Titel:
Widerruf der gaststättenrechtlichen Erlaubnis
Normenkette:
GastG § 4 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die negative Prognose hinsichtlich der gaststättenrechtlichen Zuverlässigkeit rechtfertigt sich bereits aus dem Umstand, dass der Erlaubnisinhaber seinen öffentlich-rechtlichen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist. Auf die Ursachen für entstandene Zahlungsrückstände und die Nichterfüllung von Erklärungspflichten kommt es nicht an. (Rn. 26 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften und das Inverkehrbringen nicht sicherer Lebensmittel rechtfertigen die negative Prognose hinsichtlich der gaststättenrechtlichen Zuverlässigkeit. (Rn. 31 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf der Gaststättenerlaubnis, Unzuverlässigkeit, Nichterfüllung öffentlich-rechtlicher Zahlungsverpflichtungen, Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften, Schließungsanordnung, Anordnung des Sofortvollzugs, Gaststättenerlaubnis, Zuverlässigkeit, Prognose, öffentlich-rechtliche Zahlungsverpflichtungen, Hygienevorschriften, Lebensmittel
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 05.05.2023 – 22 CS 23.622
Fundstelle:
BeckRS 2023, 10151
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin, eine GmbH, begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Widerruf der ihr erteilten gaststättenrechtlichen Erlaubnis für die Schank- und Speisewirtschaft „…“.
2
Mit Bescheid vom 19. November 2012 erteilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die gaststättenrechtliche Erlaubnis, die Schank- und Speisewirtschaft „…“ in der PStraße in München zu betreiben.
3
Aufgrund von Beanstandungen bei Betriebskontrollen wurden gegen den Geschäftsführer der Antragstellerin Bußgeldbescheide wegen Verstößen gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften [rechtskräftige Bußgeldbescheide vom 7. Februar 2014 und 12. Februar 2016, Bl. 93 ff., 154 ff. der Behördenakte] sowie wegen unerlaubter Sondernutzung vor dem Gaststättenbetrieb [rechtskräftige Bußgeldbescheide vom 24. August 2015 und 18. August 2016, Bl. 139 ff., 173 ff. der Behördenakte] erlassen. Bei einer Betriebskontrolle am 22. Juli 2021 wurden in der Gaststätte eine Vielzahl gravierender hygienischer Mängel festgestellt, die unter anderem eine Gefahr der nachteiligen Beeinflussung der Lebensmittel darstellten, so dass der Betrieb seitens der Antragsgegnerin am 22. Juli 2021 für einen Tag geschlossen wurde [Bl. 309 f., 314 ff. der Behördenakte]. Die Antragstellerin wurde aufgefordert, die Mängel zu beseitigen. Eine Nachkontrolle am 11. November 2021 ergab, dass die Beanstandungen im Wesentlichen nicht beseitigt waren. Daraufhin verpflichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Bescheid vom 17. November 2021 zur Durchführung von Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter lebensmittelrechtlicher Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit [Bl. 213 ff. der Behördenakte]. Bei einer Nachkontrolle am 13. Januar 2022 wurde festgestellt, dass die baulichen Mängel nicht fristgerecht erledigt wurden. Mit Bescheid vom 1. Februar 2021 verpflichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin zur Durchführung von Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter lebensmittelrechtlicher Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit [Bl. 196 ff. der Behördenakte]. Zudem wurden aufgrund der am 22. Juli 2021 festgestellten Mängel am 18. März 2022 Bußgeldbescheide gegen die Antragstellerin sowie ihren Geschäftsführer wegen Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften, fehlender Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln und Inverkehrbringens nicht sicherer Lebensmittel erlassen, die seit 6. April 2022 bzw. 7. April 2022 rechtskräftig sind [Bl. 292 ff. der Behördenakte]. Mit Schreiben vom 14. Februar 2022 regte die Stadtkasse der Landeshauptstadt München bei der Antragsgegnerin die Einleitung eines Widerrufsverfahrens an und teilte mit, dass die Antragstellerin Rückstände in Höhe von 92.123,36 Euro habe [Bl. 249 f. der Behördenakte]. Nach Mitteilung der Stadtkasse erhöhten sich die Rückstände der Antragsgegnerin zum 14. März 2022 auf 94.473,35 Euro [Bl. 267 ff. der Behördenakte]. Das Finanzamt teilte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 15. März 2022 mit, dass bei der Antragstellerin ein Steuerrückstand in Höhe von 165.291,37 Euro bestehe [Bl. 273 ff. der Behördenakte]. Nach Mitteilung des Finanzamts vom 19. April 2022 seien die coronabedingten Stundungen zum 31. März 2022 ausgelaufen, ein neuer Stundungsantrag liege nicht vor, auch bestehe keine Ratenzahlungsvereinbarung [Bl. 281 der Behördenakte].
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Mit Schreiben vom 19. April 2022 wurde die Antragstellerin zu einem beabsichtigten Widerruf der Gaststättenerlaubnis und einer Schließungsanordnung angehört. Die Antragstellerin nahm hierzu mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom … April 2022 Stellung und ließ im Wesentlichen ausführen, die Steuerrückstände würden aus mutwilligen Schätzungen der Finanzverwaltung resultieren, gegen die derzeit finanzgerichtliche Verfahren geführt würden. Seit Genehmigungserteilung habe die Antragstellerin einen sachgemäßen Betrieb geführt, lediglich jetzt seien kleinere Verstöße gegen die Lebensmittelhygiene festgestellt worden. Es sei davon auszugehen, dass nach Beseitigung der Mängel in den nächsten Jahren keine weiteren Verstöße mehr feststellbar seien. Die Zerstörung des gesamten Geschäftsbetriebs sei nicht gerechtfertigt.
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Mit Bescheid vom 18. Mai 2022, zugestellt am 20. Mai 2022, widerrief die Antragsgegnerin die der Antragstellerin am 19. November 2012 erteilte Erlaubnis zum Betrieb der Schank- und Speisewirtschaft „…“ in der P-Straße in München (Nummer 1) und ordnete die Einstellung des Gaststättenbetriebs unter Einräumung einer Abwicklungsfrist bis zum Ablauf des 17. Juni 2022 an (Nummer 2). Die sofortige Vollziehung der Nummern 1 und 2 des Bescheids wurde angeordnet (Nummer 3). Für den Fall der Nichtbeachtung der Einstellungsanordnung wurde die Schließung der Gaststätte im Wege unmittelbaren Zwangs angedroht (Nummer 4). Die Kosten des Verwaltungsverfahrens in Höhe von 1.034,49 Euro wurden der Antragstellerin auferlegt (Nummer 5).
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Zur Begründung führte die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, die gaststättenrechtliche Erlaubnis sei gemäß § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 Gaststättengesetz (GastG) zu widerrufen, da die Antragstellerin mit Herrn P. als Geschäftsführer nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitze und keine Gewähr für eine künftige ordnungsgemäße Führung einer Gaststätte biete. Die Unzuverlässigkeit ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass die Antragstellerin ihren steuerlichen Verpflichtungen nicht nachkomme. Darüber hinaus neige die Antragstellerin dazu, gegen lebensmittelrechtliche Bestimmungen zu verstoßen. Bei den lebensmittelrechtlichen Verstößen handele es sich nicht um Bagatellen, sondern um regelmäßig wiederkehrende Verstöße, die in ihrer Häufung und ihrer Schwere sowie dem Unwillen, diese zu beseitigen, von erheblichem Gewicht seien. Die Herausnahme einer solchen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsleben sei notwendig, um die Allgemeinheit vor weiteren Nachteilen zu schützen. Die Schließungsanordnung stütze sich auf § 31 GastG i.V.m. § 15 Abs. 2 Gewerbeordnung (GewO) und sei im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung gerechtfertigt. Der Allgemeinheit könne nicht zugemutet werden, dass die Antragstellerin den Gaststättenbetrieb weiter betreibe. Demgegenüber müssten finanzielle Interessen der Antragstellerin zurücktreten. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei im öffentlichen Interesse erforderlich. Der Allgemeinheit sei nicht zuzumuten, dass sich eine Gewerbetreibende über rechtliche Bestimmungen oder behördliche Anordnungen hinwegsetze. Die Antragstellerin habe deutlich gemacht, dass sie weder willens noch in der Lage sei, ihren Gaststättenbetrieb in Einklang mit den bestehenden Gesetzen zu führen. Die Zustände in hygienerechtlicher Sicht seien erheblich unter den gesetzlichen Mindeststandards geblieben. Weitere Hygieneverstöße seien künftig zu erwarten. Es überwiege das öffentliche Interesse an einer fortwährend einwandfreien Hygiene und Sauberkeit im Küchen- und Gastbereich einer Schank- und Speisewirtschaft sowie das Schutzbedürfnis der Besucher*innen der Gaststätte, in geschmacklich und gesundheitlicher Hinsicht ausschließlich unbedenkliche Speisen und Getränke serviert zu bekommen. Es sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine Weiterführung der Gaststätte durch die Antragstellerin bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter entstehen lasse. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs erfolge nach Art. 29, 34 und 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG). Das mildere Zwangsgeld lasse keinen Erfolg erwarten.
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Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom … Mai 2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ die Antragstellerin Klage erheben und beantragen, den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. Mai 2022 aufzuheben. Das Klageverfahren, über das noch nicht entschieden ist, wird unter dem Aktenzeichen M 16 K 22.2818 geführt.
8
Zugleich ließ die Antragstellerin im Verfahren nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
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Zur Begründung der Klage und des Eilantrags führt der Bevollmächtigte der Antragstellerin im Wesentlichen aus, die Steuerrückstände könnten nicht herangezogen werden, da gegen die zugrunde liegenden Steuerbescheide derzeit noch finanzgerichtliche Verfahren anhängig seien. Die Bußgeldbescheide aus den Jahren 2014 bis 2016 seien unbeachtlich, da bis zum Jahr 2022 keine weiteren Verstöße festgestellt worden seien. Bei den Verstößen gegen das Lebensmittelrecht aus den Jahren 2021 und 2022 handele es sich um Verstöße, die nur mit kleineren Geldbußen geahndet worden seien und nicht für die Beurteilung für das Führen einer Gaststätte geeignet seien.
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Die Antragsgegnerin beantragt mit Schreiben vom 14. Juni 2022, den Antrag abzulehnen.
11
Zur Begründung führt die Antragsgegnerin im Wesentlichen aus, Steuerrückstände, die zur Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit führen können, seien solche nicht gezahlte Steuern, die von Rechts wegen bereits hätten gezahlt werden müssen. Dazu würden auch wirksam festgesetzte und fällige Steuern zählen, die streitig seien und gegen deren Festsetzung Rechtsbehelfe eingelegt worden seien. Die Verstöße aus dem Lebensmittelrecht aus den Jahren 2021 und 2022 könnten nicht isoliert betrachtet werden, da es bereits in den Jahren zuvor zu derartigen Verstößen gekommen sei. Über Jahre hinweg sei immer wieder massiv gegen Vorschriften des Gesundheits- und Lebensmittelrechts verstoßen worden, wobei sich die bei Betriebskontrollen festgestellten Beanstandungen regelmäßig auf gleiche oder ähnliche Mängel, insbesondere auf mangelnde Sauberkeit und Hygiene bezogen hätten. Nach Erlass des Widerrufsbescheides hätten sich weitere negative Erkenntnisse ergeben. So habe sich der Rückstand bei der Stadtkasse zum 10. Juni 2022 auf 98.392,06 Euro erhöht. Zudem seien bei einer am 11. Juli 2022 durchgeführten Routinekontrolle eine Vielzahl von Verstößen gegen Bestimmungen des Gesundheits- und Lebensmittelrechts festgestellt worden, aufgrund derer ein Strafverfahren eingeleitet worden sei.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren M 16 K 22.2818, und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 18. Mai 2022 gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
14
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet wurde, ganz oder teilweise wiederherstellen und in Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO entfällt, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
15
Die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ergeht auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall. Gegenstand dieser Abwägung sind einerseits das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs und andererseits das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts. Im Rahmen der Interessenabwägung können auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes, der vollzogen werden soll, als in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte Bedeutung erlangen, insbesondere, wenn aufgrund der gebotenen summarischen Prüfung Erfolg oder Misserfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich erscheinen. Offensichtlich sind die Erfolgsaussichten, wenn das beschließende Gericht im Eilverfahren meint, bereits mit hinreichender Sicherheit den Ausgang in der Hauptsache, also vorrangig seine eigene Entscheidung, prognostizieren zu können (vgl. Külpmann in Finkelnburg/Dombert/ Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren, 7. Auflage 2017, Rn. 968 m.w.N). Bei offener Erfolgsprognose ist eine (reine) Interessenabwägung durchzuführen, bei der die überschaubaren Erfolgsaussichten in der Hauptsache gleichwohl mit einbezogen werden (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, § 80 VwGO Rn. 372 ff. m.w.N.).
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Auch dann, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig erweist, bedarf es in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse von der Behörde im Einzelfall nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet wurde, eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses, das gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO von der Behörde schriftlich zu begründen ist. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der Gaststättenerlaubnis setzt im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG), hier i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, weiter voraus, dass die Fortsetzung der Berufstätigkeit des Erlaubnisinhabers während der Dauer des Rechtsstreits konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt. Die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ist verfassungsrechtlich (Art. 19 Abs. 4 GG) wie einfachgesetzlich (§ 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO) die Regel und der Sofortvollzug die Ausnahme. Die Anordnung des Sofortvollzugs kann deshalb nur ausnahmsweise durch kollidierende Verfassungsgüter wie den Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter, die durch konkrete Gefahren bedroht sind, gerechtfertigt sein (vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2020 – 22 CS 20.1600 – juris Rn. 40; BayVGH, B.v. 2.7.2014 – 22 CS 14.1186 – juris Rn. 11, jeweils m.w.N.). Die Begründetheit dieser Besorgnis ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes unter Berücksichtigung auch solcher Umstände zu beurteilen, die erst nach Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts eingetreten sind (vgl. OVG NW, B.v. 20.10.2016 – 4 B 1094/16 – juris Rn. 5 ff. zur Gewerbeuntersagung).
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Nach diesen Maßstäben begegnen weder der Widerruf der gaststättenrechtlichen Erlaubnis und die Schließungsanordnung noch die Anordnung zu deren sofortiger Vollziehbarkeit Bedenken. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das private Interesse der Antragstellerin, die Schank- und Speisewirtschaft „…“ bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiter betreiben zu können. Auch hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung und deren sofortiger Vollziehbarkeit bestehen keine rechtlichen Bedenken.
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1. Die in Nummer 3 des streitgegenständlichen Bescheids getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der gaststättenrechtlichen Erlaubnis und der Schließungsanordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO genügt den formellen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Danach ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen.
19
Die Antragsgegnerin hat die Anordnung des Sofortvollzugs im Wesentlichen mit dem öffentlichen Interesse an einer einwandfreien Hygiene und Sauberkeit im Küchen- und Gastbereich einer Schank- und Speisewirtschaft sowie dem Schutzbedürfnis der Besucher*innen der Gaststätte, in geschmacklich und gesundheitlicher Hinsicht ausschließlich unbedenkliche Speisen und Getränke serviert zu bekommen, begründet. Es könne mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass eine Weiterführung der Gaststätte durch die Antragstellerin bis zur abschließenden Entscheidung in der Hauptsache konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter entstehen lasse.
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Aus dieser nicht bloß formelhaften Begründung ergibt sich, dass die Antragsgegnerin den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung erkannt hat, sowie aus welchen Gründen sie im konkreten Einzelfall dem Vollzugsinteresse den Vorrang eingeräumt hat.
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2. Nach Auffassung des Gerichts ist bei der im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage davon auszugehen, dass der in Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Widerruf der gaststättenrechtlichen Erlaubnis offensichtlich rechtmäßig ist.
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Rechtsgrundlage für den Widerruf der der Antragstellerin erteilten gaststättenrechtlichen Erlaubnis ist § 15 Abs. 2 GastG. Danach ist die Erlaubnis zum Betrieb eines Gaststättengewerbes zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG rechtfertigen würden. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt.
23
a) Die Antragsgegnerin ist zu Recht von der gaststättenrechtlichen Unzuverlässigkeit der Antragstellerin ausgegangen.
24
Der Begriff der Unzuverlässigkeit i.S.d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG stimmt mit dem des § 35 Abs. 1 GewO überein (vgl. BVerwG, B.v. 23.9.1991, 1 B 96.91 – juris Rn. 4). Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gewerbetreibender unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 14 m.w.N.).
25
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids als eines rechtsgestaltenden Verwaltungsakts. Dabei ist eine Prognose über die zukünftige Unzuverlässigkeit jeder Entscheidung über einen Widerruf nach § 15 Abs. 2 GastG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG immanent. Die Prognose ist ein aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen gezogener Schluss auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten der Gaststättengewerbetreibenden. Nachträgliche Veränderungen der Sachlage können allenfalls künftig Bedeutung erlangen, wenn sich der Gaststättenbetreiber unter Berufung auf eine positive Entwicklung künftig erneut um eine Gaststättenerlaubnis bemühen sollte (vgl. BVerwG, B.v. 25.1.1994 – 1 B 212.93 – juris Rn. 6; BVerwG, B.v. 26.2.1997 – 1 B 34.97 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 1.10.2012 – 22 ZB 12.787 – juris Rn. 15).
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aa) Nach diesen Maßstäben rechtfertigt sich die negative Prognose hinsichtlich der gaststättenrechtlichen Zuverlässigkeit der Antragstellerin bereits aus dem Umstand, dass die Antragstellerin ihren öffentlich-rechtlichen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist, wie sich aus den erheblichen Rückständen beim Finanzamt und der Stadtkasse im Zeitpunkt des Bescheidserlasses ergibt.
27
Auf die Ursachen für entstandene Zahlungsrückstände und die Nichterfüllung von Erklärungspflichten kommt es nicht an, da sich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nach objektiven Kriterien bestimmt. Daher ist es grundsätzlich unerheblich, ob den Gewerbetreibenden hinsichtlich der Umstände, derentwegen ihm eine negative Prognose hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit seines künftigen gewerblichen Verhaltens ausgestellt werden muss, ein Verschuldensvorwurf trifft oder ihm „mildernde Umstände“ zur Seite stehen (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17.79 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 8.5.2015 – 22 C 15.760 – juris Rn. 20).
28
Vielmehr muss im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Diese – durch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung begründete – Erwartung ist der eigentliche Grund, den wirtschaftlich leistungsunfähigen Gewerbetreibenden als unzuverlässig zu bewerten (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146.80 – juris Rn. 15).
29
Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 14 m.w.N.). Ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept setzt grundsätzlich voraus, dass mit den Gläubigern eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen und ein Tilgungsplan auch effektiv eingehalten wird (vgl. BayVGH, B.v. 8.7.2013 – 22 C 13.1163 – juris Rn. 10).
30
Soweit die Antragstellerin ausführen lässt, die Steuerrückstände könnten nicht herangezogen werden, da gegen die zugrunde liegenden Steuerbescheide derzeit noch finanzgerichtliche Verfahren anhängig seien, vermag sie damit nicht durchzudringen. Steuerrückstände, die zur Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit führen können, sind solche nicht gezahlte Steuern, die der Steuerschuldner von Rechts wegen bereits hätte zahlen müssen. Die Steuern bedürfen, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der Festsetzung durch Steuerbescheid gemäß § 155 Abgabenordnung (AO). Dies gilt auch für die Fälle, in denen die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO nicht exakt ermittelt, sondern geschätzt werden. Wann die Steuerschuld fällig ist, ergibt sich aus den einzelnen Steuergesetzen und im Übrigen aus § 220 AO. Ein Steuerbescheid ist gemäß § 361 Abs. 1 AO i.V.m. § 69 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) grundsätzlich vollziehbar, auch wenn ein Rechtsbehelf dagegen eingelegt wird (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.1996 – 1 B 177.95 – juris Rn. 5). Demnach kommt es für die Beurteilung der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit wegen Steuerschulden nicht auf die materielle Rechtmäßigkeit der fälligen und nicht entrichteten Steuern an. Weder die Antragsgegnerin noch das Verwaltungsgericht sind dazu verpflichtet, die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung zu prüfen und in diesem Zusammenhang weitere Ermittlungen vorzunehmen (vgl. BVerwG, B.v. 22.6.1994 – 1 B 114.94 – juris Rn. 8; BVerwG, B.v. 12.1.1996 – 1 B 177.95 – juris Rn. 5). Nur in Fällen, in denen die Finanzbehörde die Vollziehung nach § 361 Abs. 2 AO i.V.m. § 69 Abs. 2 FGO ausgesetzt hat, braucht der Steuerpflichtige die festgesetzte Steuer noch nicht zu entrichten. Ist eine Stundung unter Ratenzahlung gewährt worden, braucht die Steuer gemäß § 222 AO nur der Stundung gemäß gezahlt werden (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1997 – 1 B 56.97 – juris Rn. 5). Im Zeitpunkt des Bescheidserlasses lagen jedoch weder eine Aussetzung der Vollziehung noch eine Stundung unter Ratenzahlung vor.
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bb) Von Vorstehendem abgesehen rechtfertigen die Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften, wie sie bei den Kontrollen am 22. Juli 2021, 11. November 2021 und 13. Januar 2022 festgestellt wurden, die negative Prognose hinsichtlich der gaststättenrechtlichen Zuverlässigkeit der Antragstellerin.
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So stellte die Antragsgegnerin bei einer turnusmäßigen Kontrolle am 22. Juli 2021 fest, dass im Gaststättenbetrieb der Antragstellerin gegen eine Vielzahl lebensmittelrechtlicher Hygienevorschriften verstoßen wurde und nicht sichere Lebensmittel in Verkehr gebracht wurden.
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Neben den zahlreichen festgestellten und mittels Fotos dokumentierten Verschmutzungen wiegt hierbei aus Sicht des Gerichts besonders schwer, dass die Beschichtung der Eingangstür mit Essensdurchreiche, neben der verzehrfertige Speisen standen, großflächig abgeblättert und der Türrahmen mit alten Fettresten und anderen Verschmutzungen verunreinigt war, so dass nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sich Teile der Türbeschichtung oder der Verschmutzungen während des Produktionsprozesses lösen und in das darunter zubereitete Lebensmittel gelangen [Nr. 1 des Bußgeldbescheids vom 18. März 2022, Bilder 2 – 6 des Kontrollberichts vom 23. Juli 2021, Bl. 294, 323 f. der Behördenakte], sich über dem Vorbereitungstisch, auf dem Lebensmittel verarbeitet wurden, ein großes Loch an der Wand befand, von dem sich der Putz löste, und an den Rohren über dem Vorbereitungstisch gelblich-braune Verschmutzungen hafteten, die bereits Tropfnasen bildeten, so dass nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sich Verunreinigungen während des Produktionsprozesses lösen und in die darunter zubereiteten Lebensmittel gelangen [Nr. 10 des Bußgeldbescheids vom 18. März 2022, Bild 36 des Kontrollberichts vom 23. Juli 2021, Bl. 296, 331 der Behördenakte], die Dunstabzugshaube über dem Gyrosgrill sowie der Wand- und Deckenbereich mit alten, klebrigen, gelblich-braunen Fettresten verunreinigt waren und das Gitter hinter dem Gyrosspieß gerissen war, so dass nicht ausgeschlossen werden konnte, dass sich Gitterteile oder Verunreinigungen während des Herstellungsprozesses lösen und in die zubereiteten Lebensmittel gelangen [Nr. 18 des Bußgeldbescheids vom 18. März 2022, Bilder 65 – 72 des Kontrollberichts vom 23. Juli 2021, Bl. 297, 339 f. der Behördenakte] und die kalte Vorspeise „Taramas“ (Fischrogensalat) sowie der Aufstrich aus Käse eine Lagertemperatur von 10,7°C bzw. 10,8°C aufwiesen, obwohl die übliche Lagertemperatur für leicht verderbliche Lebensmittel bei 7°C liegt [Nrn. 28, 29 des Bußgeldbescheids vom 18. März 2022, Bl. 299 der Behördenakte]. Dadurch hat die Antragstellerin, handelnd durch ihren Geschäftsführer, gegen § 3 Satz 1 Lebensmittelhygiene-Verordnung (LMHV) verstoßen, wonach Lebensmittel nur so hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht werden dürfen, dass sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt sind.
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Des Weiteren erachtet das Gericht als besonders schwerwiegend, dass eine Kühleinrichtung, in der offene Lebensmittel (u.a. Fleisch) gelagert wurden, im gesamten Innenbereich, insbesondere an den Dichtungsgummis, den Einlegegittern und dem Ventilator, massiv mit alten Lebensmittelresten und schimmelähnlichen Ablagerungen verunreinigt war [Nr. 7 des Bußgeldbescheids vom 18. März 2022, Bilder 19 – 28 des Kontrollberichts vom 23. Juli 2021, Bl. 295, 327 ff. der Behördenakte], der Kühltisch, in dem offen Nachspeisen (u.a. Tiramisu) aufbewahrt wurden, im gesamten Innenbereich, insbesondere an den Dichtungsgummis, den Einlegegittern und dem Bodenbereich, mit alten Lebensmittelresten, schimmelähnlichen Ablagerungen und anderen undefinierbaren Verschmutzungen verunreinigt war, so dass eine Kontamination nicht ausgeschlossen werden konnte [Nr. 11 des Bußgeldbescheids vom 18. März 2022, Bilder 37 – 46 des Kontrollberichts vom 23. Juli 2021, Bl. 296, 332 ff. der Behördenakte], ein Kühlschrank, in dem offene Lebensmittel (rohes Fleisch und Oktopusse) gelagert wurden, im gesamten Innenbereich, insbesondere am Ventilatorenschutzgitter, den Einlegegittern, den Dichtungsgummis und den Lüftungsschlitzen, massiv mit schimmelähnlichen Verschmutzungen verunreinigt war, so dass eine Kontamination nicht ausgeschlossen werden konnte [Nr. 23 des Bußgeldbescheids vom 18. März 2022, Bilder 96 – 106 des Kontrollberichts vom 23. Juli 2021, Bl. 298, 346 ff. der Behördenakte] und ein im Kühlschrank vorrätig gehaltener Käse, dessen Lagertemperatur 13,9°C betrug, obwohl die übliche Lagertemperatur für leicht verderbliche Lebensmittel bei 7°C liegt, laut Gutachten des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 6. August 2021 Anzeichen von Verderb aufwies, so dass er für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet und nicht sicher war [Nr. 27 des Bußgeldbescheids vom 18. März 2022, Bl. 298 f., 239 ff.]. Dadurch hat die Antragstellerin, handelnd durch ihren Geschäftsführer, gegen § 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Kapitel V Nr. 1a und Kapitel IX Nr. 2 der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Lebensmittelhygiene (VO (EG) 852/2004) verstoßen, wonach Gegenstände, Armaturen und Ausrüstungen, mit denen Lebensmittel in Berührung kommen, gründlich gereinigt und erforderlichenfalls desinfiziert werden müssen, so dass kein Kontaminationsrisiko besteht, und Rohstoffe und Zutaten, die in einem Lebensmittelunternehmen vorrätig gehalten werden, so zu lagern sind, dass gesundheitsgefährdender Verderb verhindert wird und Schutz vor Kontamination gewährleistet ist.
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Dass die am 22. Juli 2021 festgestellten Beanstandungen bei der Nachkontrolle am 11. November 2021 im Wesentlichen nicht beseitigt waren [Bl. 213 ff., 225 f. der Behördenakte] und bauliche Mängel selbst bei der zweiten Nachkontrolle am 13. Januar 2022 noch immer vorhanden waren [Bl. 196 ff., 212 der Behördenakte] zeigt, dass es sich nicht um ein einmaliges Versehen handelte, sondern die Antragstellerin nicht willens oder in der Lage ist, die Einhaltung lebensmittelrechtlicher Vorschriften zu gewährleisten.
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Die Einhaltung der dem Schutz der Gesundheit der Gäste dienenden lebensmittelrechtlichen Hygienevorschriften gehört zu den zentralen Pflichten eines Gaststättenbetreibers. Dass die Antragstellerin diese zentralen Pflichten vernachlässigt und einen derart sorglosen Umgang im Hinblick auf die lebensmittelrechtlichen Hygieneanforderungen an den Tag gelegt hat, rechtfertigt die von der Antragsgegnerin angestellte Prognose, dass sie nicht die Gewähr dafür bietet, ihr Gaststättengewerbe künftig ordnungsgemäß zu betreiben.
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b) Gemäß § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG ist die gaststättenrechtliche Erlaubnis bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen zu widerrufen. Ein Ermessensspielraum steht der zuständigen Behörde insoweit grundsätzlich nicht zu. In Anbetracht der erheblichen Steuerrückstände sowie der gravierenden Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften war der Widerruf der Gaststättenerlaubnis auch zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich.
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c) Angesichts des Umstands, dass die Antragstellerin trotz des Verhaltens ihres Geschäftsführers auch nach Anhörung zum beabsichtigten Widerruf der gaststättenrechtlichen Erlaubnis an ihrem Geschäftsführer festgehalten hat, sowie angesichts der Gesellschaftsstruktur der Antragstellerin, wonach der Geschäftsführer zugleich der einzige Gesellschafter ist, musste sich die Antragsgegnerin nicht darauf beschränken, der Antragstellerin aufzugeben, ihren Geschäftsführer auszuwechseln, und die Beschäftigung des bisherigen Geschäftsführers zu untersagen.
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d) Der Widerruf der gaststättenrechtlichen Erlaubnis ist nicht unverhältnismäßig. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen für den Widerruf der Gaststättenerlaubnis vor, ist die Widerrufsentscheidung in aller Regel auch verhältnismäßig. Ein Abweichen von der gesetzlich vorgesehenen Regelfolge ist nur bei extremen Ausnahmefällen geboten (vgl. BVerwG, B.v. 19.1.1994 – 1 B 5.94 – juris Rn. 8 zur Gewerbeuntersagung). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall, auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin, nicht ersichtlich.
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3. Auch die in Nummer 2 des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Schließungsanordnung ist bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage offensichtlich rechtmäßig.
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a) Rechtsgrundlage für die Anordnung der Einstellung des Gaststättenbetriebs unter Einräumung einer Abwicklungsfrist ist § 31 GastG i.V.m. § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO. Danach kann die Fortsetzung des Betriebs von der zuständigen Behörde verhindert werden, wenn ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben wird. Dabei kann die Anordnung der Schließung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO mit dem Widerruf der Erlaubnis verbunden werden (vgl. Heß in Korte/Repkewitz/Schulze-Werner (vormals Friauf), GewO, Stand Februar 2023, § 15 Rn. 86; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand März 2022, § 15 Rn. 14, jeweils m.w.N.). Dies ist nach Auffassung des Gerichts auch zweckmäßig, weil die Widerrufsentscheidung für sich keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Mit der Anordnung des Sofortvollzugs der Widerrufsverfügung entfällt die der Antragstellerin erteilte gaststättenrechtliche Erlaubnis, die sie zum legalen Betrieb ihrer Gaststätte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GastG benötigt. Am Erfordernis einer Betriebsschließung und der Rechtmäßigkeit der Maßnahme hat sich im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung nichts geändert (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 20.78 – juris Rn. 15).
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b) Ermessensfehler liegen nicht vor, § 114 Abs. 1 VwGO. Die der Antragstellerin eingeräumte Abwicklungsfrist von ca. vier Wochen war im vorliegenden Fall angemessen.
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4. An der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der gaststättenrechtlichen Erlaubnis und der Schließungsanordnung besteht ein besonderes Interesse. Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.
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Die mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der gaststättenrechtlichen Erlaubnis und der Schließungsanordnung erfolgte Abweichung von der im Gesetz grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung der Klage stellt einen selbständigen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, hier i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG, dar. Vor diesem Hintergrund setzt die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs der gaststättenrechtlichen Erlaubnis und der Schließungsanordnung zusätzlich zu der voraussichtlichen Rechtmäßigkeit der Grundverfügung voraus, dass die Fortsetzung der Berufstätigkeit des Erlaubnisinhabers während der Dauer des Rechtsstreits konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt (vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2020 – 22 CS 20.1600 – juris Rn. 40; BayVGH, B.v. 2.7.2014 – 22 CS 14.1186 – juris Rn. 11, jeweils m.w.N.).
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Dies zugrunde gelegt überwiegt im vorliegenden Fall das öffentliche Interesse an der sofortigen Abwehr von Gefahren zum Schutz des überragend wichtigen Gemeinschaftsguts der Gesundheit der Verbraucher das durch Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG geschützte Interesse der Antragstellerin, ihren Gaststättenbetrieb bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihre Klage fortzuführen. Die bisherige Betriebsführung der Antragstellerin zeigt in Anbetracht der genannten gravierenden Verstöße, dass die Antragstellerin nicht willens oder in der Lage ist, die dem Gesundheitsschutz der Verbraucher dienenden lebensmittelrechtlichen Hygienevorschriften zuverlässig zu befolgen. Dabei wiegt besonders schwer, dass die bei der Kontrolle am 22. Juli 2021 beanstandeten Mängel bei der Nachkontrolle am 11. November 2021 im Wesentlichen noch nicht beseitigt waren und selbst bei der Nachkontrolle am 13. Januar 2022 noch immer bauliche Mängel vorhanden waren. Vor diesem Hintergrund ist ernsthaft zu befürchten, dass sich die mit dem Widerruf der gaststättenrechtlichen Erlaubnis und mit der Schließungsanordnung zu verhütende Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher schon in der Zeit bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens realisieren wird. Umstände, die eine günstigere prognostische Bewertung zulassen würden, sind nicht ersichtlich. Vielmehr wird die Prognose durch den nach Bescheidserlass eingetretenen Umstand gestützt, wonach bei einer am 11. Juli 2022 durchgeführten Routinekontrolle erneut zahlreiche Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Hygienevorschriften festgestellt wurden [Bl. 457 ff. der Behördenakte].
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Aus diesen Gründen tritt unter den besonderen Umständen dieses Einzelfalls auch der von Art. 19 Abs. 4 GG gebotene regelmäßige Vorrang der gerichtlichen Überprüfung einer hoheitlichen Maßnahme vor ihrem Vollzug gegenüber den überwiegenden Allgemeinbelangen ausnahmsweise zurück.
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5. Die gemäß Art. 21a VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbare Androhung des unmittelbaren Zwangs für den Fall der Nichtbeachtung der Schließungsanordnung in Nummer 4 des Bescheids beruht auf Art. 29, 34 und 36 VwZVG und begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Antragsgegnerin kann die inzwischen abgelaufene Abwicklungsfrist i.S.v. Art. 31 Abs. 7 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) jederzeit ändern bzw. eine neue Frist bestimmen, ohne die fortbestehende Zwangsmittelandrohung im Übrigen inhaltlich abzuändern, sofern kein Anlass hierzu besteht.
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Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Festsetzung des Streitwerts stützt sich auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und orientiert sich an Nummer 54.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.