Inhalt

VGH München, Beschluss v. 25.04.2023 – 10 CS 23.506
Titel:

Erfolgloser Eilantrag gegen die Untersagung der Haltung eines Hundes

Normenketten:
BayLStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1, Art. 37 Abs. 4 Nr. 1
BayKampfhundeV § 1 Abs. 1
Leitsätze:
1. Gerichte und Behörden dürfen bei unstreitig fehlendem Abstammungsnachweis für die Bestimmung der Rassezugehörigkeit eines Hundes Sachverständigengutachten, die die Beurteilung nach dem Phänotyp und ergänzend dem Bewegungsablauf vornehmen, sowie auf zur Unterstützung der gutachterlichen Beurteilung ergänzend beauftragte DNA-Gutachten abstellen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem Gutachten muss hinreichend deutlich zu entnehmen sein, anhand welcher konkreten äußeren Merkmale und Kriterien der Gutachter zu seiner Einschätzung gekommen ist (Fortführung von VGH München BeckRS 2019, 13675). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei einem American Bully handelt es sich um eine nicht offiziell anerkannte Rasse, für die kein entsprechender Rassestandard besteht, der Grundlage für eine Abgrenzung zu anderen Rassen sein könnte; auch reicht allein die Tatsache, dass der American Bully selbst nicht in der Kampfhundevorordnung genannt wird, nicht aus, um die Zugehörigkeit des Hundes zu einer der beiden in der Verordnung aufgeführten Kategorien zu widerlegen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Untersagung der Haltung eines Hundes, Kampfhund der Kategorie 1, American Staffordshire, Terrier, Rassebestimmung, Sachverständigengutachten eines öffentlich bestellten und beeidigten Hundesachverständigen, ergänzende DNA-Analyse, Hund, Kampfhund, Haltungsuntersagung, Phänotyp, Bewegungsablauf, DNA-Analyse, American Staffordshire Terrier, American Bully
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 28.02.2023 – Au 8 S 23.133
Fundstelle:
BeckRS 2023, 10126

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bezüglich der Untersagung der Haltung seines Hundes weiter.
2
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. Dezember 2022 lehnte die Antragsgegnerin die Erteilung einer beantragten Negativbescheinigung ab (Ziffer 1.), untersagte dem Antragsteller die Haltung seines Hundes (Ziffer 2.1.) und verpflichtete ihn zur Abgabe des Hundes (Ziffer 2.2.) sowie zur Erbringung eines schriftlichen Nachweises hierüber (Ziffer 2.3.). Die sofortige Vollziehung dieser Verpflichtung wurde angeordnet. Die Untersagungsanordnung werde auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 i.V.m. Art. 37 Abs. 4 Nr. 1 LStVG gestützt. Bei dem Hund handle es sich ausweislich des Rassegutachtens des öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen für das Hundewesen S. vom 2. November 2022 sowie nach einem vom Sachverständigen ergänzend eingeholten Gentest um einen American Staffordshire Terrier-Mischling der F1-Generation und damit um einen Kampfhund der Kategorie 1. Der Antragsteller halte somit einen Kampfhund nach § 1 Abs. 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis und erfüllte damit den Ordnungswidrigkeitentatbestand nach Art. 37 Abs. 4 Nr. 1 LStVG. Vom Hund des Antragstellers gehe zudem eine konkrete Gefahr aus, was durch einen Beißvorfall am 12. Oktober 2019 belegt werde.
3
Den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der hiergegen erhobenen Klage (Au 8 K 22.2012) hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage werde die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die Haltungsuntersagung voraussichtlich keinen Erfolg haben. Es könne dabei offenbleiben, ob vom Hund des Antragstellers eine konkrete Gefahr ausgehe. Die Antragsgegnerin gehe nämlich zu Recht davon aus, dass der Antragsteller einen Kampfhund ohne die erforderliche Erlaubnis halte. Beim Hund des Antragstellers handele es sich um eine Kreuzung aus einem reinrassigen American Staffordshire Terrier und einem anderen Hund. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei die Rassezuordnung des Hundes nicht zweifelhaft. Seien wie vorliegend die Elterntiere des betroffenen Hundes nicht bekannt, könne die Rassezuordnung grundsätzlich aufgrund des Phänotyps vorgenommen werden. Verblieben insoweit noch Zweifel, seien zusätzlich durch einen Sachverständigen Wesensart und Bewegungsablauf des Tieres bei der Bewertung mit heranzuziehen. Ergänzend könne auch eine molekulargenetische Untersuchung zur Bestimmung der Hunderasse herangezogen werden. Nach diesen Kriterien sei der beauftragte öffentlich bestellte und beeidigte Sachverständige für das Hundewesen S. in seinem Gutachten vom 2. November 2022 nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich bei dem Hund des Antragstellers aufgrund seines Phänotyps und Bewegungsablaufs sowie eines ergänzend herangezogenen DNA-Gutachtens um einen American Staffordshire Terrier-Mischling handle, der von einem reinrassigen Elternteil dieser Rasse (und einem American Staffordshire Terrier-Mischling der F1-Generation) abstamme. Das Gutachten beruhe auf Feststellungen zu den Merkmalen des Kopfes, des Haarkleids, des allgemeinen Erscheinungsbildes, des Körperbaus, des Gangwerks sowie der Rute und sei plausibel. Ermessensfehler der Antragsgegnerin seien nicht ersichtlich. Abschließend führt das Verwaltungsgericht aus, dass „(s) elbst wenn man davon ausgehe, dass zur Gewinnung einer erforderlichen vollen richterlichen Überzeugung der Kampfhundeeigenschaft (…) der Sachverständige S. im Hauptsacheverfahren unter Umständen noch näher einordnen müsse, anhand welcher ganz konkreten Merkmale er auch unter Berücksichtigung der festgestellten Abweichungen zum Rassestandard zu seiner Zuordnung zur Rasse American Staffordshire Terrier bzw. Folgerung als Mischling mit weit überwiegenden Merkmalen dieser Rasse gekommen ist, bliebe die Klage des Antragstellers jedenfalls voraussichtlich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auch ohne Erfolg.“ Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiege das Suspensivinteresse des Antragstellers, zumal sich das vom Gesetzgeber angenommene Besorgnispotential bei Kampfhunden durch den nicht unerheblichen Beißvorfall am 12. Oktober 2019 bereits realisiert habe.
4
Mit seiner Beschwerde macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, dass Verwaltungsgericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehörs verletzt, indem es seine substantiierten Einwände nur pauschal behandelt habe. Das Gutachten, auf das sich das Gericht gestützt habe, sei fehlerhaft. Der Hund des Antragstellers weiche in Zahlreichen Merkmalen vom Rassestandard des American Staffordshire Terriers ab, was der Sachverständige und das Erstgericht nicht berücksichtigt hätten. Einzelne Feststellungen des Gutachters (etwa zu Stop und Lefzen) seien falsch. Zu anderen relevanten Merkmalen, in denen der Hund vom Rassestandard abweiche, treffe der Gutachter gar keine Aussagen. Es sei nicht erkennbar, auf welche Merkmale der Gutachter seine Schlussfolgerung gestützt habe. Auch fehle eine nachvollziehbare Abgrenzung zu anderen Hunderassen, insbesondere zum American Bully, wobei der Gutachter selbst davon ausgehe, dass das Tier als American Bully gezüchtet und verkauft worden sei. Dem Gentest sei zu Unrecht eine maßgebliche Bedeutung beigemessen worden, zumal nach Auskunft des Geschäftsführers selbst ein festgestellter Rasseanteil eines American Staffordshire Terriers von 100% nicht ausschließe, dass es sich bei dem getesteten Tier um einen American Bully handele.
5
Die Antragsgegnerin, beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und verteidigt den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts.
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Ergänzend wird auf die beigezogene Behördenakte sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
7
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Abänderung der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Aus den dargelegten Gründen ergibt sich nicht, dass die nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten der Klage des Antragstellers zu treffende Abwägungsentscheidung zu einem anderen Ergebnis hätte führen müsste.
8
a) Das Verwaltungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche Haltungsuntersagung der Antragsgegnerin zu Recht auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 37 Abs. 4 Nr. 1 LStVG gestützt werden durfte, weil der Antragsteller bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage durch die Haltung seines Hundes ohne die hierfür nach Art. 37 Abs. 1 LStVG erforderliche Erlaubnis (fortwährend) eine Ordnungswidrigkeit nach Art. 37 Abs. 4 Nr. 1 LStVG begeht, zu deren Unterbindung die Befugnisnorm des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG ermächtigt (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 12.5.2020 – 10 B 20.439 – juris Rn. 32; B.v. 19.3.2020 – 10 ZB 19.459 – juris Rn. 24; vgl. auch Schwabenbauer in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Möstl/Schwabenbauer, Stand 15.1.2023, LStVG Art. 18 Rn. 180 ff.).
9
b) Die im Wesentlichen auf die Rassebestimmung durch den öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen für das Fachgebiet Hundewesen S. vom 2. November 2022, ergänzt mit Schreiben vom 13. Dezember 2022, sowie ein durch den Sachverständigen ergänzend beauftragtes DNA-Gutachten gestützte Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es sich bei dem Hund des Antragstellers um einen Mischling der F1-Generation der Rasse American Staffordshire Terrier und damit einen Kampfhund der Kategorie 1 im Sinne des Art. 37 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 LStVG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der Verordnung über Hunde mit gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit vom 10. Juli 1992 (GVBl. S. 268), geändert durch Verordnung vom 4. September 2002 (GVBl. S. 513, 583) – im Folgenden: KampfhundeV – handelt, ist unter Berücksichtigung der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Bewertung des entscheidungserheblichen Sachverhalts rechtlich nicht zu beanstanden.
10
Das Verwaltungsgericht durfte – ebenso wie die Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Bescheid – bei unstreitig fehlendem Abstammungsnachweis für die Bestimmung der Rassezugehörigkeit des Hundes auf das vorliegende Sachverständigengutachten vom 2. November 2022, ergänzt mit Schreiben vom 13. Dezember 2022, das die Beurteilung nach dem Phänotyp und ergänzend dem Bewegungsablauf vornimmt, sowie das zur Unterstützung der gutachterlichen Beurteilung ergänzend beauftragte DNA-Gutachten abstellen (vgl. Nr. 37.2.1 VollzBek LStVG; Schwabenbauer in BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, a.a.O., LStVG Art. 37 Rn 28 ff. mit Rspr-Nachweisen; BayVGH, B.v. 8.3.2023 – 10 CS 22.2549 – juris Rn. 10; B.v. 14.5.2019 – 10 CS 19.230 – juris Rn. 7 f.).
11
Soweit der Antragsteller einleitend rügt, das Verwaltungsgericht habe gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen, bleibt diese Rüge unsubstantiiert. Das Erstgericht hat sich mit dem Streitstoff und insbesondere mit dem Gutachten des Sachverständigen S. ausführlich auseinandergesetzt. Dass es, wie der Antragstellersteller meint, seine Einwendungen nur pauschal und nicht substantiiert behandelt habe, ist nicht erkennbar. Welches konkrete Vorbringen das Verwaltungsgericht auf diese Weise übergangen haben soll, legt die Beschwerdebegründung nicht dar.
12
Das Beschwerdevorbringen zieht die Aussagekraft des Rassegutachtens, wonach der Hund des Antragstellers insbesondere aufgrund der phänotypischen Merkmale und des Bewegungsablaufs „weit überwiegend“ der Rasse American Staffordshire Terrier zuzuordnen ist, nicht durchgreifend in Zweifel.
13
Zusammen mit der schriftlichen Ergänzung vom 13. Dezember 2022 ist in dem Gutachten vom 2. November 2022 noch hinreichend deutlich geworden, anhand welcher konkreten äußeren Merkmale und Kriterien der Gutachter zu seiner Einschätzung gekommen ist (vgl. zu diesem Erfordernis BayVGH, B.v. 14.5.2019 – 10 CS 19.230 – juris Rn. 10). Der Sachverständige hat ausdrücklich den Kopf einschließlich des Stops als dem Rassestandard Nr. 286 der Federation Cynologique Internationale (FCI) entsprechend bezeichnet. Darüber hinaus hat er weitere Eigenschaften festgestellt, die dem Rassestandard entsprechen (kurzes und dichtes Fell, sehr ausgeprägte Backenmuskulatur, anliegende Lefzen, sich verjüngende Rute, Scherengebiss, Oberlinie nach hinten leicht abfallend, solider und muskulöser Bau). Einzelne Abweichungen (Übergröße, abfallendes Schädeldach, zeitweise fehlerhafte Ohrhaltung) hat der Sachverständige erkannt, beschrieben und bei der Einordnung berücksichtigt. Auf diese Weise hat er die für und gegen die Zuordnung zum American Staffordshire Terrier sprechenden Merkmale genannt und ist zu dem Schluss gekommen, dass es sich beim Hund des Antragstellers um einen Mischling der F1-Generation dieser Rasse handelt.
14
Der Einwand des Antragstellers, der Gutachter habe einige Merkmale des Tieres (Lefzen, Stop etc.) falsch dargestellt, bleibt unsubstantiiert (dass etwa nur bei einem Winkel von über 45 Grad von einem „ausgesprägten“ Stop gesprochen werden könne, wird mit der Beschwerde nicht nachvollziebar dargelegt). Im Übrigen setzt der Antragsteller seine eigene Würdigung des Aussehens seines Hundes an die Würdigung des öffentlich bestellten und beeidigten Sachverständigen, ohne eine eigene besondere Sachkunde dazulegen oder konkrete Fehler bei der Würdigung durch den Sachverständigen aufzuzeigen. Soweit der Antragsteller unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrags einige Körperteile des Hundes aufführt, zu denen der Gutachter keine Feststellungen getroffen hat (Augen, Gliedmaßen, Sprunggelenke etc.) und rügt, dass bei diesen rasseprägende Merkmale nicht vorlägen, führt dies angesichts der Vielzahl von den im Gutachten angeführten Merkmalen, die dem Rassestandard entsprechen, weder für sich genommen noch zusammen mit seinen weiteren Rügen zu einer anderen Beurteilung, denn für eine Rassezuordnung müssen nicht alle dem FCI-Rassestandard entsprechenden Merkmale vorhanden sein. Zudem sind von einer Einstufung als Kampfhund auch Kreuzungen der in der KampfhundeV genannten Rassen mit anderen Hunderassen erfasst (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2019 – 10 ZB 18.2134 – juris Rn. 6).
15
Der Gutachter musste auch nicht zusätzlich den Rassestandard anderer Hunderassen abprüfen, da der Hund des Antragstellers weit überwiegend dem Rassestandard des American Staffordshire Terrier entspricht. Die vom Antragsteller geforderte Abgrenzung zum American Bully war insofern weder geboten noch sinnvoll möglich (a.A. VG Gelsenkirchen, B.v. 7.10.2020 – 19 L 1190/20 – juris Rn. 19). Bei einem American Bully handelt es sich um eine nicht offiziell anerkannte Rasse, für die kein entsprechender Rassestandard besteht, der Grundlage für eine Abgrenzung sein könnte. Im Übrigen reicht allein die Tatsache, dass der American Bully selbst nicht in der KampfhundeV genannt wird, nicht aus, um die Zugehörigkeit des Hundes zu einer der beiden in der KampfhundeV aufgeführten Kategorien zu widerlegen (vgl. hierzu IMS vom 28.10.2018, Az. C2-2116-6-12; BayVGH, B.v. 8.3.2023 – 10 CS 22.2549 – juris Rn. 11). Schon deshalb führt auch die vom Antragssteller angeführte Vermutung des Gutachters im Gutachten vom 2. November 2022, dass der Hund des Antragstellers als American Bully gezüchtet bzw. verkauft wurde, nicht zu durchgreifendenden Zweifeln an der gutachterlichen Rassezuordnung zum American Staffordshire Terrier. Zudem spielen die subjektiven Vorstellungen von Züchtern, Verkäufern, Käufern oder Haltern eines bestimmten Hundes für die Rassezuordnung keine entscheidungserhebliche Rolle.
16
Soweit der Antragsteller auf das Wesen bzw. Verhalten seines Hundes verweist, kommt es hierauf nicht entscheidungserheblich an. Nur dann, wenn eine Rassebestimmung durch einen Sachverständigen nach dem Äußeren (Phänotyp) nicht zuverlässig möglich ist, ist eine Rassezuordnung gemäß den drei Kriterien Phänotyp, Wesen und Bewegungsablauf vorzunehmen (vgl. etwa BayVGH, B.v. 14.5.2019 – 10 CS 19.230 – juris Rn. 8). Vorliegend hat der Gutachter im ergänzenden Schreiben nachvollziehbar dargelegt, dass auch unter Berücksichtigung der Abweichungen vom Rassestandard eine Einordnung anhand des Phänotyps eindeutig möglich ist. Es war insoweit nicht mehr geboten, eine Rassebestimmung nach allen drei Zuordnungskriterien vorzunehmen.
17
Dass der Gutachter und ihm folgend auch das Verwaltungsgericht zur Rassebestimmung ergänzend auch einen Gentest herangezogen haben, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Eine Genanalyse kann – und konnte auch im vorliegenden Fall – zur Unterstützung einer Rassebestimmung sinnvollerweise beitragen (vgl. VollzBekLStVG Nr. 37.3.1 Abs. 5). Das Testergebnis stellt somit lediglich einen Baustein der Rassezuordnung des Hundes dar. Weder der Gutachter (Gutachten vom 2.11.2022: „aufgrund meiner Feststellungen als auch dem Ergebnis der Rassebestimmung der Firma FERAGEN“, Schreiben vom 13.12.2022: „lediglich ergänzend“) noch das Verwaltungsgericht („Das Rassezertifikat des Labors FERAGEN stützt schließlich die Feststellungen des Sachverständigen (…).“) haben sich allein oder auch nur maßgeblich von Ergebnis dieses Gentests leiten lassen; für die anderslautende Behauptung des Antragstellers ist nichts ersichtlich. Dass der Gentest die gutachterliche Rassezuordnung anhand des Phänotyps zum American Staffordshire Terrier mit einem detektierten Rasseanteil von 87,5% ausdrücklich stützt, spricht dabei ganz erheblich für die Richtigkeit der gutachterlichen Einschätzung. Die Eignung des Gentests als ergänzendes Erkenntnismittel für eine Rassebestimmung wird auch durch die Stellungnahme des Geschäftsführers von FERAGEN im Schreiben vom 13. Januar 2023 nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Vielmehr spricht die vom Antragsteller hervorgehobene Aussage, dass selbst bei einem Hund, der sich beim Gentest als 100% rassereiner American Staffordshire Terrier darstelle, nicht ausgeschlossen sei, dass es sich tatsächlich um einen American Bully handele, – wenn sie zutreffen sollte – eher dafür, dass es sich beim American Bully um keine vom American Staffordshire Terrier sinnvoll abgrenzbare, eigenständige Hunderasse handelt.
18
c) Auf dieser Grundlage ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin im streitbefangenen Bescheid die unerlaubte und auch nicht erlaubnisfähige Haltung des Hundes bei summarischer Beurteilung in rechtmäßiger Weise untersagt habe und demgemäß bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffenden Abwägungsentscheidung des Gerichts dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers der Vorrang zukommt.
19
Soweit das Verwaltungsgericht darüber hinaus eine Abwägung von Vollzugsinteresse und Suspensivinteresse vorgenommen hat (der Senat kann aufgrund der konkreten Formulierung in Rn. 75 des angegriffenen Beschlusses nicht erkennen, ob diese selbständig tragend oder nur ergänzend sein sollte), ist diese vor dem Hintergrund des Vorfalls vom 12. Oktober 2019, bei dem der Hund des Antragstellers eine andere Hundehalterin in einen Finger gebissen hat, letztlich nicht zu beanstanden. Dass dieser Vorfall, wie die Beschwerdebegründung meint, keine „(g) rößere(n) Folgen“ gehabt habe, spielt für die Einstufung des vom Hund des Antragstellers ausgehenden Risikos keine entscheidungserhebliche Rolle, zumal mit dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) höchstrangige Verfassungsgüter für eine sofortige Vollziehung der Haltungsuntersagung streiten.
20
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
21
Die Streitwertfestsetzung folgt aus aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
22
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).