Titel:
Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit wegen Verstoßes gegen Aufbewahrungsvorschriften
Normenketten:
WaffG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 45 Abs. 2, § 46
AWaffV § 13 Abs. 8
BJagdG § 17 Abs. 1 S. 2, § 18 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Entwendung von Waffen aus einem Waffenschrank ohne feststellbare Beschädigungen lässt den Schluss zu, dass die Waffen aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Aufbewahrung abhandengekommen sind. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Einräumung einer Zugriffsmöglichkeit für Dritte auf einen Waffenschrank vermag den Waffenbesitzer nicht von seiner Verantwortung für die dort gelagerten Waffen und von der Pflicht zur sorgfältigen Aufbewahrung entbinden. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist Sache des Waffenbesitzers, darzulegen und im Streitfall unter Beweis zu stellen, dass er trotz des Abhandenkommens von Waffen zuverlässig ist. Denn eine Unaufklärbarkeit der tatsächlichen Hintergründe eines nachgewiesenen Abhandenkommens von Waffen begründet ein gefahrenabwehrrechtliches Restrisiko, das bei der Zuverlässigkeitsprognose nicht hingenommen werden muss. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Verstoß gegen Aufbewahrungsvorschriften, Gemeinschaftliche Aufbewahrung, Widerruf der Waffenbesitzkarte, Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 20.04.2023 – 24 CS 23.495
Fundstelle:
BeckRS 2023, 10199
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.250,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer am … Februar 2022 erhobenen Klage gegen den Widerruf ihrer Waffenbesitzkarte und ihres Europäischen Feuerwaffenpasses, die Ungültigerklärung ihres Jagdscheins sowie die hierzu ergangenen Folgeanordnungen mit Bescheid des Landratsamts München (im Folgenden: Landratsamt) vom 31. Januar 2022.
2
Ausweislich einer Aktennotiz teilte die Antragstellerin dem Landratsamt am 11. Mai 2021 telefonisch mit, dass die in ihrer Waffenbesitzkarte unter der Nr. 6 eingetragene Waffe nicht mehr auffindbar sei. Sie sei gebeten worden, den Verlust der Polizeiinspektion (PI) … … zu melden und dem Landratsamt im Anschluss die Verlustanzeige und die Waffenbesitzkarte zu übersenden. In der dem Landratsamt übersendeten Bescheinigung über die Erstattung einer Anzeige (PI …*) vom 11. Mai 2021 wegen Diebstahls wurde als Ereigniszeitraum der 1. Januar 2021, 17:00 Uhr bis 9. Mai 2021, 10:00 Uhr und als Ereignisort die (Haupt-)Wohnadresse der Antragstellerin, … …, … … angegeben. Entwendete Gegenstände seien ein – im einzelnen bezeichnetes – Jagdgewehr, eine unbekannte Anzahl Munition Kaliber . …, wobei sich die Patronen im Magazin der Waffe befunden hätten, sowie ein – im einzelnen bezeichneter Schalldämpfer. In einer weiteren dem Landratsamt übersendeten Bescheinigung der PI … vom 19. Mai 2021 wurde als Ereignisort die Adresse des Wochenendhauses der Familie in … …, … …, angegeben.
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Nach Kurzmitteilung der Polizeiinspektion (PI) … an das Landratsamt vom 25. Mai 2021 habe die Antragstellerin der PI … am 25. Februar 2021 um 23:40 Uhr einen Einbruch in das Wochenendhaus in … gemeldet. Bei der am 26. Februar 2021 durchgeführten Spurensicherung sei festgestellt worden, dass in dem Anwesen ein Waffenschrank vorhanden gewesen sei. Die Antragstellerin sei mehrfach befragt worden, ob aus diesem Schrank etwas entwendet worden sei. Sie habe das jedes Mal verneint und zugesichert, der Schrank sei versperrt gewesen. Eine Beschädigung am Waffenschrank habe nicht festgestellt werden können. Zu diesem Zeitpunkt seien keinerlei Angaben zu einem entwendeten Gewehr gemacht worden. Am 11. Mai 2021 um 14:14 Uhr sei die Antragstellerin bei der PI … … erschienen und habe Anzeige wegen Diebstahls eines Gewehrs mit Schalldämpfer und Munition, deren Eigentümerin sie sei, erstattet. Bei ihrer Zeugenvernehmung habe sie angegeben, Jägerin und im Besitz von sechs Schusswaffen zu sein, die sie entweder in einem Waffenschrank in ihrer … Wohnung oder in einem Waffenschrank in ihrem Wochenendhaus in … lagere. Die Zahlenkombination wüssten außer ihr nur ihr Ehemann und die beiden erwachsenen Söhne, da auch sie Jäger seien und ihre Waffen in den Schränken verstauten. Sie sei am 1. Januar 2021 das letzte Mal mit dem Jagdgewehr mit Schalldämpfer und entsprechender Munition auf der Jagd in … gewesen. Im Anschluss habe sie die Waffe mit Munition im dortigen Waffenschrank versperrt. Als sie am 9. Mai 2021 wieder habe auf die Jagd gehen wollen, sei ihr aufgefallen, dass die vorgenannte Waffe mit Schalldämpfer und Munition weg gewesen sei. Sie habe sich das Verschwinden nicht erklären können. Eine Befragung der Familienmitglieder habe keinen Erfolg gebracht. Ihre anderen Waffen seien noch vorhanden gewesen. Bei ihrer Vernehmung habe sie weiter angegeben, dass in ihr Wochenendhaus eingebrochen worden sei, wobei zwar Wertgegenstände, nicht jedoch Waffen entwendet worden seien, soweit sie dies wisse. Sie habe bei dem Einbruch den Inhalt des Waffenschranks nicht überprüft, da dieser unbeschädigt gewesen sei und sie sich nicht habe vorstellen können, dass eine Waffe aus dem verschlossenen Waffenschrank hätte entwendet werden können. Den Code habe sie nirgends aufgeschrieben. Durch Beamte der PI … sei der Waffenschrank in … überprüft worden; die entwendete Waffe habe sich nicht dort befunden. Der Vorgang sei der PI … mitgeteilt worden. Aufgrund dessen sei auch der Waffenschrank in dem Wochenendhaus im Beisein der Familie überprüft worden. Die entwendete Waffe habe nicht festgestellt werden können. Es sei jedoch festgestellt worden, dass in diesem Waffenschrank drei Waffen gelagert worden seien. Auf Befragung habe der Ehemann der Antragstellerin angegeben, dass sie den Waffenschrank bereits mit einer dritten Waffe wieder aufgefüllt hätten. Dieser habe in dem Gespräch weiter angegeben, dass aus dem Waffenschrank ein weiterer – im einzelnen bezeichneter – Schalldämpfer entwendet worden sei, der sich auf einer Langwaffe befunden habe. Die Waffe mit Schalldämpfer habe sich in dem Waffenschrank befunden. Bei einer nochmaligen Inaugenscheinnahme hätte keinerlei Beschädigung des Waffenschranks festgestellt werden können. Eigentümer des (weiteren) Schalldämpfers sei der Ehemann der Antragstellerin. Nach Feststellung des POK M* … habe der Ehemann nach der Überprüfung des Waffenschranks zwar die Tür geschlossen, diese jedoch nicht verriegelt. Wie der Täter an die Waffe mit passender Munition sowie an den Schalldämpfer der anderen Waffe gelangt sei, habe nicht geklärt werden können. Da jedoch der Waffenschrank nicht beschädigt und der Code nirgends aufgeschrieben gewesen sei, wie die Antragstellerin angegeben habe, bestehe der Anfangsverdacht, dass der Schrank wohl nicht versperrt oder der Code irgendwo aufgezeichnet gewesen und der Täter so in den Waffenschrank gelangt sei. Anders lasse sich das Entwenden der Waffe und des Schalldämpfers wohl nicht erklären. Eine Beteiligung der Familienmitglieder, die den Code gewusst hätten, hätten die Antragstellerin und ihr Ehemann ausgeschlossen. Der Vorgang werde dem Landratsamt zur Kenntnis und Überprüfung der Zuverlässigkeit beider Personen übersandt.
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Ausweislich des über die Kontrolle des Waffenschranks in dem Wochenendhaus in … am 14. Mai 2021 angefertigten Aktenvermerks der PI …, POK M* …, habe die als gestohlen gemeldete Langwaffe nicht aufgefunden werden können. Die Antragstellerin und ihr Ehemann seien vor Ort gewesen und hätten angegeben, dass die Waffe vermutlich bei dem Einbruch Ende Februar entwendet worden sei. Wie der Täter in den versperrten Waffenschrank gekommen sei, hätten sie sich nicht erklären können. Die Antragstellerin habe den Waffenschrank nach dem Einbruch nicht auf Vollzähligkeit überprüft. Der Ehemann habe angegeben, dass der sechsstellige Zahlencode (Geburtsdatum eines der beiden Söhne) nur dreimal verkehrt eingegeben werden könne, dann sei der Schrank gesperrt und könne nicht mehr ohne weiteres geöffnet werden. Nach einmaliger Falscheingabe sei der Schrank für drei Minuten gesperrt. Der Ehemann habe weiter angegeben, dass von einem in dem Schrank aufbewahrten Gewehr sein Schalldämpfer abgeschraubt und entwendet worden sei. Der Schalldämpfer sei ebenfalls zur Sachfahndung ausgeschrieben worden. Von dem Lauf des Gewehrs sei ein DNA-Stempel genommen worden.
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Mit Schreiben vom 29. November 2021 teilte das Landratsamt der Antragstellerin nach Sachverhaltsdarstellung mit, dass es beabsichtige, ihre waffenrechtlichen Erlaubnisse gemäß § 45 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG zu widerrufen und die Rückgabe der Originaldokumente sowie das Überlassen der darin eingetragenen Waffen samt vorhandener Munition an einen Berechtigten bzw. deren Unbrauchbarmachung anzuordnen. Die Anordnungen würden als notwendig erachtet, da nachträglich Tatsachen eingetreten seien, die zur Versagung der waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse hätten führen müssen. Die für die Erlaubnis unabdingbare Voraussetzung der jagd- und waffenrechtlichen Zuverlässigkeit sei bei der Antragstellerin nicht mehr gegeben. Die erforderliche Zuverlässigkeit besäßen Personen nicht, bei den Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgingen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren würden. Die in der Waffenbesitzkarte Nr. … unter Nr. 6 eingetragene Repetierbüchse und die dazu gehörige Munition sowie der unter Nr. 7 eingetragene Schalldämpfer seien im Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis zum 9. Mai 2021 abhandengekommen. Gemäß § 36 Abs. 1 WaffG habe, wer Waffen und Munition besitze, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkämen oder Dritte sie unbefugt an sich nähmen. Die Untere Jagdbehörde sei ebenfalls verpflichtet (vgl. § 18 Satz 1 BJagdG), den Jagdschein der Antragstellerin für ungültig zu erklären und einzuziehen, da nachträglich Tatsachen eingetreten seien, die zur Versagung einer jagdrechtlichen Erlaubnis hätten führen müssen. Es werde bis spätestens 17. Dezember 2021 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, anderenfalls werde nach Aktenlage entschieden.
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Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2021 führte der bereits im Verwaltungsverfahren Bevollmächtigte der Antragstellerin im Wesentlichen aus, hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen von Unzuverlässigkeitsgründen im Sinne des § 5 WaffG lägen nicht vor und würden in dem Anhörungsschreiben auch nicht in einer nachvollziehbaren Weise dargelegt. Der Antragstellerin sei das Abhandenkommen der Repetierbüchse, zugehöriger Munition und des Schalldämpfers nicht vorwerfbar. Grund für das Abhandenkommen sei eine Straftat. Die Antragstellerin und ihr Ehemann seien Opfer eines Einbruchsdiebstahls geworden, der sich an ihrem Wochenendhaus in … (vermutlich) zwischen dem 21. Februar 2021 und dem 25. Februar 2021 zugetragen habe. Die Antragstellerin habe den Einbruch am 25. Februar 2021 festgestellt und der Polizeibehörde unverzüglich gemeldet. Am 26. Februar 2021 sei am Tatort eine Spurensicherung vorgenommen worden. Der dort befindliche Waffenschrank sei nach Feststellung der Straftat unbeschädigt und verschlossen gewesen. Aus diesem Grund sei dessen Inhalt von der Antragstellerin nicht überprüft worden. Es habe keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, dass die darin befindlichen erlaubnispflichtigen Schusswaffen bzw. gleichgestellten Gegenstände abhandengekommen sein könnten. Dies sei der anwesenden Polizei auch offenbart worden. Hinweise, den Inhalt des Schranks zu überprüfen, seien von den anwesenden Beamten nicht gekommen. Der Zugangscode zum Zahlenschloss des zertifizierten Sicherheitsschranks sei ausschließlich der Antragstellerin, ihrem Ehemann und den beiden volljährigen Söhnen bekannt gewesen. Jede dieser Personen habe über die entsprechenden waffenrechtlichen Erlaubnisse verfügt und sei befugt gewesen, Zugriff auf den Schrankinhalt zu nehmen. Der Zugangscode habe aus einer sechsstelligen Zahlenfolge (Geburtsdatum eines der beiden Söhne) bestanden. Weder sei der Code irgendwo aufgeschrieben worden, noch sei er anderen Dritten bekannt gewesen. Das Landratsamt folgere aus diesem Sachverhalt die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Das Anhörungsschreiben konkretisierte jedoch nicht, worin genau die Tatsachen liegen sollten, die den Vorwurf nahelegten. Es werde lediglich ausgeführt, es seien Gegenstände abhandengekommen und die Antragstellerin hätte Vorkehrungen treffen müssen, um das zu verhindern. Es sei bei konkreter Einzelfallbetrachtung aber verfehlt, aus der bloßen Tatsache des Abhandenkommens auf unzureichende Sicherungsmaßnahmen zu schließen. Das Abhandenkommen von Waffen, Munition oder anderen erlaubnispflichtigen Gegenständen durch Einbruch oder Diebstahl führe nicht automatisch zur Unzuverlässigkeit i.S.d. § 5 WaffG. Vermögens- und waffenrechtliche Delikte lägen zunächst einmal nur bei demjenigen vor, der diese Gegenstände dem Erlaubnisinhaber entwendet habe. Es liege rückblickend auf der Hand, dass die erlaubnispflichtigen Gegenstände der Antragstellerin im Rahmen des Einbruchs entwendet worden seien und dies zunächst unbekannt geblieben sei, da diese Gegenstände nicht in Benutzung gewesen seien. Anhaltspunkte dafür, dass der Waffenschrank nicht gesichert gewesen sei, lägen nicht vor. Insbesondere lägen keine Indizien dafür vor, dass die Antragstellerin den Schrank nicht verschlossen und den Diebstahl dadurch erleichtert haben könnte. Der Vorwurf, die Antragstellerin habe im Zusammenhang mit dem Einbruch den Diebstahl nicht rechtzeitig gemeldet, wäre ebenfalls unberechtigt. Die Antragstellerin sei ihrer Anzeigepflicht nach § 37b Abs. 3 WaffG ohne Einschränkung unverzüglich nach Feststellung des Abhandenkommens im Mai 2021 nachgekommen. Indizien für die in der Ermittlungsakte enthaltene Vermutung, der Zugangscode sei unbefugten Dritten zugänglich gemacht worden, gebe es nicht, insbesondere nicht dafür, dass die Antragstellerin den Code unter Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten irgendwo aufgeschrieben habe. Da professionelle Einbrecher Tatorte sehr zielgerichtet durchsuchten, erscheine es im Bereich des Möglichen, dass der/die Täter auf persönliche Dokumente gestoßen seien, aus denen die Geburtsdaten hätten abgeleitet werden können. Ebenso sei nicht auszuschließen, dass sich Einbrecher anhand dieser Dokumente auf die Suche nach verschiedenen Zugangscodes zum Tresor gemacht hätten. Dies begründe jedoch nicht den Vorwurf der Unzuverlässigkeit der Antragstellerin im Sinne des § 5 WaffG. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass es aufgrund ihrer Nachlässigkeit zu entsprechenden Erkenntnissen der Einbrecher gekommen sein könnte. Die aufgrund des Einbruchs eingetretene, der Antragstellerin erst später bekannt gewordene Situation und die im Anhörungsschreiben festgehaltenen Umstände seien nicht geeignet, die waffenrechtliche Zuverlässigkeit der Antragstellerin auf belastbarer Tatsachengrundlage in Frage zu stellen. Indizien dafür, dass die Antragstellerin durch ein ihr vorwerfbares Verhalten dafür gesorgt haben könnte, dass Dritte unbefugt Zugriff auf den Inhalt des Waffenschranks nähmen, lägen nicht vor.
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Mit dem Bevollmächtigten zugestelltem Bescheid vom 31. Januar 2022 widerrief das Landratsamt die Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnisse in Form einer am 21. Dezember … von der Stadt … ausgestellten Waffenbesitzkarte Nr. … und eines am 22. März … vom Landratsamt ausgestellten Europäischen Feuerwaffenpasses Nr. … (Nr. 1). Der Jagdschein Nr. …, dessen Gültigkeit vom Landratsamt zuletzt am 14. Februar 2020 bis einschließlich 31. März 2023 verlängert worden sei, wurde für ungültig erklärt (Nr. 2). Die im Besitz der Antragstellerin – im Einzelnen aufgezählten – Waffen und gegebenenfalls Munition seien bis spätestens einen Monat nach Zustellung des Bescheids einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen, was dem Landratsamt schriftlich nachzuweisen sei (Nr. 3). Die in Nr. 1 des Bescheids genannten Originalausfertigungen der waffenrechtlichen Erlaubnisse und des in Nr. 2 genannten Jagdscheins seien innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Bescheids dem Landratsamt zu übergeben (Nr. 4). Die Nr. 1 des Bescheids sei kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Die sofortige Vollziehung der Nrn. 2, 3 und 4 des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 5). Sollte die Antragstellerin die Nr. 4 des Bescheids nicht innerhalb der gewährten Frist erfüllen, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,- Euro pro Dokument zur Zahlung fällig. Für den Fall der Nichterfüllung sei die Anordnung von mehrfach gesteigertem Zwangsgeld zulässig (Nr. 6). Der Antragstellerin wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt und es wurden eine Gebühr i.H.v. 255,- Euro sowie Auslagen i.H.v. 3,07 Euro festgesetzt (Nr. 7).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, mit Telefonat vom 11. Mai 2021 habe die Antragstellerin dem Landratsamt mitgeteilt, dass ihre in der Waffenbesitzkarte Nr. … unter Nr. 6 eingetragene Waffe nicht mehr auffindbar sei. Am 11. Mai 2021 habe die Antragstellerin gegen 14:41 Uhr bei der PI … den Verlust der – im Einzelnen bezeichneten – Repetierbüchse nebst Munition und Schalldämpfer angezeigt. Als Verlustzeitraum habe sie den 1. Januar 2021 bis 9. Mai 2021 angegeben. Der zunächst angegebene Ereignisort an ihrer Wohnadresse in … sei mit Meldung vom 19. Mai 2021 auf die Adresse des Wochenendhauses in … berichtigt worden. Am 31. Mai 2021 sei beim Landratsamt eine Meldung der PI … eingegangen, deren Inhalt im Folgenden wiedergegeben wurde. Im Rahmen der Anhörung vom 29. November 2021 habe sich der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Stellungnahme vom 16. Dezember 2021, deren Inhalt im Folgenden wiedergegeben wurde, geäußert. Nach § 45 Abs. 2 WaffG sei eine bereits erteilte waffenrechtliche Erlaubnis (hier: Waffenbesitzkarte und Europäischer Feuerwaffenpass) zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen einträten, die zur Versagung hätten führen müssen. Die Erlaubnis sei zu versagen, wenn die Voraussetzungen des § 4 WaffG nicht erfüllt seien, insbesondere, wenn dem Betroffenen die gemäß § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit fehle. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG besäßen die erforderliche Zuverlässigkeit Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgingen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren würden. Gemäß Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.3 zum Waffengesetz stünden wesentliche Teile von Schusswaffen und Schalldämpfer den Schusswaffen gleich, für die sie bestimmt seien. Somit gälten für den Schalldämpfer die Aufbewahrungsvorschriften für erlaubnispflichtige Langwaffen. Nach § 36 Abs. 1 WaffG habe, wer Waffen oder Munition besitze, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkämen oder sie Dritte unbefugt an sich nehmen könnten. Im Zeitraum vom 1. Januar 2021,17:00 Uhr bis 9. Mai 2021,10:00 Uhr, seien die Repetierbüchse der Antragstellerin mit einer unbekannten Anzahl Munition und ein für die Waffe passender Schalldämpfer abhandengekommen. Das Fehlen der Waffe habe die Antragstellerin am 9. Mai 2021 festgestellt, als sie wieder habe zur Jagd gehen wollen. Das Fehlen der Waffe habe sie sich nur so erklären können, dass diese bei dem nachweislichen Einbruch im Februar 2021 aus dem verschlossenen Waffenschrank gestohlen worden sei. Aufbruchspuren hätten die ermittelnden Polizeibeamten am Waffenschrank nicht feststellen können. Auch sei dieser nach dem Einbruch verschlossen gewesen. Ein Waffenschrank mit dem Widerstandsgrad I nach DIN/EN 1143-1 sei mit Einbruchswerkzeug nicht spurlos zu öffnen. Die Öffnung müsse daher über das Elektronikschloss erfolgt sein, wenn die Waffe bei dem Einbruch abhandengekommen sei. Eine eindeutige Feststellung, dass diese Waffe bei dem Einbruch abhandengekommen sei, könne nicht getroffen werden, da der Waffenschrank zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 9. Mai 2021 nicht geöffnet und kontrolliert worden sei. Zweifel an der eindeutigen Feststellung, dass diese waffenrechtlich relevanten Gegenstände bei dem Einbruch gestohlen worden seien, könnten sich auch daraus begründen, dass nur eine Waffe mit passender Munition und Schalldämpfer sowie der Schalldämpfer des Ehemanns der Antragstellerin fehlten. Warum Einbrecher die restlichen beiden Schusswaffen zurückgelassen und sich auf die Suche nach passender Munition bzw. dem Magazin mit der Munition für die zu stehlende Waffe gemacht hätten, erschließe sich aus dem Sachverhalt nicht. Sollte die Waffe mit Munition und Schalldämpfer wirklich aus dem Waffenschrank entwendet worden sein, so bestünden berechtigte Zweifel, ob der Waffenschrank mit der notwendigen Sorgfalt gesichert worden sei. Seien an einem Waffenschrank keinerlei Beschädigungen feststellbar und seien aus diesem Waffenschrank Waffen und Munition entnommen worden, sei davon auszugehen, dass diese nicht mit der jedem Waffenbesitzer obliegenden Sorgfalt verwahrt und so jedem unkontrollierten Zugriff durch Unbefugte entzogen worden seien. Der hohe Sicherheitsstandard einer Unterbringung in einem verschlossenen Waffenschrank aus Stahl und der hierdurch beabsichtigte Schutz vor missbräuchlicher Verwendung sei durch die Verwendung eines aus dem Geburtsdatum einer der Söhne bestehenden Codes im Ergebnis aufgehoben worden. Im Übrigen könne dahingestellt bleiben, ob der dargelegte Ablauf der Lebenswirklichkeit entsprochen habe oder nicht, da die Antragstellerin die Verantwortung als jagd- und waffenrechtliche Erlaubnisinhaberin zu tragen habe. Auf ein Verschulden als solches komme es gerade im Sicherheitsrecht nicht an. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG lägen somit vor. Der festgestellte Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsmaßregeln rechtfertige die Prognose, dass die Antragstellerin auch künftig Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahren werde. Im Bereich des Waffenrechts könne angesichts der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit ausgingen, ein Restrisiko nicht hingenommen werden. Bereits ein einmaliger Verstoß gegen die in § 36 WaffG normierten Aufbewahrungspflichten rechtfertige die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit. Die Ungültigkeitserklärung und Einziehung des Jagdscheins stütze sich auf § 18 Satz 1 BJagdG. Danach sei ein Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen, wenn Tatsachen nach Erteilung bzw. Verlängerung der Gültigkeit des Jagdscheins bekannt würden, welche die Annahme rechtfertigten, dass der betreffende Jagdscheininhaber entweder die erforderliche Zuverlässigkeit oder die persönliche Eignung nicht (mehr) besitze (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG i.V.m. § 5 bzw. 6 WaffG). Da die bekannt gewordenen Umstände – wie ausgeführt – die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin i.S.v § 17 Abs. 1 BJagdG zur Folge hätten, sei die Untere Jagdbehörde kraft Gesetzes verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen. Nach § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG habe der Inhaber die Erlaubnisurkunde nach deren Widerruf bzw. Ungültigerklärung der zuständigen Behörde unverzüglich zurückzugeben. Die gesetzte Frist sei angemessen und ausreichend. Die Antragstellerin habe gemäß § 46 Abs. 2 WaffG die sich noch in ihrem Besitz befindenden Waffen und Munition binnen angemessener Frist nachweislich dauerhaft unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist könnten Waffen und Munition sichergestellt werden. Die sofortige Vollziehung der Nrn. 2, 3 und 4 des Bescheids habe nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im überwiegend öffentlichen Interesse angeordnet werden können, da bei der Ausschöpfung der möglichen Rechtsmittel unter Umständen ein sehr langer Zeitraum bis zur Wirksamkeit des Bescheids verginge, währenddessen die Überlassung bzw. Unbrauchbarmachung der Waffen und die Rückgabe der jagd- und waffenrechtlichen Dokumente nicht vollzogen werden könne. Wegen des besonderen Sicherheitsbedürfnisses im Bereich des Jagd- und Waffenrechts und der Gefahren für das Leben und die Gesundheit Dritter durch eventuellen Missbrauch von Schusswaffen sei eine rasche Durchsetzung der getroffenen Anordnungen erforderlich. Ein Belassen des Jagdscheins für die restliche Geltungsdauer bis 31. März 2023 bzw. bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheids komme aus den vorgenannten Gründen (vgl. die Ausführungen unter Nrn. 1 und 2) nicht in Betracht. Der sicherheitsrechtliche Aspekt erfordere es, die Pflicht zur Überlassung oder Unbrauchbarmachung der Waffen und die Rückgabe der Originalausfertigung für sofort vollziehbar zu erklären. Eine Person sei nur dann unbedenklich, wenn über die Zuverlässigkeit des jagd- bzw. waffenrechtlichen Erlaubnisinhabers keine Zweifel bestünden. An Personen, die über Schusswaffen verfügten bzw. diese nutzen dürften, müssten hohe Ansprüche hinsichtlich ihres Charakters und ihres Verantwortungsbewusstseins gestellt werden. Schusswaffen in der Hand einer Person, die den strengen Anforderungen nicht genüge, stellten eine ständige Gefahr für die Allgemeinheit dar. Diese Gefahr abzuwenden liege im öffentlichen Interesse. Die Abwägung des öffentlichen Interesses an einer möglichst raschen Umsetzung der für erforderlich erachteten jagd- und waffenrechtlichen Maßnahmen gegenüber dem privaten Interesse, die jagd- und waffenrechtlichen Erlaubnisse bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheids bzw. der erteilten Gültigkeit zu besitzen, ergebe daher einen eindeutigen Vorrang der öffentlichen Belange. Die Androhung des Zwangsgelds stützte sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Das Zwangsgeld sei notwendig, da von der Antragstellerin die Herausgabe der Originaldokumente verlangt werde und zur Vermeidung eines Missbrauchs sichergestellt werden müsse, dass dieser Pflicht in der dafür vorgegebenen Frist auch tatsächlich nachgekommen werde. Die gemäß Art. 31 Abs. 1 VwZVG zu treffende Ermessensabwägung ergebe einen Vorrang des öffentlichen Interesses an einer fristgerechten Rückgabe der Waffen und der jagd- und waffenrechtlichen Dokumente gegenüber dem privaten Interesse an einem weiteren Besitz der betreffenden Gegenstände. Das Zwangsgeld sei angemessen und erscheine in der Höhe ausreichend, um die Antragstellerin zum Nachkommen der gestellten Pflichten anzuhalten. Die Fristen seien ebenfalls angemessen. Da die Anordnung des Zwangsgelds nach Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG einen Leistungsbescheid i.S.d. Art. 23 Abs. 1 VwZVG darstelle, könne das Zwangsgeld bei Fälligkeit im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden, ohne dass es eines neuen Verwaltungsakts bedürfe. Es werde darauf hingewiesen, dass gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden könnten, bis die aufgegebenen Verpflichtungen erfüllt seien. Darüber hinaus könne im Falle der Uneinbringlichkeit des Zwangsgelds beim Verwaltungsgericht Ersatzzwangshaft beantragt werden. Die waffenrechtliche und die jagdrechtliche Kostenentscheidung beruhten auf den im Einzelnen zitierten Vorschriften des Kostenrechts.
9
Gegen diesen Bescheid erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin am … Februar 2022 Klage (M 7 K 22.685) und stellte am … Februar 2022 einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Zur Begründung wurde im Wesentlichen das bereits im Verwaltungsverfahren Vorgetragene vertieft und ergänzt. Das Abhandenkommen der Gegenstände stehe außer Frage, beruhe jedoch auf dem Einbruchsdiebstahl. Der Vorwurf fehlender Sorgfalt bei der Aufbewahrung könne nicht gegen die Antragstellerin erhoben werden. Nach Kenntnis der Antragstellerin hätten bis heute keine Täter ermittelt werden können. Der Waffentresor sei nach dem Einbruch verschlossen und unbeschädigt gewesen. Die Antragstellerin habe daher zu diesem Zeitpunkt keine Veranlassung zu einer Überprüfung des Inhalts gesehen, auch sei sie hierzu nicht von den Polizeibeamten gebeten worden. Lediglich das Fehlen einer Armbanduhr sei zu diesem Zeitpunkt festgestellt worden. Die Antragstellerin habe sich erstmals am 9. Mai 2021 wieder in dem Wochenendhaus befunden, um auf die Jagd zu gehen. Beim Öffnen des Waffenschranks habe sie das Fehlen ihrer Jagdrepetierbüchse, des zugehörigen Magazins sowie Munition und des zu der Waffe gehörenden Schalldämpfers festgestellt. Das Abhandenkommen sei der Polizeidienststelle … am 11. Mai 2021 gemeldet worden. Im Rahmen der Nachschau des Waffentresors am 14. Mai 2021 in … sei auch das Fehlen des auf den Ehemann eingetragenen Schalldämpfers festgestellt worden, der ebenfalls in dem Waffenschrank aufbewahrt worden sei. Der Verlust sei der anwesenden Polizei durch den Ehemann mitgeteilt worden. Neben der Antragstellerin und ihrem Ehemann hätten auch die beiden Söhne Zugang zu den Waffenschränken in … und am Hauptwohnsitz in … Auch die beiden Söhne verfügten als Jäger über gleichrangige waffenrechtliche Erlaubnisse. Der angegriffene Bescheid, insbesondere die in den Nrn. 1 bis 4 enthaltenen Anordnungen, seien nach summarischer Prüfung offenkundig rechtswidrig. Jedenfalls falle die Interessenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin aus. Ein Aufbewahrungsverstoß durch die Antragstellerin liege nicht vor und werde auch in dem Bescheid nicht nachvollziehbar dargelegt. Ein solcher sei auch nicht, wie auf Seite 5 des Bescheids ohne nähere Begründung ausgeführt, „festgestellt“. Festgestellt sei lediglich, dass die Antragstellerin am 9. Mai 2021 das Abhandenkommen der in einem zugelassenen Sicherheitsbehältnis ordnungsgemäß verwahrten Waffe, Munition und Schalldämpfer festgestellt habe. Der Verlust sei unverzüglich nach Kenntniserlangung am 11. Mai 2021 der Polizei gemeldet worden. Zudem sei eine Verlustanzeige bei der Behörde vorgenommen worden, sodass die Gegenstände aus der Waffenbesitzkarte hätten ausgetragen werden können. Dem Landratsamt obliege die materielle Beweislast dafür, dass das Abhandenkommen auf einem Fehlverhalten der Antragstellerin im Hinblick auf die Aufbewahrungssorgfalt beruhe. Bei dem Aufbewahrungsbehältnis handele es sich um einen zertifizierten Sicherheitsschrank nach aktuellem gesetzlichen Standard. Der Bescheid enthalte keine belastbaren Tatsachen oder Anhaltspunkte, dass die Antragstellerin die Zahlenkombination aufgeschrieben oder (weiteren) Dritten bekanntgegeben oder den Waffenschrank nicht gesichert bzw. verschlossen haben könnte. Vorliegend hätten vier Personen Zugriffsberechtigungen gehabt, was diesen Fall von der dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. April 2019 (21 CS 18.728) zugrundeliegenden Fallkonstellation unterscheide, wozu weiter ausgeführt wurde. Die Schlussfolgerung des Landratsamts, dass bei zulässiger gemeinschaftlicher Aufbewahrung bzw. Zugriffsberechtigung durch mehrere Personen jeder, dessen Dinge abhandengekommen seien, unzuverlässig sei, weil er den Code nicht vor dem Zugriff durch Unbefugte gesichert haben solle, sei nicht vertretbar. Belastbare Tatsachen müssten für einen Aufbewahrungsverstoß durch den von der Maßnahme konkret Betroffenen sprechen. Auch die Nutzung bestimmter Daten wie Geburts- oder Hochzeitsdatum sei vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nur in der Konstellation als kritisch eingestuft worden, in der nicht über waffenrechtliche Erlaubnisse verfügende Familienmitglieder dieses Datum kennen oder leicht ermitteln könnten (BayVGH, B.v. 14.10.2020 – 24 ZB 20.1648). Die Vermutung des Landratsamts, die Antragstellerin dürfte durch nicht ausreichende Sicherheitsvorkehrungen den Zugriff auf den Waffenschrank mitverursacht oder zumindest erleichtert haben, sei reine Spekulation. Bereits aufgrund der offensichtlichen Rechtswidrigkeit des Bescheids scheide das vorrangige Vollzugsinteresse aus. Jedenfalls müsse die Interessensabwägung mangels Vorliegens belastbarer Indizien zugunsten der Antragstellerin ausfallen.
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Die Antragstellerin beantragt,
Die aufschiebende Wirkung der beim erkennenden Gericht unter dem Aktenzeichen M 7 K 22.685 anhängigen Klage gegen den Bescheid des Landratsamts München vom 31. Januar 2022, Az.: …, wird hinsichtlich Nr. 1 des Bescheids angeordnet und bezüglich Nrn. 2, 3 und 4 des Bescheids wiederhergestellt.
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Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
12
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 22. März 2022 ergänzend zu den Gründen des Bescheids, auf die verwiesen wurde, vorgetragen, wenn der Waffenschrank bei dem Einbruch aufgebrochen worden wäre, hätten keine Zweifel an der ordnungsgemäßen Aufbewahrung bestanden. Da dieser jedoch nach dem Einbruch unbeschädigt und wieder verschlossen gewesen sei und nur eine Schusswaffe mit Munition und zwei Schalldämpfer entwendet worden seien, bestünden Zweifel, ob sich diese Gegenstände zum Einbruchszeitpunkt überhaupt in dem Waffenschrank befunden hätten. Sollte dies der Fall gewesen sein, hätten die Täter Kenntnis von der Zahlenkombination haben müssen. Ein Ausprobieren des Zahlencodes sei fast unmöglich, da bei diesen Elektronikschlössern regelmäßig nach dreimaliger Falscheingabe das Schloss für fünf Minuten und danach jeweils für 20 Minuten gesperrt sei. Die Verwendung eines Codes (hier: Geburtsdatum), der durch nichtberechtigte Dritte so einfach herauszufinden sei, dass wenige Eingabeversuche erfolgreich seien, stelle einen groben Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht dar. Die gemeinschaftliche Waffenaufbewahrung der Eheleute sei vom Landratsamt sowohl für den Hauptwohnsitz in … als auch für das Jagdhaus in … (mit Zustimmung der dortigen Waffenbehörde) nach § 13 Abs. 8 AWaffV genehmigt worden. Eine gemeinschaftliche Waffenaufbewahrung mit den beiden Söhnen sei nie beantragt worden, da diese keine eigenen Waffen besessen hätten. Beide Söhne seien jedoch als Mitnutzer auf den Waffenbesitzkarten ihres Vaters eingetragen und jeweils in Besitz eines gültigen Jagdscheins. Somit bestünden aus waffenrechtlicher Sicht keine Bedenken, dass das Ehepaar den Söhnen Zugriff zum Waffenschrank gewährt habe. Die Entscheidung und somit auch die Verantwortung hierfür habe jedoch bei den Eltern gelegen. Eine Mitnutzererlaubnis bedinge nicht zwangsläufig Zugriff auf die Waffen. § 13 Abs. 8 AWaffV lasse die gemeinschaftliche Aufbewahrung von Waffen und Munition durch berechtigte Personen, die in einer häuslichen Gemeinschaft lebten, zu. Die Verantwortung für die jeweiligen Waffen liege jedoch bei der Person, auf deren Waffenbesitzkarte die Waffen eingetragen seien. Sollte bei einer gemeinsamen Waffenaufbewahrung mangels Nachweisbarkeit keine Einzelperson mehr für die ordnungsgemäße Aufbewahrung verantwortlich gemacht werden können, müssten alle Personen, die berechtigten Zugriff hätten, dafür Verantwortung tragen. Anderenfalls könnte § 13 Abs. 8 AWaffV in der Praxis nicht mehr angewandt und eine gemeinschaftliche Waffenaufbewahrung nicht mehr genehmigt werden. Anzumerken sei, dass die Antragstellerin am 21. Februar 2022 ihre waffen- und jagdrechtlichen Originaldokumente beim Landratsamt abgegeben und die Waffen dem Sohn F* … als Berechtigtem überlassen habe.
13
Mit Schriftsatz vom … Juli 2022 ergänzte der Bevollmächtigte den bisherigen Vortrag. Das geltende Waffenrecht lasse diese Form der „Sippenhaft“ nicht zu. Die Vermutung des Landratsamts, ein Ausprobieren von Zahlenkombinationen sei nahezu unmöglich, sei nachweislich falsch. Es sei nicht bekannt, ob die Antragstellerin und/oder ihr Ehemann überhaupt dafür verantwortlich seien, dass der/die Einbrecher das Geburtsdatum hätten herausfinden können. Die Annahme, eine gemeinschaftliche Aufbewahrung sei nicht mehr möglich, wenn man bei einem Abhandenkommen nicht sämtliche in Betracht kommende Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen könnte, gehe fehl. Hier gehe es darum, dass die Behörde sich hinsichtlich der angeblichen Verantwortlichkeiten in Vermutungen ergehe. Im Übrigen gebe es keine Rechtsvorschrift, die die Verwendung von Geburtsdaten von Familienmitgliedern als Safe-Kombination untersage; das Landratsamt habe die Antragstellerin jedenfalls nie auf derartige Vorgaben hingewiesen. Der Antragstellerin sei angesichts der sofortigen Vollziehbarkeit und der noch nicht ergangenen Eilentscheidung des Gerichts vorerst keine andere Wahl geblieben, als die Waffen fristgerecht einem Berechtigten zu überlassen und die Dokumente der Behörde zu übergeben. Im Falle des Obsiegens würde die Antragstellerin für die Dauer des Hauptsacheverfahrens ihren Jagdschein und die Waffenbesitzkarten zurückerhalten und könne die Waffen von ihrem Sohn zurückerwerben.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten in diesem, im Klageverfahren (M 7 K 22.685) sowie in den Verfahren des Ehemanns der Antragstellerin (M 7 K 22.682, M 7 S 22.1089) Bezug genommen.
15
Der Antrag hat keinen Erfolg.
16
Der zulässige Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Bescheid vom 31. Januar 2022 gerichteten Klage ist unbegründet, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung bezüglich der Nrn. 2, 3 und 4 formell rechtmäßig ist und das (teilweise kraft Gesetzes bestehende) öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer in der Hauptsache erhobenen Klage überwiegt.
17
Die behördliche Sofortvollziehbarkeitsanordnung betreffend die Nrn. 2, 3 und 4 des Bescheids ist formell rechtmäßig. Die von der Behörde vorgebrachte Begründung – an die keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55 m.w.N.) – genügt formell den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da es sich dabei um eine auf den konkreten Fall abstellende, nicht lediglich formelhafte schriftliche Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts handelt.
18
Die Antragstellerin hat nach Abwägung ihres privaten Interesses mit dem öffentlichen Interesse keinen Anspruch auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage hinsichtlich des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse (Nr. 1 des Bescheids), der Ungültigerklärung des Jagdscheins (Nr. 2 des Bescheids), sowie der in den Nrn. 3 und 4 hierzu ergangenen Folgeanordnungen.
19
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem kraft Gesetzes bestehenden beziehungsweise von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
20
Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt die summarische Prüfung, dass der Bescheid vom 31. Januar 2022 rechtmäßig sein und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzen dürfte (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach summarischer Prüfung bestehen keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Waffenbesitzkarte und des Europäischen Feuerwaffenpasses sowie der Ungültigerklärung des Jagdscheins. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der Klage in der Hauptsache kann daher nicht angenommen werden. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs der waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse sowie an den hierzu ergangenen Folgeanordnungen überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Bescheidserlasses, abzustellen.
21
Der in Nr. 1 des Bescheids angeordnete Widerruf der Waffenbesitzkarte und des Europäischen Feuerwaffenpasses gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG sowie die in Nr. 2 des Bescheids angeordnete Ungültigerklärung des Jagdscheins gemäß § 18 Satz 1 BJagdG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 BJagdG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG dürften rechtmäßig sein.
22
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend die Waffenbesitzkarte nach § 10 Abs. 1 WaffG und in Folge davon auch der Europäische Feuerwaffenpass (vgl. § 32 WaffG) zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt. Des Weiteren ist die zuständige Behörde nach § 18 Satz 1 BJagdG in Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen, wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheins begründen, erst nach Erteilung des Jagdscheins eintreten oder der Behörde, die den Jagdschein erteilt hat, bekannt werden. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BJagdG ist der Jagdschein Personen zu versagen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die erforderliche Zuverlässigkeit oder körperliche Eignung nicht besitzen. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG darf nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG (Falknerjagdschein) erteilt werden, wenn die Zuverlässigkeit oder die persönliche Eignung im Sinne der §§ 5 und 6 WaffG fehlen. Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden.
23
Die Tatsachen, die dem Gericht derzeit vorliegen und die im Rahmen des Eilverfahrens zu würdigen sind, dürften die Prognose rechtfertigen, dass die Antragstellerin mit Waffen und Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren wird und aufgrund dessen nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG verfügt.
24
Das von der Antragstellerin am 11. Mai 2021 angezeigte Abhandenkommen der auf ihrer Waffenbesitzkarte Nr. … unter den Nrn. 6 und 7 eingetragenen Waffe mit zugehörigem Schalldämpfer und Munition dürfte eine nachträglich eingetretene Tatsache sein, die die Annahme fehlender waffenrechtlicher Zuverlässigkeit der Antragstellerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG rechtfertigt. Diese Situation dürfte auch die Prognose rechtfertigen, dass die Antragstellerin auch zukünftig mit Waffen und Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren wird.
25
Die Antragstellerin hat solche Tatsachen geschaffen, weil ihre Waffe mit zugehörigem Schalldämpfer und Munition tatsächlich abhandengekommen ist.
26
Soweit die Antragstellerin das Abhandenkommen von Waffe, Schalldämpfer und Munition mit einem vermuteten Diebstahl im Rahmen des Einbruchs zu erklären versucht, hat das Gericht nach dem gegenwärtigen Sachstand hieran bereits erhebliche Zweifel. Denn es erscheint lebensfremd und unglaubhaft, dass unbekannte Täter im Rahmen eines Einbruchs in ein Wochenendhaus einen dort vorhandenen Waffenschrank ohne das Hinterlassen von Aufbruchspuren öffnen, hieraus lediglich die Waffe der Antragstellerin nebst Schalldämpfer und Munition sowie einen weiteren Schalldämpfer des Ehemanns der Antragstellerin entwenden und den Waffenschrank anschließend wieder ordnungsgemäß versperren. Dem Gericht erschließt sich weiter nicht, weshalb die Täter die beiden anderen in dem Waffenschrank aufbewahrten Waffen hätten zurücklassen sollen, zumal sie eine der Waffen bereits in der Hand gehabt haben müssten, um den entwendeten Schalldämpfer abschrauben zu können. Schusswaffen sind bevorzugtes Diebesgut und auch im Rahmen eines Einbruchs zufällig entdeckte Schusswaffen werden von Einbrechern in aller Regel mitgenommen (vgl. Adolph in Adolph/Brunner/Bannach, Waffenrecht, Stand: Oktober 2019, § 36 WaffG Rn. 6). Ebenso ist nur schwer nachvollziehbar, dass sich die Antragstellerin nach dem Einbruch im Februar 2021 nicht umgehend von der Vollständigkeit des Inhalts des Waffenschranks überzeugt, sondern das Abhandenkommen erst am 9. Mai 2021 – mithin fast drei Monate später – entdeckt haben will.
27
Auf welche Art und Weise die erlaubnispflichtigen Gegenstände konkret abhandengekommen sind, kann letztlich jedoch dahinstehen. Denn zum einen liegt ein Abhandenkommen im Sinne des § 36 Abs. 1 WaffG grundsätzlich auch in Fällen der unbefugten Inbesitznahme durch Dritte, beispielsweise durch Diebstahl, Raub oder Unterschlagung, vor (vgl. Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 36 Rn. 10). Zum anderen ist die Tatsache des Abhandenkommens, aus der sich die Unzuverlässigkeit der Antragstellerin ableitet, auch bei einem unterstellten Abhandenkommen im Rahmen des Einbruchs ausreichend belegt. Zwar trägt in einem Streitfall die zuständige Behörde die materielle Beweislast für das Vorliegen von Tatsachen, aus denen sich eine künftige Unzuverlässigkeit des Betroffenen herleitet (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2001 – 21 ZS 01.1719 – juris Rn. 7 m.w.N). Diese Tatsachen ergeben sich vorliegend allerdings schon daraus, dass die erlaubnispflichtigen Gegenstände nach den Angaben der Antragstellerin aus dem Waffenschrank entwendet worden sein sollen, ohne dass an diesem Beschädigungen feststellbar gewesen wären. Dies lässt nach dem derzeitigen Sachstand nur darauf schließen, dass diese Gegenstände aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Aufbewahrung abhandengekommen sind (vgl. BayVGH, B.v. 8.4.2019 – 21 CS 18.728 – juris Rn. 15). Entgegen der Auffassung der Antragstellerseite hängt diese Schlussfolgerung auch nicht von der Anzahl der zugriffsberechtigten Personen ab. Eine Verwahrung ist nur dann sorgfältig, wenn die zur Verfügung stehenden und zumutbaren Möglichkeiten sämtlich ausgenutzt werden, die Waffe so zu verwahren, dass ein Zugriff Unberechtigter nach Möglichkeit verhindert wird, insbesondere muss die Art der Verwahrung die Waffe vor Diebstahl sichern (vgl. BayVGH, B. v. 4.3.2021 – 24 ZB 20.3095 – juris Rn.15; Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 15). Angesichts dessen, dass keinerlei Einbruchsspuren an dem Waffenschrank feststellbar waren und ein Öffnen des Waffenschranks mit der richtigen Zahlenkombination durch unbefugte Dritte bei ordnungsgemäßem Versperren und Geheimhaltung des Codes völlig lebensfremd erscheint, dürfte dies offensichtlich nicht der Fall gewesen sein. Auch für den Fall, dass die Waffen nicht bei dem Einbruch, sondern anderweitig abhandengekommen sind, dürfte aus der Tatsache des Abhandenkommens – erst recht – nur auf eine nicht ordnungsgemäße Aufbewahrung und damit auf einen Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsregeln geschlossen werden können.
28
Der festgestellte Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsregeln dürfte der Antragstellerin auch zurechenbar sein.
29
Die von der Antragstellerseite erhobene Einwendung, aufgrund der zulässigen gemeinschaftlichen Aufbewahrung mit ihrem Ehemann bzw. der zulässigen Zugriffsberechtigung der beiden Söhne sei nicht belegt, dass gerade die Antragstellerin gegen grundlegende Aufbewahrungsregeln verstoßen habe, dürfte im Ergebnis nicht durchgreifen.
30
Nach § 13 Abs. 8 AWaffV ist die gemeinschaftliche Aufbewahrung von Waffen oder Munition durch berechtigte Personen, die – wie hier – in einer häuslichen Gemeinschaft leben, zwar zulässig. Die gemeinschaftliche Aufbewahrung unter Berechtigten setzt jedoch voraus, dass die regulären Aufbewahrungsvorschriften des § 36 Abs. 1, Abs. 5 i.V.m. § 13 AWaffV von jedem Waffen- und Munitionsbesitzer eingehalten werden (vgl. Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 36 Rn. 61). Denn nach § 36 Abs. 1 WaffG hat jeder, der Waffen besitzt, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, dass diese Gegenstände nicht abhandenkommen. Eine zulässige gemeinschaftliche Aufbewahrung kann daher den Waffenbesitzer nicht von seiner Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung nach § 36 Abs. 1 WaffG und seiner entsprechenden Verantwortung hierfür entbinden. Mithin trägt im Falle einer gemeinschaftlichen Aufbewahrung auch jeder der Berechtigten in gleicher Weise die Verantwortung für die ordnungsgemäße Aufbewahrung der in dem Waffenschrank gelagerten erlaubnispflichtigen Gegenstände (vgl. Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 15a mit Verweis auf SächsOVG, B.v. 18.5.2018 - 3 A 113/18 – juris Rn. 13; vgl. auchVG Hamburg, U.v. 9.2.2016 – 4 K 2176/15 – juris Rn. 24; im Ergebnis wohl auch BayVGH, B.v. 14.12.2021 – 24 ZB 20.2219 – juris Rn. 15; vgl. auch VG Regensburg für die gemeinschaftliche Aufbewahrung von in einer gemeinsamen Waffenbesitzkarte eingetragenen Waffen U.v. 25.11.2015 – RO 4 K 14.1958 – juris Rn. 41 ff.; anders wohl OVG RP, B.v. 8.1.2018 – 7 B 11798/17 – juris Rn. 7). Mit der Zulassung der gemeinschaftlichen Aufbewahrung sollte im Wesentlichen lediglich den Bedürfnissen in der Praxis Rechnung getragen werden (vgl. BRDrs. 415/03, S. 51). Eine Herabsetzung des Verantwortlichkeitsmaßstabs des einzelnen Waffenbesitzers dürfte damit jedoch nicht verbunden gewesen sein. Denn es widerspräche der mit der Regelung des § 36 Abs. 1 WaffG bezweckten Umsetzung eines der vordringlichsten und wichtigsten Ziele des Waffengesetzes, nämlich das Abhandenkommen oder die unbefugte Ansichnahme von Waffen durch Dritte zu verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2015 – 21 ZB 15.2481 – juris Rn. 12), wenn sich im Falle eines – wie hier – ungeklärten Abhandenkommens von Schusswaffen zu einer gemeinschaftlichen Aufbewahrung Berechtigte durch den gegenseitigen Verweis auf ein mögliches Versäumnis des anderen von ihrer Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Aufbewahrungspflichten entledigen könnten. Auch der Verweis der Antragstellerseite auf die Zugriffsberechtigung der beiden Söhne dürfte an der Zurechenbarkeit des Verstoßes nichts ändern. Denn auch die Einräumung einer Zugriffsmöglichkeit für Dritte auf den Waffenschrank – mag diese, wie vorgetragen, auch waffenrechtlich zulässig sein – vermag den Waffenbesitzer nicht von seiner Verantwortung für die dort gelagerten Waffen und insbesondere nicht von der Pflicht zur sorgfältigen Aufbewahrung nach § 36 Abs. 1 WaffG zu entbinden.
31
Darüber hinaus dürfte die Antragstellerin auch dadurch, dass sie sich nach dem Einbruch nicht von der Vollzähligkeit ihrer in dem Waffenschrank gelagerten erlaubnispflichtigen Gegenstände überzeugt hat, gegen grundsätzliche waffenrechtliche Sorgfaltspflichten verstoßen haben.
32
Die abhandengekommenen erlaubnispflichtigen Gegenstände wurden in einem Wochenendhaus und damit in einem nicht dauernd bewohnten Gebäude im Sinne des § 13 Abs. 4 Satz 1 AWaffV aufbewahrt. Für die Aufbewahrung in einem solchen Gebäude gelten besonders strenge Aufbewahrungsvorschriften, weil die Waffen dort weit überwiegend einer Präsenz des Waffenbesitzers und damit seiner Kontrolle und Bewachung entzogen sind (vgl. Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 36 Rn. 44, 46). Zwar dürfte die Aufbewahrung vorliegend grundsätzlich den Anforderungen des § 13 Abs. 4 Satz 1 AWaffV entsprochen haben (vgl. Schreiben des Landratsamts an das Landratsamt … vom 7. April 2014). Gleichwohl dürfte sich hier aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls – nämlich des festgestellten Einbruchs und der durch die Aufbewahrung in einem nicht dauernd bewohnten Gebäude bestehenden erhöhten Gefährdungssituation – eine Pflicht der Antragstellerin zur Überprüfung des Inhalts des Waffenschranks ergeben haben. Denn da der Waffenschrank durch die Eingabe der korrekten Zahlenkombination auch von Dritten ohne Hinterlassen von Spuren hätte geöffnet und wieder geschlossen werden können, war ein Entwenden der darin gelagerten erlaubnispflichtigen Gegenstände der Antragstellerin – wenn auch wenig wahrscheinlich – nicht völlig ausgeschlossen. Von einem verantwortungsbewussten und sorgfältigen Waffenbesitzer dürfte daher zu erwarten gewesen sein, dass er sich in einer solchen Situation unverzüglich und selbstständig davon überzeugt, dass die von ihm in dem Waffenschrank aufbewahrten erlaubnispflichtigen Gegenstände noch vorhanden sind. Einer entsprechenden Aufforderung durch die den Einbruch aufnehmenden Polizeibediensteten bedurfte es entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin hierfür nicht. Im Übrigen wurde die Antragstellerin ausweislich der polizeilichen Kurzmitteilung vom 25. Mai 2021 mehrfach befragt, ob aus dem Waffenschrank etwas entwendet worden sei, was sie jedes Mal verneint habe. Eine Nachschau wäre daher auch deshalb schon naheliegend gewesen.
33
Die festgestellten Verstöße gegen grundlegende Vorsichts- und Umgangsregeln rechtfertigen weiter die Prognose, dass die Antragstellerin auch künftig Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahren bzw. mit diesen nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen wird.
34
Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. BT-Drs 14/7758, S. 54). Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Dabei ist der allgemeine Zweck des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen (st. Rspr. BVerwG, vgl. z.B. B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – juris Rn. 10; B.v. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris Rn. 5; st. Rspr. BayVGH, vgl. z.B. B.v. 5.10.2017 – 21 Cs 17.1300 – juris Rn. 11; B.v. 21.11.2019 – 21 CS 18.2523 Rn. 15). Dabei wird nicht der Nachweis verlangt, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen wird, sondern es genügt vielmehr allgemein nach tatrichterlicher Würdigung aller Umstände des Einzelfalls eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – juris Rn. 10; B.v. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris Rn. 5). Dabei dienen die waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften und hierbei insbesondere § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG der Umsetzung eines der vordringlichsten und wichtigsten Ziele des Waffengesetzes, nämlich das Abhandenkommen oder die unbefugte Ansichnahme von Waffen durch Dritte zu verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2015 – 21 ZB 15.2418 – juris Rn. 12). Im Bereich des Waffenrechts kann angesichts der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit ausgehen, ein Restrisiko nicht hingenommen werden. Bereits ein einmaliger Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten rechtfertigt die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2013 – 21 CS 13.1564 – juris Rn. 12 m.w.N.). Hat ein Waffenbesitzer in diesem Sinne bereits einmal versagt, ist allein das ein gewichtiges Indiz dafür, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht mehr verdient. Eine dahingehende Lebenserfahrung oder ein entsprechender Rechtssatz, dass erst ab einem weiteren Verstoß eine negative Zukunftsprognose gerechtfertigt ist, besteht nicht (st. Rspr. BayVGH, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 28.11.2013 – 21 CS 13.1758 – juris Rn. 12; B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.11.2015 – 21 CS 15.2023 – juris Rn. 15; B.v. 14.11.2016 – 21 ZB 15.648 – juris Rn. 17).
35
Der ungeklärte Verbleib einer in der Waffenbesitzkarte eingetragenen Waffe reicht für die Annahme aus, dass der Waffenbesitzer Waffen nicht sorgfältig verwahren wird. Der Verlust einer Waffe geht zu Lasten des Waffenbesitzers, der insoweit nachweispflichtig ist (vgl. Brunner in Adolph/Brunner/Bannach, Waffenrecht, Stand: Juni 2022, § 5 WaffG Rn. 71; Nds. OVG, B.v.19.4.2010 – 11 LA 389/09 – juris Rn. 7). Es ist daher Sache der Antragstellerin, darzulegen und im Streitfall unter Beweis zu stellen, dass sie trotz des Abhandenkommens zuverlässig im Sinne des Waffenrechts ist. Denn eine Unaufklärbarkeit der tatsächlichen Hintergründe des nachgewiesenen Abhandenkommens der von der Antragstellerin sicher zu verwahrenden erlaubnispflichtigen Gegenstände begründet ein gefahrenabwehrrechtliches Restrisiko, das bei der anzustellenden Zuverlässigkeitsprognose nicht hingenommen werden muss. Der strafrechtliche Zweifelssatz gilt bei der gefahrenabwehrrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung nicht. In Bezug auf die anzustellende Gefahren- bzw. Zuverlässigkeitsprognose ist es nicht zu beanstanden, aus der Unaufklärbarkeit der tatsächlichen Hintergründe die gefahrenabwehrrechtlich erforderlichen Schlüsse zu ziehen (vgl. zum Auffinden einer – aus unklaren Hintergründen – nicht ordnungsgemäß verwahrten Waffe OVG RP, B.v. 8.1.2018 – 7 B 11798/17 – juris Rn. 10 m.w.N. mit Verweis auf BVerwG, B.v. 22.6.1995 – 11 B 7.95 – juris Rn. 3; OVG RP, B.v. 4.4.2015 – 7 B 10540/15 – juris Rn. 21 zur Fahrtenbuchauflage).
36
Gegen die Prognose zukünftiger Unzuverlässigkeit sprechende Anhaltspunkte hat die Antragstellerin nicht substantiiert vorgetragen.
37
Dass außer ihr noch ihr Ehemann sowie die beiden Söhne die Zahlenkombination kannten und daher Zugriff auf den Waffenschrank hatten, dürfte, wie bereits ausgeführt, nicht zu einer Entlastung der Antragstellerin führen.
38
Auch mit dem Einwand, dass belastbare Tatsachen dafür, dass (gerade) sie die Zahlenkombination aufgeschrieben oder Dritten bekanntgegeben oder den Waffenschrank nicht richtig verschlossen haben könnte, nicht vorlägen und dass die Verwendung des Geburtsdatums eines ihrer Söhne als Zahlenkombination nicht unzulässig sei, vermag die Antragstellerin nicht durchzudringen. Wie bereits ausgeführt, steht dies schon im Widerspruch zu der Tatsache, dass – nach ihrer eigenen Einlassung – Waffe, Schalldämpfer und Munition aus dem verschlossenen Waffenschrank entwendet werden konnten, ohne diesen gewaltsam zu öffnen. Vor dem Hintergrund ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin diese Gegenstände tatsächlich mit der jedem Waffenbesitzer obliegenden Sorgfalt verwahrt und so jedem unkontrollierten Zugriff durch Unbefugte entzogen hat (vgl. BayVGH, B.v. 8.4.2019 – 21 CS 18.728 – juris Rn. 16 m.w.N.). In diesem Zusammenhang dürfte es auch nicht mehr entscheidungserheblich darauf ankommen, auf welche Art und Weise etwaige Täter an die Zahlenkombination des Waffenschranks gelangt sein könnten.
39
Die Gesamtumstände des Einzelfalls lassen somit nicht erwarten, dass die Antragstellerin in Zukunft ihren Pflichten im Umgang mit Waffen und Munition mit äußerster Sorgfalt nachkommen wird. Die Antragstellerin hat ihre Waffe nicht nur unsorgfältig verwahrt, sondern sie hat insbesondere auch durch das Unterlassen der Kontrolle des Inhalts des Waffenschranks nach dem Einbruch eine besondere Sorglosigkeit und Leichtfertigkeit im Umgang mit Waffen an den Tag gelegt. Weitere Umstände, die den Schluss rechtfertigen, dass die Antragstellerin wieder das Vertrauen verdient, jederzeit ordnungsgemäß mit Waffen und Munition umzugehen und diese ordnungsgemäß zu verwahren, fehlen. Die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit dürfte daher gerechtfertigt sein. Dies dürfte in Anbetracht der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, auch nicht unverhältnismäßig sei. Verschuldensgesichtspunkte sind in diesem Zusammenhang nicht relevant. § 36 Abs. 1 WaffG stellt ausweislich seines Wortlauts weder auf die Umstände der Verwahrung noch auf das Verhalten des Waffenbesitzers ab, sondern erfordert vielmehr ausschließlich, dass die erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden, um ein Abhandenkommen oder ein Ansichnehmen durch unbefugte Dritte zu verhindern. Aus welchen Gründen diese nicht getroffen wurden beziehungsweise welcher Verschuldensgrad dem zugrunde liegt, ist demgegenüber im Rahmen von § 36 Abs. 1 WaffG nicht maßgeblich. Entscheidend ist, dass die Antragstellerin bei lebensnaher Betrachtung nicht alle erforderlichen Vorkehrungen zur angemessenen Sicherung ihrer Waffen getroffen haben dürfte und dass infolgedessen ihre Waffe nebst Schalldämpfer und Munition tatsächlich abhandengekommen ist. Dies wiegt so schwer, dass die festgesellten Tatsachen auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit insgesamt die Annahme begründen dürften, dass die Antragstellerin auch zukünftig Waffen und Munition nicht ordnungsgemäß verwahren wird und somit als unzuverlässig i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG anzusehen sein dürfte.
40
Die Waffenbesitzkarte sowie in Folge davon der Europäische Feuerwaffenpass der Antragstellerin dürften danach zwingend zu widerrufen gewesen sein, § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Aus den gleichen Gründen dürfte auch der Jagdschein zwingend für ungültig zu erklären und einzuziehen gewesen sein, § 18 Satz 1 BJagdG. Unerheblich dürfte in diesem Zusammenhang sein, dass die Einziehung des Jagdscheins nicht im Bescheidstenor erwähnt wird. Denn die Einziehung des Jagdscheins stellt lediglich die Wegnahme der Jagdscheinurkunde zum Zwecke der Unbrauchbarmachung und damit einen Realakt dar (vgl. Leonhardt, Jagdrecht, Stand: Oktober 2018, § 18 BJagdG 11.18 Erl. 1.1.).
41
Schließlich dürften auch gegen die mit dem Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse sowie der Ungültigerklärung des Jagdscheins verbundenen notwendigen Folgeanordnungen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken bestehen. Diese Folgeentscheidungen dienen der Umsetzung des Widerrufs der waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse und stellen die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Überlassung bzw. Unbrauchbarmachung der Waffen und Abgabe der Erlaubnisurkunden sicher. Soweit der Behörde in diesen Folgeentscheidungen Ermessen eingeräumt ist, sind Ermessensfehler nicht ersichtlich.
42
Im Übrigen würde auch unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage bei einer reinen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der streitgegenständlichen Anordnungen das Interesse der Antragstellerin überwiegen.
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§ 45 Abs. 5 WaffG beseitigt von Gesetzes wegen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage gegen den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis wegen nachträglichen Wegfalls der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Der Gesetzgeber hielt in dieser Fallgruppe die Anordnung der sofortigen Vollziehung für dringend angezeigt. In derartigen Fällen sei im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung immer eine umgehende Beendigung des Waffenbesitzes geboten bzw. ein höherwertiges, legitimes, privates Interesse an einem weiteren Waffenbesitz bis zum Eintritt von Bestands- oder Rechtskraft (u.U. mehrere Monate oder Jahre) überhaupt nicht zu erkennen. Den berechtigten Belangen der Betroffenen könnte in Ausnahmefällen durch eine abweichende (Eil-) Anordnung der Verwaltungsgerichte Rechnung getragen werden (BT-Drucks. 16/7717 S. 33). In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nummern 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – juris Rn. 21 f.; BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 16; B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 23 f.).
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Die Antragstellerin hat hier keine Gründe vorgetragen, die auf besondere, über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hingewiesen hätten, aufgrund derer eine Abwägung zugunsten ihrer privaten Interessen ausfallen müsste. Der im streitgegenständlichen Bescheid verfügte Widerruf dient dem besonderen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen sowie Munition und daher dem Schutz überragender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung. Gegenüber diesem gewichtigen öffentlichen Interesse hat das private Interesse der Antragstellerin zurückzustehen, zumal insoweit ohnehin kein besonderes, einen vergleichbaren Fall übersteigendes Interesse vorgetragen wurde.
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Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) aus Gründen der Gefahrenabwehr besteht regelmäßig auch für die nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfassten, mit der Widerrufsentscheidung verbundene notwendige Anordnung, Waffen und Munition einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG) bzw. für die Anordnung der Rückgabe von Erlaubnisurkunden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG). Diese Folgeentscheidungen dienen der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse und stellen die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe von Waffen und Erlaubnisurkunden sicher. Die Verpflichtung, Waffenbesitzkarte und Europäischen Feuerwaffenpass zurückzugeben, folgt ebenso wie diejenige zur Abgabe bzw. Unbrauchbarmachung der Waffen aus dem Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse. Nachdem der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, ist im Regelfall davon auszugehen, dass hinsichtlich der Folgeentscheidungen dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 17; B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 26).
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Bezogen auf die Entziehung des Jagdscheins besteht bei der vorzunehmenden Abwägung ebenfalls ein Vorrang des öffentlichen Vollzugsinteresses. Insoweit ist die sofortige Vollziehung – anders als im Waffenrecht – zwar nicht schon gesetzlich angeordnet, weil das Bundesjagdgesetz eine Vorschrift wie § 45 Abs. 5 WaffG nicht enthält. Allerdings ist das öffentliche Vollzugsinteresse bei einer Entziehung des Jagdscheins wegen Unzuverlässigkeit inhaltlich deckungsgleich mit demjenigen des waffenrechtlichen Widerrufs. Denn der Jagdschein berechtigt unter den in § 13 Abs. 3 bis Abs. 6 WaffG erfassten Umständen ebenfalls zum Umgang mit Waffen. Mithin besteht auch hier ein öffentliches Interesse, nach einer Entziehung wegen Unzuverlässigkeit den weiteren Umgang mit Waffen nicht bis zu einem bestands- bzw. rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hinzunehmen, sondern diesen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung, die in § 45 Abs. 5 WaffG die Grundlage des gesetzlichen Sofortvollzugs bilden, sofort zu unterbinden (vgl. BayVGH, B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 27 m.w.N.).
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Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. Nrn. 1.5, 20.3 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Danach ist für die Waffenbesitzkarten einschließlich einer Waffe ein Betrag von 5.000,- Euro zzgl. 750,- Euro je weiterer Waffe (hier: 2 weitere Waffen) und für den Entzug des Jagdscheins 8.000.- Euro anzusetzen. Daraus errechnet sich für das Hauptsacheverfahren ein Gesamtstreitwert von 14.500,- Euro, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert wird.