Inhalt

VGH München, Beschluss v. 08.05.2023 – 10 ZB 22.2234
Titel:

Feststellung des Verlustes des Freizügigkeitsrechts eines Unionsbürgers infolge strafrechtlicher Verurteilung

Normenkette:
FreizügG/EU § 6 Abs. 4, Abs. 5
Leitsätze:
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob eine Person die Voraussetzung erfüllt, ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt zu haben, und damit in den Genuss des verstärkten Ausweisungsschutzes nach Art. 28 Abs. 3 lit. a RL 2004/38/EG bzw. § 6 Abs. 5 FreizügG/EU kommen kann, ist derjenige der Bekanntgabe der Verlustfeststellung (EuGH BeckRS 2014, 80039). (Rn. 7) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Der Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe ist grundsätzlich geeignet, die Kontinuität des Aufenthalts iSv § 6 Abs. 5 FreizügG/EU zu unterbrechen, wobei eine umfassende Gesamtbetrachtung anzustellen ist, ob die zuvor mit dem Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsbande abgerissen sind, und zwar auch in dem Fall, dass sich diese Person vor der den Freiheitsentzug begründenden Straftat zehn Jahre lang im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, wobei dieser Umstand bei der umfassenden Gesamtbetrachtung angemessen zu berücksichtigen ist (VGH München BeckRS 2021, 41400). (Rn. 10) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr kann bei drogenbedingten Straftaten nicht ausgegangen werden, solange der Betroffene nicht die erforderliche Therapie erfolgreich abgeschlossen und – darüber hinaus – die damit verbundene Erwartung eines künftig straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat (BeckRS 2023, 972). (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
Antrag auf Zulassung der Berufung, Verlustfeststellung, Recht auf Einreise und Aufenthalt, Zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet, Haft, Unterbrechung, Unionsbürger, Freizügigkeitsrecht, drogenbedingte Straftaten, Wiederholungsgefahr, Ausweisungsschutz, Zehnjahreszeitraum, Inhaftierung, Integrationszusammenhang
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 18.05.2022 – M 12 K 21.6094
Fundstelle:
BeckRS 2023, 10129

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

1
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger, der die serbische und die rumänische Staatsbürgerschaft besitzt, im Wesentlichen seine vor dem Verwaltungsgericht erfolglose Klage gegen die mit Bescheid der Beklagten vom 18. November 2021 verfügte Feststellung weiter, dass er sein Recht auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet verloren hat.
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1. Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Der von dem Kläger der Sache nach geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor beziehungsweise ist nicht im Sinne von § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt.
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a) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16).
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b) Das Zulassungsvorbringen zeigt keine derartigen Zweifel auf.
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aa) Nicht durchdringen kann die Klägerseite insbesondere mit dem gegen die herangezogene Rechtsgrundlage des § 6 Abs. 4 FreizügG/EU gerichteten Einwand, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der Kläger den besonderen Schutz des § 6 Abs. 5 FreizügG/EU nicht dadurch habe verlieren können, dass er sich bei der Bekanntgabe der mit Bescheid vom 18. November 2021 verfügten Verlustfeststellung seit etwa zwei Jahren in Haft befunden habe, weil er sich bereits zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung am 28. Dezember 2019 die letzten zehn Jahre im Bundesgebiet aufgehalten habe. Die Klägerseite argumentiert, die Frage der Unterbrechung des Aufenthaltes und der damit einhergehenden Prüfung, ob die Haft geeignet sei, die Integrationsbande abreißen zu lassen, stelle sich nur dann, wenn die Haftstrafe vor Ablauf des zehnjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet angetreten werden müsse.
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Gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU darf bei Unionsbürgern, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, eine Verlustfeststellung nur aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit getroffen werden. Art. 28 Abs. 3 Buchst. a) der RL 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (vgl. ABl. EU L Nr. 158, S. 77 ff., im Folgenden: RL 2004/38/EG) bildet unter anderem die unionsrechtliche Grundlage für § 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU.
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob eine Person die Voraussetzung erfüllt, ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt zu haben, und damit in den Genuss des verstärkten Schutzes gemäß Art. 28 Abs. 3 Buchst. a) der RL 2004/38/EG kommen kann, ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union derjenige der Bekanntgabe der Verlustfeststellung (vgl. EuGH, U.v. 16.1.2014 – C-400/12 <Secretary of State for the Home Department v. M. G.> – juris Rn. 24).
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In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof in der Rechtssache Secretary of State for the Home Department versus M. G. entschieden, dass Zeiträume der Verbüßung einer Haftstrafe grundsätzlich die Kontinuität des Aufenthalts im Sinne des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a) der Richtlinie 2004/38 unterbrechen. Für die Zwecke der Feststellung, ob sie damit zu einem Abreißen der Integrationsbande zum Aufnahmemitgliedstaat dergestalt geführt haben, dass der Betroffene nicht mehr in den Genuss des durch diese Bestimmung verbürgten verstärkten Schutzes kommen kann, ist aber gleichwohl eine umfassende Beurteilung der Situation des Betroffenen zu dem genauen Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem sich die Frage der Ausweisung stellt. Im Rahmen dieser umfassenden Beurteilung sind die Zeiträume der Verbüßung einer Haftstrafe zusammen mit allen anderen Anhaltspunkten zu berücksichtigen, die die Gesamtheit der im Einzelfall relevanten Gesichtspunkte ausmachen, wozu gegebenenfalls der Umstand zählt, dass der Betroffene in den letzten zehn Jahren vor seiner Inhaftierung seinen Aufenthalt im Aufnahmemitgliedstaat hatte (vgl. EuGH U.v. 16.1.2014 − C-400/12 <Secretary of State for the Home Department v. M. G.> – juris Rn. 33 bis 38).
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Dies hat der Gerichtshof in den von der Großen Kammer entschiedenen verbundenen Rechtssachen B. und Secretary of State for the Home Department versus F. V. in Randnummer 70 bestätigt. Sodann hat er in jener Entscheidung in der darauffolgenden Randnummer hinzugefügt, dass insbesondere bei einem Unionsbürger, der früher, noch vor der Begehung einer seine Inhaftierung begründenden Straftat, bereits die Voraussetzung eines ununterbrochenen Aufenthalts von zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat erfüllte, nämlich der Umstand, dass er von den Behörden dieses Staates in Haft genommen wurde, nicht als geeignet angesehen werden kann, ohne Weiteres seine zuvor zum Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsbande abreißen zu lassen sowie die Kontinuität seines Aufenthalts in dessen Hoheitsgebiet im Sinne des Art. 28 Abs. 3 Buchst. a) der Richtlinie 2004/38/EG zu unterbrechen und ihn damit um den verstärkten Ausweisungsschutz zu bringen, der durch diese Bestimmung verbürgt ist (vgl. EuGH <Große Kammer>, U.v. 17.4.2018 – C-316/16 <B.> u. C-424/16 <Secretary of State for the Home Department v. Franco Vomero> – juris Rn. 70 f. − Unterstreichungen d. Senats).
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Daher ist Art. 28 Abs. 3 Buchst. a) der RL 2004/38/EG − und dementsprechend auch § 6 Abs. 5 Satz 1 FreizügG/EU − dahin auszulegen, dass ein Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe durch den Betroffenen grundsätzlich geeignet ist, die Kontinuität des Aufenthalts im Sinne dieser Bestimmung zu unterbrechen, wobei eine umfassende Gesamtbetrachtung anzustellen ist, ob die zuvor mit dem Aufnahmemitgliedstaat geknüpften Integrationsbande abgerissen sind, und zwar auch in dem Fall, dass sich diese Person vor der den Freiheitsentzug begründenden Straftat zehn Jahre lang im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, wobei dieser Umstand bei der genannten umfassenden Gesamtbetrachtung, angemessen zu berücksichtigen ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2021 – 10 ZB 21.1491 – juris Rn. 15).
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Die Formulierung, mit welcher der Gerichtshof zu dieser Fallkonstellation in Randnummer 71 übergeleitet hat, nämlich das Adverb „insbesondere“, und die Wendung, mit welcher er sie näher beschrieben hat, dass also „nicht ohne Weiteres“ auf ein Abreißen der Integrationsbande geschlossen werden darf, zeigen, dass der Umstand, dass eine Person sich bereits vor der den Freiheitsentzug begründenden Straftat zehn Jahre lang im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat, entgegen der Auffassung der Klägerseite ein Gesichtspunkt innerhalb der anzustellenden Gesamtbetrachtung ist. Er führt also nicht dazu, dass die Gesamtbetrachtung ausgeschlossen wäre. Dies kommt mit der gleichen Deutlichkeit auch in den anderen Sprachfassungen der genannten Entscheidung zum Ausdruck (vgl. u.a. d. englische Sprachfassung: „Indeed, particularly in the case of a Union citizen … the fact that the person concerned was placed in custody by the authorities of that State cannot be regarded as automatically breaking the integrative links that that person had previously forged with that State …” u. d. französische Sprachfassung: „En effet, singulièrement en présence d’un citoyen de l’Union … le fait que la personne concernée a été mise en détention par les autorités dudit État ne saurait être considéré comme étant de nature à rompre automatiquement les liens d’intégration que ladite personne a précédemment tissés avec cet État … ” – Unterstreichungen d. Senats).
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Diese im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs stehenden Maßstäbe hat das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall auch für die Beurteilung herangezogen, ob das Tatbestandsmerkmal des zehnjährigen Aufenthalts erfüllt ist oder ob dies wegen des Abreißens der Integrationsbande nicht der Fall ist (vgl. UA S. 15 f.). Die Klägerseite, die sich ebenfalls auf diese Rechtsprechung beruft, legt nicht dar, aus welchen Gründen dieser die von ihr behauptete Bedeutung zukommen soll; substantiierte Argumente dafür sind nicht vorgetragen. Das Zulassungsvorbringen beschränkt sich insoweit im Wesentlichen auf eine schlichte Behauptung. Dies genügt den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht.
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bb) Als nicht durchgreifend erweisen sich auch die Einwände, welche die Klägerseite gegen die von der Beklagten und dem Verwaltungsgericht aufgrund der umfassenden Gesamtbetrachtung festgestellte Unterbrechung des zehnjährigen Aufenthalts vorträgt.
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Sowohl die Beklagte als auch das Verwaltungsgericht haben verwertet, dass der Kläger im Alter von zehn Jahren in das Bundesgebiet eingereist war, im Bundesgebiet den Mittelschulabschluss erreicht und − nach abgebrochenen Ausbildungen als Elektriker und Maurer, wobei die Ausbildungsverhältnisse jeweils von den Ausbildungsinstitutionen beendet worden waren – von Herbst 2018 bis März 2019 eine Tätigkeit als ungelernter Verkäufer im Lebensmitteleinzelhandel angetreten hatte (vgl. UA S. 9 u. 17). Die Würdigung, dem Kläger sei es nicht gelungen, sich dauerhaft in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist daher in der Sache nicht zu beanstanden. An diesem Befund ändert sich auch nichts entscheidungserheblich dadurch, dass der Kläger, wie die Klägerseite vorträgt, laut dem Arbeitszeugnis vom 15. November 2022 die Beschäftigung bei seinem Arbeitgeber im Lebensmitteleinzelhandel aufgrund des wohl fortbestehenden Arbeitsvertrags nach der Entlassung aus der Haft wiederaufnehmen kann. Eingang in die Gesamtbetrachtung hat zudem gefunden, dass sich im Bundesgebiet die Eltern und die Schwester des Klägers befinden (vgl. UA S. 8). Dem fügt das Zulassungsvorbringen, der Kläger habe regelmäßigen Kontakt zu seiner Mutter, bei der er nach der Entlassung aus der Haft wieder wohnen könne, nichts Wesentliches hinzu. Soweit die Klägerseite nunmehr erstmals vorträgt, der Kläger sei mit Frau S* … … verlobt sei, so ist dies mangels näherer Angaben – abgesehen von der schlichten Adresse – schon für sich genommen nicht als hinreichend substantiiert anzusehen und führt im Übrigen auch nicht dazu, dass sich der Kläger derzeit auf die Schutzwürdigkeit einer eigenen Kernfamilie im Bundesgebiet berufen könnte.
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Eine substantiierte Auseinandersetzung mit den Feststellungen und Erwägungen der Beklagten und des Verwaltungsgerichts zu der Art und den Umständen der gegen die körperliche Unversehrtheit planvoll begangenen anlassgebenden Straftat, die zu lebensgefährlichen Verletzungen des Opfers geführt hat (vgl. UA S. 9 u. 17), ist der Zulassungsschrift nicht zu entnehmen.
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Ferner haben die Beklagte und das Verwaltungsgericht bezüglich des Verhaltens des Klägers in der Haft berücksichtigt, dass dieses bereits mehrfach disziplinarisch habe geahndet werden müssen (vgl. UA S. 10 u. 18). Dem setzt die Klägerseite auch nichts an Substanz entgegen, wenn sie vorträgt, die Integrationsbande seien nicht abgerissen, weil der Kläger, der die anlassgebende Straftat unter massivem Einfluss von Alkohol begangen habe, in der Haft Kurse und Therapien besuche, wie die Bestätigung über die erfolgreiche Teilnahme an einem Antigewalt-Training sowie die Bestätigung über die regelmäßige Teilnähme an der Arbeitstherapie zeigten. Zum einen sind die vorgelegten Dokumente, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, in der Sache wenig aussagekräftig. Ob bei dem Anti-Gewalt-Training lediglich abstraktes Wissen vermittelt oder auch mit und an den konkret-individuellen Problemen des Klägers gearbeitet wurde beziehungsweise ob ein individueller Lernerfolg oder eine schlichte Teilnahme zu verzeichnen sind, geht daraus nicht hervor (vgl. Senatsakte, Bl. 35). Ein Erfolg im Hinblick auf die Teilnahme an der Arbeitstherapie ist nicht dokumentiert (vgl. Senatsakte, Bl. 34). Zum anderen zeigt das Zulassungsvorbringen in jedem Fall keine Zweifel daran auf, dass der Kläger auch in der Haft weiterhin Schwierigkeiten damit hat, die geltenden Regeln der Rechtsordnung einzuhalten. Dies vermögen das absolvierte Anti-Gewalt-Training und die Arbeitstherapie nicht zu kompensieren.
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Insgesamt setzt die Klägerseite der tatrichterlichen Würdigung, dass die Integrationsbande – auch trotz des langen Aufenthalts im Bundesgebiet − abgerissen sind, nichts Entscheidungserhebliches entgegen.
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cc) Das Zulassungsvorbringen zeigt schließlich auch keine Zweifel an der im Rahmen des § 6 Abs. 4 FreizügG/EU vorgenommenen Prognose auf, dass von dem Kläger weiterhin eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr der öffentlichen Ordnung ausgeht, welche ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. UA S. 18 ff.). Nicht durchdringen kann die Klägerseite mit dem Vorbringen, aus der anlassgebenden Straftat lasse sich nicht schließen, dass der Kläger insgesamt nicht gewillt sei, sich an geltende Regeln zu halten, weil Grund hierfür eine Beziehungsstreitigkeit zwischen dem Kläger und seiner früheren Freundin gewesen sei und die Tat unter dem Einfluss von erheblichem Alkoholkonsum stattgefunden hat. Das Verwaltungsgericht hat hierbei − unter anderem − verwertet, dass der Kläger die Straftat geplant, überfallartig und gemeinschaftlich begangen hätte und dies auf eine erhebliche kriminelle Energie schließen lasse. Der Kläger habe ein Messer mitgenommen, was eine innere Gleichgültigkeit gegenüber der Möglichkeit erheblicher und lebensgefährlicher Verletzungen offenbare, welche zudem in einem eklatanten Missverhältnis zum Anlass der Tat stehe (vgl. UA S. 20). Außerdem hat das Verwaltungsgericht berücksichtigt, dass das Landgericht München I in Bezug auf die anlassgebende Straftat einen Hang des Klägers zum Rauschmittelkonsum im Sinne von § 64 StGB festgestellt und in der Folge dessen Unterbringung in einer Entziehungseinrichtung angeordnet habe, wobei der Kläger dort als für ihn wichtigste Drogen Alkohol und Kokain angegeben habe. Weder habe der Kläger die indizierte Therapie abgeschlossen noch sich auf längere Zeit in Freiheit bewährt (vgl. UA S. 21). Zutreffend kann von einem Wegfall der Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Kläger nicht die erforderliche Therapie erfolgreich abgeschlossen und – darüber hinaus – die damit verbundene Erwartung eines künftig straffreien Verhaltens auch nach Therapieende glaubhaft gemacht hat (vgl. BayVGH, B.v. 17.1.2023 – 10 ZB 21.3201 – juris Rn. 11; B.v. 29.3.2022 – 10 ZB 21.1021 – juris Rn. 10). Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht das Verhalten des Klägers im Vorfeld und im Nachgang der anlassgebenden Straftat berücksichtigt. All diese Gesichtspunkte adressiert das Zulassungsvorbringen nicht ansatzweise adäquat. Soweit die Klägerseite rügt, das Verwaltungsgericht habe sachfremd von der Tätowierung auf der Brust des Klägers, welche dessen Affinität, Identifikation und (ehemalige) Mitgliedschaft zu einem sogenannten Outlaw-Motorradclub dokumentiere, auf dessen fehlende Einstellung geschlossen, sich an die geltenden Regeln zu halten, kann der Senat dies nicht nachvollziehen, zumal die Klägerseite nicht darlegt, worin sie die Sachfremdheit der Erwägungen des Verwaltungsgerichts erblickt und die diesen zugrunde liegende Annahme, dass die auf der Haut perpetuierte Tätowierung des Klägers Identität und Zugehörigkeit vermittelt und nach außen kommuniziert, nicht angreift.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nr. 8.1 des Katalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit entsprechend.
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4. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.