Inhalt

VGH München, Beschluss v. 24.01.2023 – 8 ZB 22.1783
Titel:

Nachbarklage gegen bergrechtliche Zulassung eines Rahmenbetriebsplans zur Tongewinnung im Tagebau

Normenketten:
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1, § 108 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 5, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
BBergG § 48 Abs. 2
BImSchG § 22
Leitsätze:
1. Ein Nachbar, der durch Immissionen eines bergrechtlich zugelassenen Aufsuchungs- oder Gewinnungsbetriebs erheblich belästigt wird, kann gegen die Betriebsplanzulassung verwaltungsgerichtlichen Drittschutz beanspruchen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Fehler in der Beweiswürdigung sind im Hinblick auf § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO im Berufungszulassungsverfahren nur einer eingeschränkten Prüfung zugänglich. Es müssen gute Gründe aufgezeigt werden, dass die tatsächlichen Feststellungen augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 S. 1 VwGO erfordert die substanziierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufungszulassung (abgelehnt), Zulassung eines bergrechtlichen Rahmenbetriebsplans mit integriertem Hauptbetriebsplan, Nachbarschutz gegen die Zulassung eines bergrechtlichen Betriebsplans, Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung, Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht, Lärmimmissionen, Staubimmissionen, TA Lärm, TA Luft
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 08.06.2022 – AN 9 K 20.02632
Fundstelle:
BeckRS 2023, 1001

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid der Regierung von O. - Bergamt N. vom 5. November 2020, mit dem der Beigeladenen eine Rahmenbetriebsplanzulassung mit integriertem Hauptbetriebsplan zur Gewinnung von Ton im Tagebau im Gemeindegebiet der Stadt L. … erteilt wurde.
2
Der Kläger ist Eigentümer des an der T. …straße gelegenen Grundstücks FlNr. … Gemarkung H. …, das unmittelbar an das Betriebsgelände der Beigeladenen grenzt. Im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung hat der Kläger Einwände u.a. im Hinblick auf Schall- und Staubimmissionen geltend gemacht.
3
Der mit Antrag der Beigeladenen vom Juni 2018 vorgelegte „Rahmenbetriebsplan mit integriertem Hauptbetriebsplan“ wurde mit Bescheid der Regierung von O. - Bergamt N. vom 5. November 2020 unter Auflagen zugelassen.
4
Als Regelungsgegenstand wird im Bescheid die Gewinnung von Ton im Tagebau sowie die Verfüllung und Rekultivierung der abgebauten Lagerstättenanteile angegeben. Unter Ziffer II. (Nebenbestimmungen) ist unter anderem geregelt, dass die betriebliche Tätigkeit nur werktags zu den sogenannten Tagzeiten Montag bis Freitag zwischen 7:00 und 17:00 Uhr und Samstag zwischen 6:30 und 13:00 Uhr durchgeführt werden darf. Betriebliche Tätigkeiten zur Nachtzeit (22:00 bis 6:00 Uhr) sind untersagt. Die Beurteilungspegel der vom Tagebau-Betrieb ausgehenden Geräusche dürfen an den Wohnbebauungen im Ortsteil H. … den Tages-Immissionsrichtwert von 55 dB(A) nicht überschreiten. Einzelne Geräuschspitzen dürfen den (nicht reduzierten) Immissionsrichtwert am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) überschreiten (Ziffer II. Nr. 4.2.1. des Bescheidstenors). Weiterhin ist bestimmt, dass gemäß den vorgelegten Antragsunterlagen zur südlich angrenzenden Wohnbebauung (T. …straße … bis ...) ein Lärmschutzwall zu errichten und zu begrünen ist (Ziffer II. Nr. 4.2.2. des Bescheidstenors). Kontrollmessungen zur Einhaltung der festgesetzten Richtwerte werden vorbehalten (Ziffer II. Nr. 4.2.3 des Bescheidstenors). Zur Reduzierung möglicher Staubbelastungen und -verwehungen ist festgelegt, dass staubverursachende Anlagen bzw. Anlagenteile nach Bedarf zu bedüsen, Betriebswege und ggf. weitere Betriebsflächen bei ungünstigen Witterungsbedingungen nach Bedarf zu befeuchten sind (Ziffer II. Nr. 3.4 und 4.2.6 des Bescheidstenors). Dem Bescheid wurden zum Lärmschutz die schallimmissionsschutztechnische Untersuchung des Ingenieurbüros für B. ... vom 6. März 2019 und zur Luftreinhaltung das Gutachten der L... vom 13. November 2019 zugrunde gelegt (Ziffer I. Nr. 3.4.5. und 3.4.6. des Bescheidstenors)
5
Gegen den Bescheid hat der Kläger am 4. Dezember 2020 Klage beim Verwaltungsgericht Ansbach erhoben. Der Zulassungsbescheid sei rechtswidrig und verletze den Kläger unter anderem deshalb in seinen Rechten, weil von dem Vorhaben erhebliche Lärm- und Staubemissionen ausgingen. Die schallschutztechnische Untersuchung sei nicht geeignet, nachzuweisen, dass am Grundstück des Klägers der festgelegte Grenzwerte von 55 dB(A) eingehalten werden würden. Fehlerhaft sei die Ableitung der Vorbelastung aus den Bebauungsplänen GE III „Gewerbegebiet H. …“ und „Gewerbegebiet-Ost VII H. …“. Außerdem seien die Lkw-Fahrten auf dem Betriebsgelände mit durchschnittlich 108 Fahrten täglich zu niedrig angesetzt worden. Nach den Ausführungen des Gutachtens des Ingenieurbüros für U. ... vom 18. Februar 2021 (Bl. 154 der Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts im Verfahren AN 9 U 20.02746) habe der Lärmschutzwall östlich des Wohnanwesens „T. …straße …“ keine Abschirmwirkung mehr. Für die Pegel der Planierraupe, des Raupenbaggers und der Laderaupe dürften nicht die Herstellerangaben verwendet werden. Zudem seien die vom Betrieb ausgehenden Luftschadstoffe unzureichend ermittelt und bewertet worden. Er verweise hierzu auf die gutachtlichen Äußerungen des … vom 18. Februar 2021, vom 17. Januar 2022 und 17. März 2022, die die Fehlerhaftigkeit des der Genehmigung zu Grunde liegenden Gutachtens nachwiesen.
6
Mit Urteil vom 8. Juni 2022 wies das Verwaltungsgericht Ansbach die Klage ab. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Wegen dem Zulassungsvorbringen wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
7
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe wurden entweder nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (vgl. § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
8
A. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
9
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77/83; B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546).
10
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Der Bescheid des Beklagten vom 5. November 2020 verletzt den Kläger nicht in drittschützenden Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
11
Im Rahmen des bergrechtlichen Zulassungsverfahrens eröffnet § 48 Abs. 2 BBergG der zuständigen Behörde die Möglichkeit, eine Aufsuchung oder Gewinnung zu beschränken oder zu untersagen, soweit ihr überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Zu diesen öffentlichen Interessen gehört auch, dass für immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen, zu denen Tagebaue nach § 4 Abs. 2 BImSchG gehören, gemäß § 22 BImSchG nach dem Stand der Technik vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern und unvermeidbare auf ein Mindestmaß zu beschränken sind. Dabei ist die zuständige Behörde nicht darauf beschränkt, gemäß §§ 24 und 25 BImSchG im nachhinein Anordnungen zu erlassen. Vielmehr ist die Zulassung dann, wenn die Anlage nicht die Anforderungen des § 22 BImSchG erfüllt, zu versagen oder nur mit Einschränkungen, z.B. Auflagen, die den Standard des § 22 BImSchG sichern, zu erteilen (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.1986 - 4 C 31.84 - BVerwGE 74, 315 = juris Rn. 22 ff.). Insoweit kann ein Nachbar, der durch Immissionen eines bergrechtlich zugelassenen Aufsuchungs- oder Gewinnungsbetriebs erheblich belästigt wird, gegen die Betriebsplanzulassung verwaltungsgerichtlichen Drittschutz beanspruchen (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 29). Nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 BImSchG sind schädliche Umwelteinwirkungen Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen. Immissionen umfassen sowohl Lärm- als auch Luftverunreinigungen (§ 3 Abs. 2 BImSchG). Bei der Beurteilung von Luftverunreinigungen kommt der TA Luft als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift eine im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich zu beachtende Bindungswirkung zu, soweit diese für Luftschadstoffe den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert. Gleiches gilt im Hinblick auf die Geräuschbelastung für die TA Lärm, die unter Berücksichtigung der bergbaurechtlichen Besonderheiten entsprechend heranzuziehen ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2006 - 8 CS 06.2728 - juris Rn. 6; SächsOVG, B.v. 20.4.2011 - 1 A 514/10 - ZfB 2011, 243 = juris Rn. 12).
12
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs dürften sich für den Kläger durch die Zulassung des bergrechtlichen Betriebsplans weder im Hinblick auf Lärmimmissionen (siehe dazu unten 1.) noch im Hinblick auf Staubbelastungen (siehe dazu unten 2.) erhebliche, für den Kläger unzumutbare Nachteile oder Belästigungen ergeben. Das Vorbringen im Zulassungsantrag rechtfertigt keine andere Beurteilung.
13
1. Das Verwaltungsgericht konnte davon ausgehen, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass im regelmäßigen Betrieb der im Bescheid vom 5. November 2020 unter Ziffer II. Nr. 4.2.1. des Bescheidstenors festgesetzte, nach Nr. 4.2 Buchst. a, 6.1. Buchst e TA Lärm für allgemeine Wohngebiete geltende Lärmwert von 55 dB(A) nicht eingehalten werden kann. Eine entsprechende Nebenbestimmung ist im Grundsatz geeignet, die Nachbarrechte zu sichern, wenn die Anlage bei regelmäßigem Betrieb so genutzt werden kann, dass die entstehenden Immissionen die für die Nachbarschaft maßgebliche Zumutbarkeitsgrenze nicht überschreiten (vgl. BayVGH, U.v. 16.10.2013 - 15 B 12.1808 - juris Rn. 15; B.v. 5.5.2022 - 9 CS 22.3 - juris Rn. 25).
14
Das Verwaltungsgericht ist unter Berücksichtigung der schallimmissionsschutztechnischen Stellungnahmen des Ingenieurbüros für B. … vom 6. März 2019 und vom 23. April 2021 zu dem Ergebnis gekommen, dass keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der festgesetzte Immissionsrichtwert von 55 dB(A) nicht eingehalten werden könne. Es hat sich dabei mit sämtlichen Einwendungen des Klägers gegen die Aussagekraft der gutachterlichen Stellungnahmen des Ingenieurbüros für B. … ausführlich auseinandergesetzt und diese gewürdigt (UA S. 15-20). In seiner Zulassungsbegründung beschränkt sich der Kläger letztlich auf den Einwand, das Verwaltungsgericht habe sich auf fehlerhafte Lärmgutachten gestützt. Damit richtet er sich gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Fehler in der Beweiswürdigung sind im Hinblick auf § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO im Berufungszulassungsverfahren jedoch nur einer eingeschränkten Prüfung zugänglich (BayVGH, B.v. 12.4.2021 - 8 ZB 21.23 - juris Rn. 14; B.v. 19.10.2018 - 8 ZB 18.1235 - BayVBl 2019, 237 = juris Rn. 25 f.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 19). Für einen darauf gestützten Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO genügt nicht allein der Vortrag, die Tatsachen seien anders als vom Verwaltungsgericht angenommen oder der Sachverhalt bzw. das Ergebnis einer Beweisaufnahme sei anders zu bewerten (VGH BW, B.v. 11.2.2019 - 12 S 2789/18 - juris Rn. 19; OVG NW, B.v. 21.6.2012 - 18 A 1459/11 - juris Rn. 9; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 67). Vielmehr müssen gute Gründe aufgezeigt werden, dass die tatsächlichen Feststellungen augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung des Sachverhalts genügt dafür nicht (BVerwG, B.v. 26.9.2016 - 5 B 3.16 D - juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 21.1.2013 - 8 ZB 11.2030 - ZfW 2013, 176 = juris Rn. 17; B.v. 12.4.2021 - 8 ZB 21.23 - juris Rn. 14).
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Dass solche Fehler der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung hier vorliegen, geht aus dem Zulassungsantrag nicht hervor. Das Zulassungsvorbringen zeigt keine guten Gründe auf, dass die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Schon gar nicht lassen die Einwände ernstlich zweifelhaft erscheinen, dass der im Bescheid festgesetzte Grenzwert von 55 dB(A) von der Beigeladenen im regelmäßigen Betrieb nicht eingehalten werden könnte. Denn für die im Rahmen der hier vorliegenden Drittanfechtung erforderlichen subjektiven Rechtsverletzung des Klägers bedarf es nicht nur der Darlegung, dass die gutachterlichen Stellungnahmen fehlerbehaftet sind, sondern vielmehr der Darlegung, dass bei „richtiger“ Ermittlung der Betrieb der Beigeladenen prognostisch den im Bescheid festgelegten Grenzwert nicht einhalten können wird. Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
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Im Einzelnen:
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a. Der Kläger rügt, dass die vom „Gewerbegebiet III H. …“ und „Gewerbegebiet - Ost VII H. …“ ausgehende Vorbelastung im Gutachten nicht richtig ermittelt worden sei, weil eventuell die in den Bebauungsplänen festgesetzten Emissionskontingente bzw. flächenbezogenen Schallleistungspegel rechtswidrig und damit unwirksam seien. Dies hätte durch das Verwaltungsgericht auch geprüft werden müssen, weil das rechtliche und tatsächliche Vorbringen Anlass zu weiterer Amtsermittlung Anlass gegeben hätte.
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Unabhängig von der Frage, ob insofern ein Verfahrensfehler nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO dargelegt wurde und vorliegt (s.u.), ist jedenfalls nicht erkennbar, dass die Einschätzung des Ingenieurbüros für B. … vom 6. März 2019, auf das sich das Verwaltungsgericht stützt, augenscheinlich nicht zutreffen würde. Denn entscheidend für die anzustellende Lärmprognose ist, welche lärmliche Vorbelastung tatsächlich von den obigen Gewerbegebieten ausgeht. Da beide Bebauungspläne zwischenzeitlich - soweit ersichtlich - in Form von Baugenehmigungen mit entsprechenden Immissionsschutzauflagen umgesetzt worden sind, kommt es auf die Frage, ob die Emissionskontingente wirksam in den Bebauungsplänen festgesetzt wurden, nicht mehr an. Dass entgegen der Festsetzungen Gewerbebetriebe mit höheren Lärmemissionen zugelassen worden wären, behauptet auch der Kläger nicht.
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Es liegt auch nicht auf der Hand, dass die Festsetzung im Bebauungsplan „Gewerbegebiet - Ost VII H. …“ für die Teilfläche BA 3b mit einem max. zulässigen immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegel von 65 dB(A) tags und für die Teilflächen BA 1b, BA 2a und BA 3a von 60 dB(A) tags (vgl. Satzung der Stadt L. … vom 7. April 2006 S. 11) rechtsfehlerhaft wäre, weil diese Werte es gerade zulassen, dass sich auf diesen Teilflächen bei einer typisierender Betrachtungsweise alle nach § 8 BauNVO zulässigen Gewerbebetriebe ansiedeln können (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2021 - 4 CN 8.19 - BVerwGE 173, 75 = juris Rn. 9 ff.; B.v. 20.12.2021- 4 BN 36.21 - juris Rn. 9). Dies gilt ebenso für den Bebauungsplan der Stadt L. … „Gewerbegebiet III H. …“ (i.d.F. der 4. Änderung vom 8. Dezember 2016), der für den östlichen Bereich ein Emissionskontingent von maximal 57 dB(A) tags festlegt, während im westlichen Bereich der bisherige Wert von 60 dB(A) fortgilt. Wegen der gebotenen typisierenden Betrachtung sind auch keine Emissionskontingente erforderlich, die so hoch sind, dass sie für jeden denkbaren Gewerbebetrieb ausreichen, der „gerade noch“ in einem Gewerbegebiet zulässig erscheinen mag (vgl. auch BVerwG, U.v. 29.6.2021 - 4 CN 8.19 - juris Rn. 14).
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Soweit der Kläger die für die Nachtzeit (22:00 bis 6:00 Uhr) festgesetzten Emissionskontingente als zu niedrig ansieht, kommt es darauf entscheidungserheblich nicht an, weil mangels betrieblicher Tätigkeit der Beigeladenen eine Vorbelastung zur Nachtzeit nicht zu berücksichtigen war.
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b. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Gutachtens des Ingenieurbüros für B. … vom 6. März 2019 folgt auch nicht daraus, dass der Kläger den dem Gutachten zugrundeliegenden An- und Abfahrtsverkehr auf öffentlichen Verkehrsflächen von durchschnittlich 108 Fahren am Tag (= 54 Lkw) für unrealistisch hält.
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Der Gutachter hat sich hierbei auf die Angaben des Betreibers gestützt (vgl. Stellungnahme vom 23.4.2021, S. 5). Der Einwand des Klägers, dass wegen der zeitlich und räumlich parallel zum Tonabbau stattfindenden Wiederverfüllung von einem höheren Verkehrsaufkommen auszugehen ist, ist rein spekulativ und durch nichts belegt. Ein zeitlich und räumlich paralleler Betrieb bedeutet nicht zwangsläufig, dass doppelt so viel Lkw-Verkehr stattfindet, zumal auch eine Anfahrt mit Verfüllmaterial und eine Rückfahrt mit abgebautem Ton denkbar erscheint.
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Nicht entscheidungserheblich sind die klägerischen Ausführungen zu der Frage, ob die Anzahl von durchschnittlich 108 Lkw-Fahrten täglich Regelungsgegenstand des Bescheides vom 5. November 2020 ist. Die schallschutztechnischen Untersuchungen dienen allein dazu, abzuschätzen, ob im regelmäßigen Betrieb der im Bescheid festgelegte Lärmgrenzwert von 55 dB(A) am klägerischen Grundstück eingehalten werden kann.
24
c. Aus welchem Grund die Abschirmwirkung des Lärmschutzwalls östlich des Wohnanwesens „T. …straße …“ nicht mehr gegeben sein soll, ist nicht ersichtlich. Zum einen weist der Lärmschutzwall ausweislich des Bescheids vom 5. November 2020 eine Länge von mindestens 102,00 m auf (vgl. Ziff. II Nr. 4.2.2. des Bescheidstenors unter Bezugnahme auf das Gutachten des Ingenieurbüros für B. … vom 6. März 2019 S. 13 und Anlagen 5 bis 7). Der Lärmschutzwall reicht damit mindestens bis zur östlichen Grenze des klägerischen Grundstücks (vgl. auch Plan 3 „Abwicklung Abbau“ Stand 14.10.2019). Zum anderen ist nicht erkennbar, dass der geplante Lärmschutzwall nicht realisierbar sein soll. Auch das in Bezug genommene Gutachten des I.. vom 18. Februar 2021 begründet das nicht nachvollziehbar.
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d. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Gutachten des Ingenieurbüros für B. … vom 6. März 2019 für die Schallleistungspegel des Raupenbaggers und der Laderaupe auf die Angaben des Herstellers der tatsächlich zum Einsatz kommenden Maschinen abstellt. Zweck des Gutachtens ist die Ermittlung und Beurteilung der in der Nachbarschaft der Tongrube zu erwartende Schallimmissionssituation durch den Gesamtbetrieb (vgl. Gutachten des Ingenieurbüros für B. … vom 6. März 2019, S. 3). Es handelt sich dabei um eine Prognose (vgl. Anhang zur TA Lärm Nr. A.2.1.), wobei die Genauigkeit der Immissionsprognose wesentlich von der Zuverlässigkeit der Eingabedaten abhängt (vgl. Anhang zur TA Lärm Nr. A.2.2.). Hierfür können auch Herstellerangaben der Baumaschinen verwendet werden, die zum Einsatz kommen (vgl. Anhang zur TA Lärm Nr. A 2.3.2). Es liegt auf der Hand, dass die Immissionsprognose umso genauer ausfällt, je genauer die Eingabedaten auf den Betrieb der Beigeladenen abgestimmt sind.
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Da die Lärmprognose ein möglichst realitätsnahes Bild abgeben soll, musste das Ingenieurbüro für B. … auch für die Planierraupe nicht den höheren Emissionswert einer solchen des Baujahrs 1975 von 112,6 dB(A) ansetzen. Es hat nachvollziehbar begründet, dass die im Betrieb der Beigeladenen verwendeten Baumaschinen nach maximal fünf Jahren ersetzt werden (vgl. Stellungnahme Ingenieurbüro für B. … vom 23. April 2021 (14534.5a), S. 5). Damit kann angenommen werden, dass die verwendeten Maschinen ein deutlich jüngeres Baujahr mit deutlich geringeren Lärmemissionen aufweisen.
27
Eine „worst case“-Betrachtung oder die Festlegung bestimmter Baumaschinen im Zulassungsbescheid, wie sie der Kläger fordert, verkennt, dass Streitgegenstand allein der zugelassene Rahmenbetriebsplan mit integriertem Hauptbetriebsplan gemäß Bescheid des Beklagten vom 5. November 2020 ist. Sollte sich beim Betrieb herausstellen, dass wesentlich vom genehmigten Betriebsablauf abgewichen wird oder dass die festgelegten Immissionsrichtwerte nicht eingehalten werden können, ist durch die Genehmigungsbehörde eine Neubewertung durchzuführen und ggf. sind nachträglich Anordnungen zu treffen (vgl. BayVGH, B. v. 15.11.2010 - 15 CS 10.2131 - juris Rn. 20; B.v. 7.2.2013 - 15 CS 12.743 - juris Rn. 22). Ein entsprechendes Vorgehen ist im Bescheid vom 5. November 2020 vorgesehen (dort Ziffer II. Nr. 4.2.3. des Bescheidstenors).
28
e. Soweit der Kläger rügt, dass die Annahme kleinräumiger Flächenschallquellen geboten gewesen wäre und nicht eine über den gesamten Bauabschnitt, weil dies bedeuten würde, dass sich die Arbeiten zum Tonabbau und zur Rekultivierung gleichmäßig auf den gesamten Bauabschnitt verteilen würden, in der Realität aber die Verfüllung und Rekultivierung regelmäßig innerhalb bestimmter Bereiche eines Bauabschnitts erfolgen würden, ist dieser Einwand unzutreffend. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass es sich beim Betrieb der Beigeladenen um einen Kampagnenbetrieb handelt, der dadurch gekennzeichnet ist, dass er keine festen Arbeitsbereiche aufweist. Bei einem solchen Betrieb ist die Wahl einer über eine bestimmte Fläche ausgedehnte Schallquelle die übliche und bewährte Verfahrensweise (UA S. 18). Zudem hat die Beigeladene in der mündlichen Verhandlung im Parallelverfahren (Az. AN 9 K 20.02746) angegeben, dass auf dem Grundstück FlNr. … der Abbau in Arealen von 50 m x 50 m stattfinde, sodass unter Berücksichtigung der Größe des Grundstücks mit einer Länge von 130 m unter Abzug des Mindestabstands von 30 m die Annahme einer Flächenschallquelle auf die gesamte Grundstücksgröße angemessen und realitätsnah sei (UA S. 18). Dagegen hat der Kläger nichts vorgetragen.
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f. Der Vorhalt, dass in der Begutachtung durch das Ingenieurbüro für B. … der Lärm durch das Abkippen von Material in der Tongrube nicht einbezogen worden sei, berücksichtigt nicht, dass auch der Gutachter des I.. ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 6. April 2022 im Parallelverfahren (Az. AN 9 K 20.02746) nunmehr davon ausgeht, dass die Abschüttvorgänge in der Tongrube der Beigeladenen lärmtechnisch nicht ins Gewicht fallen (Sitzungsprotokoll S. 5). Die Wertung des Verwaltungsgerichts, dass die Heranziehung des Schallleistungspegels für das Abkippen von Erde, Lehm und steinigem Erdreich insbesondere unter Einbeziehung der Ergebnisse des im Parallelverfahren (Az. AN 9 K 20.02746) geschlossenen Vergleichs angemessen sei, sind daher nicht ernstlich zweifelhaft.
30
Im Übrigen besteht der vom Kläger erneut geltend gemachte Widerspruch im Hinblick auf das zur Rekultivierung verwendete Material nicht (vgl. Schriftsatz vom 13. Januar 2023). Denn sowohl das Ingenieurbüro für B. … (Stellungnahme (14534.6) vom 9. März 2022, S. 7) als auch die Stellungnahme der L.. vom 3. März 2022 (S. 3) gehen im Ergebnis davon aus, dass Bauschutt wahrscheinlich gar nicht zur Wiederverfüllung gelangt. Der Kläger übersieht, dass die von ihm angeführte Stellungnahme der L.. vom 3. März 2022 ihre Aussage zur Verfüllung mit Abbruchmaterial mit den Worten „wenn überhaupt“ eingeschränkt hat. Es ist daher schlüssig, dass das Ingenieurbüro für B. … zur Ermittlung der Schallleistungspegel des Abkippvorgangs von einem Abkippen von Erde, Lehm und steinigem Erdreich nach dem Merkblatt 25 des Landesumweltamtes Nordrhein-Westfalen (LUA) vorgegangen ist und nicht, wie der Kläger meint, von Lehm, Betonsteinen und Humus als Abkippmaterial.
31
g. Soweit der Kläger bemängelt, dass bei der für erforderlich gehaltenen detaillierten Prognose nach Nr. A.2.3 des Anhangs zur TA Lärm die Berechnung der Immissionspegel in Oktaven erfolgen soll, greift auch dieser Einwand nicht durch. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die vom Kläger geforderte Berechnungsweise zu einer genaueren Lärmprognose geführt hätte. Im Übrigen sieht die Nr. A.2.3.1. des Anhangs der TA Lärm vor, dass alternativ eine Berechnung entsprechend DIN ISO 9613-2 erfolgen kann, wenn die Emissionsdaten nur als A-bewertete Schallpegel vorliegen, was hier der Fall war (vgl. Gutachten Ingenieurbüro für B. … vom 23. April 2021 (Nr. 14534.5a) S. 7).
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h. Soweit der Kläger sich gegen die vom Verwaltungsgericht angeführte „Mittelwertrechtsprechung“ wendet, führt dies ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. Denn das Verwaltungsgericht hat hierauf schon nicht tragend abgestellt, sondern eine etwaige Erhöhung der zumutbaren Lärmwerte als Zusatzargument angeführt („…,dass auch bei Annahme eines allgemeinen Wohngebiets für das klägerische Grundstück… unter Anwendung der Mittelwertrechtsprechung höhere Lärmgrenzwerte als die Werte für ein allgemeines Wohngebiet anzusetzen wären…“, UA S. 19).
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2. Das Verwaltungsgericht ist weiter zu Recht davon ausgegangen, dass durch das streitgegenständliche Vorhaben keine schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Schwebstaub (PM10) am Wohnanwesen des Klägers verursacht werden.
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Das Verwaltungsgericht konnte in Bezug auf die prognostische Belastung mit Schwebstaub (PM10) den Jahreswert von 28 µg/m3 seinen Überlegungen zu Grunde legen.
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Für die vorliegend im Streit stehende Belastung durch Schwebstaub (PM10) sieht die TA Luft einen Jahreswert von 40 µg/m3 vor und einen auf 24 Stunden bezogenen Wert von 50 µg/m3, der nicht mehr als 35 mal im Jahr überschritten werden darf (vgl. Nr. 4.2.2. TA Luft i.d.F. vom 24. Juli 2002). Dabei gehen alle im Verfahren vorliegenden fachlichen Stellungnahmen sowohl des Beigeladenen als auch die durch das Gericht aus dem Parallelverfahren (Az. AN K 20.02746) beigezogenen davon aus, dass bei einer Schwebstaubelastung bis zum einem Jahreswert von 28 µg/m3 anzunehmen ist, dass der auf 24 Stunden bezogene Wert von 50 µg/m3 nicht mehr als 35 mal im Jahr überschritten ist (vgl. so jetzt auch amtl. Anm. 1 zu Tabelle 1 unter Nr. 4.2.2. TA Luft i.d.F. vom 18. August 2021).
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Das Verwaltungsgericht kommt im Rahmen seiner richterlichen Überzeugungsbildung unter Würdigung des gesamten Prozessstoffs, insbesondere der Stellungnahmen der L.. vom 10. März 2021, 3. März 2022 und vom 4. April 2022, unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass hinsichtlich der umstrittenen Staubemissionen im Hinblick auf Transportbewegungen auch nach Erörterung der vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen im Parallelverfahren (Az. AN 9 20.02746) weiterhin Unklarheiten bestünden, zu dem Ergebnis, dass der Betrieb prognostisch den angelegten Jahreswert für Schwebstaub (PM10) von 28 µg/m3 unterschreitet. Es hat sich auch diesbezüglich mit sämtlichen Einwendungen des Klägers gegen die Aussagekraft der gutachterlichen Stellungnahmen des Ingenieurbüros für B. … auseinandergesetzt und diese gewürdigt (UA S. 20-23).
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Die dagegen vom Kläger im Zulassungsverfahren erhobenen Einwände zeigen weder auf, dass die Grenzen der richterlichen Überzeugungsbildung überschritten wären (vgl. dazu oben), noch, dass subjektive Rechte des Klägers verletzt sind, weil die maßgeblichen Grenzwerte der TA Luft überschritten werden. Für die im Rahmen der hier vorliegenden Drittanfechtung erforderlichen subjektiven Rechtsverletzung des Klägers bedarf es insbesondere der Darlegung, dass bei „richtiger“ Ermittlung der Betrieb der Beigeladenen prognostisch den in der TA Luft festgelegten Grenzwert überschreitet. Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht. Denn es befasst sich ausschließlich mit einzelnen Punkten in den Gutachten der L.., die der Kläger für fehlerhaft hält, ohne insofern dem Darlegungserfordernis zu genügen und weiter darzulegen, dass der Betrieb der Beigeladenen den maßgeblichen Grenzwert der TA Luft überschreiten wird. Dem Darlegungserfordernis ist im Regelfall nur dann genügt, wenn der Zulassungsgrund vom Antragsteller konkret benannt und näher erläutert wird, aus welchen Gründen er vorliegen soll. Es bedarf einer substanziierten, auf den jeweiligen Zulassungsgrund bezogenen Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen und aufbereitet wird (vgl. BayVGH B.v. 6.7.2020 - 15 ZB 20.96 - juris Rn. 14).
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Im Einzelnen:
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a. Soweit der Kläger rügt, dass sich aus den Fahrbewegungen deutlich höhere Immissionen ergeben würden, greift dieser Einwand nicht durch. Der Kläger übersieht, dass die Frage der Berechnung der Transportwege zentrales Thema der mündlichen Verhandlung vom 6. April 2022 im Parallelverfahren (Az. AN 9 K 20.02746) war. Das Verwaltungsgericht hat unter Berücksichtigung der Ausführungen der beiden Gutachter in der mündlichen Verhandlung vom 6. April 2022 in diesem Verfahren einen um den Faktor 1,5 erhöhten Wert angenommen bezogen auf die von der L.. korrigierten Werte im Schreiben vom 4. April 2022 (UA S. 20; Sitzungsprotokoll S. 6). Damit hat sich der Kläger nicht auseinandergesetzt, sondern lediglich den Streitstand der Gutachter zu der Thematik wiedergegeben.
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Unabhängig davon waren sich beide Gutachter ausweislich des Sitzungsprotokolls einig, dass die Lkw-Bewegungen wegen der weiteren Entfernung zum Immissionsort nicht sonderlich ins Gewicht fielen (Sitzungsprotokoll S. 6), sodass insofern die berechneten Staubemissionen für die Lkw-Transporte in der Realität geringer ausfielen.
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b. Nicht zum Erfolg führen auch die Einwände zu den Emissionen aus Staubabwehungen von gelagertem Material auf Halden. Insofern setzt sich der Kläger ebenfalls nicht mit der Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils auseinander, dass der Gutachter der Beigeladenen eine Ablagerung mit der gesamten jährlichen Verfüllmenge seinen Berechnungen zu Grunde gelegt hat, das Gericht aber von einer sehr viel geringeren Menge an gelagerten Stoffen ausgeht (UA S. 21). Soweit der Gutachter der Beigeladenen angibt, dass die Staubemissionen aus Abwehungen prognostisch berechnet worden seien, auf Grund der niedrigen Ergebnisse aber nicht ausgewiesen werden müssten (Gutachten L.. vom 4.4.2022, S. 2), ergibt sich aus den Gutachten des I.. nichts Gegenteiliges, wenn bemängelt wird, dass die Emissionen aus Staubabwehungen berücksichtigt hätten werden müssen, ohne aber anzugeben, in welcher Höhe (Gutachten I.. vom 17.3.2022, S.3).
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c. Auch soweit der Kläger, die angesetzte standortbezogene Vorbelastung für zu niedrig hält, greifen seine Einwände nicht durch. Einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung legt er insoweit ebenfalls nicht dar.
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Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sich das Verwaltungsgericht eine Sachkompetenz angemaßt hat, die es nicht besitzt. Vielmehr hat es die vorliegenden Gutachten in ihrer Aussage- und Überzeugungskraft gewürdigt sowie seiner Überzeugungsbildung zu Grunde gelegt, ohne hieran im Einzelnen gebunden zu sein (vgl. auch BVerwG, U.v. 28.5.2021 - 7 C 2.20 - NVwZ 2022, 330 = beckonline Rn. 27). Das Verwaltungsgericht hält die vom L.. im Gutachten vom 30. April 2021 angesetzte ländliche Vorbelastung mit einem Zuschlag von 2 µg/m3 für die Bauschuttdeponie unter Berücksichtigung der Situierung der Grundstücke und unter Beachtung der vorzufindenden Nutzungen für sachgerecht und nachvollziehbar. Für nicht zutreffend hat es eine rein vorstädtische Hintergrundbelastung angesehen, da die im Lufthygienischen Jahresbericht 2020 des Bayerischen Landesamts für Umwelt im vorstädtischen Bereich liegenden Messtationen nicht in vergleichbarer Lage mit entsprechender Außenbereichsdominanz liegen wie das klägerische Grundstück. Vor diesem Hintergrund hält es einen Mittelwert von 11,5 µg/m3 (Mittelwert zwischen ländlichem Hintergrund mit 9 µg/m3 und vorstädtischem Hintergrund mit 14 µg/m3) für angemessen. Es führt dann aber weiter aus, dass selbst bei einer vorstädtischen Hintergrundbelastung von 14 µg/m3 der Grenzwert von 28 µg/m3 bei Hinzurechnung der höheren Zusatzbelastung von 13,1 µg/m3 eingehalten wäre. Auch damit setzt sich der Kläger nicht auseinander, sondern zeigt lediglich Divergenzen in den verschiedenen Gutachten aus dem erstinstanzlichen Verfahren auf. Dies genügt nicht den Darlegungsanforderungen.
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d. Auf die vom Gutachter des L.. nicht berücksichtigte staubmindernde Auswirkung der Auflage Ziffer II. Nr. 3.4 und 4.2.6 des Bescheidstenors zur Bedüsung und Befeuchtung von Anlagen, Anlagenteilen, Betriebswegen und Betriebsflächen, die für das Verwaltungsgericht aber ein entscheidender staubmindernder Faktor war (UA S. 21), geht der Kläger ebenso wenig ein.
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B. Die geltend gemachten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegen nicht vor.
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Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne dieser Vorschrift weist eine Rechtssache dann auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sie sich also wegen der Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt und die im Zulassungsverfahren erforderliche kursorische Prüfung der Rechtssache anhand des verwaltungsgerichtlichen Urteils keine Prognose über den voraussichtlichen Ausgang des Rechtstreits zulässt (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2019 - 9 ZB 15.442 - juris Rn. 21 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
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Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen lassen sich, wie die vorstehenden Ausführungen zum Zulassungsvorbringen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zeigen, ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären. Die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und den Kläger genügt nicht, besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2018 - 9 ZB 16.1068 - juris Rn. 14).
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C. Auch der sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund des Bestehens eines Verfahrensmangels, auf dem das Ersturteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), führt nicht zur Zulassung der Berufung.
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1. Mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe irrig angenommen, es habe ihm nicht im Wege der Amtsermittlung oblegen, die Bebauungspläne einer näheren Überprüfung ihrer Rechtmäßigkeit zu unterziehen, weil kein Fall der „ungefragten Fehlersuche“ vorgelegen habe, rügt der Kläger in der Sache keinen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), sondern eine fehlerhafte Rechtsanwendung. Gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Amtsermittlungspflicht bezieht sich daher auf Tatsachen, also die sinnlich wahrnehmbaren oder feststellbaren Zustände oder Umstände, nicht aber auf die Feststellung und Auslegung des anzuwendenden Rechts (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 86 Rn. 28).
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2. Auch soweit der Kläger nunmehr außerhalb der Darlegungsfrist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO rügt (Schriftsatz vom 13.1.2023), dass sich der Vorinstanz angesichts der konstatierten „Unklarheiten“ sowie der nicht zu klärenden „unterschiedlichen Ergebnisse bzw. der Berechnung“ der Staubimmissionen in Bezug auf die Fahrbewegungen eine weitere Beweisaufnahme sehr wohl aufgedrängt hätte, kann dies einen Verfahrensmangel nicht begründen.
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Die Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erfordert die substanziierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.2016 - 2 B 57.15 - ZBR 2017, 41 = juris Rn. 13; B.v. 10.12.2020 - 2 B 6.20 - juris Rn. 8 m.w.N; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 75). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht.
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Der Kläger legt schon nicht dar, ob er Tatsachen in Bezug auf die Fahrbewegungen (z.B. Länge der Fahrstrecke, Gewicht der Maschinen, Anzahl der Fahrten etc.) oder ob er die Berechnungsmethode für aufklärungsbedürftig hält. Allein die Gegenüberstellung der verschiedenen vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen genügt hierfür nicht. Ebenso wenig gibt der Kläger an, welche Aufklärungsmaßnahmen in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern dies zu einer günstigeren Entscheidung geführt hätte.
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D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO (zur Nichtberücksichtigung außergerichtlicher Kosten des Beigeladenen im Zulassungsverfahren vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2017 - 8 ZB 15.2664 - juris Rn. 24). Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 11.2, 2.2.2. des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Sie folgt der Festsetzung des Erstgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurde.
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Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).