Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 20.04.2023 – W 5 K 23.30153
Titel:

unzulässiger Zweitantrag (Asyl)

Normenketten:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 5, § 71a Abs. 1
VwVfG § 51 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsätze:
1. Ein alleinstehender junger, gesunder und trotz der mit dem Verlust des linken Unterarms einhergehenden Schwierigkeiten arbeitsfähiger Mann wird mit den von ihm aufgrund seiner bisherigen beruflichen Tätigkeiten erworbenen Kenntnissen und Erfahrungen, die er auch außerhalb seines Heimatlandes erworben bzw. gesammelt hat, in der Lage sein, in Ghana den notwendigen Lebensunterhalt zu erwirtschaften, um seine Existenz zu sichern. (Rn. 26 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Hauptsacheverfahren zu BeckRS 2023, 7223 (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asyl, Zweiantrag, Ghana, unanfechtbare Ablehnung des Asylantrags in Italien, kein Abschiebungsverbot trotz Verlust des linken Unterarms, Italien, Zweitantrag, Abschiebungsandrohung, Abschiebeverbot, Existenzminimum
Fundstelle:
BeckRS 2023, 10081

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

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Der Kläger ist nach eigenen Angaben ghanaischer Staatsangehöriger und dem Volk der Akan zugehörig. Er reiste am 9. März 2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein, äußerte ein Asylgesuch und stellte am 15. März 2019 einen förmlichen Asylantrag.
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1. Der am ... 1994 in D. A. (Ghana) geborene Kläger ist ghanaischer Staatsangehöriger, dem Volk der Bono zugehörig und christlichen Glaubens. Er reiste nach eigenen Angaben am 25. April 2021 über Italien in die Bundesrepublik Deutschland ein. In Italien hatte der Kläger laut Eurodac-Treffer am 18. Februar 2021 einen Asylantrag gestellt, der von den italienischen Behörden am 26. März 2021 abgelehnt worden war. In Deutschland stellte er am 28. Juni 2021 einen Asylantrag. Seine persönliche Anhörung erfolgte am 13. Juli 2021. Der Bescheid des Bundesamtes vom 20. Juli 2021, mit dem u.a. der Asylantrag des Klägers als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Italien angeordnet wurde, wurde nach mehreren erfolglosen Überstellungsversuchen seitens des Bundesamts infolge der abgelaufenen Überstellungsfrist wieder aufgehoben (vgl. Schriftsatz des Bundesamts vom 24. Februar 2022 im Verfahren B 4 K 21.50156 bzw. Bescheid des Bundesamts vom 9. Februar 2023); das Asylverfahren des Klägers wurde als Zweitverfahren fortgeführt.
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2. Mit Bescheid des Bundesamts vom 17. Februar 2023 wurde der vom Kläger in der Bundesrepublik Deutschland gestellte Asylantrag als unzulässig abgelehnt (Nr. 1 des Bescheides). In Nr. 2 des vorbezeichneten Bescheids wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Kläger wurde in Nr. 3 des Bescheids aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde dem Kläger die Abschiebung nach Ghana bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. In Nr. 4 des Bescheids wurde das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
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Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Bundesamt u.a. aus, dass der Asylantrag unzulässig sei, da die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen. Ein Asylantrag sei unzulässig, wenn im Fall eines Zweitantrages nach § 71a AsylG ein weiteres Asylverfahren nicht durchzuführen sei (§ 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG). Ein weiteres Asylverfahren gemäß § 71a Abs. 1 AsylG sei nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erfüllt seien. Aus dem Vorbringen des Klägers werde weder das Vorliegen einer neuen Sach- oder Rechtslage noch das Vorliegen neuer Beweismittel oder das Vorliegen von Wiederaufnahmegründen ersichtlich. Der Kläger mache nach eigener Aussage im Wesentlichen dieselben Asylgründe geltend, die er bereits im Rahmen seines Asylverfahrens in Italien vorgetragen habe und die dort bereits gewürdigt worden seien und zu einem negativen Ergebnis geführt hätten. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Eine Abschiebung sei gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebe. Nach dem Sachvortrag des Klägers drohe ihm keine, durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Bei Wahrunterstellung des Sachvortrags des Klägers sei er auf landesinternen Schutz zu verweisen. Auch die derzeitigen humanitären Bedingungen in Ghana führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sei trotz weit verbreiteter Armut gewährleistet. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Abschiebung nicht beachtlich. Der Kläger sei ein gesunder junger Mann, der trotz fehlenden linken Unterarms in der Landwirtschaft und im Rahmen von Hilfsarbeiten tätig gewesen sei. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr nicht in der Lage sein sollte, sich um seinen eigenen Lebensunterhalt zu kümmern. Es drohe dem Kläger auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führe. Auf die weiteren Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 17. Februar 2023 wird ergänzend verwiesen.
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3. Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 24. Februar 2023 gegen den vorbezeichneten Bescheid am 27. Februar 2023 Klage, die vom Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 7. März 2023 an das Verwaltungsgericht Würzburg verwiesen wurde.
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Er stellte sinngemäß den Antrag,
den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 17. Februar 2023 aufzuheben.
Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutz zu gewähren, weiter hilfsweise festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt.
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Zur Begründung verwies der Kläger auf seine bisherigen Angaben. Er habe einen Anspruch auf Asyl, Flüchtlingsanerkennung, subsidiären Schutz und Abschiebungsverbote.
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4. Das Bundesamt stellte für die Beklagte den Antrag,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf die angefochtene Entscheidung.
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5. Mit Beschluss vom 15. März 2023 (Az. W 5 S 23.30154) lehnte das Gericht den Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab.
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Mit Beschluss der Kammer vom 19. April 2023 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Die Beteiligten verzichteten übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
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6. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die das Gericht im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 VwGO).
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Der Asylantrag des Klägers ist gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 71a Abs. 1 AsylG unzulässig, weil er nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens führt. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Asylverfahrens gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG, insbesondere eine entscheidungsrelevante Veränderung der dem Erstverfahren zugrundeliegenden Sach- oder Rechtslage im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG, liegen nicht vor. Ebenso bestehen keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG.
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Das Gericht folgt im Ergebnis sowie in der wesentlichen Begründung dem angefochtenen Bescheid und sieht insofern von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Die Ausführungen des Bundesamts decken sich mit den vorliegenden Erkenntnissen. Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
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1. Wie bereits im Beschluss vom 15. März 2023 (W 5 S 23.30154) ausgeführt wurde, ist die Beklagtenseite davon ausgegangen, dass der vom Kläger in der Bundesrepublik Deutschland am 28. Juni 2021 gestellte Asylantrag gemäß § 71a AsylG als Zweitantrag zu werten ist, weil der Kläger bereits in einem sicheren Drittstaat – hier der Republik Italien – ein Asylverfahren erfolglos abgeschlossen hat. Die Republik Italien hat mit Schreiben vom 23. Mai 2022 auf Nachfrage des Bundesamts ausgeführt, dass der Asylerstantrag des Klägers in Italien am 26. März 2021 abgelehnt worden ist und dass der Kläger hiergegen kein Rechtsmittelverfahren angestrengt hat (vgl. Bl. 413 der elektronischen Behördenakte).
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Davon ausgehend ist kein weiteres Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen. Nach § 71a AsylG ist in Fällen, in denen ein Ausländer nach erfolglosem Abschluss eines Asylverfahrens in einem sicheren Drittstaat (§ 26a AsylG) im Bundesgebiet einen weiteren Asylantrag (Zweitantrag) stellt, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist und die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Mit der Beklagten ist das Gericht der Auffassung, dass im Falle des Klägers die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vorliegen. Zu Recht führt der streitgegenständliche Bescheid aus, dass der Kläger im Rahmen seiner Anhörung am 13. Juli 2021 ausschließlich Ereignisse in seinem Heimatland vor seiner Ausreise und damit vor Asylantragstellung in Italien angeführt hat. Im Rahmen dessen hat er sogar ausdrücklich angegeben, dass er dieselben Gründe bereits bei seiner Anhörung vor den italienischen Behörden angegeben hat (S. 5 der Anhörungsniederschrift). Im gerichtlichen Verfahren hat sich diesbezüglich nichts anderes ergeben. Nach dem rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens in Italien hat sich der Kläger – soweit ersichtlich – nicht mehr in seinem Heimatland aufgehalten. Im Übrigen wird auf die Begründung des Bescheids gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen.
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Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass es sich bei dem Vortrag des Klägers zu seinem Asylbegehren nach Aktenlage bereits nicht um relevante Verfolgungsgründe im Sinne der §§ 3, 3b AsylG handelt. Soweit der Kläger auf eine vermeintliche Verfolgung durch seinen Onkel verweist, handelt es sich allenfalls um kriminelles Unrecht, welches asylrechtlich ohne Relevanz bleibt. Der Kläger ist insoweit verpflichtet, staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen. Selbst bei Wahrunterstellung wäre der Kläger jedenfalls auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Sinne des § 3e AsylG zu verweisen. Auch bezüglich dieser Umstände hat der Kläger im gerichtlichen Verfahren keine Angaben gemacht, die auf anderes Ergebnis schließen lassen könnten.
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2. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor. Der Kläger hat im gerichtlichen Verfahren keine relevanten Umstände vorgetragen, die für die Annahme eines Abschiebungsverbots sprechen; solche sind auch sonst nicht ersichtlich.
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2.1. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 AufenthG ist nicht gegeben.
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Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten – EMRK – ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein. Eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung kann sich aus einer allgemeinen Situation der Gewalt im Zielstaat ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beidem (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris; BayVGH, U.v. 21.11.2018 – 13a B 18.30632 – juris).
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Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn diese Verhältnisse ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger nichtstaatlicher Akteure, die dem Staat zurechenbar sind, beruhen, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will (EGMR, U.v. 21.1.2011 – 30696/09 – NVwZ 2011, 413; U.v. 28.6.2011 – 8319/07 und 11449/07 – NVwZ 2012, 681). Aber auch dann, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, weil es an einem verantwortlichen Akteur fehlt und „nichtstaatliche“ Gefahren für Leib und Leben im Zielgebiet aufgrund prekärer Lebensbedingungen vorliegen, können schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet dennoch in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK als unmenschliche Behandlung zu qualifizieren sein (VGH Mannheim, U.v. 24.7.2013 – A 11 S 697/13 – juris).
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Schlechte humanitäre Verhältnisse können somit nur in ganz „besonderen Ausnahmefällen“ Art. 3 EMRK verletzen, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechen (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2018 – 13a B 18.30632 – juris).
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Dabei können Ausländer aber grundsätzlich kein Recht aus der Konvention auf Verbleib in einem Konventionsstaat geltend machen, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung zu erhalten. Der Umstand, dass im Fall einer Aufenthaltsbeendigung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, reicht nach der Rechtsprechung allein nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Denn Art. 3 EMRK verpflichtet die Staaten nicht, Unterschiede im Fortschritt in der Medizin sowie Interschiede in sozialen und wirtschaftlichen Standards durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris). Nur in ganz außergewöhnlichen Fällen können auch schlechte humanitäre Verhältnisse Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe zwingend gegen eine Aufenthaltsbeendigung sprechen, wie beispielsweise im Fall einer tödlichen Erkrankung im fortgeschrittenen Stadium, wenn im Zielstaat diesbezüglich keine Unterstützung besteht (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris).
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Dies zugrunde gelegt, ist zugunsten des Klägers kein Abschiebeverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK gegeben. Die humanitären Bedingungen in Ghana sind nicht derart ungünstig, dass sie zur Feststellung der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK führen könnten. Insoweit folgt das Gericht der Begründung des Bescheids und nimmt hierauf gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug. Insbesondere ist festzustellen, dass die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln trotz weit verbreiteter Armut gewährleistet ist. Zwar leiden viele Menschen unter sehr schwierigen Wohnbedingungen, insbesondere in den armen Landregionen und den Randgebieten der großen Städte. So leben nach Schätzungen der Weltbank ca. 38% der Stadtbevölkerung in Slums. In urbanen Gebieten haben ca. 92,6% der Bevölkerung Zugang zu Trinkwasser und ca. 20% zu sanitären Anlagen. In ländlichen Gebieten liegen die Anteile bei ca. 84% bzw. 8,6% (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 9.2.2019, Stand: Dezember 2018, S. 20). Von existenzgefährdenden Lebensbedingungen in Ghana wird der arbeitsfähige Kläger jedoch aller Voraussicht nach nicht betroffen sein. Vor allem die gesundheitlichen Einschränkungen, die der Verlust des linken Unterarms infolge eines Schlangenbisses für den Kläger mit sich bringen, haben einer Erwerbstätigkeit in der Vergangenheit – etwa dem Anbau von Paprika, der Reparatur von Computern oder einer Tätigkeit auf dem Bau – nicht entgegengestanden; der Kläger hat vor dem Bundesamt in diesem Kontext auch ausgeführt, dass er bereits früh sein Leben ohne fremde Hilfe selbst finanziert hat. Mit dem Beratungszentrum für Jobs, Migration und Reintegration in Accra (https://www.startfinder.de/de/beratungszentrum/ghana, Stand: 13. März 2023) bietet Deutschland seit 2017 eine Erstanlaufstelle für Rückkehrer an, die zudem Aufklärung zu den Gefahren irregulärer Migration leistet und zu Jobperspektiven in Ghana sowie Möglichkeiten legaler Migration berät (Auswärtiges Amt, Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Ghana als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 13. Mai 2021, i.d.F. vom 20. September 2021, Seite 24). Es lässt sich mit ausreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen, dass der Kläger trotz der mit dem Verlust des linken Unterarms einhergehenden Schwierigkeiten mit den von ihm aufgrund seiner bisherigen beruflichen Tätigkeiten erworbenen Kenntnissen und Erfahrungen, die er auch außerhalb seines Heimatlandes erworben bzw. gesammelt hat, in der Lage sein wird, in Ghana den notwendigen Lebensunterhalt zu erwirtschaften, um seine Existenz zu sichern. Eine besondere Ausnahmesituation, die die Annahme eines Abschiebungsverbots rechtfertigen würde, kann demgegenüber nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden. Dies gilt umso mehr, als es dem Kläger freisteht, finanzielle Rückkehrhilfen in Anspruch zu nehmen oder sich – soweit er nicht schon auf familiäre Unterstützung zugreifen kann – an karitative Einrichtungen zu wenden, um Unterstützung und Starthilfe zu erhalten. Aufgrund dessen besteht keine hinreichend beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Verelendung, die zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen würde.
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2.2. Schließlich liegt auch kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Danach kann von der Abschiebung abgesehen werden, wenn für den Ausländer im Zielstaat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine solche Gefahr ergibt sich insbesondere nicht aus dem Gesundheitszustand des Klägers. Dies kann im Einzelfall anzunehmen sein, wenn sich die Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände nach der Abschiebung voraussichtlich in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG, U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – juris Rn. 15). Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die befürchtete Verschlimmerung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen etwa als Folge fehlender Behandlungsmöglichketten im Zielland der Abschiebung zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, das heißt eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt (vgl. OVG NRW, B.v. 26.4.2007 – 13 A 4611/04.A – juris Rn. 32).
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Ausgehend davon kann die beim Kläger vorliegende gesundheitliche Beeinträchtigung (Verlust des linken Unterarms) kein gesundheitsbedingtes Abschiebungsverbot auf der Grundlage des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen. Insoweit handelt es sich nicht um eine lebensbedrohliche Erkrankung oder um eine solche, die im Fall der Rückkehr nach Ghana eine wesentliche Verschlimmerung befürchten lässt. Im Weiteren gewährt § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter dem Gesichtspunkt der extremen Gefahrenlage keinen weitergehenden Schutz als es § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK tut. Liegen also – wie hier – die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante, extreme Gefahrenlage aus.
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3. Auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung (Nr. 3 des Bescheides) bestehen im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken.
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4. Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gem. § 11 Abs. 1 AufenthG auf 36 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 4 des Bescheides) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
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5. Aus den genannten Gründen war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden gem. § 83b AsylG nicht erhoben.