Titel:
Untersagung der Nutzung des Dachgeschosses zu Wohnzwecken
Normenketten:
VwGO § 144 Abs. 4
BayBO Art. 76 S. 2
Leitsätze:
1. Eine Nutzungsuntersagung ist grundsätzlich ein Dauerverwaltungsakt, weil sie nicht nur das Gebot beinhaltet, die beanstandete Nutzung (einmalig) einzustellen, sondern auch das Verbot, auf Dauer dieselbe oder eine vergleichbare Nutzung wieder aufzunehmen. Sie tritt grundsätzlich erst dann außer Kraft, wenn die bisher nicht genehmigte Nutzung nachträglich genehmigt wird. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung vor, muss im Regelfall nicht näher begründet werden, weshalb von der Eingriffsbefugnis Gebrauch gemacht wird (sog. intendiertes Ermessen). Allerdings dürfen insbesondere mit Blick auf das Übermaßverbot keine Besonderheiten vorliegen, die ausnahmsweise ein Absehen von der Untersagung erfordern. Eine formell rechtswidrige Nutzung darf grundsätzlich nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist bzw. unter Bestandsschutz steht. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Anspruch darauf, dass ausschließlich der sachbearbeitende Rechtsanwalt den Termin zur mündlichen Verhandlung wahrnimmt, besteht grundsätzlich nicht. In Fällen, in denen ein Rechtsanwalt an der Wahrnehmung eines Termins gehindert ist, ist grundsätzlich die Inanspruchnahme von Rechtsanwälten derselben Sozietät oder Bürogemeinschaft zumutbar, wenn die Einarbeitung eines Vertreters in den Prozessstoff möglich und zumutbar ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ergebnisrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, Nutzungsuntersagung, Nutzung eines Dachgeschosses zu Wohnzwecken, Keine Erledigung durch Aufgabe der Nutzung durch Dritte, Dauerverwaltungsakt, intendiertes Ermessen, Veräußerung der in Streit befangenen Sache, Terminverlegungsantrag
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 26.04.2022 – M 11 K 18.5556
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 26.04.2023 – 1 AS 22.2524
Fundstelle:
BeckRS 2023, 10117
Tenor
I. Das Berufungszulassungsverfahren des Klägers zu 2 wird eingestellt.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
III. Der Kläger zu 1 trägt die Kosten der Zulassungsverfahren.
IV. Der Streitwert für die Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger zu 1 wendet sich als Rechtsnachfolger des Klägers zu 2 gegen die Untersagung der Nutzung des Dachgeschosses eines (Wohn-)Gebäudes zu Wohnzwecken auf dem Grundstück FlNr. …5, Gemarkung E….
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Der Kläger und sein Vater sind Geschäftsführer von Gewerbebetrieben auf dem Vorhabengrundstück, das im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Gewerbegebiet E …“ vom 26. November 2019 liegt, der – ebenso wie die frühere Fassung des Bebauungsplans – für das Grundstück als Art der baulichen Nutzung ein Gewebegebiet festsetzt. Nach Ziff. 2.1.3 des Bebauungsplans können ausnahmsweise Betriebswohnungen gemäß Art. 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO zugelassen werden. Mit Bescheid vom 4. August 1982 erteilte das Landratsamt eine Baugenehmigung für einen Handwerksbetrieb und ein Wohnhaus mit Garagen auf dem Vorhabengrundstück. Nach den Eingabeplänen war im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss des südlich auf dem Vorhabengrundstück gelegenen (Wohn-)Gebäudes Wohnnutzung vorgesehen. Die Nachtragsgenehmigung vom 6. Juli 1983, die aufgrund einer Vergrößerung des Betriebsgebäudes und für Fassadenänderungen erteilt worden war, enthielt eine Nebenbestimmung, wonach der Einbau einer Wohnung im Dachgeschoss unzulässig sei. Nach den vorgelegten Eingabeplänen befindet sich im Dachgeschoss ein „Speicher“.
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Bei Baukontrollen in den Jahren 1997 und 2012 wurde festgestellt, dass eine Außentreppe zum Obergeschoss des Wohnhauses errichtet wurde und sich in dem Wohnhaus zwei Wohnungen befinden.
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Mit Bescheid vom 25. Juni 2012 untersagte der Beklagte die Nutzung des Obergeschosses und des Dachgeschosses des Gewerbebaus sowie des Dachgeschosses der genehmigten Betriebsleiterwohnung auf dem Vorhabengrundstück zu Wohnzwecken mit Ausnahme der genehmigten Betriebsleiterwohnung im (Wohn-)Anwesen. Die Nutzungsuntersagung für den Gewerbebau hob das Landratsamt mit Änderungsbescheid vom 4. Juli 2012 auf. Die gegen die Nutzungsuntersagung für das Dachgeschoss des (Wohn-)Anwesens anhängige Klage hat das Verwaltungsgericht – nachdem das Verfahren im Hinblick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs im Verfahren 1 B 13.646 zum Ruhen gekommen war – nach Fortführung des Verfahrens mit Urteil vom 26. April 2022 abgewiesen. Die Nutzungsuntersagung sei rechtmäßig. Die Nutzung des Dachgeschosses sei Bestandteil einer nicht genehmigten, eigenständigen Wohnung im Obergeschoss des Wohngebäudes, für die eine Genehmigung erforderlich sei. Eine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 11 und Abs. 4 Nr. 1 BayBO komme nicht in Betracht. Die Nutzung des Dachgeschosses als Teil der Wohnung im Obergeschoss sei, da eine Aufspaltung der rechtlichen Betrachtung des Ober- und Dachgeschosses nicht möglich sei, nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Darüber hinaus sei die Frage klärungsbedürftig, ob zwei Betriebsleiter am Ort erforderlich seien. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich.
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Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung. Nach der im Zulassungsverfahren erfolgten Berichtigung des Rubrums durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. Oktober 2022 erklärte der Kläger zu 2 seinen Antrag auf Zulassung der Berufung für erledigt. Der Antrag sei bis zur Berichtigung des Rubrums durch das Verwaltungsgericht zulässig gewesen. Der Kläger zu 1 macht geltend, dass das Verwaltungsgericht den Sachverhalt hinsichtlich der Wohnungsaufteilung im Wohngebäude ohne Inaugenscheinnahme des Obergeschosses fehlerhaft festgestellt habe. In dem Wohnhaus befinde sich eine Wohnung bestehend aus Erd- und Obergeschoss, das als Speicher genehmigte Dachgeschoss sei nur über eine Innentreppe erreichbar. Die baulichen Verhältnisse hätten sich nicht verändert. Anlass für die Nutzungsuntersagung, die sich nicht auf das Erd- bzw. Obergeschoss bezogen habe, sei die (damalige) Vermietung des Dachgeschosses gewesen. Das Verwaltungsgericht habe weder aufgeklärt, ob in dem von ihm genutzten Teil des Obergeschosses eine Küche oder ein Badezimmer vorhanden sei, noch die tatsächliche Nutzung des Dachgeschosses als Speicher. Im Übrigen wäre eine weitere Wohneinheit nach den Festsetzungen des Bebauungsplans offensichtlich genehmigungsfähig. Das Verwaltungsgericht habe fehlerhaft eine Ermessensentscheidung für einen inzwischen veränderten Sachverhalt getroffen. Die Entscheidung weise darüber hinaus Verfahrensfehler auf.
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Der Beklagte beantragt, den Antrag abzulehnen. Das Verwaltungsgericht habe die seiner Entscheidung zugrunde gelegte Wohnsituation zutreffend festgestellt. Das Dachgeschoss stelle einen (unselbständigen) Teil einer neuen Wohneinheit im Obergeschoss dar. Genehmigt sei nur eine sich über Erd- und Obergeschoss erstreckende Wohnung. Das Landratsamt habe die Nutzungsuntersagung am genehmigten Bereich ausgerichtet; für eine Untersagung der Wohnnutzung im Obergeschoss habe kein Anlass bestanden. Aufgrund der Schaffung der (ungenehmigten) zweiten Wohneinheit, bestehend aus Ober- und Dachgeschoss, sei eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit der Nutzung des Dachgeschosses nicht erkennbar. Weshalb in dem Gebäude zwei Betriebsleiterwohnungen erforderlich sein sollte, lege der Kläger nicht dar. Verfahrensmängel lägen nicht vor.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 17. Februar 2023 wurden die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 144 Abs. 4 VwGO (in entsprechender Weise) hingewiesen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die Behördenakte Bezug genommen.
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Das durch übereinstimmende Erledigungserklärungen beendete Berufungszulassungsverfahren des Klägers zu 2 ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
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Der Antrag des Klägers zu 1 auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegen nicht vor bzw. werden nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich ungeachtet des Umstands, dass es unterstellt hat, dass die Nutzung des Dachgeschosses nicht isoliert von der Wohnnutzung im Obergeschoss betrachtet werden kann, sondern vielmehr Bestandteil einer nicht genehmigten, eigenständigen Wohnung im Obergeschoss des Wohnhauses ist, aus anderen Gründen als offensichtlich zutreffend. Da der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen hat, dass die angefochtene Nutzungsuntersagung sich nach Auffassung des Senats nur auf das Dachgeschoss des Wohngebäudes bezieht und mit der Aufgabe der Nutzung durch die Mieter der Räumlichkeiten keine Erledigung eingetreten ist, kommt in entsprechender Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht in Betracht (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542; BayVGH, B.v. 31.8.2018 – 15 ZB 17.1003 – juris Rn. 10; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 12 f.).
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Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bezieht sich die Nutzungsuntersagung nach ihrem Wortlaut in Ziff. 1 des Bescheids nur auf das Dachgeschoss des Wohngebäudes. Die Nutzung des genehmigten Betriebsleiterhauses und dessen Wohnnutzung im Keller-, Erd- und Obergeschoss ist – wie sich bereits aus dem Anhörungsschreiben des Landratsamts vom 27. Februar 2012 ergibt (S. 23 der Bauakte) – davon nicht betroffen. Nach den vorliegenden genehmigten Eingabeplänen vom 4. August 1982 bzw. 6. Juli 1983 ist nur eine Wohneinheit im Erd- und Obergeschoss dargestellt. Zwar ist entgegen dieser Genehmigungslage nach dem Vortrag des Klägers zu 1 nunmehr tatsächlich von einer gemeinsamen Nutzung des Ober- und Dachgeschosses (nach Aufgabe der Vermietung) auszugehen. Auch der separate Zugang zum Obergeschoss über eine Außentreppe, der sich aus den in der Bauakte vorliegenden Fotos (S. 32 der Bauakte) ergibt, legt eine bauliche Selbständigkeit des Ober- und Dachgeschosses nahe. Die Frage der erforderlichen Genehmigungspflicht für eine zweite (Betriebs-)Wohneinheit im Wohngebäude und ggf. eine diesbezüglich für erforderlich gehaltene Nutzungsuntersagung ist jedoch in einem gesonderten Verfahren zu prüfen. Auf die Frage, ob die Nutzung des Dachgeschosses isoliert von der Wohnnutzung im Obergeschoss betrachtet werden kann oder nicht vielmehr Bestandteil einer nicht genehmigten, eigenständigen Wohnung im Obergeschoss des Wohnhauses ist, kommt es daher vorliegend nicht an.
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Mit der Aufgabe der Nutzung des Dachgeschosses durch Dritte im Rahmen der ursprünglichen Vermietung hat sich der Bescheid des Beklagten nicht erledigt. Eine Nutzungsuntersagung ist grundsätzlich ein Dauerverwaltungsakt, weil sie nicht nur das Gebot beinhaltet, die beanstandete Nutzung (einmalig) einzustellen, sondern auch das Verbot, auf Dauer dieselbe oder eine vergleichbare Nutzung dort wieder aufzunehmen. Sie tritt daher grundsätzlich erst dann außer Kraft, wenn die bisher nicht genehmigte Nutzung nachträglich genehmigt wird (vgl. OVG LSA, B.v. 27.5.2021 – 2 M 40/21 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 23.2.2001 – 2 ZB 01.165 – juris Rn. 1).
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Ohne Erfolg wendet sich der Kläger zu 1 gegen die Überprüfung der Ermessensausübung des Landratsamts durch das Verwaltungsgericht im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO. Das dem Beklagten eingeräumte Eingriffsermessen wird in erster Linie entsprechend dem mit der Befugnisnorm verfolgten Ziel, rechtmäßige Zustände herzustellen, durch Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte bestimmt. Die Bauaufsichtsbehörde muss in einer Weise vorgehen, mit der die ihr obliegende Aufgabe, für die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu sorgen, möglichst effektiv erfüllt wird. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung vor, muss im Regelfall daher nicht näher begründet werden, weshalb von der Eingriffsbefugnis Gebrauch gemacht wird (sog. intendiertes Ermessen). Allerdings dürfen insbesondere mit Blick auf das Übermaßverbot keine Besonderheiten vorliegen, die ausnahmsweise ein Absehen von der Untersagung erfordern. Eine formell rechtswidrige Nutzung darf daher grundsätzlich nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist bzw. unter Bestandsschutz steht.
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Gemessen an diesen Maßstäben lässt die Nutzungsuntersagungsanordnung Ermessensfehler nicht erkennen. Eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit der Nutzung des Dachgeschosses als Wohneinheit liegt im Hinblick auf die Baugenehmigung vom 4. August 1982 in Gestalt der Nachtragsgenehmigung vom 6. Juli 1983 nicht vor.
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Da die Nutzungsuntersagung rechtmäßig ist, erweist sich das Urteil des Verwaltungsgerichts im Ergebnis als zutreffend.
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2. Es liegt kein Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
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2.1 Der Kläger zu 1 macht geltend, das Verwaltungsgericht habe ihn nicht zur mündlichen Verhandlung geladen und damit gegen das rechtliche Gehör (Art. 103 GG und § 86 VwGO) verstoßen.
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Diese Ausführungen legen keinen Gehörsverstoß dar. Ist ein Beteiligter zur mündlichen Verhandlung nicht oder nicht ordnungsgemäß geladen worden und hat deshalb – namentlich wegen darauf beruhender Unkenntnis des Verhandlungstermins – weder er selbst noch ein Bevollmächtigter an der mündlichen Verhandlung teilnehmen können, so stellt dies zwar eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar (vgl. BVerwG, U.v. 18.10.1983 – 9 C 127.83 – juris Rn. 12). Insoweit bedarf es keiner substantiierten Darlegung dessen, was bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre (vgl. BVerwG, B.v. 23.12.1994 – 1 B 142.93 – juris Rn. 9). So liegt der Fall hier aber nicht.
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Denn der Kläger zu 1 hat mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 22. April 2022 und 25. April 2022 die Übernahme des Rechtsstreits unter Vorlage eines Grundbuchauszugs angezeigt. Die Veräußerung der in Streit befangenen Sache nach Rechtshängigkeit ist für den Prozessverlauf nach § 173 VwGO i.V.m. § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO in entsprechender Anwendung unerheblich. Nach der speziellen Regelung in § 266 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist, wenn über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts, das für ein Grundstück in Anspruch genommen wird, oder einer Verpflichtung, die auf einem Grundstück ruhen soll, zwischen dem Besitzer und einem Dritten ein Rechtsstreit anhängig ist, im Falle der Veräußerung des Grundstücks der Rechtsnachfolger berechtigt und auf Antrag des Gegners verpflichtet, den Rechtsstreit in der Lage, in der er sich im Zeitpunkt der Übernahme befindet, als Hauptpartei zu übernehmen (vgl. BVerwG, B.v. 5.6.2018 – 4 BN 43.17 – juris Rn. 16; B.v. 1.8.2001 – 4 BN 43.01 – NVwZ 2001, 1282; U.v. 22.1.1971 – IV C 62.66 – BauR 1971, 188). Die Zustimmung des Prozessgegners ist dafür nicht erforderlich. Da die ordnungsgemäße Ladung des Klägers zu 2 vom 6. April 2022, die auch die Belehrung nach § 102 Abs. 2 VwGO enthielt, über die frühere (und auch aktuelle) Bevollmächtigte erfolgte, die Übernahme des Rechtsstreits durch den Kläger zu 1 aber erst nach der Terminierung angezeigt wurde, bedurfte es keiner erneuten Terminladung des Klägers zu 1.
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Auch die Rüge des Klägers zu 1, dass er mangels Ladung nicht habe erklären können, dass zumindest ein Teil des Obergeschosses von ihm nicht genutzt werde und teilweise genehmigt sei, zeigt nicht auf, dass ihm die Möglichkeit entzogen wurde, sich sachgemäß und erschöpfend zu äußern. Der anwaltlich von Anfang an vertretene Kläger zu 1 (s. Schreiben vom 2. November 2021), dessen Bevollmächtigte auch seinen Vater vertreten hat, hatte hinreichend Gelegenheit zur umfassenden Darlegung und Ergänzung des bisherigen Sachvortrags. Dafür war es nicht erforderlich, die Vorlage des Grundbuchauszugs abzuwarten, da diese nur den Zeitpunkt der Übernahme des Rechtsstreits bestimmt. Im Übrigen kann ein Beteiligter bei Vorliegen triftiger Gründe und entsprechender Glaubhaftmachung bzw. im Falle der anwaltlichen Vertretung bei plausibler Darlegung, weshalb seine persönliche Anwesenheit erforderlich ist (vgl. BVerwG, B.v. 4.8.2008 – 1 B 3.08 – juris Rn. 9; U.v. 30.8.1982 – 9 C 1.81 – DÖV 1983, 237), einen Verlegungsantrag stellen. Auch dies ist vorliegend nicht erfolgt. Seine Bevollmächtigte hat an dem Termin teilgenommen und sich zur Sache eingelassen. Das persönliche Erscheinen der Beteiligten war ausweislich der ordnungsgemäßen Ladung vom 6. April 2022 nicht erforderlich.
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2.2 Ein Verfahrensmangel liegt auch nicht insoweit vor, als der Kläger zu 1 geltend macht, dass er durch die Ablehnung des Terminverlegungsantrags seiner Bevollmächtigten vom 11. April 2022 in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei.
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Nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „erheblichen Gründe“ ist einerseits dem im Verwaltungsprozess geltenden Gebot der Beschleunigung des Verfahrens und der Intention des Gesetzes, die gerichtliche Entscheidung möglichst aufgrund einer einzigen mündlichen Verhandlung herbeizuführen, andererseits dem verfassungsrechtlichen Erfordernis des rechtlichen Gehörs Rechnung zu tragen (BVerwG, B.v. 25.9.2013 – 1 B 8.13 – juris Rn. 13; B.v. 28.4.2008 – 4 B 47.07 – juris Rn. 22). Ein Anspruch darauf, dass ausschließlich der sachbearbeitende Rechtsanwalt den Termin zur mündlichen Verhandlung wahrnimmt, besteht grundsätzlich nicht (SächsOVG, B.v. 23.2.2022 – 6 A 548/20 – juris Rn. 17; OVG NW, B.v. 9.6.2022 – 19 E 376/22 – juris Rn. 5). In Fällen, in denen ein Rechtsanwalt an der Wahrnehmung eines Termins gehindert ist, ist grundsätzlich die Inanspruchnahme von Rechtsanwälten derselben Sozietät oder Bürogemeinschaft zumutbar, wenn die Einarbeitung eines Vertreters in den Prozessstoff möglich und zumutbar ist (BVerwG, B.v. 23.1.1995 – 9 B 1.95 – NJW 1995, 1231; BayVGH, B.v. 23.9.2022 – 1 ZB 22.1296 – juris Rn. 7).
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Gemessen an diesen Maßstäben begegnet die Ablehnung des Terminverlegungsantrags durch das Verwaltungsgericht keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Es handelt sich um ein in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einfach gelagertes Verfahren, das keine speziellen baurechtlichen Kenntnisse erfordert, so dass eine kurzfristige Einarbeitung in den überschaubaren Prozessstoff – auch unter Berücksichtigung der Osterfeiertage – durch einen Sozietätskollegen, der bislang nicht mit dem Fall vertraut war, möglich und zumutbar war. Weder das Zulassungsvorbringen noch der Terminverlegungsantrag zeigen besonderen Umstände auf, die eine persönliche Vertretung durch die sachbearbeitende Rechtsanwältin erfordert hätten, insbesondere waren die angeführten „Parallelstreitigkeiten aus den vergangenen 10 Jahren“ nicht entscheidungserheblich.
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2.3 Der Vortrag des Klägers zu 1, die Parteiverwechslung im Rubrum des angefochtenen Urteils zeige auf, dass das Verwaltungsgericht sich mit dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt nicht mit der erforderlichen Sorgfalt beschäftigt habe, zeigt keinen Verfahrensfehler auf. Das Verwaltungsgericht hat das Rubrum der angefochtenen Entscheidung mit Beschluss vom 20. Oktober 2022 wegen offensichtlicher Unrichtigkeit berichtigt. Der Tenor der Entscheidung war zutreffend. Aus den Entscheidungsründen ergibt sich zweifelsfrei, dass das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung den Kläger zu 1 als Rechtsnachfolger seines Vaters als alleinigen Verfahrensbeteiligten zugrunde legt.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO in entsprechender Anwendung i.V.m. § 161 Abs. 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, dem Kläger zu 2 keine Kosten für das einvernehmlich für erledigt erklärten Berufungszulassungsverfahren aufzuerlegen. Zwar lag hier ausweislich der vorstehenden Ausführungen unter Nummer 2.3 eine offensichtliche Unwirksamkeit vor. Der Kläger zu 2 hat sich mit seinem Antrag jedoch nur (noch) dagegen gewendet, dass er im Rubrum anstelle seines Sohnes genannt wurde. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO ist er damit nur in einem geringen Teil unterlegen, sodass die Kosten des Verfahrens dem Kläger zu 1 aufzuerlegen sind.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
28
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).