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Anwaltsgerichtshof München, Beschluss v. 21.03.2023 – BayAGH III – 4 –2/23
Titel:

Vorstandswahl Rechtsanwaltskammer - Zusammentreffen von Ersatzwahl und Neuwahl

Normenketten:
BRAO § 68, § 69 Abs. 3 § 112c Abs. 1
VwGO § 161 Abs. 2
Leitsatz:
Beim Zusammentreffen einer Ersatzwahl gemäß § 69 Abs. 3 BRAO und einer Neuwahl gemäß § 68 BRAO haben beide Wahlen mit jeweils unterschiedlicher Wahlliste zu erfolgen. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei der Ersatzwahl um eine Wiederholungswahl handelt. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsanwaltskammer, Vorstandswahl, Vorstandsmitglied, Ersatzwahl, Neuwahl, Wiederholungswahl, unterschiedliche Wahlliste, Kostenentscheidung
Fundstellen:
BRAK-Mitt 2023, 202
BeckRS 2023, 10757
LSK 2023, 10757

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Die Gerichtskosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Die Parteien tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 15.000.- € festgesetzt.

Gründe

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1. Die Parteien haben das Verfahren durch Schriftsatz vom 21.02.2023 und 14.03.2023 übereinstimmend für erledigt erklärt. In einem solchen Fall ist das Verfahren deklaratorisch in entsprechender Anwendung von § 112c Abs. 1 BRAO, § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen (BVerwG NVwZ-RR 1999, 407). Für diese Entscheidung ist der Berichterstatter zuständig (§ 87a Abs. 1, 3 VwGO; vgl. Eyermann/Schübel-Pfister VwGO § 161 Rn. 14).
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung von § 112c Abs. 1 BRAO, § 161 Abs. 2 VwGO. Demnach ist über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Der Senat geht hierbei davon aus, dass die Klage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit Erfolg gehabt hätte. Bei der Wiederholung der Vorstandswahl für das Jahr 2020 waren 11 Vorstandssitze zu besetzen. Der Kläger erhielt bei dieser Wahl 456 Stimmen. Ihm gingen die Rechtsanwälte S. K. und Ü. Ö. vor, die 541 bzw. 490 Stimmen erhielten. Der Kläger belegte mit dem von ihm gewonnenen Stimmanteil Platz 12. Er wendet sich dagegen, dass die Rechtsanwälte K. und Ö. zur Wiederholungswahl zugelassen worden waren und festgestellt wurde, dass sie als Vorstandsmitglieder aufgrund der Wiederholung der Wahl für das Jahr 2020 gewählt seien. Dies begründet er damit, dass die Rechtsanwälte K. und Ö. im Frühjahr 2022 aufgrund regulärer Neuwahl für die Jahre 2022-2076 ebenfalls als Vorstandsmitglieder gewählt worden seien.
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Bei summarischer Prüfung hätte die Klage Aussicht auf Erfolg gehabt. Zwar erfüllten die Rechtsanwälte K. und Ö. die Voraussetzungen für die Wählbarkeit gem. § 65 BRAO. Weder lag ein Grund vor, der zum Verlust der Wählbarkeit gem. § 66 BRAO geführt hätte, noch lag ein Grund vor, der diese zur Ablehnung der Wahl gemäß § 67 BRAO berechtigt hätte.
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Gleichwohl hätten weder Rechtsanwalt K. noch Rechtsanwalt Ö. in die Wahlliste der zu wählenden Vorstandsmitglieder für die Wiederholungswahl 2020 aufgenommen werden dürfen.
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Diese waren nicht mehr als Vorstandsmitglieder wählbar. Aufgrund der regulären Neuwahl im Frühjahr 2022 waren sie bereits zu Mitgliedern des Vorstandes für die Zeit von 2022-2026 gewählt. Eine weitergehende Rechtsstellung konnten sie durch die Wiederholungswahl im Dezember 2022 nicht erlangen, da diese nur für die restliche Wahlperiode bis 2024 durchzuführen war. Für dieses Ergebnis spricht auch die Regelung in § 68 Abs. 4 BRAO. Demnach sind die Wahlen getrennt vorzunehmen, wenn gleichzeitig mit einer Neuwahl eine Wahl zur Erhöhung der Mitglieder des Vorstandes durchzuführen ist. Diese Vorschrift gilt für das Zusammentreffen einer Ersatzwahl gem. § 69 Abs. 3 BRAO und einer Neuwahl gem. § 68 BRAO entsprechend (BGH Urt. v. 12.9.2022 - AnwZ (Brfg) 21/21, AnwBl online 2022, 667). Auch in diesem Fall haben beide Wahlen mit jeweils unterschiedlicher Wahlliste zu erfolgen. Dies muss auch dann gelten, wenn es sich bei der Ersatzwahl um eine Wiederholungswahl handelt, mag diese auch grundsätzlich mit identischer Wahlliste wie die zu wiederholende Wahl durchzuführen sein. Der Senat hat bei der Kostenentscheidung berücksichtigt, dass diese Frage durch die obergerichtliche Rechtsprechung noch nicht geklärt ist.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO, § 52 Abs. 1 GKG.
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4. Die Entscheidung ist gemäß §§ 92 Abs. 3 Satz 2, 158 Abs. 2 VwGO, § 194 Abs. 3 Satz 1 BRAO unanfechtbar.