Titel:
Erfolglose Nachbarklage gegen Vorbescheid für Neubau eines Einfamilienhauses mit Carport
Normenketten:
BauGB § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 2
BayBO Art. 68 Abs. 1, Art. 71 S. 1
Leitsätze:
1. Ein Nachbar kann einen Bauvorbescheid nur dann mit Aussicht auf Erfolg anfechten, wenn Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf das Grundstück des Nachbarn fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Rahmen einer Nachbarklage gegen eine Befreiung von einer Festsetzung des Bebauungsplans, die dem Nachbarschutz dient, ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt sind, wohingegen sich der Nachbarschutz bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht dem Nachbarschutz, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit an einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung dient, ausschließlich nach den Grundsätzen des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme, das im Tatbestandsmerkmal „unter Würdigung nachbarlicher Interessen“ enthalten ist, richtet. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage, Baurecht, Bauvorbescheid, Bebauungsplan, Befreiung, Mindestgrundstücksgröße, Firstrichtung, Höhe des Vorhabens, Gebäudeabstand, Parksituation, Erschließungssituation
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 27.04.2023 – 15 ZB 23.416
Fundstelle:
BeckRS 2023, 10140
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen einen dem Beigeladenen erteilten Vorbescheid für den Neubau eines Einfamilienhauses mit Carport.
2
Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks mit der Flur-Nr. … der Gemarkung …, Gemeinde H. Der Beigeladene ist Eigentümer des westlich angrenzenden Grundstücks mit der Flur-Nr. … der Gemarkung …, Gemeinde H. (im Folgenden: Baugrundstück). Die Grundstücke liegen im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „U.“ der Gemeinde H. (im Folgenden: Bebauungsplan). Nachdem ein ursprüngliches Bauvorhaben aus Sicht des Landratsamts nicht genehmigungsfähig war, beantragte der Beigeladene mit am 24. Januar 2022 beim Landratsamt K. eingegangenen Formblättern die Erteilung eines Vorbescheids für den Neubau eines Einfamilienhauses mit Carport auf dem Baugrundstück unter Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans hinsichtlich der Mindestgröße des Grundstücks und der Firstrichtung. Mit Beschluss vom 20. Januar 2022 erteilte die Gemeinde H. das gemeindliche Einvernehmen.
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Mit Bescheid vom 10. Februar 2022, Az. …, wurde dem Beigeladenen der beantragte Vorbescheid unter gleichzeitiger Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Firstrichtung und der Größe des Baugrundstücks erteilt. Eine Ausfertigung des Bescheids wurde der Klägerin am 12. Februar 2022 zugestellt.
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Mit am 8. März 2022 eingegangen Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten ließ die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg erheben. Unter dem 16. September 2022 wurde die Klage im Hinblick auf das gerichtliche Hinweisschreiben vom 11. August 2022 u.a. dahingehend begründet, dass die Mindestgrößenüberschreitung die Klägerin unzumutbar in ihren Rechten verletze. Eine diesbezügliche Befreiung beeinträchtige sie übergebührlich. Schon jetzt sei die Parksituation im betroffenen Bereich etwa sehr angespannt. Auch der äußerst geringe Gebäudeabstand zu den Längsseiten und die Höhe des Vorhabens seien nicht nachbarlich hinzunehmen. Das Vorhaben füge sich damit nicht ein und wirke im Realisierungsfall erdrückend, so dass es gegen das baunachbarliche Rücksichtnahmegebot verstoßen werde.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß:
Der Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 2022, Az. …, wird aufgehoben.
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Der Beklagte und der Beigeladene haben keine Anträge gestellt.
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Mit Schreiben vom 19. August 2022, 29. August 2022 und 16. September 2022 erklärten die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil.
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Mit Beschluss vom 15. Dezember 2022 wurde das Verfahren des Ehemanns der Klägerin (urspr. Kläger zu 2. in diesem Verfahren) abgetrennt und unter dem Aktenzeichen RN 6 K 22.2883 fortgeführt. Das Verfahren RN 6 K 22.2883 wurde mit Beschluss vom 15. Dezember 2022 eingestellt.
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Hinsichtlich des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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Die zulässige Klage erweist sich als unbegründet. Der dem Beigeladenen erteilte Vorbescheid des Landratsamts K. vom 10. Februar 2022 verletzt die Klägerin nicht in eigenen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Nach Art. 71 Satz 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) ist vor Einreichung des Bauantrags auf Antrag des Bauherrn zu einzelnen Fragen des Bauvorhabens ein Vorbescheid zu erteilen. Gemäß Art. 71 Satz 4 BayBO i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO besteht im Rahmen der vom Bauherrn zur Entscheidung gestellten Fragen ein Rechtsanspruch auf die Erteilung, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen sind.
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Einem Nachbarn des Bauherrn steht ein Anspruch auf Versagung des Vorbescheids grundsätzlich nicht zu. Er kann einen Vorbescheid nur dann mit Aussicht auf Erfolg anfechten, wenn Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf das Grundstück des Nachbarn fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Nur daraufhin ist das genehmigte Vorhaben in einem nachbarrechtlichen Anfechtungsprozess zu prüfen (vgl. BVerwG, B. v. 28.7.1994 – 4 B 94/94 – juris; BVerwG, U. v. 19.9.1986 – 4 C 8.84 – juris). Es ist daher unerheblich, ob der Vorbescheid einer vollständigen Rechtmäßigkeitsprüfung standhält.
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Da das Baugrundstück im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „U.“ liegt, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens nach § 30 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB).
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Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichts, die Gültigkeit bzw. Nichtigkeit eines Bebauungsplans festzustellen, da dies im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO Aufgabe des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist. Das Verwaltungsgericht kann jedoch nicht verpflichtet sein, einen erkennbar unwirksamen Bebauungsplan anzuwenden und damit eine erkennbar unrichtige Entscheidung zu treffen. Das Verwaltungsgericht prüft daher inzident die Wirksamkeit des Bebauungsplans, wobei es nicht ungefragt in eine Fehlersuche eintritt (vgl. BVerwG, B.v. 12.9.1989 – 4 B 149/89 – juris). Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit des Bebauungsplans ergeben sich vorliegend nicht und wurden auch nicht geltend gemacht.
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Das streitgegenständliche Bauvorhaben widerspricht hinsichtlich der Größe des Baugrundstücks und der Firstrichtung den Festsetzungen des Bebauungsplans. Durch die im Rahmen des Vorbescheids erteilten Befreiungen von den Festsetzungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB ist eine Verletzung drittschützender Normen nicht ersichtlich.
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Im Rahmen einer Nachbarklage gegen eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB ist zu differenzieren, ob von einer Festsetzung des Bebauungsplans befreit werden soll, die dem Nachbarschutz dient. Wird eine Befreiung von nachbarschützenden Festsetzungen erteilt, ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt sind. Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht dem Nachbarschutz, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit an einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung dient, richtet sich der Nachbarschutz ausschließlich nach den Grundsätzen des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme, das im Tatbestandsmerkmal „unter Würdigung nachbarlicher Interessen“ (§ 31 Abs. 2 BauGB) enthalten ist (BayVGH, B.v. 8.11.2016 – 1 CS 16.1864 – juris; BayVGH, B.v. 1.12.2016 – 1 ZB 15.1841 – juris; BayVGH, B.v. 27.11.2019 – 9 CS 19.1595 – juris). Für die Annahme einer Verletzung von Nachbarrechten reicht es daher nicht aus, wenn die Befreiung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr muss das Vorhaben den Nachbarn infolge der zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigen; der Nachbar hat über den Anspruch auf „Würdigung nachbarlicher Interessen“ hinaus keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Baugenehmigungsbehörde (BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64.98 – juris). Diese Grundsätze gelten aufgrund der entsprechenden Anwendung des § 31 Abs. 2 BauGB auch bei Befreiungen von im Bebauungsplan integrierten örtlichen Bauvorschriften (vgl. Art. 81 Abs. 2 BayBO). Örtliche Bauvorschriften nach Art. 81 Abs. 1 BayBO (Art. 107 Abs. 1 BayBO a.F.) dienen – auch wenn sie in einen Bebauungsplan integriert sind – grundsätzlich nur dem öffentlichen Interesse und sind daher im Regelfall nicht drittschützend. Örtliche Bauvorschriften können dem Nachbarn nur dann ausnahmsweise subjektiv-öffentliche Abwehrrechte einräumen, wenn die planende Gemeinde der Festsetzung erkennbar eine entsprechende drittschützende Wirkung geben wollte (BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 15 CS 21.544 – juris). Ob einer Festsetzung im Bebauungsplan nachbarschützende Wirkung zukommt, ist durch Auslegung zu ermitteln. Daher kann aus einer Nichtbeachtung bzw. Abweichung von solchen Festsetzungen nur dann ein subjektives nachbarliches Abwehrrecht gegen ein Bauvorhaben hergeleitet werden, wenn dem jeweiligen Bebauungsplan, seiner Begründung oder sonstigen Unterlagen unzweifelhaft erkennbarer dahingehender Regelungswille der Gemeinde entnommen werden kann (BayVGH, B.v. 23.11.2015 – 1 CS 15.2207 – juris Rn. 8; VG Augsburg, U.v. 9.2.2017 – Au 5 K 16.1042 – juris Rn. 43).
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Soweit der Bebauungsplan in Ziffer 2 der textlichen Festsetzung eine Mindestgröße der Baugrundstücke von 700 m² festsetzt (geplant 481 m²) handelt es sich nicht um eine drittschützende Norm. Festsetzungen einer Mindestgrundstücksgröße wie auch Festsetzungen des Maßes der baulichen Nutzung kommt grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion zu. Hier enthalten weder die Planzeichnung selbst noch die Planbegründung greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Gemeinde die Festsetzung der Mindestgrundstücksgröße nicht allein aus städtebaulichen Gründen getroffen hat, sondern darüber hinaus die Interessen der jeweiligen Nachbarn besonders schützen wollte (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 147. EL August 2022, Art. 66 Rn. 378; NdsOVG, B.v. 27.7.1998 – 1 M 2724/98 – juris Rn. 6).
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Bei der Festsetzung der Firstrichtung im Bebauungsplanes handelt es sich um eine in den Bebauungsplan integrierte örtliche Bauvorschrift (§ 9 Abs. 2 BBauG 1976 i.V.m. Art. 107 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 BayBO a.F.; vgl. BVerwG, Urt. v. 11.5.2000 – 4 C 14.98 – NVwZ 2000, 1169; Decker in Busse/Kraus, BayBO, 145. EL Januar 2022, Art. 81 Rn. 121). Es ist vorliegend nicht ersichtlich, dass den Vorgaben zur Dachgestaltung nachbarschützende Wirkung zukommen sollte. Weder aus der Formulierung der Festsetzungen noch aus der Begründung des Bebauungsplans ergeben sich dafür Anhaltspunkte. Es handelt es sich daher um (rein) gestalterische Festsetzungen im öffentlichen Interesse.
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Da vorliegend keine Befreiung von drittschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans erteilt wurden, ist Nachbarschutz lediglich über das Rücksichtnahmegebot zu erlangen. Ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) (i.V.m. § 31 Abs. 2 BauGB) ist vorliegend nicht erkennbar und wurde auch nicht substantiiert geltend gemacht.
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Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, ist abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, auf den Rücksicht zu nehmen ist, umso mehr kann dieser an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, umso weniger muss der Bauherr Rücksicht nehmen. Für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls kommt es wesentlich auf die Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BVerwG, U.v. 28.10.1993 – 4 C 5/93 – juris).
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Die Abweichung von der Mindestgrundstücksgröße erweist sich nicht als rücksichtslos. Es ist bereits nicht ersichtlich, inwieweit die Grundstücksgröße des Baugrundstücks sich auf die Klägerin auswirken soll. Soweit der Vortrag darauf abzielt, dass durch die geringere Grundstücksgröße eine Nachverdichtung und damit einhergehend eine dichtere Bebauung mit zusätzlicher Einsichtnahmemöglichkeit geschaffen wird, ist eine Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten nicht erkennbar. Eine verstärkte oder auch erstmalige Einsichtsmöglichkeit führt nur in Ausnahmefällen zu einer Verletzung von Nachbarrechten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gibt es keinen nachbarrechtlichen Schutz vor der Verschlechterung der Aussicht sowie vor Einsichtsmöglichkeiten von benachbarten Grundstücken oder Häusern (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.2014 – 1 B 14.819 – juris; BayVGH, B.v. 15.3.2011 – 15 CS 11.9 – juris; BayVGH, B.v. 6.8.2010 – 15 CS 09.3006 – juris; BVerwG, U.v.13.6.1980 – 4 C 98.77 – juris). Insbesondere in bebauten innerörtlichen Bereichen gehört es zur Normalität, dass von benachbarten Grundstücken bzw. Gebäuden aus Einsicht in das eigene Grundstück und in Gebäude genommen werden kann. Die Grenze des Zumutbaren wird nur in Ausnahmefällen überschritten, wenn ein Vorhaben Einsichtsmöglichkeiten auf das Nachbargrundstück eröffnet, die über das hinzunehmende Maß hinausgehen, etwa wenn ein Balkon in unmittelbarer Nähe zu einem vorhandenen Schlafzimmerfenster errichtet werden soll oder wenn eine Dachterrasse aus kurzer Entfernung Einsichtsmöglichkeiten nicht nur in einen Innenhof, sondern auch in die Fenster eines Nachbargebäudes eröffnet (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2016 – 9 ZB 15.376 – juris; BayVGH, B.v. 6.4.2018 – 15 ZB 17.36 – juris; BayVGH, B.v. 27.10.1999 – 2 CS 99.2387 – juris; OVG Hamburg, B.v. 26.9.2007 – 2 Bs 188/07 – juris; OVG LSA, B.v. 12.12.2011 – 2 M 162/11 – juris). Nach den genehmigten Plänen wird ein Abstand zur klägerischen Grundstücksgrenze von 3 m eingehalten. Unter Berücksichtigung der Situierung des klägerischen Wohnhauses ist ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht ersichtlich.
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Soweit vorgebracht wird, dass der äußerst geringe Gebäudeabstand zu den Längsseiten und die Höhe des Vorhabens nicht hinzunehmen seien, ist ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nicht substantiiert geltend gemacht. Eine erdrückende Wirkung kann vor allem bei nach Höhe und Bauvolumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten (niedrigeren) Wohngebäuden in Betracht kommen (vgl. BVerwG, U.v. 31.3.1981 – 4 C 1.78 – juris). Dies wurde beispielsweise angenommen bei einem Hochhaus mit zwölf Geschossen im Abstand von 15 m zu einem Wohnhaus mit zweieinhalb Geschossen (BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris) oder bei mehreren Siloanlagen mit einer Höhe von 11,50 m im Abstand von 6 m zu einem zweigeschossigen Wohngebäude (BayVGH, B.v. 5.2.2015 – 2 CS 14.2456 – juris. Hauptkriterien bei der Beurteilung einer abriegelnden bzw. erdrückenden Wirkung sind unter anderem die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (BayVGH, B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris; vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78- juris: elf- bzw. zwölfgeschossiges Gebäude in naher Entfernung zu zweieinhalbgeschossigem Wohnhaus; BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris). Von einer vergleichbaren Situation kann vorliegend keine Rede sein. Das Bauvorhaben weist eine Grundfläche von 12 m mal 5 m auf. Bei einer Firsthöhe von 5,685 m und einer Traufhöhe von 3,85 m und einem Grenzabstand von 3 m ist insbesondere im Hinblick auf die Situierung des Gebäudes in Bezug auf das klägerische Grundstück keine erdrückende oder einmauernde Wirkung erkennbar.
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Soweit weiter gerügt wird, dass bereits jetzt die Parksituation im betroffenen Bereich sehr angespannt sei, ist unabhängig davon, ob dies vorliegend von der Regelungswirkung des Vorbescheids umfasst ist, eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht ersichtlich. Vorschriften über die Stellplatz- und Garagenbaupflicht sind nicht nachbarschützend. Die Verpflichtung zur Anlage von Stellplätzen entspricht dem öffentlichen Interesse, dass die parkenden Fahrzeuge möglichst nicht am Straßenrand, sondern auf dem jeweiligen Grundstück abgestellt werden. Nach den vorgelegten Plänen soll neben dem Carport ein weiterer Stellplatz auf dem Baugrundstück errichtet werden, sodass ausreichend Stellplätze am Baugrundstück vorhanden sein sollten. Selbst wenn eine zu geringe Zahl von notwendigen Stellplätzen nachgewiesen wäre – wie hier nicht ersichtlich –, werden die Nachbarn auch dann nicht in ihren Rechten verletzt, wenn die Besucher der baulichen Anlage ihre Fahrzeuge in den benachbarten Wohnstraßen abstellen (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, Art. 66 Rn. 284 f.). Eine Verletzung drittschützender Rechte ist daher nicht erkennbar.
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Auch eine erhebliche Verschlechterung der (bauplanungsrechtlichen) Erschließungssituation des klägerischen Grundstücks durch eine vorhabenbedingte Überlastung einer Erschließungsanlage ist nicht erkennbar. Ein Verstoß gegen das (bauplanungsrechtliche) Gebot der Rücksichtnahme ist regelmäßig nur dann gegeben, wenn die für das Nachbargrundstück entstehende Belastung bei Abwägung aller Umstände unzumutbar ist (Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 145. EL Januar 2022, Art. 66 Rn. 253a; BayVGH, B.v. 1.3.2016 – 15 CS 16.244 – BeckRS 2016, 44344; VGH BW, B.v. 15.11.2017 – 8 S 2101/17 – NVwZ-RR 2018, 298). Grundsätzlich gewährt das Rücksichtnahmegebot keinen Anspruch auf Abwehr jeglicher mit einer Nachbarbebauung verbundenen Änderung der bisherigen Situation (BayVGH, B.v. 16.12.2019 – 1 ZB 18.268 –, Rn. 6, juris, m.w.N.). Die mit einer Bebauung verbundenen Beeinträchtigungen und Unannehmlichkeiten durch den dadurch verursachten An- und Abfahrtsverkehr sind im Regelfall hinzunehmen, was selbst dann gilt, wenn sich die Situation gegenüber dem bisherigen Zustand verschlechtert (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 15 CS 21.2447 – juris). Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots könnte letztlich nur dann angenommen werden, wenn es aufgrund der örtlichen Verhältnisse zu chaotischen Verhältnissen im unmittelbaren Umfeld des betroffenen Nachbargrundstückes kommen würde (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 15 CS 21.2447 – juris; zum An- und Abfahrtverkehr einer Kindertagesstätte in einer beengten Sackgasse vgl. NdsOVG, B.v. 20.12.2013 – 1 ME 214/13 – NVwZ-RR 2014, 296 ff.; vgl. auch BayVGH, B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 36; B.v. 30.4.2020 – 15 ZB 19.1349 – juris, Rn. 11 ff.). Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte, dass sich die Erschließungssituation der Klägerin erheblich verschlechtern würde. Dass es aufgrund des durch das streitgegenständliche Bauvorhaben hervorgerufenen Verkehrs zu irgendwelchen Problemen für die Klägerin hinsichtlich der Erreichbarkeit ihres Grundstücks kommen könnte, wurde weder substantiiert geltend gemacht noch sind Anhaltspunkte dafür erkennbar. Dass vorliegend chaotische Verhältnisse durch das streitgegenständliche Bauvorhaben entstehen könnten, ist weder ansatzweise substantiiert vorgebracht worden noch aus Sicht des Gerichts unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zu erwarten.
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Weitere Anhaltspunkte dafür, dass der Vorbescheid drittschützende Vorschriften des zu prüfenden Bauplanungs- oder Bauordnungsrechts verletzten könnte, sind nicht ersichtlich.
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Nach alledem war der Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da dieser keinen Antrag gestellt und sich somit keinem eigenen Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat, §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).