Titel:
Erfolglose PKH-Beschwerde in einem polizeirechtlichen Verfahren
Normenkette:
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Der Prüfungsmaßstab für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verbietet es lediglich, "schwierige" Tatfragen in das Prozesskostenhilfeverfahren zu verlagern und fordert die Prüfung, ob konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte für eine mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Betroffenen ausgehende Beweisaufnahme vorliegen. (Rn. 3 und 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfebeschwerde, Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Platzverweis, Kontaktverbot, Prozesskostenhilfe, Prüfungsmaßstab, schwierige Tatfragen, vorweggenommene Beweiswürdigung
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 11.11.2022 – B 1 S 22.1047
Fundstelle:
BeckRS 2023, 10121
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen Nr. 4. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 11. November 2022, mit dem dieses seinen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe − unter Beiordnung des Bevollmächtigten − für einen Eilantrag, gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen Platzverweis und ein Kontaktverbot, abgelehnt hat.
2
1. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet, weil das Verwaltungsgericht den genannten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in der Sache zu Recht unter Verweis auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Klage nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abgelehnt hat.
3
a) Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dies ist der Fall, wenn das Gericht den vorgetragenen Rechtsstandpunkt der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei bei summarischer Prüfung für vertretbar hält und − unter Berücksichtigung der (materiellen) Darlegungs- und Beweislast sowie der Amtsermittlung − die entsprechende Beweisführung als möglich erachtet (vgl. Reichling in Vorwerk/Wolf, ZPO, 48. Aufl., Stand: 1.3.2023, § 114 Rn. 28 m.w.N.). Schwierige Tatfragen dürfen nicht im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können. Die durch Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistete Rechtsschutzgleichheit gebietet es, in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde (vgl. BVerfG, B.v. 28.1.2013 – 1 BvR 274/12 – juris Rn. 13 f. m.w.N.).
4
b) Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abgelehnt.
5
aa) Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat entsprechend § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Beschlusses.
6
bb) Lediglich ergänzend ist Folgendes anzumerken: Nicht durchdringen kann die Antragstellerseite mit dem Vorbringen, dass im Prozesskostenhilfeverfahren keine streitigen Tatsachenfragen zu klären seien, der Sachverhalt im vorliegenden Fall aber in weiten Teilen streitig sei. Sie gibt insoweit den einschlägigen Prüfungsmaßstab verkürzt dar. Dieser verbietet es lediglich, wie eingangs erörtert, „schwierige“ Tatfragen in das Prozesskostenhilfeverfahren zu verlagern (s.o.), ohne dass die Antragstellerseite im Übrigen aufgezeigt hätte, worin die Schwierigkeiten hier zu erblicken sind. Zum anderen erlaubt und fordert der Prüfungsmaßstab gerade eine Prüfung, ob konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte für eine mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Betroffenen ausgehende Beweisaufnahme vorliegen (s.o.). Es trifft also entgegen der Antragstellerseite nicht zu, dass automatisch das Vorbringen des Betroffenen zugrunde zu legen ist, wenn er die von den Behörden und Gerichten getroffenen Feststellungen und Schlussfolgerungen bestreitet.
7
Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht für die Prognose einer konkreten Gefahr der Begehung von Körperverletzungen und Bedrohungen durch den Antragsteller gegenüber dessen Ehefrau unter anderem darauf abgestellt, dass diese bereits am 5. September 2022 aktenkundig die Polizei aufgesucht und aufgrund von Problemen mit dem Kläger − darunter der Drohung, er werde ihr das Leben zur Hölle machen, wenn sie ihn verlasse − um ein Beratungsgespräch mit der Sachbearbeiterin für häusliche Gewalt gebeten hatte. Die Schilderungen der Ehefrau des Klägers von den ständigen Auseinandersetzungen seit der Trennung hat das Verwaltungsgericht als plausibel erachtet. Des Weiteren hat es verwertet, dass am Tag des Vorfalls am 6. November 2022 die Nachbarin der Eheleute bei der Polizei angerufen und mitgeteilt hatte, dass die Ehefrau des Klägers sich nach einer Auseinandersetzung mit ihm im Keller zu ihr in die Wohnung geflüchtet hätte. Dabei hat es berücksichtigt, dass der Antragsteller die Auseinandersetzung zugestanden hatte. Ferner hat es miteinbezogen, dass die Ehefrau auf die eingetroffenen Polizeibeamten emotional sehr angegriffen gewirkt hatte, als hätte sie sich in einer psychischen Ausnahmesituation befunden. Schließlich hat es verwertet, dass die Ehefrau gegenüber den Polizeibeamten über Schmerzen geklagt hätte, weil der Antragsteller sie im Keller in die Ecke gestoßen hätte, und auf das Aggressionspotential des Antragstellers, der sich gut zu verstellen wisse, verwiesen hätte. Die daraufhin gezogene Wertung des Verwaltungsgerichts, der Akteninhalt und die Aussagen sprächen für die Annahme einer konkreten Gefahr (vgl. BA S. 8 f.), ist nicht zu beanstanden. Es lagen hinreichend konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte im vorgenannten Sinne vor.
8
Dies gilt auch dann, wenn man den Vortrag des Antragstellers im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht berücksichtigt. Danach habe er lediglich zufällig den Keller betreten, ohne zu wissen, dass die Ehefrau sich dort aufgehalten habe. Als diese sich bei seinem Hinzutreten sichtlich erschrocken habe, habe er zu ihr gesagt, dass nur Leute mit schlechtem Gewissen sich erschrecken würden. Daraufhin habe sie ihn fest am Kragen gepackt. Im Gegenzug habe er sie am Kragen gepackt und beiseitegeschoben. Infolgedessen habe sie um Hilfe gerufen und sei hysterisch weinend die Treppe hoch gerannt. Die Ehefrau habe also zuerst ihn angegriffen, und er habe nur ihren Angriff beendet. Mit diesem Vortrag hat der Antragsteller die Auseinandersetzung und auch die Hilferufe der Ehefrau zugestanden, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat (vgl. BA S. 8). Die Behauptung des Antragstellers, sie habe ihn zuerst attackiert, fällt nicht entscheidungserheblich ins Gewicht. Wie die Schilderung des Antragstellers selbst nahelegt, hatte die Ehefrau Angst vor ihm. Dass die Ehefrau in einer solchen Situation, also nach dem Erschrecken und im Anschluss an die genannte Anrede des Antragstellers im Keller diesen zuerst physisch angegangen sein soll − zumal die Kräfteverhältnisse seiner Schilderung nach so waren, dass er sie ohne Weiteres beiseitestoßen konnte, sie hingegen körperlich nichts bewirken konnte − ist bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nicht plausibel.
9
Fehl geht der Einwand der Antragstellerseite, die Stellungnahme des Polizeipräsidiums Oberfranken stütze sich nahezu ausschließlich auf die Schilderungen der Ehefrau des Antragstellers, wobei im Prozesskostenhilfeverfahren nicht beurteilt werden könne, ob ihre Schilderungen zuträfen oder die des Antragstellers. Wie erörtert, beruhen die getroffenen Feststellungen und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen des Verwaltungsgerichts maßgeblich auch auf Aussagen und Beobachtungen von dritten Personen, namentlich der Nachbarin und der Polizei (vgl. BA S. 2, 3, 8), aber auch auf Aussagen des Antragstellers selbst (s.o.). Insofern ist die Situation prozessual gerade nicht dadurch geprägt, dass allein Aussage gegen Aussage steht.
10
Schließlich verhilft der Beschwerde nicht die Rüge des Antragstellers zum Erfolg, das Verwaltungsgericht hätte nicht mit dem Beschluss über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO über den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe – unter Beiordnung der Bevollmächtigten – entscheiden und auf die Gründe des vorgenannten Beschlusses verweisen dürfen. Zwar sind die Gerichte verpflichtet, über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe baldmöglichst nach Bewilligungsreife zu entscheiden, damit die rechtsschutzsuchende Person Klarheit über die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung erhält, um hierauf gegebenenfalls zur Vermeidung weiterer Kosten reagieren zu können. Gleichwohl ist es – zumal in einem Eilverfahren − auch mit Blick auf die Rechtsschutzgleichheit grundsätzlich zulässig, in den Gründen für die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die Gründe der Sachentscheidung Bezug zu nehmen. Allerdings unterliegen die Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und diejenige über das Begehren in der Hauptsache unterschiedlichen Maßstäben, die im Einzelfall eine separate Begründung der Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderlich machen können (vgl. BVerfG, B.v. 5.12.2018 – 2 BvR 2257/17 – juris Rn. 18 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür sind jedoch im vorliegenden Fall weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.
11
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Beschwerdeverfahren in Prozesskostenhilfesachen sind anders als das Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz kostenpflichtig. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, weil gemäß Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG jeweils eine Festgebühr anfällt. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach § 166 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
12
4. Diese Entscheidung ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.