen Bescheid hinaus aus, der Antragsteller habe erhebliche Fehlzeiten in der beruflichen Praxis. Ausweislich der Aufstellungen des Arbeitgebers weise der Antragsteller während der Zeit seiner Ausbildung an jedenfalls 249 Tagen Fehlzeiten auf. Dies entspreche nahezu mehr als einem ganzen Arbeitsjahr bzw. Ausbildungsjahr. Es sei nicht bekannt, welche Schlussfolgerungen der Antragsteller aus der Vorlage des von ihm mit der Klage eingereichten Kalenderblattes ziehen wolle. Es sei weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass im Zeitraum vom Beginn der Ausbildung bis zum Eingang der Anmeldung zur Prüfung am 8. Februar 2023 weniger als 249 Fehltage vorgelegen hätten. Es sei nicht bekannt, ob der Antragsteller darüber hinaus auch erhebliche Fehlzeiten in der Berufsschule gehabt habe. Dies lasse jedoch dessen Vortrag in seiner Klageschrift vermuten. Darüber hinaus falle auf, dass nach den vorgelegten Zeugnissen bzw. Leistungsmitteilungen einzelne Fächer nicht bewertet worden seien. Dies lege den Schluss nahe, dass der Antragsteller ggf. einzelne Prüfungsleistungen versäumt habe und auch in der Berufsschule Fehlzeiten aufweise. Es sei bislang zugunsten des Antragstellers unterstellt worden, dass er nur geringfügige Fehlzeiten (einen Fehltag) in der Berufsschule habe. Rein vorsorglich werde jedoch bestritten, dass der Antragsteller nicht noch zusätzliche Fehlzeiten in der Berufsschule habe.
18
Es liege kein Anordnungsanspruch vor, da der Antragsteller keinen Anspruch auf Zulassung zur Prüfung habe. Im Übrigen sei ein solcher Anspruch weder ausreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht. Der Antragsteller habe nicht die Ausbildungsdauer im Sinne des § 43 Abs. 1 Nr. 1 Berufsbildungsgesetz zurückgelegt. Hierfür reiche der rein kalendarische Ablauf der Ausbildungsdauer nicht aus. Vielmehr seien Zeiten, in welchen die Berufsausbildung – verschuldet oder unverschuldet – nicht durchgeführt worden sei, grundsätzlich als nicht zurückgelegt zu betrachten. Ob die Ausbildungsdauer trotz Fehlzeiten als zurückgelegt angesehen werden könne, sei im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Hierbei stehe ihr ein nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Es sei insbesondere auch zu berücksichtigen, dass die Ausbildung gerade auch von dem praktischen Teil der Ausbildung lebe. Zwar gebe es nach der Rechtsprechung keine starre Grenze an noch zulässigen Fehlzeiten in Prozent, bei deren Unter- oder Überschreiten noch zwingend von einem Zurücklegen oder Nicht-Zurücklegen auszugehen sei und der jeweilige Antragsteller zwingend zur Prüfung zuzulassen sei oder nicht. Allerdings sei die Höhe der Fehlzeiten wesentliches Indiz für die Annahme eines Zurücklegens bzw. Nicht-Zurücklegens der Ausbildungszeit. Insoweit verwies die Antragsgegnerin auf verschiedene Beispiele in der Rechtsprechung. Nach diesen Maßstäben habe der Antragsteller die Ausbildungsdauer nicht zurückgelegt. Soweit der Antragsteller rüge, die von ihr gewählte Berechnungsmethode sei für ihn nachteilig, werde darauf hingewiesen, dass die Berechnung nicht zu seinen Lasten, sondern zu seinen Gunsten erfolgt sei. Denn sie habe eine Fünftagewoche im Betrieb unterstellt. Tatsächlich liege jedoch aufgrund der Berufsschulzeiten immer wieder auch eine Dreitagewoche oder Viertagewoche im Betrieb vor. Würde man im Durchschnitt eine Viertagewoche unterstellen, ergäben sich statt 788 „Soll-Arbeitstagen“ im Betrieb nur 630 „Soll-Arbeitstage“. Beim Ansatz von 249 Fehltagen ergäbe sich dann ein Fehlzeitenanteil von knapp 39,5%. Deshalb könne allein aufgrund der erheblichen tatsächlichen Fehlzeiten des Antragstellers davon ausgegangen werden, dass er während seiner Ausbildungszeit nicht die notwendigen praktischen Fähigkeiten für den zur Erlernung beabsichtigten Ausbildungsberuf „Steuerfachangestellter“ habe erwerben können. Auch aus den übrigen bekannten Umständen ergebe sich keine andere Bewertung der Sachlage. Weder seien die berufsschulischen Leistungen derart herausragend, dass trotz der erheblichen Fehlzeiten von einem Zurücklegen der Ausbildungsdauer ausgegangen werden könne, noch habe sich dies aus anderen Gründen aufgedrängt. Auch im gerichtlichen Verfahren habe der Antragsteller weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, dass er aufgrund besonderer Umstände die Ausbildungsdauer dennoch zurückgelegt habe. Der Antragsteller sei durch die erfolgte Gesamtbetrachtung über die gesamte Ausbildungszeit hinweg nicht benachteiligt. Entgegen den Ausführungen des Antragstellers hätten sich seine Fehlzeiten in der praktischen Tätigkeit auch nicht wesentlich gebessert. Vielmehr weise der Antragsteller für den Zeitraum 6. Oktober 2022 bis 3. Februar 2023 eine Fehltagequote von 28,95% auf. Im Übrigen genüge es für das Zurücklegen der Ausbildungsdauer auch nicht, nur in einem geringfügigen Teilbereich der Gesamtausbildung „mehr“ anwesend zu sein. Außerdem komme es auch nicht darauf an, ob alle Fehlzeiten stets durch ein ärztliches Attest belegt worden seien. Denn es komme nicht entscheidend darauf an, ob dem Antragsteller die Abwesenheit vorzuwerfen bzw. diese verschuldet sei, sondern darauf, ob er trotz seiner Fehlzeiten ausreichend Gelegenheit gehabt habe, die für die erforderliche Ausbildung notwendigen praktischen Erfahrungen zu sammeln und ob damit die Ausbildungsdauer zurückgelegt worden sei. Darüber hinaus seien ihr vom Antragsteller für die Fehltage im Betrieb und/oder der Berufsschule keine ärztlichen Atteste vorgelegt worden.
19
Entgegen den Ausführungen des Antragstellers sei nicht ersichtlich, dass seit der Zwischenprüfung und der hier nicht gegenständlichen Anmeldung zur Abschlussprüfung 2022 eine notentechnische Leistungssteigerung deutlich zu sehen sei. Die letzte ihr vorliegende Mitteilung über den Leistungsstand des Antragstellers weise in den prüfungsrelevanten Fächern keine signifikanten Verbesserungen auf. Ferner würde selbst eine signifikante Verbesserung der schulischen Leistungen ohne eine längerfristige starke Reduktion der Fehlzeiten bei den praktischen Leistungen die Annahme eines Zurücklegens der Ausbildungsdauer nicht rechtfertigen. Auch ist nicht ersichtlich, wie der Antragsteller das Wissen, welches er an Berufsschultagen des dritten Lehrjahres durch Erkrankung versäumt habe, mit der Verlängerung seines Ausbildungsverhältnisses um ein Jahr sowie dem erneuten Besuch der 12. Klasse an der Berufsschule vermittelt bekommen haben soll. Bei der Entscheidung sei zugunsten des Antragstellers angenommen worden, dass es mit Ausnahme des einen Fehltages im Schuljahr 2020/2021 keine weiteren Fehltage gegeben habe. Im Übrigen sei nicht ersichtlich, wie die vom Antragsteller ausgeführte umfassende Vorbereitung für die Prüfung durch Lernzeiten und Besuch der von dem … veranstalteten prüfungsvorbereitenden Kurses seine tatsächlichen Fehlzeiten im praktischen Betrieb ausgeglichen haben soll. Der Antragsteller habe keinerlei weitere Darlegungen und Glaubhaftmachung dazu vorgenommen, in welchem Umfang mit welchem Inhalt er sich selbst auf die Prüfung vorbereitet haben will sowie, welchen Inhalt der Vorbereitungskurs gehabt haben soll, an welchen Tagen er dort wie lange teilgenommen haben will und welche Erkenntnisse er aus diesem Lehrgang gewonnen habe. Es werde vorsorglich bestritten, dass der Antragsteller sich selbst und/oder im Rahmen des Kurses auf die Prüfung vorbereitet habe. Auch ergebe sich nichts anderes daraus, dass der Antragsteller aus seiner Sicht das erforderliche Wissen der Praxis durch die Verlängerungen des Ausbildungsverhältnisses erworben habe. Dies treffe nicht zu. Es ergebe sich insgesamt eine Fehlzeit von ca. 31,6%. Auch sonst würden keine anderen Gründe für eine ausnahmsweise Zurücklegung der Ausbildungsdauer vorliegen. Dass der Antragsteller sich selbst als sehr geeignet sehe, die Prüfung abzulegen, sei unerheblich. Ein Anspruch auf Zulassung zur Abschlussprüfung ergebe sich auch nicht aus anderen Vorschriften.
20
Auch liege kein Anordnungsgrund vor. Rein vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass im Übrigen eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache begehrt werde. Zum einen liege keine sehr hohe Wahrscheinlichkeit des Obsiegens des Antragstellers in der Hauptsache vor. Zum anderen käme auch bei Unterstellung von offenen Erfolgsaussichten eine Interessenabwägung zu keinem anderen Ergebnis. Weder habe der Antragsteller ein besonderes Interesse an der Ablegung der Prüfung dargelegt bzw. glaubhaft gemacht noch sei ein solches sonst ersichtlich. Es liege ein normales Interesse am Ablegen der begehrten Prüfung vor. Demgegenüber stehe das öffentliche Interesse an der Nichtzulassung mangels Vorliegens der Voraussetzungen. Dieses Interesse überwiege regelmäßig das Interesse des Antragstellers. Denn würde man bei dieser Sachlage den Interessen des Antragstellers Vorrang einräumen, könnte jeder Auszubildende über Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes eine Umgehung der Zulassungsvoraussetzungen erreichen. Dies entspreche weder der gesetzlichen Wertung aus den Prüfungszulassungsvoraussetzungen noch sei eine solche Betrachtung sonst geboten. Gleiches gelte für eine nur vorläufige Zulassung. Insoweit wäre zu berücksichtigen, dass der Antragsteller im Falle einer nur vorläufigen Zulassung das Risiko des Verlustes eines Prüfungsversuches erleiden würde. Denn bei einem Nichtbestehen der Prüfung könne der Antragsteller eine fehlerhafte Zulassung nicht mit Aussicht auf Erfolg zum Anlass nehmen, die von ihm dann nicht bestandene Prüfung anzufechten und einen neuen Prüfungsversuch zu beanspruchen. Der Antragsteller trüge dann das Risiko und müsse sich an der Prüfung festhalten lassen. Die Prüfungszulassung auf eigenes Risiko des Antragstellers verbunden mit der Gefahr des Verlustes eines voreiligen Prüfungsversuches stelle ein privates Interesse dar, welches zusätzlich neben dem öffentlichen Interesse an der Nichtzulassung auch im Rahmen einer Folgenabwägung dafürspreche, eine rechtswidrige Zulassung zur Prüfung zu vermeiden. Eine andere Bewertung ergebe sich auch nicht daraus, dass die Verordnung über die Berufsausbildung zum Steuerfachangestellten und zur Steuerfachangestellten geändert worden sei und eine Änderung der einschlägigen Prüfungsordnung in Aussicht stehe. Zum einen seien die Änderungen in der Prüfungsordnung noch nicht abschließend klar sowie insbesondere, ob und inwieweit sie den Antragsteller überhaupt nachteilig betreffen würden. Zum anderen bestehe auch kein allgemeiner Rechtsanspruch auf dauernden Bestand einer bestimmten Rechtslage.
21
Auf richterlichen Hinweis, dass das Gericht nach vorläufiger Würdigung die vom Antragsteller eingereichte kalendarische Aufstellung seiner Fehltage dahingehend auslege, dass dieser für den Zeitraum 1. September 2019 bis 28. Februar 2023 234 Fehltage geltend mache und davon wohl 24 Berufsschultage und 210 Tage in der betrieblichen Ausbildung, führt die Antragsgegnerin sinngemäß im Wesentlichen weiter aus, dass sie diesen Vortrag des Antragstellers bestreite. Nach den Angaben des Arbeitgebers des Antragstellers handle es sich um insgesamt mindestens 249 Fehltage. Selbst wenn die Aufstellung der Fehltage des Antragstellers zuträfe, ergebe sich bei Unterstellung einer für den Antragsteller günstigen Fünftagewoche für den Zeitraum von Beginn der Ausbildung bis zum Eingang der Anmeldung zur Abschlussprüfung Sommer am 8. Februar 2023 immer noch ein Fehlzeitanteil von 29,6%. Selbst wenn man 210 Fehltage auf die betriebliche Ausbildung unterstelle, ergäbe sich immer noch eine erhebliche Fehlzeit allein in der betrieblichen Ausbildung von 26,6%. Ausgehend davon habe der Antragsteller selbst bei Zugrundelegung seiner Angaben aufgrund der erheblichen Fehlzeiten die erforderliche Ausbildungsdauer nicht zurückgelegt.
22
Hierauf führt der Antragsteller über seinen bisherigen Vortrag im Wesentlichen sinngemäß weiter aus, durch das erhebliche Ausmaß seiner Fehlzeiten, welche durch ärztliche Atteste begründet dargelegt worden seien, sei es ohne erhebliche Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses unmöglich, unter die geforderten 10% zu kommen. Dies wäre eine Anmaßung gegenüber seinem Ausbildungsbetrieb, der nicht mehr dazu verpflichtet sei, das Ausbildungsverhältnis aufrecht zu erhalten. Falls notwendig, könne er die Atteste vorlegen. Da seine Fehlzeiten erheblich vermehrt im ehemaligen dritten Lehrjahr entstanden seien und die normale Ausbildungsdauer erreicht worden sei, könne die Verlängerung als aktiv stattgefundener Ausgleich gewertet werden. Hinsichtlich der Unterstellung der Antragsgegnerin, einzelne Fächer seien nicht bewertet worden, weise er daraufhin, dass er für das aktuelle Lehrjahr bis zur Anmeldung zur Abschlussprüfung noch kein Zeugnis von der Berufsschule erhalten und deswegen einen einfachen Notenauszug vorgelegt habe. Er habe an allen Leistungsnachweisen des Schuljahres ordnungsgemäß teilgenommen. Entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin habe er den Urlaubsanspruch für das Kalenderjahr 2023 bis zur Anmeldung zur Abschlussprüfung nicht genutzt und habe einen Restanspruch von zwei Urlaubstagen aus dem Kalenderjahr 2022. Außerdem liege keine Viertagewoche aufgrund des Besuchs der Berufsschule vor. Da er die Berufsschulpflicht bereits erfüllt habe, sei sein Besuch als Wahlleistung in Absprache mit dem Arbeitgeber einzustufen und werde als vollwertiger Arbeitstag mit acht Stunden erfasst. Der Prüfungsvorbereitungskurs des … umfasse das ganze Wissen der Berufsausbildung, das den Schülern komprimiert vermittelt werde. Der Kurs habe an 12 Samstagen jeweils von 9:00 bis 12:00 Uhr stattgefunden. Er selbst habe sich durch die bereits erhebliche Verlängerung der Ausbildungsdauer auf die Abschlussprüfung vorbereitet. Er habe ein besonderes Interesse an der Prüfungszulassung, da er sehr viel Mühe aufgewendet habe, was durch seinen Arbeitgeber sowie Lehrer belegt werden könne.
23
Daraufhin führt die Antragsgegnerin weiter im Wesentlichen sinngemäß aus, sie bestreite die Ausführungen des Antragstellers. Eine Verbesserung der Fehlzeiten durch die Aufstellung sei nicht zu erkennen. Dies werde seitens des Antragstellers auch nicht detailliert ausgeführt. Sie bestreite, dass die Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses als aktiv stattgefundener Ausgleich allein dadurch gewertet werden könne, dass die normale Ausbildungsdauer erreicht worden sei. Vielmehr müsse die Ausbildungsdauer „zurückgelegt“ werden. Die bloße Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses reiche hierfür nicht. Auch habe der Antragsteller nicht dargelegt, weshalb in der Mitteilung über den Leistungsstand vom 3. Februar 2023 die Fächer allgemeine Wirtschaftslehre sowie Politik und Gesellschaft bei den Schulaufgaben keine Wertung enthielten. Es werde auch bestritten, dass der Vorbereitungskurs des … das ganze Wissen der Berufsausbildung umfasse und er auf diese Weise die durch Fehlzeiten entstandenen Wissenslücken des Antragstellers geschlossen habe. Der Antragsteller habe nicht dargelegt, welche Ausbildungsinhalte er durch die Fehlzeiten versäumt habe und inwieweit der Prüfungsvorbereitungskurs die (auch) fehlende praktische Ausbildungszeit ersetzen solle.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten, insbesondere auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen, sowie die Behördenakte Bezug genommen.
II.
25
1. Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
26
a) Der Antragsteller begehrt nach Wortlaut und Auslegung seines Antrags gemäß § 88 VwGO die Zulassung zur Abschlussprüfung zum Steuerfachangestellten im Termin Sommer 2023 im Sinne einer Vorwegnahme der Hauptsache. So finden sich in dem gestellten Antrag keine Einschränkungen, insbesondere beantragt der Antragsteller die Zulassung nicht etwa unter dem Vorbehalt des Ausgangs einer etwaigen Hauptsache. Im Übrigen stellt die Vorwegnahme der Hauptsache für den Antragsteller den umfassenderen Rechtsschutz dar.
27
b) Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung insbesondere zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Voraussetzung hierfür ist nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft macht. Die einstweilige Anordnung dient im Grundsatz der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs bzw. der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Nimmt der Erlass der einstweiligen Anordnung die Hauptsache – zumindest in zeitlicher Hinsicht – vorweg, so sind an die Prüfung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund qualifiziert hohe Anforderungen zu stellen (BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66 – BeckRS 2016, 44855 Rn. 4). Danach steht das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache einer Anordnung nach § 123 VwGO dann nicht entgegen, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (BVerwG, U.v. 18. 4. 2013 – 10 C 9/12 – NVwZ 2013, 1344, Rn. 22; BayVGH, B.v. 19.08.2020 – 7 CE 20.1822 – BeckRS 2020, 20467 Rn. 12; vgl. mit diesen Fundstellen auch Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 66a).
28
c) Zwar liegt ein Anordnungsgrund vor. Dies ist der Fall, wenn eine gerichtliche Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz erforderlich ist, da es dem Antragsteller unzumutbar ist, den Abschluss eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten (vgl. Püttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 80). So liegt der Fall hier, da ein etwaiges Hauptsacheverfahren schon zeitlich weder bis zu Beginn noch bis zum Abschluss der streitgegenständlichen schriftlichen Prüfungen am 25. und 26. April 2023 (rechtskräftig) abgeschlossen werden könnte. Entsprechend wäre der Antragsteller ohne einstweiligen Rechtsschutz auf Prüfungstermine nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens verwiesen, wobei insoweit eine Verfahrensdauer im Bereich von Jahren nicht unüblich wäre. Dies ist dem Antragsteller bereits angesichts der damit einhergehenden „verlorenen“ (Ausbildungs-)Zeit unzumutbar.
29
d) Vorliegend fehlt es jedoch an einem Anordnungsanspruch. Dies gilt auch auf Grundlage einer eingehenderen, nicht allein summarischen Prüfung, da das vorliegende Eilverfahren die Funktion des Hauptsacheverfahrens in Teilen übernimmt (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2022, § 123 Rn. 122b).
30
aa) Von einem Anordnungsanspruch ist grundsätzlich auszugehen, sofern der Antragsteller nach dem einschlägigen materiellen Recht auf Grundlage des ermittelten bzw. glaubhaft gemachten Sachverhalts voraussichtlich in der Hauptsache Erfolg haben wird (vgl. Kuhla in Beckscher Online-Kommentar VwGO, 62. Edition Stand 1.7.2022, § 123 Rn. 77 ff.). Lediglich sofern – etwa aus Zeitgründen – nicht mehr hinreichend sicher festgestellt werden kann, ob mit Blick auf die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist bzw. die Erfolgsaussichten offen erscheinen, ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ausnahmsweise eine sog. Folgenabwägung (Dombert in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 603) oder Interessenabwägung (vgl. Kuhla a.a.O. Rn. 77) durchzuführen. Danach darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der antragstellerseits geltend gemachten Rechtsposition umso weniger zurückgestellt werden, je schwerer die Belastungen wiegen, die sich aus der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes ergeben würden, und je geringer die Wahrscheinlichkeit ist, dass diese im Fall des Obsiegens in der Hauptsache rückgängig gemacht werden könnten (vgl. Kuhla a.a.O. Rn. 84 m.w.N.).
31
bb) Danach liegt hier kein Anordnungsanspruch vor. Dies ist auch in der Kürze der Zeit tragfähig feststellbar, sodass keine Interessen- bzw. Folgenabwägung vorzunehmen ist. Vielmehr sind im Ergebnis keine Umstände ersichtlich oder glaubhaft gemacht, die zu der Annahme führen könnten, der Antragsteller habe die erforderliche Ausbildungsdauer gem. § 43 Abs. 1 Nr. 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) vom 4. Mai 2020 (BGBl. I S. 920, FNA 806-22) i.V.m. § 9 Abs. 4 Nr. 1a) der Prüfungsordnung für den Ausbildungsberuf zum/r Steuerfachangestellter/Steuerfachangestellten (im Folgenden: PO) zurückgelegt (1) oder erfülle die Voraussetzungen für eine Zulassung zur Abschlussprüfung gem. § 45 Abs. 1 BBiG i.V.m. § 10 Abs. 1 PO (2). Im Übrigen liegt auch keine Unverhältnismäßigkeit der Nichtzulassungsentscheidung mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG vor (3).
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(1) Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Zulassung zur Abschlussprüfung gemäß § 43 Abs. 1 BBiG i.V.m. § 9 Abs. 4 PO. Ob der Beschluss des Prüfungsausschusses vom 20. März 2023, mit dem der Antrag auf Zulassung abgelehnt wurde, verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist, bedarf keiner Prüfung. Denn allein aus einem Verfahrensfehler bei der Ablehnung würde sich kein materieller Anspruch auf Erlass des beantragten Verwaltungsakts ergeben.
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Der Antragsteller hat keinen materiellen Anspruch auf Zulassung zur Abschlussprüfung gemäß § 43 Abs. 1 BBiG i.V.m. § 9 Abs. 4 PO. Danach ist zur Abschlussprüfung zuzulassen, wer unter anderem die Ausbildungsdauer zurückgelegt hat oder wessen Ausbildungsdauer nicht später als zwei Monate nach dem Prüfungstermin endet, § 43 Abs. 1 Nr. 1 BBiG i.V.m. § 9 Abs. 4 Nr. 1a) PO. Hierbei reicht – auch in der zweiten Alternative – nach vorzugswürdiger Ansicht der bloß kalendarische Ablauf der Ausbildungsdauer nicht aus. Schon der Wortlaut der Vorschrift deutet darauf hin, dass es für die Zulassung zur Abschlussprüfung nicht genügt, dass die nach dem Ausbildungsvertrag für die Ausbildung bestimmte Zeit ohne Rücksicht darauf abgelaufen ist, ob in dieser Zeit überhaupt eine Ausbildung stattgefunden hat. Die Ausbildungsdauer „zurückgelegt“ hat nur derjenige, der die Ausbildungszeit mit Ausbildung verbracht hat (so zum Ganzen vgl. VG Augsburg, B.v. 9.12.2002 – 9 E 02.1575 – juris Rn. 27; OVG Hamburg, B.v. 3.12.1991 – Bf Vl 113/90 – juris Rn. 54, 57; a.A. jedenfalls für § 43 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BBiG VG Stuttgart, B.v. 14.11.1994 – 10 K 4658/94 – BeckRS 1994, 30971244). Auch nach Sinn und Zweck der Vorschriften ist die Ausbildungsdauer nur dann zurückgelegt, wenn der Auszubildende tatsächlich aktiv ausgebildet worden ist. Denn Ziel der Berufsausbildung ist nach § 1 Abs. 3 BBiG, dem Auszubildenden die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln und den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen. Dieses Ziel wird regelmäßig nur erreicht, wenn eine tatsächlich aktive Ausbildung erfolgt ist. Weiterer Zweck ist die Feststellung, dass der Auszubildende die geforderten Vorleistungen oder sonstigen Voraussetzungen erfüllt, die einen Erfolg in der Prüfung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit erwarten lassen. Der Prüfling soll die Grundvoraussetzungen erfüllen, die eine genauere Leistungskontrolle in der Prüfung erst sinnvoll machen. Dies liegt auch im wohlverstandenen eigenen Interesse des Prüflings. Fachspezifische Zulassungsvoraussetzungen sind vielfach vorgeschrieben, auch zu dem Zweck, die Aussagekraft von Prüfungen, die letztlich immer nur punktuelle Leistungsmessungen sein können, mittels Anforderungen an eine Vorbildung und eine vorangegangene Ausbildung zu stärken. Für eine solche Auslegung sprechen auch die in § 45 Abs. 1 und 2 BBiG i.V.m. § 10 PO enthaltenen Rechtsgedanken. Danach kann vom Nachweis gewisser Mindestzeiten abgesehen werden, wenn durch die Vorlage von Zeugnissen oder auf andere Weise glaubhaft gemacht ist, dass der Bewerber die berufliche Handlungsfähigkeit erworben hat, die die Zulassung zur Prüfung rechtfertigt (vgl. so zum Ganzen VG Würzburg, B.v. 6.5.2013 – W 6 E 13.379 – juris Rn. 24 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 5.12.2007 – 19 B 1523/07 – juris Rn. 5, 8).
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Geringfügige Fehlzeiten stehen allerdings einer Zulassung zur Abschlussprüfung nicht entgegen. Denn die Versagung der Zulassung zur Abschlussprüfung verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn die Fehlzeiten den Ausbildungserfolg nicht gefährden. Wann Fehlzeiten als geringfügig anzusehen sind, ist normativ nicht geregelt. Es kommt entscheidend auf die Umstände des Einzelfalls an. Zahlenmäßig geringe oder hohe Fehlzeiten sind ein Indiz für geringfügige oder erhebliche Fehlzeiten. Eine starre zeitliche Grenze gibt es jedoch nicht. Vielmehr kommt es darauf an, ob die Fehlzeiten im konkreten Einzelfall das Erreichen des Ausbildungsziels gefährden. Zahlenmäßig geringe Fehlzeiten können den Ausbildungserfolg gefährden, wenn sie wesentliche Ausbildungsabschnitte betreffen. Zahlenmäßig hohe Fehlzeiten können auch als geringfügig angesehen werden, wenn sie etwa auf den letzten Ausbildungsabschnitt entfallen und die für den Erwerb der beruflichen Handlungsfähigkeit und die erforderliche Berufserfahrung wesentliche Ausbildung bereits in den vorhergehenden Ausbildungsabschnitten erfolgt ist. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass dem Prüfungsausschuss bei der Entscheidung über die Zulassung zur Prüfung unter Würdigung der Fehltage ein Beurteilungsspielraum eröffnet ist, der grundsätzlich nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist (vgl. so zum Ganzen VG Würzburg, B.v. 6.5.2013 – W 6 E 13.379 – juris Rn. 24 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 5.12.2007 – 19 B 1523/07- juris Rn. 5, 8).
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Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind keine Beurteilungsfehler des Prüfungsausschusses ersichtlich. Die Fehlzeiten sind zahlenmäßig hoch (a) und es ist nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsteller trotz der Fehlzeiten aufgrund der von ihm gezeigten Leistungen das Ausbildungsziel gemäß § 1 Abs. 3 BBiG i.V.m. §§ 3, 4 der Verordnung über die Berufsausbildung zum Steuerfachangestellten/zur Steuerfachangestellten vom 9. Mai 1996 (BGBl. I S. 672, BGBl. III/FNA 806- 21 -1-204 – im Folgenden: PrO) erreicht hat (b).
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(a) Als Ausbildungsdauer ist die in den Ausbildungsordnungen vorgesehene (Regel-) Ausbildungsdauer zugrundezulegen, es sei denn, die Ausbildungsdauer ist abgekürzt (§ 8 Abs. 1 BBiG) oder verlängert (§ 8 Abs. 2 BBiG) worden (vgl. Maring in Wohlgemuth/Pepping, BBiG, 2. Aufl. 2020, § 43 Rn. 4; OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 5.12.2007 – 19 B 1523/07 – juris Rn. 11). Im vorliegenden Fall wurde die Regelausbildungsdauer von drei Jahren gemäß § 2 der PrO, insgesamt um ein Jahr gemäß § 8 Abs. 2 BBiG, bis zum 31. August 2023 verlängert.
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Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin seit Ausbildungsbeginn von Fehlzeiten insgesamt in Höhe von etwa 30% ausgegangen ist. Dabei ist die Antragsgegnerin in nicht zu beanstandender Weise von einer Fünftagewoche ausgegangen und hat die im Ausbildungsvertrag vereinbarten Urlaubstage anteilig berücksichtigt. Soweit der Antragsteller vorträgt, er habe noch zwei Tage „Resturlaub“ aus dem Kalenderjahr 2022 und bis zur Prüfungsanmeldung noch keinen Urlaub für das Jahr 2023 genommen, hat er dies schon nicht glaubhaft gemacht. Im Übrigen ist offensichtlich, dass sich eine Hinzurechnung dieser (statistisch) insgesamt vier Urlaubstage (zwei aus 2022 sowie zwei anteilig aus 2023) nur marginal auf die Fehlzeitquote auswirkt und damit vernachlässigbar ist, mithin der Prüfungsausschuss insoweit keine andere Entscheidung getroffen hätte.
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Die Antragsgegnerin ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass es für die Beurteilung, ob die erforderliche Ausbildungsdauer zurückgelegt worden ist, nicht darauf ankommt, ob die Fehltage verschuldet oder unverschuldet sind. Vielmehr kommt es darauf an, ob aufgrund der Fehltage im konkreten Einzelfall das Erreichen des Ausbildungsziels gefährdet ist (vgl. VG Würzburg, B.v. 6.5.2013 – W 6 E 13.379 – juris Rn. 27). Der nicht glaubhaft gemachte Vortrag des Antragstellers, seine Fehltage seien ausschließlich auf Krankheit zurückzuführen und er habe stets ein ärztliches Attest vorgelegt, ist demnach unerheblich.
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Im Übrigen ist der Prüfungsausschuss auch zutreffend davon ausgegangen, dass keine positive Tendenz bei den Fehlzeiten ersichtlich ist. Vielmehr hat sich die Anzahl der Fehltage seit der ersten erfolglosen Anmeldung zur Abschlussprüfung im Februar 2022 bis zum 3. Februar 2023 mehr als verdoppelt (von 97 auf 249 Tage), obwohl sich dieser Zeitraum lediglich über ein Jahr erstreckt. Selbst im kurzen Zeitraum 12. Oktober 2022 bis 3. Februar 2023 hat der Antragsteller immer noch an 22 Tagen gefehlt, was einer Fehlzeitquote von ca. 29% in diesem Zeitraum entspricht. Auch wenn sich die Fehlzeiten des Antragstellers im Verhältnis zum vorherigen Zwischenzeitraum 4. Februar 2022 bis 11. Oktober 2022 (ca. 82% Fehlzeitquote) zahlenmäßig verbessert haben, stellt es sich nicht als beurteilungsfehlerhaft dar, dass die Antragsgegnerin bei solch erheblichen Fehlzeiten und einer Reduzierung der Fehlzeitquote (lediglich) auf weiterhin ca. 29% keine positive Entwicklung im Sinne einer systematischen Ausbildung erkannt hat. Aus den vorstehenden Erwägungen ist jedenfalls im hier vorliegenden Einzelfall auch nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin ihrer Entscheidung die gesamten in der (verlängerten) Ausbildungsdauer aufgetretenen Fehltage zugrunde gelegt hat, zumal sie durchaus in der Gesamtschau auch die jeweiligen Fehltage zwischen den verschiedenen Anmeldungszeiträumen berücksichtigt und dem Antragsteller die Möglichkeit eingeräumt hat, substantiiert darzulegen, dass er die versäumten Ausbildungsinhalte anderweitig nachgeholt hat. Anders mag die hier nicht einschlägige Fallgestaltung mit Blick auf das Erreichen des Ausbildungsziels zu beurteilen sein, in der ein Auszubildender nach erheblichen Fehlzeiten sodann im letzten Halbjahr seiner dreijährigen Berufsausbildung bzw. im Verlängerungszeitraum gar keine oder nur sehr geringe Fehlzeiten aufweist, auch wenn sich die durchschnittliche Fehlzeitenquote über den gesamten Ausbildungszeitraum immer noch als erheblich darstellt.
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Soweit der Antragsteller mit der Aufstellung der Krankheitstage in der dem Gericht übermittelten Übersicht sinngemäß erklärt, er habe bis zum 3. Februar 2023 nur an 235 Tagen gefehlt – insoweit ging das Gericht bei seinem richterlichen Hinweis marginal abweichend noch von 234 Tagen aus –, und darüber hinaus bestreitet, an weiteren Tagen unentschuldigt ohne Attest gefehlt zu haben, ist dies jedenfalls schon nicht glaubhaft gemacht. Der Antragsteller hat kein Mittel der Glaubhaftmachung vorgelegt, die die Mitteilungen des Ausbildungsbetriebes an die Antragsgegnerin entkräften könnte. Im Übrigen wäre selbst bei Wahrunterstellung die geringfügige Abweichung vernachlässigbar, da sie sich nicht wesentlich auf die Fehlzeitquote auswirkt (ca. 29,8% statt ca. 31,6%). Es ist offensichtlich, dass der Prüfungsausschuss auch bei Zugrundelegung von 235 Fehltagen keine andere Entscheidung getroffen hätte, zumal er schon zuvor bei einer niedrigeren Fehlzeitquote von ca. 17,32% im März 2022 die Zulassung zur Abschlussprüfung abgelehnt hatte. Selbst bei Wahrunterstellung der vom Antragsteller im Klageverfahren geltend, jedoch nicht glaubhaft gemachten 236 Fehltagen bis Ende Februar 2023 – insoweit ging das Gericht bei seinem richterlichen Hinweis marginal abweichend noch von 234 Tagen aus – und der für den Antragsteller günstigen Annahme, dass er seitdem keine weiteren Fehlzeiten mehr hatte, würde sich auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine hohe Fehlzeitquote von ca. 28% für den Zeitraum seit Ausbildungsbeginn ergeben (236 Fehltage bei zu absolvierenden 838 Ausbildungstagen, wobei statistisch 77 Urlaubstage berücksichtigt sind).
41
(b) Auch ist weder seitens des Antragstellers glaubhaft gemacht noch anderweitig ersichtlich, dass er trotz der vielen Fehltage gleichwohl über den für die Erreichung des Ausbildungsziels erforderlichen Leistungsstand verfügt. Entsprechend sind auch insoweit keine Beurteilungsfehler ersichtlich. Insoweit hat der Prüfungsausschuss in nicht zu beanstandender Weise keine deutliche Leistungssteigerung gesehen. Denn nach § 22 Abs. 2 PO müssen zum Bestehen der Abschlussprüfung im Gesamtergebnis, im Prüfungsfach Steuerwesen und in mindestens zwei weiteren der vier Prüfungsfächer (vgl. insoweit § 11 Abs. 2 PO) mindestens „ausreichende“ Leistungen erbracht werden. Werden die Prüfungsleistungen in einem Prüfungsfach mit „ungenügend“ bewertet, ist die Prüfung nicht bestanden. Zwar konnte der Antragsteller seine Leistungen in den prüfungsrelevanten Fächern seit der Zwischenprüfung im Oktober 2020 geringfügig steigern, jedoch bewegen sich seine Leistungen in den Schuljahren 2020/2021 und 2021/2022 sowie bis zum Zeitpunkt 3. Februar 2023 überwiegend im Bereich mangelhaft/ausreichend. Auch in der Beurteilung der Berufsschule 2020/2021 wird mit Blick auf die Abschlussprüfung auf eine erforderliche, erhebliche Leistungssteigerung hingewiesen. Zwar hat der Antragsteller die 12. Klasse der Berufsschule wiederholt, jedoch musste die Antragsgegnerin im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums aus den seitens des Antragstellers vorgelegten Leistungsnachweisen keineswegs schließen, er verfüge trotz der insgesamt erheblichen Fehlzeiten über den für die Erreichung des Ausbildungsziels erforderlichen Leistungsstand. Soweit der Antragsteller weiter vorträgt, er habe bereits eine umfangreiche Vorbereitung zur Prüfung absolviert, welche durch enorme Lernzeiten und den Besuch eines prüfungsvorbereitenden Kurses gekennzeichnet gewesen sei, fehlt es insoweit an einer ausreichenden Glaubhaftmachung. So ist weder dargelegt, welche konkreten Ausbildungsinhalte der Antragsteller auf welche Weise nachgeholt haben will, noch, ob es ggf. Leistungsnachweise oder Teilnahmebestätigungen im Rahmen des prüfungsvorbereitenden Kurses des … gegeben hat. Insoweit trägt der Antragsteller lediglich vergleichsweise pauschal vor, der prüfungsvorbereitende Kurs umfasse das gesamte Wissen der Berufsausbildung. Darüber hinaus spricht der zuletzt vorgelegte Leistungsnachweis mit Stand 3. Februar 2023 gegen eine ausreichende Verinnerlichung der Ausbildungsinhalte. Im Übrigen hat der Antragsteller selbst eingeräumt, dass die Fehltage fast ausschließlich an Praxistagen angefallen sind. Insoweit kann zunächst offenbleiben, ob die von der Antragsgegnerin ermittelten 249 Fehltage ausschließlich an Praxistagen angefallen, oder mit der Aufstellung des Antragstellers hiervon 25 Fehltage auf Berufsschultage entfallen – insoweit ging das Gericht bei seinem richterlichen Hinweis marginal abweichend noch von 24 Berufsschultagen aus. Denn zum einen fällt die geringfügige Abweichung, wie die Antragsgegnerin zutreffender Weise dargelegt hat, prozentual nicht ins Gewicht, sodass schon aus diesem Grund eine anderweitige Entscheidung des Prüfungsausschusses ausgeschlossen werden kann. Zum anderen kommt es jedenfalls im hier vorliegenden Einzelfall maßgeblich auf die gesamten Fehlzeiten während der Ausbildungsdauer an, unabhängig davon, wie viele Fehltage prozentual auf Tage im Ausbildungsbetrieb und auf Berufsschultage entfallen. Denn das Ausbildungsziel, welches theoretisches Wissen und praktische Fertigkeiten sowie die erforderliche Berufserfahrung, die jeweils ineinandergreifen, umfasst, muss insgesamt erreicht werden. Auch sonst ist weder glaubhaft gemacht noch anderweitig ersichtlich, wie der Antragsteller die versäumten praktischen Ausbildungsinhalte zumindest im Wesentlichen nachgeholt hat. Soweit der Antragsteller vorträgt, das erforderliche Wissen der Praxis habe er durch die Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses erworben, sprechen hiergegen schon die im zweiten Halbjahr des dritten Ausbildungsjahres sowie die im Verlängerungszeitraum angefallenen erheblichen Fehlzeiten. So hat der Antragsteller nach den Aufstellungen seines Ausbildungsbetriebes im Zeitraum 4. Februar 2022 bis 11. Oktober 2022 an 130 Tagen gefehlt sowie im Zeitraum 12. Oktober 2022 bis 3. Februar 2023 an 22 Tagen. Insoweit liegt es jedenfalls im hier vorliegenden Einzelfall im Beurteilungsspielraum der Antragsgegnerin, dass diese allein eine (annäherungsweise) zahlenmäßige Nachholung der bis zur ersten Prüfungsanmeldung angefallenen Fehltage im Verlängerungszeitraum des Ausbildungsverhältnisses nicht für die Annahme ausreichen lässt, das Ausbildungsziel des Antragstellers sei nicht mehr gefährdet. Denn die nach der ersten Prüfungsanmeldung aufgetretenen sehr hohen Fehlzeiten sprechen für keine aktive, im Wesentlichen systematische Ausbildung, zumal bei einer Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses davon ausgegangen wird, dass der gewährte Verlängerungszeitraum erforderlich ist, um das Ausbildungsziel zu erreichen. Auch liegen beispielsweise seitens des Ausbildungsbetriebes keinerlei Auskünfte dahingehend vor, dass der Antragsteller die versäumten praktischen Ausbildungsinhalte nachgeholt bzw. im Betrieb unter Beweis gestellt hätte, dass er diese trotz der Fehlzeiten beherrsche.
42
(2) Des Weiteren besteht auch kein Anspruch des Antragstellers auf Zulassung zur Prüfung gemäß § 45 Abs. 1 BBiG i.V.m. § 10 PO. Nach § 45 Abs. 1 BBiG können Auszubildende nach Anhörung der Ausbildenden und der Berufsschule vor Ablauf ihrer Ausbildungszeit zur Abschlussprüfung zugelassen werden, wenn ihre Leistungen dies rechtfertigen. Die Entscheidung über die Zulassung ist eine Ermessensentscheidung. Tatbestandsvoraussetzung ist jedoch, dass der Auszubildende aufgrund seiner Leistungen das vorgeschriebene Ausbildungsziel auch unabhängig von den Fehlzeiten erreicht. Zur Zeit der Abschlussprüfung müssen alle vorgesehenen Ausbildungsabschnitte durchlaufen und alle Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt worden sein (vgl. Schlachter in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 23. Aufl. 2023, § 45 BBiG, Rn. 1; Maring in Wohlgemuth/Pepping, BBiG, 2. Aufl. 2020, § 45 Rn. 7 ff.). Der Antragsteller hat die Erfüllung dieser Voraussetzungen, wie schon oben dargestellt, indes nicht glaubhaft gemacht. Denn dies wäre nur dann der Fall, wenn der Antragsteller durch überdurchschnittliche Leistungen in der Berufsschule und im Betrieb unter Beweis gestellt hätte, dass er den Lernstoff beherrscht (vgl. VG Würzburg, B.v. 6.5.2013 – W 6 E 13.379 – juris Rn. 29; Taubert, BBiG, 3. Aufl. 2021, § 45 Rn. 7 ff.). Insoweit regelt § 10 Abs. 1 Satz 5 PO darüber hinaus konkretisierend, dass eine Zulassung gerechtfertigt ist, wenn a) der Ausbildende bestätigt, dass vom Auszubildenden überdurchschnittliche Leistungen in der Praxis erbracht werden und dass ihm bis zur Prüfung die noch erforderlichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden und b), die Berufsschule bescheinigt, dass die Leistungen der/des Auszubildenden in den für die prüfungsrelevanten Fächern im letzten vor dem Prüfungstermin abgelaufenen Schulhalbjahr einen Notendurchschnitt von 2,5 oder besser erreichen. Dabei darf keines dieser Fächer schlechter als befriedigend bewertet worden sein und c), die Leistungen in der Zwischenprüfung im Notendurchschnitt 2,5 erreichen. Dabei darf keines dieser Fächer schlechter als befriedigend bewertet worden sein. Der Antragsteller erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Doch auch wenn man im Rahmen des § 45 Abs. 1 BBiG i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 PO befriedigende Leistungen ausreichen lassen wollte, fehlt es gleichwohl an den Tatbestandsvoraussetzungen, da sich die Leistungen des Antragstellers jedenfalls in der Berufsschule im Bereich mangelhaft/ausreichend bewegen.
43
(3) Im Übrigen ist auch angesichts der grundrechtsrelevanten Auswirkungen mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz nicht von einer Unverhältnismäßigkeit der Nichtzulassungsentscheidung auszugehen. Die vom Gesetzgeber aufgestellten und von der Antragsgegnerin aufgegriffenen und angewandten subjektiven Zulassungsvoraussetzungen für die Abschlussprüfung sind geeignet, erforderlich und angemessen. Gerade angesichts der in § 1 Abs. 3 niedergelegten Ziele des Berufsbildungsgesetzes ist die konkrete Nichtzulassung für den Antragsteller zu der von ihm begehrten Abschlussprüfung im Sommertermin 2023 gerechtfertigt. Insbesondere ergibt sich, wie schon ausgeführt, im hier vorliegenden Einzelfall keine Unverhältnismäßigkeit aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin maßgeblich alle Fehlzeiten im individuellen (verlängerten) Ausbildungszeitraum berücksichtigt hat.
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Angesichts der vorstehenden Ausführungen ist die Rechtsverfolgung des Antragstellers in der Hauptsache nicht erfolgversprechend, so dass auch ein Anspruch des Antragstellers auf vorläufige Prüfungszulassung – also ohne Vorwegnahme der Hauptsache – keinen Erfolg hat, soweit ein solcher Antrag als „wesensgleiches Minus“ als hilfsweise gestellt angesehen wird.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, Abs. 2 GKG i.V.m. Ziff. 1.5 Satz 2 i.V.m. Nr. 36.3 Streitwertkatalog.