Inhalt

VGH München, Beschluss v. 24.04.2023 – 24 CS 23.412
Titel:

Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach Verstoß gegen waffenrechtliche Aufbewahrungsvorschriften

Normenketten:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b, § 36, § 45 Abs. 2 S. 1
BJagdG § 18
Leitsätze:
1. Für die Prognoseentscheidung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG ist es ohne Belang, ob von einer vorherigen unsorgfältigen Verwahrung von Waffen oder Munition konkrete Gefahren ausgingen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bereits ein einmaliger Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten kann grundsätzlich die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit – in Gestalt zu erwartender Verwahrungsverstöße iSv § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG – rechtfertigen. Anders als § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG stellt § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG aber keine Fiktion dahingehend auf, dass aus bestimmtem Verhalten der Vergangenheit die Unzuverlässigkeit zwingend abzuleiten ist. Insoweit lässt die Prognose auch Raum für die Annahme menschlicher Einsichtsfähigkeit und Verhaltensänderung. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Verstößt ein Waffenbesitzer gegen die Aufbewahrungsvorschriften des § 36 Abs. 1 S. 1, S. 2 WaffG  ist dies ein gewichtiges Indiz dafür, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht mehr verdient. Es bedarf keiner weiteren Verstöße, um eine negative Zukunftsprognose zu rechtfertigen. Ein bis zu diesem Verstoß beanstandungsfreies Verhalten begründet keinen Ausnahmefall, vielmehr sieht dies der Gesetzgeber als Regelfall an. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse, Verstoß gegen Aufbewahrungspflichten, Unzuverlässigkeit, Prognosemaßstab
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 14.02.2023 – AN 16 S 23.141, AN 16 S 23.174
Fundstelle:
BeckRS 2023, 10164

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 8.375,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. Januar 2023, mit dem seine waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse widerrufen bzw. eingezogen wurden, sowie dazugehörige Nebenbestimmungen.
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Anlässlich einer Hausdurchsuchung am Wohnsitz des Antragstellers am 17. August 2022 stellte die Kriminalinspektion Fürth fest, dass der Antragsteller nach Auffassung der Polizei seine Waffen nicht in der rechtlich vorgeschriebenen Art und Weise verwahrte. Im Waffenschrank steckte der Schlüssel im Schloss, sodass dieser durch bloßes Aufziehen der Tür geöffnet werden konnte. Darin befanden sich Waffen und Munition. Eine Unterhebelrepetierbüchse stand ca. einen Meter vom Waffenschrank entfernt angelehnt an der Wand, weitere Munition wurde im Flur auf einer Kommode aufgefunden. Ein Revolver lag im Schlafzimmer versteckt zwischen Matratze und Lattenrost, neben dem Bett unter einem Hocker wurde die dazugehörige Munition aufgefunden. Zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung hielt sich die Ehefrau des Antragstellers alleine in der Wohnung auf.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 4. Januar 2023 widerrief das Landratsamt F. (im Folgenden: Landratsamt) die dem Antragsteller erteilte waffenrechtliche Erlaubnis (Nr. 1), gab ihm auf, seine Schusswaffen und Munition einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen (Nr. 2), erklärte seinen Jagdschein für ungültig und zog selbigen ein (Nr. 3). Der Antragsteller wurde unter Zwangsgeldandrohung (Nr. 7) aufgefordert, den Jagdschein sowie die Waffenbesitzkarte zurückzugeben (Nr. 4). Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet (Nr. 6).
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Hiergegen erhob der Antragsteller am 20. Januar 2023 Klage, über die noch nicht entschieden ist. Seinen zugleich gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschluss vom 14. Februar 2023 weitgehend abgelehnt. Ein einheitliches Zwangsgeld für mehrere selbstständige Handlungen, wie in Nr. 4 des Bescheids angeordnet, anzudrohen, sei rechtswidrig, sodass bezüglich Nr. 7 des Bescheids die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet werde. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet, da sich nach summarischer Überprüfung der Bescheid als rechtmäßig darstelle. Der Widerruf der Waffenbesitzkarte nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG i.V.m. mit § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG sei nicht zu beanstanden, da der Antragsteller gegen Waffenaufbewahrungsvorschriften verstoßen habe, indem er am 17. August 2022 Waffen sowie Munition frei zugänglich und nicht in entsprechenden Behältnissen aufbewahrt habe. Es sei irrelevant, dass die Ehefrau des Antragstellers die Waffen und Munition nicht bemerkt haben soll und sich das Risiko, dass ein unbefugter Dritter diese an sich nehme, nicht realisiert habe, da es nur auf das Verhalten des Waffenerlaubnisinhabers ankomme. Der Vortrag des Antragstellers, den Revolver zur nächtlichen Prüfung und Reinigung entnommen zu haben, ändere an dieser Beurteilung nicht, denn auch im Rahmen der Prüfung und Wartung solle nur die jeweilige Waffe aus dem Sicherheitsbehältnis entnommen werden und sich nur für die Dauer der Funktionsprüfung außerhalb der sicheren Aufbewahrung befinden. Für eine Lagerung mehrerer Waffen einschließlich Munition über einen langen Zeitraum außerhalb des Waffenschrankes habe keine objektive Notwendigkeit bestanden. Die festgestellten mehrfachen und schwerwiegenden Verstöße gegen § 36 Abs. 1 WaffG rechtfertigten die Annahme, dass der Antragsteller auch künftig mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werde, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Bei der Prognose dürften keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Es handele sich nicht lediglich um einen einzelnen Verstoß hinsichtlich des Revolvers im Rahmen einer nicht abgeschlossenen, nächtlichen Funktionsprüfung, sondern um mehrfache Verstöße bzgl. Waffen und auch Munition, die gleich an unterschiedlichen Stellen in der Wohnung nicht ordnungsgemäß gelagert gewesen seien. Auch wenn die weiteren Waffen des Antragstellers im Waffenschrank verwahrt worden seien, steckte in diesem der Schlüssel im Schloss, sodass die Tür durch bloßes Aufziehen zu öffnen war. Da der Antragsteller offenbar davon ausgegangen sei, er könne zulässigerweise sein Wohnhaus mit teils offen herumliegender Munition und frei zugänglichen Waffen verlassen, unterstreiche dies seinen fahrlässigen Umgang. Eine andere Prognose ergebe sich auch nicht vor dem Hintergrund, dass die in seinen Geschäftsräumen befindlichen Waffen ordnungsgemäß verwahrt gewesen seien, oder dass sich der Antragsteller als langjähriger Jäger und Falkner bislang nichts habe zuschulden kommen lassen und als Greifvogelzüchter in besonderem Maße auf seine waffenrechtlichen Erlaubnisse angewiesen sein solle. Vielmehr hätten dem Antragsteller in Anbetracht seiner langjährigen Erfahrung und seiner beruflichen Befassung die Aufbewahrungspflichten umso präsenter sein müssen. Die vom Antragsteller gleich mehrfach missachtete Sorgfalt in Zusammenhang mit der Aufbewahrung von Waffen und Munition zeige eine sorglose Fehleinstellung in deren Umgang. Folglich sei auch die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins rechtmäßig, § 18 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BJagdG. Ebenso bestünden keine durchgreifenden Zweifel hinsichtlich der Verpflichtung, seine Schusswaffen und Munition einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen, § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Gleiches gelte für die Rückforderung des Jagdscheins und die Verpflichtung zur Rückgabe der Waffenbesitzkarte, § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG.
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Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Zur Begründung trägt er unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen vor, dass die Qualität des vorliegenden Verstoßes nicht die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertige. Der Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten werde nicht bestritten, jedoch müsse ein einmaliger Verstoß mit der bisherigen Vergangenheit im berechtigten Umgang mit Waffen ins Verhältnis gesetzt werden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne nicht schon die bloße Feststellung eines formalen Verstoßes gleichsam mechanisch die Entziehung der Erlaubnisse begründen. In den ebenfalls durchsuchten Geschäftsräumen des Antragstellers seien die Waffen vorschriftsmäßig verwahrt gewesen, was zeige, dass er seinen Aufbewahrungspflichten nachkomme und es sich bei dem anderweitig festgestellten Fehlverhalten nicht um eine Gewohnheit oder den Ausfluss einer generell laxen Einstellung handele. Die bisherige tadellose Führung im Umgang mit Waffen spreche für die grundsätzliche Zuverlässigkeit des Antragstellers, ebenso wie aus seinem aktuellen erweiterten Führungszeugnis hervorgehe, dass er auch sonst nicht in negativer Weise aufgefallen sei. Nicht jeder Verstoß gegen Aufbewahrungspflichten berge zudem das gleiche Gefährdungspotential. Die Waffen seien vorliegend auf einem abgelegenen Grundstück in einem massiven Gebäude mit vergitterten Fenstern, welches durch einen Wachhund gegen den unbefugten Zutritt Fremder gesichert sei, zwar nicht ordnungsgemäß im Waffenschrank eingeschlossenen gewesen. Die einzige Person, die während der kurzen Zeit auf die Waffen hätte unbefugten Zugriff nehmen können, sei die schlafende Ehefrau des Antragstellers gewesen. Der festgestellte Pflichtverstoß sei daher nicht grob und von geringer Aussagekraft für den künftigen Umgang mit Waffen gewesen. Zudem lägen nicht mehrfache Verstöße vor, da die gesamte Auffindesituation auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt, nämlich die nächtliche Waffenreinigung zurückgehe und in einem räumlich-zeitlichem Zusammenhang stehe.
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Der Antragsgegner, vertreten durch die Landesanwaltschaft Bayern, beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen,
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und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
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Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben.
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I. Die Beschwerde ist zulässig, auch wenn ein bestimmter Antrag nicht formuliert wurde, vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Dem Erfordernis eines bestimmten Antrags wird bereits dann genügt, wenn ein ausdrücklicher Antrag zwar nicht gestellt wurde, sich das Rechtsschutzziel aber mittels Auslegung der Beschwerdeschrift anhand des dort verlautbarten Willens ermitteln lässt (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2021, § 146 Rn. 41). Der Senat legt die vorgelegte Begründung dahingehend aus, dass begehrt wird, den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 14. Februar 2023, soweit der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt wurde, abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich der Ziffer 1 anzuordnen und hinsichtlich der Ziffern 2 bis 4 wiederherzustellen.
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II. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
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1. Mit dem Verwaltungsgericht ist nach der gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass sich der Bescheid des Antragsgegners im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen wird. Die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers waren nach § 45 Abs. 2 Satz 1 des Waffengesetzes (WaffG) i.d.F. d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (BGBl I S. 3970), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328), zu widerrufen, weil nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die zu ihrer Versagung hätten führen müssen. Der Antragsteller besitzt im maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr die für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit, weil der absolute Unzuverlässigkeitsgrund i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG vorliegt. Gleiches gilt für die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins gemäß § 18 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) i.d.F. d. Bek. vom 29. September 1976 (BGBl I S. 2849), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328) i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 BJagdG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, sowie die weiteren Nebenentscheidungen. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Beschlusses und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
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1.1. Das Erfordernis der Zuverlässigkeit soll Gefahren für die Allgemeinheit oder Dritte vermeiden (vgl. Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 1; Knauff, Jura 2022, 1418/1418). Entsprechend dieser Funktion geht es nicht um die Sanktionierung von Fehlverhalten, sondern um die Gewährleistung künftig ordnungsgemäßen und insbesondere gefahrlosen und rechtstreuen Agierens. Indem der Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG das maßgebliche Prognoseergebnis – nämlich die unsorgfältige Verwahrung von Waffen oder Munition – abschließend definiert hat, ist es ohne Belang, ob im jeweiligen Einzelfall von einer unsorgfältigen Verwahrung konkrete Gefahren ausgingen. Für das Ergebnis der Prognose – ob also eine solche sorgfaltswidrige Verwahrung mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit künftig zu erwarten ist – dürfen ausweislich des Wortlauts (sämtliche) Tatsachen, mithin alle gegenwärtigen oder vergangenen Tatsachen zugrunde gelegt werden (vgl. VGH BW, B.v. 25.1.2023 – 6 S 1792/22 – juris Rn. 9). Die maßgeblichen Tatsachen müssen den Schluss von der Gegenwart auf das „Verwahrungsverhalten“ zulassen, was einen entsprechenden Bezug zur regulierten Tätigkeit voraussetzt. Sie müssen jedoch selbst keinen Gesetzesverstoß begründen (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2016 – 21 CS 15.2466 – juris Rn. 16).
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Das Regelungskonzept des Waffengesetzes ist als Materie des Sicherheitsrechts strikt präventiv ausgerichtet und dient der Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17). Folglich richtet sich die notwendige Wahrscheinlichkeit für das Eintreten des inkriminierten Verwahrverhaltens nach der sog. Je-desto-Formel (vgl. allgemein Bäcker in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, Kap. D Rn. 101 m.w.N.). Da hiernach das mit jedem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko möglichst gering gehalten werden soll (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215.93 – juris Rn. 10) und von Waffen und Munition Gefahren für besonders hochrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit ausgehen (vgl. SächsOVG, B.v. 13.9.2022 – 6 B 182/22 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 24.11.2017 – 21 CS 17.1531 – juris Rn. 14), sind die Anforderungen an die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Verwahrungsverstoßes nicht hoch. Es bedarf nicht etwa einer mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17; BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215.93 – juris Rn. 10), es genügt vielmehr eine gewisse (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215.93 – juris Rn. 10; VGH BW, B.v. 25.1.2023 – 6 S 1792/22 – juris Rn. 9) bzw. hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17; BVerwG, B.v. 31.1.2008 – 6 B 4.08 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 16.5.2022 – 24 CS 22.737 – juris Rn. 12) für eine nicht ordnungsgemäße Verwahrung. Erst und nur unterhalb der Schwelle dieser niedrigen Wahrscheinlichkeit sind die gleichwohl unvermeidbaren Restrisiken hinnehmbar.
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Da für die Bildung einer zukunftsbezogenen Erwartung individuellen Verhaltens in der Regel belastbare wissenschaftliche Erfahrungssätze (über Zusammenhänge zwischen Tatsachen und zukünftigem Verhalten) fehlen, genügt es als Prognosemethode heuristisch auf die Erfahrung abzustellen, dass Wiederholung den Verhaltenskanon des Menschen prägt (vgl. VG München, B.v. 19.7.2022 – M 2 S 22.2183 – Rn. 42; Eifert, JuS 2004, 565/568) und es insoweit grundsätzlich auch möglich ist, bei einmaligen Verhaltensweisen vom Vorliegen der erforderlichen gewissen bzw. hinreichenden Wahrscheinlichkeit auszugehen. Daher geht die Rechtsprechung davon aus, dass bereits ein einmaliger Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten grundsätzlich die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit – in Gestalt zu erwartender Verwahrungsverstöße im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG – rechtfertigen kann (vgl. BayVGH, B.v. 14.11.2016 – 21 ZB 15.648 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 4.11.2015 – 21 CS 15.2023 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 28.11.2013 – 21 CS 13.1758 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 2.10.2013 – 21 CS 13.1564 – juris Rn. 12). Gleichwohl darf nicht verkannt werden, dass hierdurch kein Erfahrungssatz im strengen Sinne begründet wird, der – im Unterschied zu einer Erfahrungstatsache – unzweifelhaft gilt und keine Ausnahmen kennt (vgl. BVerwG, U.v. 22.4.1994 – 8 C 29/92 – juris Rn. 23; BVerwG, B.v. 18.12.2019 – 10 B 14/19 –, juris Rn. 26; Kraft in Eyermann, VwGO, 22. Aufl. 2022, § 108 Rn. 32 f.; s. zu weiteren begrifflichen Differenzierungen auch Dawin in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand August 2022, § 108 Rn, 13 ff. (Stand April 2013)). Es besteht kein Automatismus in dem Sinne, dass ein nachgewiesener Verstoß unweigerlich eine negative Prognose ergibt (vgl. VG Ansbach, U.v. 3.12.2003 – AN 15 K 03.00325 – juris Rn. 29). Anders als § 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG stellt § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG keine Fiktion dahingehend auf, dass aus bestimmtem Verhalten der Vergangenheit die Unzuverlässigkeit zwingend abzuleiten ist. Insoweit lässt die Prognose auch Raum für die Annahme menschlicher Einsichtsfähigkeit und Verhaltensänderung. Insgesamt ist daher entscheidend, ob die ermittelten Tatsachen nach aller Lebenserfahrung ein plausibles Risiko dafür begründen, dass der Betroffene künftig das prognoserelevante Verhalten (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG) begehen wird (BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17). Hierbei ist zu beachten, dass eine Annahme der Wiederholung umso mehr gerechtfertigt ist, je mehr in dem nachgewiesenen Verhalten eine allgemeine Distanz des Betroffenen zu den gesetzlich, insbesondere waffenrechtlich begründeten (Sorgfalts-)Pflichten zum Ausdruck kommt; je geringfügiger der Verstoß ist, umso eher kann die schlichte Annahme einer Wiederholung verneint werden (zu Bagatellverstößen vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 30.13 – juris Rn. 19; SächsOVG, B.v. 3.5.2022 – 6 B 118/22 – juris Rn. 11; OVG Hamburg, B.v. 7.8.2015 – 5 Bs 135/15 – juris Rn. 19 ff.; BayVGH, B.v. 31.7.2015 – 21 CS 15.1156 – juris Rn. 12). Ergibt die Prognose die Unzuverlässigkeit des Betroffenen, ist die Behörde nach § 45 Abs. 1 WaffG zum Widerruf verpflichtet; Raum für Ermessens-, insbesondere Verhältnismäßigkeitsüberlegungen besteht nicht (vgl. zum Ganzen auch BayVGH, B.v. 21.4.2023 – 24 CS 23.495 – Rn. 20 ff.).
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1.2. Das Verwaltungsgericht hat unter Anwendung dieser Grundsätze nach summarischer Prüfung zutreffend festgestellt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.1994 – 1 C 31.92 – juris Rn. 33; OVG RhPf, U.v. 28.6.2018 – 7 A 11748/17 – juris Rn. 25) Umstände vorgelegen haben, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG waffenrechtlich unzuverlässig ist. Es hat unter Zugrundelegung von § 36 Abs. 1, Abs. 5 WaffG i.V.m. § 13 Abs. 1, Abs. 2 der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung (AWaffV) i.d.F. d. Bek. vom 27. Oktober 2003 (BGBl I S. 2123), zuletzt geändert durch Verordnung vom 1. September 2020 (BGBl I S. 1977), die bei der Hausdurchsuchung am 17. August 2022 festgestellten mehrfachen Aufbewahrungsverstöße umfassend bewertet und nachvollziehbar dargelegt, dass deshalb der Antragsteller mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch künftig mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren wird i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG. Den sich in den festgestellten Verstößen offenbarten fahrlässigen Umgang des Antragstellers mit den Aufbewahrungsvorschriften sah das Verwaltungsgericht insbesondere unterstrichen durch die Tatsache, dass der Antragsteller offenbar davon ausging, sein Wohnhaus mit den frei zugänglichen Waffen und Munition (wenn auch nur kurz) verlassen zu dürfen. Damit hat er sich eindeutig der Kontrolle über seine Waffen und die Munition begeben. Vor diesem Hintergrund bringen die festgestellten Verstöße eine ausreichend große Distanz des Betroffenen zu seinen waffenrechtlichen (Sorgfalts-)Pflichten zum Ausdruck, die es rechtfertigt, von einer hinreichenden Widerholungswahrscheinlichkeit auszugehen, sodass im Rahmen einer prognostischen Entscheidung von einer Unzuverlässigkeit des Antragstellers auszugehen ist.
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Die im Beschwerdevorbringen monierte faktische Gleichsetzung der Feststellung von Aufbewahrungsverstößen und der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers ist dem gerade nicht zu entnehmen. In Anbetracht der oben skizzierten Maßstäbe geht das Verwaltungsgericht zu Recht von mehreren Verstößen gegen Aufbewahrungspflichten aus und wertet diese jeweils auch nicht als Bagatellverstoß. Dies hat der Antragsteller auch nicht substantiiert in Frage gestellt. Soweit der Antragsteller geltend macht, die Waffen zur Reinigung entnommen zu haben, erklärt dies weder die an der Wand neben dem Waffenschrank lehnende Büchse, noch den Revolver unter der Matratze, noch die offenliegende Munition, die keiner Reinigung Bedarf, noch die Tatsache, dass der Waffenschrank unverschlossen war und der Schlüssel im Schloss steckte, während der Antragsteller nicht zu Hause war. Dass von Antragsteller auch künftig Aufbewahrungsverstöße zu erwarten sind, wird weder von der Zugänglichkeit der Waffen für außenstehende Dritte, dem Bewusstsein der Ehefrau des Antragstellers über ihre Zugriffsmöglichkeit oder ihre etwaige Sachkunde, noch von dem konkreten Zeitraum, in dem Waffen und Munition nicht ordnungsgemäß verwahrt waren, beeinflusst. Ebenso wenig kann es darauf ankommen, dass der Antragsteller hinsichtlich der Waffen in seinen Geschäftsräumen seinen gesetzlichen Aufbewahrungspflichten nachgekommen ist. Verstößt ein Waffenbesitzer gegen die Aufbewahrungsvorschriften des § 36 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 WaffG, was der Antragsteller selbst nicht in Abrede stellt, ist dies ein gewichtiges Indiz dafür, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht mehr verdient. Entgegen der Auffassung des Antragstellers bedarf es keiner weiteren Verstöße, um eine negative Zukunftsprognose zu rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.2236 – juris Rn. 11 m.w.N.). Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass er in geordneten Verhältnissen lebt, sein Führungszeugnis keine Eintragungen aufweist, er seit vielen Jahren im Umgang mit Waffen erfahren ist und es in dieser Zeit keine Beanstandungen gegeben habe, begründet dies keinen Ausnahmefall, vielmehr sieht der Gesetzgeber ansonsten beanstandungsfreies Verhalten als Regelfall an (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 30.6.2010 – OVG 11 S 5.09 – juris Rn. 5).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 50.2 und 20.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).