Titel:
Dienstgeschäfteführungsverbot - Anschein einer rechtsradikalen Gesinnung
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5
BBG § 37 Abs. 1 S. 1, § 61 Abs. 1 S. 3, S. 2, § 66
Leitsätze:
1. Die Ausübung von Dienstgeschäften setzt nicht voraus, dass dem Beamten ein Amt im statusrechtlichen Sinne verliehen ist. Es genügt, dass ihm Dienstgeschäfte zur Wahrnehmung übertragen sind, weshalb auch ein Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Dienstgeschäfte im Sinne der Vorschrift ausübt (hier: Polizeimeisteranwärter). (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist keine erschöpfende Aufklärung erforderlich. Es genügt vielmehr, wenn der zuständige Vorgesetzte aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse zu der begründeten Überzeugung gelangt, dass dienstliche Gründe ein sofortiges Handeln erfordern und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als zwingend geboten erscheinen lassen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bereits das zurechenbare Setzen des Anscheins einer rechtsradikalen Gesinnung durch einen Polizeimeisteranwärter stellt eine Dienstpflichtverletzung dar und begründet eine Gefahrenlage hinsichtlich der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs. Die Frage, ob der Anwärter tatsächlich eine solche besitzt, bedarf keiner Klärung. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dienstgeschäfteführungsverbot, Anschein einer rechtsradikalen Gesinnung, Polizeimeisteranwärter, Beamtenverhältnis auf Widerruf, Eignungszweifel, rechtsradikale Gesinnung, vorwerfbares Fehlverhalten, Verfassungstreuepflicht
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 25.04.2023 – 6 CS 23.359
Fundstelle:
BeckRS 2023, 10177
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wurde am 01.09.2021 zur Polizeimeisteranwärterin, mithin zur Beamtin auf Widerruf, bei der Antragsgegnerin ernannt. Sie befand sich seit dem 01.09.2022 im zweiten Dienstjahr beim Bundespolizeiaus- und fortbildungszentrum … (BPOLAFZ ...) und ist dem …, Seminar 2, Lehrgruppe 3 zugeteilt.
2
Am 05.09.2022 um 13.10 Uhr während des Polizeitrainings der Lehrklasse … auf der Mattenfläche 5 in Gebäude … im BPOLAFZ … soll die Antragstellerin die Parole „Sieg Heil“ ausgerufen haben. Für die Auszubildenden bestand die Aufgabe, den Trainingspartner mittels Frontrisses zu Boden zu bringen. Dabei bildeten zwei Auszubildende ein Trainingsteam. Die Teams waren in Linie im Raum verteilt. Im Zuge dieser Übung fiel ein Auszubildender des benachbarten Trainingsteams zwischen die Antragstellerin und ihren Trainingspartner. Laut Angaben des Polizeitrainers Polizeimeister (PM) … soll die Antragstellerin in diesem Augenblick die vorgenannte Parole ausgerufen haben. Der Polizeitrainer habe die Antragstellerin daraufhin gefragt, ob sie die fragliche Parole tatsächlich ausgerufen habe, was die Antragstellerin bestätigt haben solle. Die Frage, ob sie um deren Bedeutung wisse, habe die Antragstellerin verneint und mitgeteilt, dass ihr Vater die Parole häufiger bei Fußballspielen nutze.
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Am 12.09.2022 wurde die Bundespolizeiakademie durch das BPOLAFZ … über den vorgenannten Sachverhalt informiert.
4
Am 05.10.2022 untersagte der stellvertretende Lehrbereichsleiter des BPOLAFZ …, Erster Polizeihauptkommissar (EPHK) …, in Vertretung für den Dienststellenleiter des BPOLAFZ …, Leitender Polizeidirektor (LtdPD) …, der Antragstellerin mündlich die weitere Ausübung der Dienstgeschäfte gemäß § 66 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) i.V.m. Ziffer 2 des Erlasses des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) vom 14.05.2008 zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte. Die Dokumentation erfolgte durch einen Aktenvermerk.
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Im Rahmen von sodann eingeleiteten Verwaltungsermittlungen gaben die Zeugen Polizeimeisteranwärter (PMA) … sowie Polizeimeisteranwärterin (PMAin) … unter dem 11.10.2022 an, dass sie sich während des Vorfalls in unmittelbarer Nähe zur Antragstellerin befunden hätten. Sie erklärten übereinstimmend, dass die Antragstellerin in der geschilderten Situation die Worte „Sieg Heil“ deutlich vernehmbar ausgerufen habe.
6
Mit Schreiben vom 14.10.2022 bestätigte die Bundespolizeiakademie das ausgesprochene Verbot der Führung der Geschäfte samt der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Antragstellerin durch den Ausruf der Parole „Sieg Heil“ das Ansehen der Bundespolizei und des Beamtentums in erheblichem Maße geschädigt habe, da sie dadurch den Anfangsverdacht für die Begehung einer Straftat nach § 86a Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB) begründet habe. Zugleich bestehe der weitere Verdacht, die Antragstellerin könne deshalb gegen die Verfassungstreuepflicht aus § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG und die ihr aus § 61 Abs. 2 Satz 3 BBG obliegende Pflicht verstoßen haben, innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die ihr Beruf erforderten. Im Interesse der Akzeptanz und der Legitimation staatlichen Handelns seien Beamte verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetztem Gedankengut und mit Bestrebungen zu vermeiden, die sich zu einem solchen Gedankengut bekennen würden. Mit dem Ausruf „Sieg Heil“ habe die Antragstellerin jedenfalls einen solchen Anschein gesetzt. Der Verbleib der Antragstellerin im Ausbildungsbetrieb könnte dem Eindruck Vorschub leisten, die Bundespolizei dulde in ihren Reihen Personen mit rechtsextremer Gesinnung, von denen potentielle Gefahren für den demokratischen Rechtsstaat ausgehen könnten und bilde diese zu Polizeivollzugsbeamten aus. Das Individualinteresse der Antragstellerin an einer weiteren Ausübung der Dienstgeschäfte müsse demgegenüber zurücktreten.
8
Zudem ergehe das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte zur Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes. Durch den Ausruf der Parole „Sieg Heil“ habe die Antragstellerin für ihre Mitschülerinnen und Mitschüler sowie ihre Vorgesetzten den Eindruck erweckt, dass sie mit dem Nationalsozialismus sympathisieren könnte. Ihr Bekenntnis im Rahmen der Einstellung, die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzuhalten und für diese einzustehen, stehe im Widerspruch zu dem von ihr gezeigten Verhalten, sodass erhebliche Zweifel an ihrer behaupteten inneren Einstellung und Überzeugung bestünden. Am 09.09.2022 habe der Leiter des BPOLAFZ …, LtdPD …, ein Gespräch mit der Antragstellerin über den vorgenannten Sachverhalt geführt. Dabei habe die Antragstellerin den Sachverhalt so geschildert, dass ein Auszubildender des benachbarten Teams zwischen sie und ihren Trainingspartner gefallen sei. Der zweite Auszubildende aus dem Nachbarteam habe daraufhin „Sieg“ gerufen. Auf die Frage des PMA, der zwischen die Antragstellerin und ihren Trainingspartner gefallen sei, was für ein Sieg dies sein solle, hätte die Antragstellerin reflexartig „Sieg Heil“ gesagt. Dem widersprächen die Zeugenaussagen von PMA … und PMAin … vom 11.10.2022, die im Rahmen der Verwaltungsermittlungen übereinstimmend ausgesagt hätten, dass die Antragstellerin die Parole „Sieg Heil“ zusammenhängend, vollständig und deutlich vernehmbar ausgerufen habe. PMA … habe zudem angegeben, dass in der Situation niemand das Wort „Sieg“ ausgesprochen habe, bevor die Antragstellerin die Parole gerufen habe. Die seitens der Antragstellerin vorgebrachte Rechtfertigung sei nicht nachvollziehbar. Es müsse von einer Anwärterin im Polizeivollzugsdienst erwartet werden, dass sie sich ausreichend mit der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auseinandergesetzt habe. Wenn die Antragstellerin die Parole tatsächlich mehrfach gehört habe, erscheine es unglaubwürdig, dass sie sich nicht um die Aufklärung ihrer Bedeutung bemüht habe. Im Übrigen habe die Antragstellerin, die ihre Ausbildung im September 2021 begonnen habe, zwischenzeitlich an mehreren Sensibilisierungsunterrichtungen teilgenommen. Bereits am 01.09.2021 sei der Antragstellerin das Merkblatt „Werte und Verhaltensregeln für Dienstanfänger“ der Bundespolizei ausgehändigt worden, welches unter Punkt 5 die Thematik „Extremismus und Verfassungstreue“ behandele. Zudem sei am 02.09.2021 im Rahmen einer Unterrichtseinheit des Ausbildungsleiters des mittleren Dienstes der Bundespolizeiausbildungsstätte …, EPHK …, in der Lehrgruppe der Antragstellerin eine Sensibilisierung zur Thematik „Extremismus“ erfolgt und die mit dem Tragen der Uniform verbundenen Erwartungen vermittelt worden. Auch am 14., 21. und 22.09.2022 hätte die Antragstellerin im Fach Polizeidienstkunde an Unterrichtungen zum Thema „Allgemeine dienstliche Kenntnisse – Verhaltensgrundsätze“ teilgenommen. Ebenfalls am 22.09.2022 seien Belehrungen gemäß dem Belehrungskatalog „Personalaktenrelevante Unterrichtungen und Erklärungen anlässlich meiner Einstellung in die Bundespolizei zum 1. September 2021“ erfolgt. Die Belehrung 17.1 „Erklärung über Treuepflicht zum Grundgesetz“ sei von der Antragstellerin unterzeichnet und ihrer Personalakte beigefügt worden.
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Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ergehe unter Anordnung der sofortigen Vollziehung. Es sei sicherzustellen, dass der Dienstbetrieb der Bundespolizeiausbildungseinrichtungen ungestört und ordnungsgemäß verlaufe. Ferner sei zu gewährleisten, dass Fehlverhalten, welches die Verwirklichung von Straftatbeständen zum Gegenstand habe, konsequent entgegengetreten werde. Nur so könne ein Nachahmungseffekt verhindert werden. Zudem würde es seitens der Gesellschaft zu einer erheblichen Ansehensschädigung der Bundespolizei kommen, wenn bekannt würde, dass eine Auszubildende, die derartige Äußerungen treffe, weiter beschäftigt werde.
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Unter dem 14.11.2022 erhob die Bevollmächtigte der Antragstellerin Widerspruch gegen das ausgesprochene Verbot der Führung der Dienstgeschäfte vom 05.10.2020, bestätigt durch Bescheid vom 14.10.2022.
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Mit Verfügung vom 09.11.2022 leitete das BPOLAFZ … gemäß § 17 Abs. 1 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) wegen des Verdachts eines Dienstvergehens ein Disziplinarverfahren gegen die Antragstellerin ein und rekurrierte auf den vorgenannten Sachverhalt. Das Verfahren wurde gemäß § 22 Abs. 3 BDG zunächst ausgesetzt, da wegen des Sachverhalts ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen § 86a StGB anhängig gewesen ist (Az. …*). Mit Verfügung vom 19.12.2022 hat die Staatsanwaltschaft … das Ermittlungsverfahren gegen die Antragstellerin wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen gemäß § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
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Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 27.12.2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht … am 30.12.2022, beantragt die Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 14.11.2022 gegen den Bescheid der Bundespolizeiakademie vom 05.10.2022/14.10.2022 wiederherzustellen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich die noch in Ausbildung befindliche Antragstellerin des Hintergrundes ihrer Aussage in keiner Weise bewusst gewesen sei. Die Antragstellerin habe sich zu dem Vorwurf wie folgt eingelassen:
„Am 05.09.2022 um 12:12 Uhr stand ETR auf dem Stundenplan. ETR begann und kurz vor Schluss der Stunde spielten wir im Zweierteam Bodenrandori. Zwei Mitschüler kämpften miteinander. Der eine gewann und lag auf dem anderen. Der Gewinner schrie „Sieg“, darauf antwortete ich: „Ja, Sieg Heil“. Diese Worte höre der ETR-Lehrer und fragte mich mehrmals (5-6 Mal), was ich soeben gesagt hätte. Ich antwortete ihm daraufhin, was meine Worte waren, also 5-6 Mal erneut diese Aussage. Er fragte mich, ob ich mir darüber bewusst wäre, was diese Worte bedeuten, was ich ihm mit mehrfachem „Nein“ beantwortete. Auf Nachfrage bei meinen Mitschülern bekam ich die Aufklärung dieser bereits getroffenen Aussage. Daraufhin lief ich zu dem ETR-Lehrer und entschuldigte mich, weil ich völlig unwissend diese Worte gesagt habe, jedoch wollte dieser meine Entschuldigung nicht annehmen und bestand darauf, dass ich nach der Stunde noch einmal zu ihm komme. Nach Unterrichtsende ging ich zum ETR-Lehrer, welcher sich meine Daten notierte. Zunächst ging es an meinen Lehrgruppenleiter, Herrn …, welchem ich den Sachverhalt ebenfalls schildern sollte. Am 09.09.2022 hatte ich ein Gespräch mit Herrn …, wo ich den Sachverhalt erneut schildern sollte. Diesem erklärte ich, dass mir das ganze Geschehen sehr unangenehm ist und unheimlich leid tut und ich mir über meine Worte ehrlich nicht bewusst war. Ebenso erklärte ich, dass ich ab der 8. Klasse Geschichte abgewählt hatte. Natürlich hatte ich das Thema 1933 – 1945, auch Hitlers Gruß, jedoch nicht diese Worte dazu. Ich war mir über meine Aussage wirklich nicht bewusst und ich hätte es auch nie ausgesprochen, wenn mir die Bedeutung klar gewesen wäre.“
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Etwaige Vorwürfe der PMAin … seien für die Antragstellerin nicht nachvollziehbar. Die Antragstellerin habe zu … keinen persönlichen Kontakt im Sinne von privaten Gesprächen oder Ähnlichem gehabt. Sie hätten in einer Wohngemeinschaft im BPOLAFZ … gewohnt. Nach Dienstende habe sich aber jeder auf sein Zimmer zurückgezogen oder etwas vorgehabt. Die Antragstellerin habe gegenüber PM … auch nicht erklärt, dass ihr Vater die hier gegenständliche Floskel regelmäßig zu Hause oder bei Fußballspielen benutzen würde. Weder die Antragstellerin noch ihre Familie sympathisierten mit rechtsextremen Gedankengut. In materieller Hinsicht überwiege das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Die hier angegriffene Maßnahme sei rechtswidrig. Die Antragstellerin befinde sich noch in der Ausbildung; das zweite Ausbildungsjahr habe erst am 05.09.2022 begonnen. Bei der Antragstellerin könne im Rahmen der Prüfung daher keinesfalls der Maßstab angelegt werden, der bei ausgebildeten Beamten Anwendung finde. Stattdessen müsse sie schnellstmöglich ihre Ausbildung fortsetzen dürfen, um möglichst wenig Ausbildungsinhalte zu versäumen. Es bestehe hier eine besondere Grundrechtsrelevanz (Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG). Die Antragstellerin sei sich über den rechtsextremen Hintergrund ihrer Aussage nicht bewusst gewesen, was sich auch in ihrer spontanen Reaktion auf die Nachfrage des ETR-Lehrers zu ihrer Aussage gezeigt habe.
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Mit Schriftsatz vom 03.01.2023 übermittelte die Bevollmächtigte der Antragstellerin eine eidesstaatliche Versicherung der Antragstellerin, der im Wesentlichen die bereits vorzitierten Ausführungen zu entnehmen sind.
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Mit Beschluss vom 04.01.2023 – … erklärte sich das Verwaltungsgerichts … für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth.
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Mit Schriftsatz vom 17.01.2023 beantragte die Bundespolizeiakademie für die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde zunächst auf die Ausführungen des Bescheides vom 14.10.2022 verwiesen. Durch den am 05.09.2022 erfolgten Ausruf der Parole „Sieg Heil“ sei der Anfangsverdacht begründet gewesen, dass die Antragstellerin sich gemäß § 86a StGB strafbar gemacht haben könnte. Dass das Ermittlungsverfahren gegen die Antragstellerin durch die Staatanwaltschaft … mit Verfügung vom 19.12.2022 nunmehr gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei, sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn unstreitig habe die Antragstellerin die Parole „Sieg Heil“ am 05.09.2022 im Rahmen des ETR Unterrichts ausgerufen. Dieser Ausruf sei sowohl vom Ausbilder PM … als auch durch die Zeugen PMA … und PMAin …, die sich in unmittelbarer Nähe befunden hätten, wahrgenommen worden. Damit lasse die Antragstellerin erhebliche Zweifel an ihrer Verfassungstreue aufkommen. Schon der laut hörbare und für die Umstehenden anlasslose Ausruf „Sieg Heil“ in einem dienstlichen Gebäude begründe Zweifel daran, dass die Antragstellerin Gewähr dafür biete, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten. Der Ausruf möge aus jugendlicher Unbesonnenheit erfolgt und kein Ausdruck entsprechender politischer Gesinnung sein – was vorsorglich bestritten werde –, gleichwohl erwecke die lautstarke Verwendung einer eindeutig und für jeden erkennbar nationalsozialistischen Parole den Eindruck einer ideologischen Nähe. Die Themen „Rechtsextremismus“ und „Radikalisierung“ seien ständig präsent und würden im Unterricht regelmäßig thematisiert, insbesondere in entsprechenden Sensibilisierungsunterrichtungen, an denen die Antragstellerin teilgenommen habe. Demgemäß seien die Angaben der Antragstellerin, sie habe zum Zeitpunkt des Vorfalles am 05.09.2022 die Bedeutung der Parole „Sieg Heil“ nicht gekannt und sei sich über den rechtsextremen Hintergrund ihrer Aussage nicht bewusst gewesen, nicht glaubhaft. Gerade in den Sensibilisierungsunterrichtungen werde ausdrücklich darauf eingegangen, dass rechtsextremistische Verhaltens- bzw. Ausdrucksweisen nicht ansatzweise geduldet würden, da sie mit dem Berufsbild eines Polizeibeamten nicht vereinbar seien. Als angehende Polizeivollzugsbeamtin repräsentiere die Antragstellerin die Bundesrepublik Deutschland nach außen und nehme eine Vorbildfunktion wahr. Durch die Äußerung einer als rechtsextremistisch einzustufenden Aussage sei sie diesen Anforderungen nicht gerecht geworden. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des voraussichtlich rechtmäßigen Verbots der Führung der Dienstgeschäfte überwiege insgesamt das private Interesse der Antragstellerin, davon einstweilen verschont zu bleiben. Das erforderliche Vertrauen des Dienstherrn in ihre persönliche Integrität als Polizeivollzugsbeamtin sei nachhaltig erschüttert worden.
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Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung der Klage gegen einen Verwaltungsakt wiederherstellen, dessen sofortige Vollziehung die Behörde – wie hier die Antragsgegnerin hinsichtlich des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte – gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat. Die Entscheidung des Gerichts hängt von einer Abwägung des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit mit dem privaten Interesse der Antragstellerin an einem vorläufigen Aufschub der Vollziehung ab. Der Antrag hat Erfolg, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, da an der sofortigen Vollziehung einer solchen Maßnahme kein öffentliches Interesse bestehen kann, oder wenn das private Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Vollzugsinteresse aus anderen Gründen überwiegt. Formales Erfordernis für die behördliche Vollziehungsanordnung ist darüber hinaus gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, dass das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung ordnungsgemäß begründet wurde.
22
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte ist in aller Regel zu bejahen, sofern dieses nicht offensichtlich rechtswidrig ist (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – BeckRS 2016, 52571 Rn. 7; VG Augsburg, B.v. 14.6.2017 – Au 2 S 17.491 – juris Rn. 20 m.w.N.). Beim Vorliegen von Gründen, die ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erforderlich machen, ist dieses regelmäßig auch unaufschiebbar, um den Zweck eines solchen Verbots erfüllen zu können. Für die Begründung der sofortigen Vollziehung sind deshalb grundsätzlich keine weiteren Gründe erforderlich als für die Anordnung des Verbots (vgl. VG München, B.v. 20.6.2016 – M 5 S. 16.1250 – juris Rn. 18; B.v. 13.10.2006 – M 5 S. 06.3478 – juris Rn. 15).
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Die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.10.2022 gegebene Begründung für die Sofortvollzugsanordnung genügt den formalen Anforderungen von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Antragsgegnerin hat nicht lediglich den Gesetzeswortlaut wiederholt, sondern die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung angegebenen Gründe lassen erkennen, dass eine Einzelfallprüfung erfolgte und die unterschiedlichen, einander widerstreitenden Interessen der Beteiligten gegeneinander abgewogen wurden. So rekurrierte die Antragsgegnerin neben dem drohenden Ansehensverlust der Bundespolizei auf die Gewährleistung eines ungestörten und ordnungsgemäßen Verlaufs des Dienstbetriebs. Insoweit sei ausweislich der weiteren Ausführungen der verfahrensgegenständlichen Verfügung sicherzustellen, dass Fehlverhalten, welches die Verwirklichung von Straftatbeständen zum Hintergrund habe, konsequent entgegengetreten werde, um insbesondere auch einen Nachahmungseffekt zu verhindern.
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Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Gründe der Verbotsverfügung regelmäßig zugleich das besondere öffentliche Interesse an ihrer sofortigen Vollziehung tragen (vgl. VG Augsburg, B.v. 14.6.2017 – Au 2 S 17.491 – juris Rn. 21; VG Düsseldorf, B.v. 18.5.2016 – 13 L 832/16 – juris Rn. 6 ff. m.w.N.).
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Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist daher nur möglich, wenn nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung bezogen auf den Zeitpunkt des Ergehens der Verbotsverfügung (BayVGH, B.v. 20.3.2017 – 3 ZB 16.921 – juris Rn. 12) grundlegende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung bestehen (OVG Hamburg, B.v. 3.8.1954 – Bs II 32/54 – VerwRspr 1955, 216 f.; VG München, B.v. 20.6.2016 – M 5 S. 16.1250 – juris Rn. 19). Ergibt sich, dass der seitens der Antragstellerin eingelegte Rechtsbehelf – hier der mit Schriftsatz vom 14.11.2022 erhobene Widerspruch – voraussichtlich erfolglos sein wird, scheidet eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung aus.
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Hiervon ausgehend ergibt die summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage im vorliegenden Fall, dass keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der für sofort vollziehbar erklärten Verbotsverfügung vom 05.10.2022 bzw. 14.10.2022 bestehen.
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Gemäß § 2 des Bundespolizeibeamtengesetzes (BPolBG) i.V.m. § 66 Satz 1 BBG kann die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde einer Beamtin oder einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten. Ob zwingende dienstliche Gründe im Sinne von § 66 BBG zu bejahen sind, ist nach den Kenntnissen, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Verbots vorgelegen haben, zu beurteilen. Da es sich um ein vorläufiges Verbot im Sinne einer materiell-rechtlichen Eilmaßnahme handelt – denn es erlischt gemäß § 66 Satz 2 BBG, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin bzw. den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist –, kann keine abschließende Klärung des Sachverhalts gefordert werden (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – BeckRS 2016, 52571 Rn. 12). Die endgültige Aufklärung ist dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und dem etwaig eingeleiteten Entlassungsverfahren vorbehalten.
28
Die Ausübung von Dienstgeschäften setzt nicht voraus, dass der Beamtin bzw. dem Beamten ein Amt im statusrechtlichen Sinne verliehen ist. Es genügt vielmehr, dass ihr bzw. ihm Dienstgeschäfte zur Wahrnehmung übertragen sind, weshalb auch eine Beamtin bzw. ein Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst – wie hier – Dienstgeschäfte im Sinne der Vorschrift ausübt (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – BeckRS 2016, 52571 Rn. 13).
29
Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Zwingende dienstliche Gründe sind gegeben, wenn bei weiterer Ausübung des Dienstes durch die Beamtin bzw. den Beamten auf ihrem bzw. seinem bisherigen Dienstposten der Dienstbetrieb erheblich beeinträchtigt würde oder andere gewichtige dienstliche Nachteile ernsthaft zu besorgen wären (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – BeckRS 2016, 52571 Rn. 14; vgl. zu § 22 SG: BVerwG, B.v. 19.11.1998 – 1 WB 36.98 – juris Rn. 5). Die zu befürchtenden Nachteile müssen so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch die Beamtin bzw. den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann (vgl. zu § 39 BeamtStG: OVG NW, B.v. 17.6.2013 – 6 A 2586/12 – juris 13). Anders als bei der vorläufigen Dienstenthebung im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren kommt es bei einem Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nach § 66 BBG nicht auf ein vorwerfbares Fehlverhalten der Beamtin bzw. des Beamten an, sondern auf die objektive Gefährdung des Dienstes. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dient gemäß § 66 BBG der dienstrechtlichen Gefahrenabwehr; die Maßnahme trägt nur vorläufigen Charakter. Mit ihr sollen durch eine sofortige oder wenigstens eine sehr rasche Entscheidung des Dienstherrn gravierende Nachteile durch die aktuelle Dienstausübung der Beamtin bzw. des Beamten für den Dienstherrn vermieden werden. Maßgebend ist die Prognose, dass die Aufgabenerfüllung der Verwaltung durch die vorerst weitere Amtsführung der Beamtin bzw. des Beamten objektiv gefährdet ist. Demnach ist nicht erforderlich, dass bereits Klarheit über den Grund für die Beeinträchtigung der dienstlichen Belange oder die weitere Verwendung und Behandlung der Beamtin bzw. des Beamten besteht; vielmehr eröffnet das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte dem Dienstherrn die Möglichkeit, ohne Gefährdung der dienstlichen Interessen Ermittlungen anzustellen und eine solidere Grundlage für dauerhafte Entscheidungen zu gewinnen. Entsprechend dem Zweck des Verbots genügt insoweit der auf hinreichenden Anhaltspunkten beruhende Verdacht einer Gefahrenlage. Die endgültige Aufklärung ist den in § 66 Satz 2 BBG aufgeführten weiteren Verfahren vorbehalten (so auch zu § 39 BeamtStG: OVG NW, B.v. 30.7.2015 – 6 A 1454/13 – juris Rn. 7 ff. m.w.N.).
30
Für ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist daher keine erschöpfende Aufklärung erforderlich; es genügt vielmehr, wenn der zuständige Vorgesetzte aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse zu der begründeten Überzeugung gelangt, dass dienstliche Gründe ein sofortiges Handeln erfordern und das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte als zwingend geboten erscheinen lassen (vgl. zu § 22 SG: BVerwG, B.v. 19.11.1998 – 1 WB 36.98 – juris Rn. 8).
31
Vorliegend hat die Antragsgegnerin ausweislich der Begründung der Verbotsverfügung begründete Zweifel daran, dass die Antragstellerin die persönliche und fachliche Eignung für ihr Amt besitzt. Denn es gibt konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sie aufgrund ihrer mutmaßlich rechtsextremen Gesinnung nicht die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Die Pflicht des Beamten zur Verfassungstreue ist ein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG, die auch für das Beamtenverhältnis auf Widerruf im Vorbereitungsdienst gilt (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – juris Rn. 24). Da Beamtinnen und Beamte auf Widerruf gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG jederzeit entlassen werden können, können berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue einen sachlichen Grund für die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf darstellen; der Nachweis eines konkreten Dienstvergehens oder einer schuldhaften Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue ist insoweit nicht erforderlich (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.71 – juris Rn. 20). Beamtinnen und Beamten obliegt nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG die Pflicht, sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten. Sie sind im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Beamtenschaft gehalten zu vermeiden, dass sie durch ihr Verhalten in vorhersehbarer und ihnen daher zurechenbaren Weise den Anschein setzen, sich mit dem Nationalsozialismus zu identifizieren oder auch nur mit ihm zu sympathisieren. Im Interesse der Akzeptanz und Legitimation staatlichen Handelns sind sie verpflichtet, bereits den Schein der Identifikation mit einem dem freiheitlichen Rechtsstaat diametral entgegengesetzten Gedankengut und mit Vereinigungen zu vermeiden, die sich zu einem solchen Gedankengut bekennen. Schon das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins stellt eine Dienstpflichtverletzung dar (vgl. BVerwG, U.v. 17.5.2001 – 1 DB 15.01 – NVwZ 2001, 1410/1412; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 14.6.2003 – OVG 6 S 1.13 – juris Rn. 36).
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Schon nach den eigenen Einlassungen der Antragstellerin steht fest, dass diese während des Einsatztrainings am 05.09.2022 die Parole „Sieg Heil“ ausgesprochen hat. Dieser Sachverhalt lässt sich zudem der Stellungnahme des Polizeitrainers, PM …, vom 06.09.2022 (vgl. Beiakte Bl. 4) entnehmen, der den Ausspruch der fraglichen Parole durch die Antragstellerin selbst vernommen und diese anschließend zur Rede gestellt hatte. Auch auf die Nachfragen des Polizeitrainers hin, bestätigte die Antragstellerin mehrfach die vorgenannte Parole verwendet zu haben. Darüber hinaus gaben die seitens der Antragsgegnerin vernommenen Zeugen PMAin … (vgl. Beiakte Bl. 14) und PMA … (vgl. Beiakte Bl. 16) übereinstimmend an, dass die Antragstellerin die Worte „Sieg Heil“ deutlich vernehmbar und zusammenhängend während des Einsatztrainings am 05.09.2022 ausgesprochen hat. Damit hat die Antragstellerin unter Zugrundelegung der vorgenannten Maßstäbe in zurechenbarer Weise den Anschein gesetzt, mit dem Nationalsozialismus jedenfalls zu sympathisieren. Die Frage, ob die Antragstellerin tatsächlich einer rechtsradikalen Gesinnung aufsitzt, bedarf keiner Klärung. Denn ausweislich der vorstehenden Ausführungen stellt bereits das zurechenbare Setzen eines dahingehenden Anscheins eine Dienstpflichtverletzung dar und begründet eine Gefahrenlage hinsichtlich der Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs.
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Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Antragstellerin behauptet, sich der Bedeutung der verwendeten Parole nicht bewusst gewesen zu sein, da sie das Fach Geschichte in der 8. Klasse der Realschule abgewählt habe. Ausweislich der von Antragstellerseite nicht bestrittenen Ausführungen der Antragsgegnerin wurde die Antragstellerin im Rahmen des bereits absolvierten ersten Ausbildungsjahres anlässlich diverser Sensibilisierungsunterrichtungen über das Thema Extremismus und die für Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte geltenden Verhaltungsgrundsätze eingehend informiert. Darüber hinaus wurden ihr entsprechende Merkblätter und Belehrungen hinsichtlich der Treuepflicht zum Grundgesetz ausgehändigt, deren Erhalt und Verständnis sie personalaktenwirksam dokumentierte. Vor diesem Hintergrund wirkt die Einlassung der Antragstellerin, sich der Bedeutung der ausgerufenen Parole nicht bewusst gewesen zu sein, in höchstem Maße unglaubhaft. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Suspendierungsverfügung zu Recht darauf hinweist, dass – auch von angehenden – Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten ein Mindestmaß an Allgemeinbildung und insbesondere Kenntnis der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erwartet werden kann. Dies zumal ihnen in Ausübung ihres Amtes die Verhinderung von Straftaten und die Abwehr von Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung obliegt. Da sich die Antragstellerin ausweislich ihrer eigenen Einlassungen der strafrechtlichen Relevanz des von ihr getätigten Ausrufs nicht einmal bewusst war, sind die von Antragsgegnerseite geäußerten Eignungszweifel umso mehr begründet.
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Ferner kommt es entgegen der Annahme der Antragstellerin nicht darauf an, dass die Staatsanwaltschaft das parallele strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingestellt hat. Zum einen dürfte die Einstellung aus rechtlichen Gründen erfolgt sein, da das der Antragstellerin zur Last gelegte behördeninterne Verhalten nicht dem ein öffentliches Handeln erfordernden Straftatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB unterfallen dürfte, wohingegen diese Unterscheidung für das Vorliegen eines Dienstvergehens in rechtlicher Hinsicht keine Relevanz hat. Zum anderen kommt es in tatsächlicher Hinsicht auf die Prognose des Dienstvorgesetzten an, ohne dass insoweit eine Bindung an die tatsächlichen Feststellungen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens besteht (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 18.8.2022 – OVG 10 S 3/22 – juris Rn. 13).
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Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erweist sich auch weder als ermessensfehlerhaft (vgl. zur Frage, ob § 39 Satz 1 BeamtStG die Ausübung von Ermessen verlangt z.B. BayVGH, B.v. 20.3.2017 – 3 ZB 16.291 – juris Rn. 13) noch als unverhältnismäßig. Sofern die Tatbestandsvoraussetzungen der zwingenden dienstlichen Gründe für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erfüllt sind, wird in aller Regel Ermessen nicht mehr hinsichtlich der Anordnung der Maßnahme als solcher, sondern im Wesentlichen nur noch dahingehend eröffnet sein, ob es eine andere Möglichkeit gibt, die betreffende Beamtin bzw. den betreffenden Beamten amtsangemessen zu beschäftigen, gegebenenfalls auch zu Dauer und Umfang des Verbots (vgl. OVG NW, B.v. 17.6.2013 – 6 A 2586/12 – juris Rn. 14). Die Schwere des Verdachts lässt hier eine weitere Tätigkeit der Antragstellerin derzeit als unvertretbar erscheinen. Auch der Umstand, dass sich die Antragstellerin lediglich im Ausbildungsverhältnis befindet, führt zu keiner anderen Bewertung. Dies ergibt sich aus den von Seiten der Antragsgegnerin angeführten Argumenten. Dazu heißt es zutreffend im Bescheid, ein Verbleib im Ausbildungsbetrieb würde zu einem erheblichen Ansehensverlust für die Bundespolizei führen und könne dem Eindruck Vorschub leisten, die Bundespolizei dulde in ihren Reihen rechtsextremistische oder jedenfalls menschenverachtende Äußerungen. Insoweit sei zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs auch ein Nachahmungseffekt hinsichtlich der Anwärterkolleginnen und -kollegen der Antragstellerin auszuschließen. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass der Antragstellerin durch das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte angesichts der Fortzahlung der Bezüge keine erheblichen finanziellen Nachteile entstehen.
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Schließlich stand der Antragsgegnerin auch kein milderes Mittel zur Verfügung. Die Integrität der Antragstellerin in ihrer Stellung als Beamtin steht insgesamt in Frage, so dass es der Antragsgegnerin auch vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich verbürgten Anspruchs eines Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung nicht zuzumuten ist, die Antragstellerin nur von einzelnen Tätigkeiten auszuschließen, sie im Übrigen aber weiterzubeschäftigen. Die Gründe, die für das Verbot sprechen, betreffen die gesamte dienstliche Tätigkeit der Antragstellerin. Im Übrigen gibt es für einen Widerrufsbeamten im Vorbereitungsdienst keine andere Möglichkeit der amtsangemessenen Beschäftigung (vgl. OVG SH, B.v. 5.8.2016 – 2 MB 23/16 – juris Rn. 26).
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2. Die Antragstellerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).