Titel:
Bescheid, Vollziehung, Ermessensentscheidung, Anfechtungsklage, Frist, Anordnung, Waffen, Vollziehbarkeit, Zwangsgeldandrohung, Schusswaffen, Antragsteller, Widerspruch, Zustellung, Widerruf, Anordnung der sofortigen Vollziehung, aufschiebende Wirkung, aufschiebenden Wirkung
Schlagworte:
Bescheid, Vollziehung, Ermessensentscheidung, Anfechtungsklage, Frist, Anordnung, Waffen, Vollziehbarkeit, Zwangsgeldandrohung, Schusswaffen, Antragsteller, Widerspruch, Zustellung, Widerruf, Anordnung der sofortigen Vollziehung, aufschiebende Wirkung, aufschiebenden Wirkung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 20.04.2023 – 24 CS 23.253
Fundstelle:
BeckRS 2023, 10160
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamts C. vom 16.11.2022 wird hinsichtlich der Anordnung in Nr. 3 wiederhergestellt.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller 9/10 und der Antragsgegner 1/10.
III. Der Streitwert beträgt 3.625,-- Euro.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen waffenrechtliche Anordnungen, die das Landratsamt C. (im Weiteren: Landratsamt) ihm gegenüber mit Bescheid vom 16.11.2022 erlassen hat.
2
Der Antragsteller ist Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse in Form zweier Waffenbesitzkarten (Nr. …(Nr. 1) und …(Nr. 2)), ausgestellt jeweils am 17.7.2019. Die Ehefrau des Antragstellers (Klägerin bzw. Antragstellerin in den Verfahren RO 4 K 22.2878 und RO 4 S 22.2877) ist ebenfalls Inhaberin waffenrechtlicher Erlaubnisse in Form zweier Waffenbesitzkarten (Nr. …(Nr. 3) und …(Nr. 4)). Der Antragsteller und seine Ehefrau leben in häuslicher Gemeinschaft und bewahren Waffen und Munition gemeinschaftlich auf (§ 13 Abs. 8 Allgemeine Waffengesetz-Verordnung (AWaffV)).
3
Am 25.1.2022 wurde durch das Amtsgericht Regensburg die Durchsuchung der Person, der Wohnung mit Nebenräumen und der Fahrzeuge u.a. des Antragstellers angeordnet (Gz.: …). Anlass war ein strafrechtliches Verfahren gegen den Sohn des Antragstellers, …, wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz. Aufgrund der gemeinsamen Wohnanschrift wurde die Durchsuchung auch in Bezug auf den Antragsteller als Dritten angeordnet. Durchgeführt wurde die Durchsuchung am 16.2.2022. In einem Sachverhaltsbericht der Polizeiinspektion C. vom 17.2.2022 ist hierzu u.a. Folgendes festgehalten:
4
Im Rahmen dieser Durchsuchung wurden auch die Eltern von …, die hier Betroffenen …, … und …, … angetroffen, welche auf Nachfrage nach Waffen im Haus angaben, sie seien Sportschützen und haben daher berechtigt Schusswaffen in ihrem Besitz.
5
Im Keller des Einfamilienhauses konnte ein Langwaffentresor des Herstellers Burgwächter, Schutzklasse 0, Leergewicht 120 kg, gesichert mittels digitalem Zahlenschloss, verschlossen vorgefunden werden. Der Schrank war nicht verankert und konnte vom Unterzeichner bereits alleine verschoben werden.
6
Neben dem Tresor stand auf dem Boden in nicht verankerter, ausgesonderter Erste-Hilfe-Schrank aus Metall. Der Schrank war zwar versperrt, jedoch steckte außen der Schlüssel im Schloss. Der Unterzeichner könnte die Türen ohne Kraftaufwand einfach öffnen. Im Inneren wurde folgendes aufgefunden:
150 Schuss (3 Packungen á 50 Stück), 9mm Luger, Hersteller: Geco
269 Schuss (5 Packungen á 50 Stück, 46 Stück lose), .233 Rem., Hersteller: Geco
20 Schuss (4 Packungen á 20 Stück), .233 Rem., Hersteller: Sellier& Bellot
195 Schuss (4 Packungen á 40 Stück, 35 Stück lose), -22 LR, Hersteller: CCI
7
Auf Vorhalt gab Herr … an, dass es ihn schockiere, dass der Schlüssel steckte. Normal sei dies nicht der Fall. Sowohl er als auch seine Frau hätten Zugang zu dem Schrank. Wer den Schlüssel stecken ließ, konnte er nicht sagen. Der Schlüssel sei normal im Waffenschrank deponiert.
8
Herr … öffnete den Waffentresor. Darin befanden sich: …
9
Die Waffen wurden mit den WBK der beiden … übereinstimmend abgeglichen.
10
Der Keller ist über eine separate Eingangstüre von außen zugänglich. Diese ist laut Aussage des Sohnes … Tag und Nacht unversperrt. Somit war es jedermann ohne Aufwand möglich, Zugriff auf die Munition zu erlangen.
11
Mit in dem Haushalt wohnen u.a. drei Kinder … (* …*), … (* …*) und … (* …*).
12
Mit Schreiben vom 31.8.2022 teilte das Landratsamt dem Antragsteller mit, dass er aufgrund der am 16.2.2022 vorgefundenen Situation als waffenrechtlich unzuverlässig angesehen werde und beabsichtigt sei, ihm die waffenrechtlichen Erlaubnisse zu widerrufen. Zwar sei die Munition in einem dafür ausreichenden Stahlblechbehältnis verwahrt worden. Der Schlüssel dazu habe aber an der Tür des Behältnisses gesteckt. Ein Familienmitglied habe mitgeteilt, dass die Zugangstüre von außen zum Keller Tag und Nacht nicht verschlossen gewesen sei. Ein jederzeitiger Zugriff durch unberechtigte Personen auf die Munition sei damit möglich gewesen. Auch hätten Unberechtigte jederzeit zum Waffenaufbewahrungsbehältnis vordringen können. Der Waffenschrank habe ein Leergewicht von 120 kg, sei nicht verankert und habe durch eine Person verschoben werden können. Der Antragsteller habe damit zumindest erlaubnispflichtige Munition nicht sicher bzw. nicht sorgfältig aufbewahrt und Unberechtigten Zugriff zu der erlaubnispflichtigen Munition gewährt. Dem Antragsteller wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Durch seinen Bevollmächtigten teilte der Antragsteller mit Schreiben vom 29.9.2022 mit, dass es nicht zutreffe, dass die Munition unzureichend verladen worden sei. Sie sei in einem dafür ausreichenden Stahl-/Blech-Behältnis verwahrt worden. Der Schlüssel habe deshalb in der Tür gesteckt, weil ein unmittelbarer Zugriff zum Verräumen der Munition zum Zeitpunkt der Durchsuchung erfolgt sei. Nicht richtig sei auch, dass die Zugangstüre zum Keller Tag und Nacht nicht verschlossen sei. Der Sohn des Antragstellers habe, um dem Antragsteller zu schaden, bewusst fehlerhafte Angaben gemacht. Weiter sei anzumerken, dass die Waffen ordnungsgemäß gelagert worden seien. Eine Verankerung des Waffenschranks sei nicht erforderlich.
13
Aus einem Aktenvermerk vom 27.10.2022 ergibt sich, dass seitens des Landratsamts am 27.10.2022 telefonisch mit dem zuständigen Polizeihauptmeister der Polizeiinspektion C. Rücksprache zur am 16.2.2022 vorgefundenen Situation im Anwesen des Antragstellers gehalten wurde. Der zuständige Polizeihauptmeister teilte danach u.a. mit, dass bereits vor Betreten des Anwesens aufgefallen sei, dass die Kellertür, an der man vorbeikomme, wenn man zur Haustür gehe, offen gestanden habe und nicht versperrt gewesen sei. Er habe mit seinen Kollegen – sofern ein Zugang über die Haustüre nicht möglich sein sollte – die Option eines Zugangs durch die Kellertüre besprochen Das Anwesen habe schließlich über die Haustür betreten werden können. Beim anschließenden Betreten des Kellerraums habe sich der Antragsteller über den unverschlossenen Metallschrank erschreckt gezeigt und sich sehr beunruhigt über die Situation geäußert. In einer anschließenden Diskussion zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau habe zwischen diesen nicht geklärt werden können, wer den Schlüssel stecken gelassen habe bzw. warum der Schlüssel gesteckt habe. Beide seien erstaunt gewesen und hätten darüber diskutiert, wer zuletzt an dem Behältnis gewesen sei. Zu keiner Zeit sei zur Sprache gekommen, dass unmittelbar vor der Hausdurchsuchung Munition habe verwahrt werden sollen und der Schlüssel nur für die kurze Zeit des Öffnens der Haustüre im Schloss belassen worden wäre bzw. keine Zeit mehr gewesen wäre, das Behältnis ordnungsgemäß zu verschließen. Im Kellerraum habe kein Licht gebrannt, es habe aus Sicht des Polizeihauptmeisters nichts darauf hingedeutet, dass beim Eintreffen der Polizei unmittelbar jemand im Kellerraum gewesen sei.
14
Mit Bescheid vom 16.11.2022, dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 18.11.2022, ordnete das Landratsamt an:
15
1. Die Waffenbesitzkarten Nrn. …(Nr. 1) und …(Nr. 2) von Herrn … werden widerrufen.
16
2. Bis spätestens einen Monat nach Zustellung dieses Bescheides sind die erlaubnispflichtigen Schusswaffen und die Munition von Herrn … an empfangsbereite berechtigte Personen zu überlassen oder unbrauchbar zu machen. Die Überlassung oder Unbrauchbarmachung ist uns innerhalb der genannten Frist nachzuweisen.
17
3. Für den Fall, dass die Schusswaffen und die Munition zunächst nur vorübergehend an berechtigte Personen überlassen werden, ist uns die endgültige Überlassung an empfangsbereite berechtigte Personen spätestens drei Monate nach Bestandskraft dieses Bescheides nachzuweisen.
18
4. Sollte die Überlassung oder Unbrauchbarmachung nicht fristgerecht nachgewiesen werden, werden wir die Schusswaffen und die Munition sicherstellen.
19
5. Die Waffenbesitzkarten Nrn. …(Nr. 1) und …(Nr. 2) sind innerhalb einer Woche nach der (ggf. nur vorübergehenden) Überlassung der Schusswaffen und der Munition an Berechtigte bzw. nach der Unbrauchbarmachung an uns zurückzugeben, spätestens jedoch fünf Wochen nach Zustellung dieses Bescheids.
20
6. Die Nummern 2 bis 5 dieses Bescheides werden für sofort vollziehbar erklärt. Die Nr. 1 ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar.
21
7. Sollte den Verpflichtungen in Nr. 5 dieses Bescheides nicht rechtzeitig oder nicht vollständig nachgekommen werden, wird jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 250 € für jede Waffenbesitzkarte zur Zahlung fällig.
22
8. Herr … hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
23
9. Für diesen Bescheid setzen wir eine Gebühr von 100 € fest.
24
Zur Begründung des Widerrufs stützte sich das Landratsamt auf § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst.b und c WaffG. Der Antragsteller habe es nicht nur für eine kurze Zeit unterlassen, erlaubnispflichtige Munition nach § 36 Abs. 1 WaffG i.V.m. § 13 Abs. 2 Nr. 2 AWaffV sicher und vor dem Zugriff Unberechtigter zu verwahren. Die Erklärung des Antragstellers, dass der Schlüssel nur kurzfristig steckengelassen worden sei, weil im unmittelbaren Zusammenhang zur Durchsuchung Munition verräumt worden sei, müsse aufgrund der unmittelbaren Reaktion des Antragstellers und seiner Ehefrau, die sich über den im Schloss steckenden Schlüssel überrascht gezeigt hätten, als Schutzbehauptung zurückgewiesen werden. Antragstellerseits sei hierzu in dem Schreiben vom 29.9.2022 auch nicht darauf eingegangen worden, wer von beiden (Antragsteller oder Ehefrau) angeblich den Schlüssel stecken gelassen bzw. wer zum Zeitpunkt der Durchsuchung Munition verräumt habe. Damit sei unberechtigten, insbesondere weiteren im Haushalt lebenden Personen eine Zugriffsmöglichkeit auf erlaubnispflichtige Munition gewährt worden. Die Tür zum Keller, in dem sich das Behältnis mit der Munition und der Waffenschrank befunden hätten, habe zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung von außen offen gestanden. Nach den glaubwürdigen Angaben eines Familienmitglieds und den Feststellungen der Polizeibeamten sei die Kellertür vom Außenbereich zum Kellerraum Tag und Nacht nicht versperrt worden. Es sei deshalb billigend in Kauf genommen worden, dass unberechtigte Personen auch von außerhalb Zugang zu nicht sicher verwahrter Munition hätten. Zudem habe – auch wenn eine Verankerung des Waffenschranks im Fall des Antragstellers an sich nicht vorgeschrieben sei und damit nicht habe erfolgen müssen – aufgrund der regelmäßig offenen Kellertür eine erhöhte Gefahr bestanden, dass der gesamte Waffenschrank von unberechtigten Personen in Besitz genommen und abtransportiert werde; dieser habe von nur einer Person verschoben werden können. Aufgrund der Nichteinhaltung der Vorgaben des § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG sei die Annahme gerechtfertigt, dass der Antragsteller die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Die in Nr. 2 und 3 des Bescheids gesetzten Fristen seien angemessen. Die verlangten Handlungen seien innerhalb dieser Zeiträume möglich und zumutbar. Längere Fristen kämen mit Blick auf die Gefahren für die Allgemeinheit, die von unzuverlässigen Waffenbesitzern ausgingen, nicht in Betracht. Die Verpflichtung zur Rückgabe der Waffenbesitzkarten beruhe auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Die in Nr. 5 des Bescheids gesetzte Frist sei unter Berücksichtigung der Verpflichtung zur zumindest vorübergehenden Überlassung bzw. Unbrauchbarmachung der Schusswaffen und ggf. Munition – spätestens fünf Wochen nach Zustellung des Bescheids – in pflichtgemäßem Ermessen getroffen worden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. 2 bis 5 des Bescheids liege im überwiegenden öffentlichen Interesse, dass der Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnisse, die den Antragsteller zum Erwerb weiterer Schusswaffen und von Munition berechtigen würden, vor der Bestandskraft des Bescheids wirksam werde. Schusswaffen und Munition in der Hand von Personen, die die strengen Anforderungen des Waffengesetzes – wie der Antragsteller – nicht erfüllten, stellten eine Gefahr für die Allgemeinheit dar. Die Abwägung des öffentlichen Interesses an einem möglichst rasch wirksamen Entzug der Waffenbesitzkarten und einer zeitnahen Erfüllung der Nachweispflichten sei gegenüber dem privaten Interesse, die erlaubnispflichtige Tätigkeit bis zur Bestandskraft des Bescheids weiter auszuüben, vorrangig. In diesem Zusammenhang sei auch die Ablieferung der Erlaubnisdokumente zu sehen. Durch diese könnte der Antragsteller den Eindruck erwecken, zu bestimmten Formen des Umgangs mit Schusswaffen oder zum Erwerb weiterer Schusswaffen berechtigt zu sein. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung verwies die Behörde auf Art. 29 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 30 Abs. 1, 31 und 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG). Die Rückgabe innerhalb der gesetzten Frist sei möglich und zumutbar. Die Kostenentscheidung erfolge nach Art. 1, 2 und 5 Kostengesetz i.V.m. 2 II.7 des Kostenverzeichnisses.
25
Gegen den Bescheid hat der Antragsteller am 15.12.2022 Klage erheben (RO 4 K 22.2880) und mit Schriftsatz vom 12.12.2022, bei Gericht eingegangen am 15.12.2022, um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen lassen. Zur Begründung lässt er vortragen, dass eine an den Erfolgsaussichten der Klage orientierte Interessenabwägung zu seinen Gunsten gehe, weil der Bescheid des Landratsamts vom 16.11.2022 rechtswidrig sowie rechtsverletzend sei. Entgegen der Annahme des Landratsamts besitze er die notwendige Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG. Bei den Ausführungen des Antragsgegners handele es sich um reine Mutmaßungen und Spekulationen, ein hinreichend konkreter und belegbarer Sachverhalt werde nicht vorgetragen. Das Vorbringen, dass sich der Antragsteller „überrascht“ gezeigt habe, sei keine konkrete Sachverhaltsdarstellung, insbesondere nicht vor dem Hintergrund, dass die Polizei das Anwesen des Antragstellers ohne Vorankündigung durchsucht habe. Eine überraschte Reaktion sei daher normal. Aus dem Umstand, dass der Antragsteller den Sachverhalt nicht schon in der Situation vollständig aufgeklärt habe, könne nicht geschlussfolgert werden, dass die Behauptungen des Antragsgegners dem tatsächlichen Sachverhalt entsprechen würden. Die Behörde trage die materielle Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit ergebe. Einen solchen Beweis könne der Antragsgegner nicht führen. In der Sache sei es nicht zutreffend, dass die Munition unzureichend verladen worden sei. Der Antragsteller wiederholt insofern sein Vorbringen im Rahmen der Anhörung. Er legt zudem eine eidesstattliche Versicherung mit folgendem Inhalt vor:
„Die Tatsache, dass der Schlüssel zu dem Behältnis an der Tür steckte, lag daran, dass ein unmittelbarer Zugriff zum Verräumen von Munition zum Zeitpunkt der Durchsuchung erfolgt ist. Deswegen steckte in diesem Moment der Schlüssel an der Tür.
Des Weiteren ist es unzutreffend, dass die Zugangstüre von außen zum Keller Tag und Nacht nicht verschlossen ist.“
26
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Landratsamts C. vom 16.11.2022 hinsichtlich Nr. 2 bis 5 wiederherzustellen und hinsichtlich Nr. 1 und 7 bis 9 anzuordnen.
27
Der Antragsgegner beantragt,
28
Hinsichtlich des Sachverhalts nimmt der Antragsgegner Bezug auf die vorgelegte Behördenakte und den verfahrensgegenständlichen Bescheid. Explizit Bezug nimmt er auch auf den Aktenvermerk vom 27.10.2022 und den Bescheid vom 14.11.2022 (Anm. des Gerichts: der gegenüber der Ehefrau des Antragstellers ergangene Bescheid datiert vom 14.11.2022) und führt hierzu aus, dass zum Sachverhalt extra nochmal der Polizeihauptmeister befragt worden sei, der die Wohnungsdurchsuchung am 16.2.2022 durchgeführt habe. Die Angaben des Antragstellers seien als Schutzbehauptungen zu bewerten.
29
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte mit den eingereichten Schriftsätzen und die in elektronischer Form vorgelegte Behördenakte Bezug genommen. Die Gerichtsakten in den Verfahren RO 4 S 22.2877, RO 4 K 22.2878 und RO 4 K 22.2880 sowie die im Verfahren RO 4 S 22.2877 in elektronischer Form vorgelegte Behördenakte wurden zum Verfahren beigezogen.
30
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang Erfolg. Im Übrigen ist er unbegründet und damit ohne Erfolg.
31
Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt allerdings nach § 80 Abs. 2 VwGO dann, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder die Behörde die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders anordnet. In diesen Fällen kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch anordnen (wenn diese aufgrund Gesetzes ausgeschlossen ist) oder wiederherstellen (wenn eine Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO vorliegt). Das Gericht trifft hierüber eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat dabei zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind vorrangig die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die gebotene summarische Prüfung, dass Rechtsbehelfe gegen den angefochtenen Bescheid keinen Erfolg versprechen, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung regelmäßig hinter das Vollziehungsinteresse zurück und der Antrag ist unbegründet. Erweist sich die erhobene Klage hingegen bei summarischer Prüfung als zulässig und begründet, dann besteht kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids und dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist stattzugeben. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht ausreichend absehbar, muss das Gericht die widerstreitenden Interessen im Einzelnen abwägen. Die Begründetheit eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann sich daneben auch daraus ergeben, dass die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtswidrig ist, weil sie den formellen Anforderungen nicht genügt.
32
Nach diesen Grundsätzen ist die ausgesprochene Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden (dazu a)). Die summarische Prüfung der erhobenen Klage ergibt, dass diese voraussichtlich erfolgreich sein wird, soweit sie sich gegen die Anordnung in Nr. 3 des Bescheids richtet, so dass insoweit die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen war (dazu b)). Im Übrigen wird die Klage hingegen voraussichtlich keinen Erfolg haben (dazu c)). Dies gilt sowohl für den Widerruf der Waffenbesitzkarten in Nr. 1 des Bescheids (dazu aa)) nebst den waffenrechtlichen Nebenanordnungen in Nr. 2, 4 und 5 des Bescheids (dazu bb)) als auch für die Zwangsgeldandrohung in Nr. 7 des Bescheids (dazu cc)) sowie die behördliche Kostenentscheidung in Nr. 8 und 9 des Bescheids (dazu dd)). Insoweit war der Antrag daher abzulehnen.
33
a) Die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit genügt den formellen Anforderungen. Insbesondere ist dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO Genüge getan. Diese Begründungspflicht verlangt von der zuständigen Behörde, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit eines Bescheids unter Bezugnahme auf die Umstände des konkreten Einzelfalls darzustellen (BayVGH, B.v. 14.2.2002 – 19 ZS 01.2356 – NVwZ-RR 2002, 646). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO hat unter anderem eine Warnfunktion für die handelnde Behörde. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die Behörde des Ausnahmecharakters ihrer Anordnung bewusst wird und die konkret betroffenen Interessen sorgsam prüft und abwägt (BayVGH, B.v. 3.5.2018 – 20 CS 17.1797 – juris Rn. 2). Nichtssagende, formelhafte Wendungen reichen deshalb nicht aus. Allerdings genügt dann, wenn immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, dass die Behörde diese Interessenlage aufzeigt und deutlich macht, dass sie auch im vorliegenden Fall gegeben ist. Dies kommt insbesondere im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem auch der streitgegenständliche Bescheid gehört, in Betracht (BayVGH, B.v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453 – juris Rn. 16).
34
Gemessen an diesen Maßstäben ist die vorliegend zu prüfende Begründung des Sofortvollzugs ausreichend. Der Antragsgegner hat die widerstreitenden Interessen des betroffenen Antragstellers und der Allgemeinheit anhand des konkreten Falls dargestellt und begründet, wieso aus seiner Sicht dem sofortigen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist. Ob diese Begründung auch in der Sache trägt, ist eine Frage des materiellen Rechts.
35
b) Als voraussichtlich erfolgreich erweist sich die erhobene Klage gegen die Anordnung in Nr. 3 des Bescheids vom 16.11.2022. Diese verlangt von dem Antragsteller für den Fall, dass er Munition und Schusswaffen zunächst nur vorübergehend an Berechtigte überlassen hat, innerhalb einer weiteren (gestaffelten) Frist den Nachweis über eine „endgültige Überlassung“. Eine solche Anordnung ist von § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG indes nicht gedeckt (zur Anordnung der „dauerhaften Überlassung“ vgl. BayVGH, B.v. 4.11.2019 – 21 CS 19.226 – BeckRS 2019, 28135 Rn. 12 f.; VG Regensburg, U.v. 25.5.2021 – RN 4 K 19.2072 – juris Rn. 26). Nach der Vorschrift kann die zuständige Behörde anordnen, dass jemand, der auf Grund einer Erlaubnis, die zurückgenommen, widerrufen oder erloschen ist, Waffen oder Munition erworben oder befugt besessen hat und noch besitzt, binnen angemessener Frist Waffen oder Munition dauerhaft unbrauchbar macht oder einem Berechtigten überlässt und den Nachweis darüber gegenüber der Behörde führt. Das Wort „dauerhaft“ bezieht sich dabei nur auf die Variante der Unbrauchbarmachung; die Überlassung an einen Berechtigten kann indes auf andere Weise als durch Eigentumsübertragung (z.B. Verwahrung oder Hinterlegung), worauf die Anordnung einer endgültigen Überlassung aber letztlich gerichtet wäre, erfolgen (BayVGH a.a.O. Rn. 13; VG Regensburg, a.a.O. Rn. 26).
36
c) Im Übrigen wird die erhobene Klage voraussichtlich keinen Erfolg haben, weil die übrigen Anordnungen bei summarischer Prüfung rechtmäßig sind und den Antragsteller nicht in eigenen Rechten verletzen.
37
aa) Der in Nr. 1 des Bescheids ergangene Widerruf der Waffenbesitzkarten stellt sich bei summarischer Prüfung als rechtmäßig dar.
38
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Einen solchen Versagungsgrund normiert § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, wonach die Erlaubnis u.a. voraussetzt, dass der eine waffenrechtliche Erlaubnis Beantragende neben der persönlichen Eignung gemäß § 6 WaffG auch die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 WaffG besitzt. Die Zuverlässigkeit fehlt gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG insbesondere solchen Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Buchst. a), mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren (Buchst. b) oder sie Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
39
Die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG setzt eine auf zutreffend ermittelte Tatsachen gestützte Prognose des zukünftig zu erwartenden Verhaltens des Betroffenen voraus (Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 18). An die Prognose dürfen indes keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Denn das Zuverlässigkeitserfordernis dient dem Zweck, die mit jedem Waffenbesitz verbundenen Risiken nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das uneingeschränkte Vertrauen verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen werden (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 30/13 – NJW 2015, 1127). Ein Restrisiko braucht folglich nicht hingenommen zu werden (BayVGH, B.v. 2.10.2013 – 21 CS 13.1564 – juris Rn. 10). Die behördliche Prognose der Unzuverlässigkeit ist in Anlegung dieses Maßstabs nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt wird, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass die in Rede stehende Person künftig Verhaltensweisen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen werde (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – NJW 2015, 1594, 1596). Erforderlich sind daher konkrete Tatsachen, die den nachvollziehbaren und plausiblen Schluss rechtfertigen, dass der Erlaubnisinhaber in Zukunft entweder selbst mit Waffen in einer vom Waffengesetz nicht geduldeten Form umgehen oder Dritten einen solchen Umgang durch willentliche Überlassung ermöglichen wird (BayVGH, U.v. 10.10.2013 – 21 BV 13.429 – juris Rn. 32).
40
Hinsichtlich § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG ist ein Umgang mit Waffen und Munition nur dann vorsichtig und sachgemäß, wenn alle Sicherungsmöglichkeiten ausgenutzt werden (BayVGH, B.v. 28.11.2013 – 21 CS 13.1758 – juris Rn. 10). Die Anforderungen an eine sorgfältige Verwahrung folgen aus § 36 WaffG. Nach § 36 Abs. 1 WaffG hat derjenige, der Waffen oder Munition besitzt, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkommen oder Dritte sie unbefugt an sich nehmen. Näher konkretisiert werden die Anforderungen an eine sichere Aufbewahrung durch § 36 Abs. 5 WaffG i.V.m. § 13 AWaffV. Bereits ein einmaliger Verstoß gegen die in § 36 Abs. 1 und 2 WaffG normierten Aufbewahrungspflichten rechtfertigt nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der sich die Kammer in ständiger Rechtsprechung angeschlossen hat (vgl. B.v. 25.5.2021 – RN 4 K 19.2072 – juris Rn. 37 f; B.v. 12.11.2020 – RN 4 S 20.1456 – juris Rn. 25), die Annahme eines zukünftigen verantwortungslosen oder nachlässigen Verhaltens im Zusammenhang mit der Aufbewahrung von Waffen und Munition und trägt damit die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 26.5.2021 – 24 ZB 20.2295 – nicht veröffentl.; B.v. 28.11.2013 – 21 CS 13.1758 juris Rn. 11). Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass diese Normen zentrale Bestimmungen des Waffenrechts sind, weil die sichere Lagerung von Waffen und Munition eine unberechtigte Nutzung durch Dritte und die damit verbundenen massiven Gefahren für die Allgemeinheit verhindern soll (BayVGH, B.v. 24.11.2017 – 21 CS 17.1531 – juris Rn. 15; VG Regensburg, U.v. 25.5.2021 – RN 4 K 19.2072 – juris Rn. 37).
41
Unter Heranziehung dieser Grundsätze liegt aus Sicht des Gerichts (mindestens) ein Verstoß des Antragstellers gegen waffenrechtliche Aufbewahrungsvorschriften vor, der die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit trägt. Von einer bloß situativen Nachlässigkeit minderen Gewichts, die bei nur einmaligem Auftreten gegebenenfalls noch toleriert werden könnte (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2015 – 21 CS 15.1156 – juris Rn. 12), kann angesichts der Gesamtumstände, wie sie sich nach Aktenlage darstellen, nicht ausgegangen werden.
42
Ein Aufbewahrungsverstoß ist bereits mit Blick auf die Aufbewahrung der Munition zu bejahen. Im Rahmen der Durchsuchung am 16.2.2022 steckte – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – der Schlüssel im Schloss des Aufbewahrungsschrankes für die Munition. Damit war ein Zugriff auf die Munition durch unbefugte Dritte möglich. Dies gilt bereits mit Blick auf die weiteren Personen bzw. Familienangehörigen des Antragstellers und seiner Ehefrau, die unter der gleichen Adresse wohnhaft sind (vgl. AG Regensburg, B.v. 25.1.2022 – … und …*). Ungeachtet dessen stand die Tür zum Keller nach den dokumentierten Feststellungen der Behörde nach außen offen, so dass die Munition auch für sonstige Dritte zugänglich war. Insofern ergibt sich aus dem Aktenvermerk vom 27.10.2022 betreffend das Telefongespräch der Behörde mit dem bei der Hausdurchsuchung anwesenden Polizeihauptmeister ausdrücklich, dass die Kellertür offenstand und nicht nur unversperrt war. Gegenteiliges hat auch der Antragsteller nicht vorgebracht. Die schriftsätzlichen Ausführungen und die hierzu abgegebene eidesstattliche Versicherung erklären sich nur zu der Aussage des Sohns, dass – was der Antragsteller als unzutreffend bezeichnet – die Zugangstür von außen zum Keller (grundsätzlich) Tag und Nacht nicht verschlossen sei. Zu der behördlichen Feststellung der am 16.2.2022 (zusätzlich) offenstehenden Tür hat sich der Antragsteller nicht geäußert.
43
Eine bloß situative Nachlässigkeit minderen Gewichts (s.o.) nimmt das Gericht dabei nicht an. Insbesondere folgt das Gericht nicht der Sachverhaltsdarstellung des Antragstellers, wonach der Schlüssel nur gesteckt habe, weil Munition in zeitlichem Zusammenhang zur Hausdurchsuchung verräumt worden sei. Aus Sicht des Gerichts ist bei summarischer Prüfung unter Beachtung der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für das Gericht zugänglichen Erkenntnismittel schon nicht davon auszugehen, dass sich der Sachverhalt so abgespielt hat, wie in der antragstellerseits abgegebenen eidesstattlichen Versicherung (vgl. § 173 VwGO i.V.m. § 294 Zivilprozessordnung (ZPO)) dargestellt. Der Ablauf der Hausdurchsuchung in Bezug auf die waffenrechtliche Auffindesituation und die Reaktion des Antragstellers sind in der Behördenakte durch den beteiligten Polizeihauptmeister detailliert dargestellt worden. Dies sowohl in dessen Sachverhaltsbericht vom 17.2.2022, mithin nur einen Tag nach der Hausdurchsuchung, sowie erneut auch im Telefonat am 27.10.2022, das durch einen Aktenvermerk seitens der Behörde schriftlich fixiert wurde. Danach zeigte sich der Antragsteller über den im Schloss steckenden Schlüssel überrascht und es konnte im Anschluss zwischen ihm und seiner Ehefrau nicht geklärt werden, wer von beiden diesen stecken gelassen hatte. Sollte – wie antragstellerseits in der eidesstattlichen Versicherung angegeben – der Schlüssel dort belassen worden sein, weil „ein unmittelbarer Zugriff zum Verräumen von Munition zum Zeitpunkt der Durchsuchung erfolgt“ sei, wäre davon auszugehen, dass das so gegenüber den anwesenden Polizeibeamten auch bei der Auffindesituation angegeben worden wäre. Eine solche Erklärung wurde indes weder vom Antragsteller noch seiner Ehefrau abgegeben. Die eidesstattliche Versicherung ist im Übrigen vollkommen pauschal gehalten. Aus ihr ergibt sich insbesondere nicht, von wem Munition verräumt und der Schlüssel stecken gelassen worden sein sollte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Ehefrau des Antragstellers abgegebenen, ebenfalls eidesstattlichen Erklärung im Verfahren RO 4 S 22.2877. Diese ist wortlautidentisch mit der des Antragstellers. Der in der eidesstattlichen Versicherung angegebene Sachverhalt ist so aus Sicht des Gerichts bei summarischer Prüfung nicht darstellbar und damit – trotz der gewählten Form der eidesstattlichen Versicherung – im konkreten Fall nicht glaubhaft gemacht.
44
Im Übrigen ist für das Gericht auch nicht verständlich, wieso der Schlüssel aufgrund der Hausdurchsuchung nicht (mehr) hätte abgezogen werden können. Wie sich aus den dokumentierten Feststellungen und den in der Behördenakte befindlichen Lichtbildern ergibt, befand sich die Munition in dem Behältnis und waren die Türen des Schranks geschlossen und dieser versperrt. Der Schlüssel hätte damit ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung abgezogen werden und – falls es zeitlich nicht mehr möglich gewesen sein sollte, den Schlüssel im Waffenschrank zu verschließen -bei sich geführt werden können sowie aus Sicht des Gerichts – erst recht mit Blick auf die nach außen offenstehende Zugangstür zum Keller – auch müssen. Der an Eides statt versicherte Sachverhalt kann damit ohnehin keine plausible Erklärung für den stecken gelassenen Schlüssel geben und vermag den Antragsteller in Bezug auf seine Aufbewahrungs- und Sorgfaltspflichten als Waffeninhaber nicht zu entlasten.
45
Ungeachtet des Umstands, dass nach Aktenlage – auch der Antragsteller hat hierzu keine, insbesondere auch nicht in seiner eidesstattlichen Versicherung, Angaben gemacht – nicht klar ist, wer – der Antragsteller oder seine Ehefrau – den Schlüssel hat stecken lassen, ist bei summarischer Prüfung beiden ein waffenrechtlicher Verstoß vorzuwerfen. Die durch den Polizeihauptmeister dokumentierte und auch auf telefonische Nachfrage so dargestellte Überraschtheit des Antragstellers und die Unkenntnis des Antragstellers sowie seiner Ehefrau darüber, von wem der Schlüssel stecken gelassen worden sei, zeugen von einer Nachlässigkeit sowohl des Antragstellers als auch seiner Ehefrau, die mit den strengen Vorgaben des Waffenrechts und den dahinterstehenden hochrangigen Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit nicht vereinbar ist.
46
Nach der Einschätzung des Gerichts liegt in Bezug auf die Aufbewahrung der Munition bereits ein Aufbewahrungsverstoß vor, der die Prognose im Sinne des § 5 Abs. 2 WaffG stützt. Auf die Frage, ob ein (weiterer) Verstoß auch deshalb vorliegt, weil es durch die nach außen offenstehende Zugangstür zum Keller am 16.2.2022 gegebenenfalls möglich gewesen wäre, den nicht verankerten Waffenschrank nebst den darin befindlichen Waffen zu entwenden, kommt es für das Gericht mithin nicht mehr entscheidungstragend an.
47
bb) Rechtlich nicht zu beanstanden sind bei summarischer Prüfung auch die in Nr. 2, 4 und 5 des Bescheids vom 16.11.2022 ergangenen waffenrechtlichen Nebenanordnungen.
48
Die Anordnungen in Nr. 3 und 4 finden ihre Grundlage in § 46 Abs. 2 WaffG. Nach Satz 1 der Vorschrift kann die zuständige Behörde anordnen, dass jemand, der auf Grund einer Erlaubnis, die zurückgenommen, widerrufen oder erloschen ist, Waffen oder Munition erworben oder befugt besessen hat und noch besitzt, binnen angemessener Frist Waffen oder Munition dauerhaft unbrauchbar macht oder einem Berechtigten überlässt und den Nachweis darüber gegenüber der Behörde führt (s.o., 1.b)). Nach fruchtlosem Ablauf der Frist kann die zuständige Behörde die Waffen oder Munition sicherstellen, Satz 2. Die Anordnung in Nr. 2 des Bescheids enthält – anders als Nr. 3 (s.o., 1.b)) – auch keine Anordnung zu einer dauerhaften / endgültigen Überlassung an Berechtigte. Die unter 1.b) gemachten Ausführungen gelten daher insoweit nicht. Die gesetzte Frist erachtet das Gericht als ausreichend.
49
Die Anordnung in Nr. 5 findet ihre Grundlage in § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Danach hat, wenn Erlaubnisse nach dem WaffG zurückgenommen oder widerrufen werden, der Inhaber alle Ausfertigungen der Erlaubnisurkunde der zuständigen Behörde unverzüglich zurückzugeben. Die von der Behörde vorgegebene Frist stellt mit Blick auf die gesetzliche Vorgabe „unverzüglich“ keine für den Antragsteller rechtswidrig belastende Vorgabe dar.
50
cc) Rechtliche Bedenken hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Nr. 7 des Bescheids sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
51
dd) Gleiches gilt in Bezug auf die behördliche Kostenentscheidung in Nr. 8 und 9 des Bescheids.
52
2. Die gerichtliche Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und trägt dem jeweiligen Obsiegen bzw. Unterliegen der Beteiligten Rechnung.
53
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) unter Berücksichtigung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nr. 50.2). Danach war unabhängig von der Anzahl der Waffenbesitzkarten einmalig der Auffangwert (5.000,- €) sowie mit Blick auf die insgesamt eingetragenen vier Waffen 2.250,- € (damit 3 „weitere“ Waffen, also 3x 750,- €) anzusetzen. Die getroffenen Nebenanordnungen waren nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen. Mit Blick auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes war der sich danach ergebende Streitwert (7.250,- €) zu halbieren (Nr. 1.5).