Inhalt

VGH München, Urteil v. 24.03.2022 – 13 A 19.1288, 13 A 19.2045, 13 A 19.2088, 13 A 19.2089
Titel:

Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Wiederaufnahmeklage

Normenketten:
VwGO § 153 Abs. 1
ZPO §§ 578 ff.
Leitsätze:
1. Eine Wiederaufnahmeklage hinsichtlich eines nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellten Verfahrens ist unzulässig. (Rn. 19)
2. Eine Wiederaufnahmeklage kann nur erheben, wer durch das vorangegangene Urteil beschwert ist. Ein Kläger kann durch ein Urteil nicht beschwert sein, wenn seiner Klage vollumfänglich stattgegeben worden war, ihm also durch das Urteil das gewährt worden war, was er beantragt hatte. (Rn. 20)
Schlagworte:
Wiederaufnahmeklage, Restitutionsklage, Beschwer
Fundstellen:
BayVBl 2022, 781
LSK 2022, 9291
BeckRS 2022, 9291

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten der Verfahren zu tragen. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 120 Euro erhoben. Die Verfahren sind gebührenpflichtig.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger ist Teilnehmer des mit Beschluss vom 3. Mai 1982 gemäß § 1, § 4, § 37 FlurbG angeordneten Flurbereinigungsverfahrens S. 3.
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Am 4. März 2002 stellte der Vorstand der beklagten Teilnehmergemeinschaft S. 3 (TG) die Wertermittlungsergebnisse fest. Die Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung erging am 14. Oktober 2003; der Besitzübergang fand am 15. November 2003 statt. Am 23. März 2005 beschloss der Vorstand der Beklagten den Flurbereinigungsplan; der Anhörungstermin fand am 29. April 2005 statt. Am 27. November 2007 erging die vorzeitige Ausführungsanordnung.
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Am 29. Juni 2008 erhob der Kläger beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof - Flurbereinigungsgericht - Untätigkeitsklage unter anderem bezüglich der Wertermittlung. Nach zwischenzeitlichem Ruhen der Verfahren hat der Verwaltungsgerichtshof in den fortgesetzten Wertermittlungsverfahren (13 A 13.1854, 13 A 14.1109, 13 A 14.1110, 13 A 14.1111) durch zweimalige Einnahme eines Augenscheins (am 5.5.2014 und am 20.10.2014) Beweis erhoben und am 22. Oktober 2014 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Hinsichtlich der Bewertung des alten Wegs Einlageflurstück 1273 (13 A 13.1854) erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2014 in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt. Bei den Einlageflurstücken 838 und 839 sowie den Abfindungsflurstücken 2121 und 2308 wurde dem klägerseitigen Antrag entsprechend die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung jeweils durch Urteil vom 22. Oktober 2014 geändert (13 A 14.1109, 13 A 14.1110, 13 A 14.1111). In der Folge beschloss der Vorstand der Beklagten weitere Änderungen des Flurbereinigungsplans. Mit Widerspruchsbescheid des Spruchausschusses beim Amt für Ländliche Entwicklung U. (ALE) vom 1. August 2017 wurde ein Ausgleich festgesetzt und der Widerspruch im Übrigen (Wertermittlung und Flurbereinigungsplan) zurückgewiesen.
4
Am 1. September 2017 erhob der Kläger beim Verwaltungsgerichtshof erneut Klagen unter anderem wegen der Wertermittlung, da er auch nach Erlass des Widerspruchsbescheids weiterhin beschwert sei (13 A 17.1710). Insoweit erhob der Verwaltungsgerichtshof am 15. Oktober 2018 nochmals durch Einnahme eines Augenscheins Beweis und führte am 17. Oktober 2018 eine mündliche Verhandlung durch, in der die Beteiligten unter anderem das die Wertermittlung betreffende Verfahren 13 A 17.1710 in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten. Mit Beschluss vom 17. Oktober 2018 wurden unter anderem dieses Verfahren eingestellt.
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Die auch vorliegend geltend gemachte Fehlerhaftigkeit der Bewertung des alten Weges Einlageflurstück 1273 war bereits Gegenstand mehrerer Verfahren. Im ursprünglich hierzu eingeleiteten Verfahren 13 A 13.1854 hatten der Kläger und die Beklagte - wie dargelegt - den Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2014 in der Hauptsache für erledigt erklärt. Sodann erhob der Kläger am 28. Februar 2017 „Restitutionsklage betreffend des Abfindungsflurstückes Nr. 1273 hinsichtlich des alten Weges, Einlageflurstück 1273“ (13 A 17.439) und begehrte insoweit die Wiederaufnahme des Verfahrens 13 A 13.1854. Mit Urteil vom 7. Dezember 2017 wurde festgestellt, dass das Verwaltungsstreitverfahren 13 A 13.1854 in der Hauptsache erledigt ist. Am 14. Mai 2018 hat der Kläger erneut „Klage gegen den noch nicht entschiedenen Teil des Wiederaufnahmeverfahrens (13 A 17.439) des alten Weges 1273“ erhoben (13 A 18.1058). Auch bezüglich dieses Verfahrens (13 A 18.1058) erklärten die Parteien das Verfahren in der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2018 übereinstimmend für erledigt; mit Beschluss vom selben Tag wurde es eingestellt.
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Mit den weiteren Klagen 13 A 18.2320 und 13 A 18.2322 widerrief der Kläger seine Erledigungserklärungen betreffend die Verfahren 13 A 17.1710 (Wertermittlung) und 13 A 18.1058 (Bewertung des alten Weges 1273), die er in der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2018 in der Hauptsache für erledigt erklärt hatte. Mit Schreiben vom 14. November 2018 erweiterte der Kläger sein Begehren auf Fortführung der bereits eingestellten Verfahren um eine „Restitutionsklage“ betreffend die genannten Verfahren sowie das Verfahren 13 A 13.1854. Unter anderem diese Restitutionsklagen wies der Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 6. Dezember 2018 (13 A 18.2320 und 13 A 18.2322) ab.
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Am 28. Juni 2019 hat der Kläger eine „neue Restitutionsklage bez. des alten Weges am Leitlein Nr. 1273“ erhoben (13 A 19.1288), zu der er sich unter anderem mit Schreiben vom 29. Juli 2019, 12. Dezember 2019, 27. November 2021, 28. November 2021, 19. Februar 2022, 20. Februar 2022, 4. März 2022, 14. März 2022, 15. März 2022, 18. März 2022, 19. März 2022 und 22. März 2022 ergänzend geäußert hat.
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Am 12. Oktober 2019 hat der Kläger ferner eine „Restitutionsklage (…) bezüglich des Abfindungsflurstücks Hinteres Steinach Flurst. Nr. 2308“ erhoben, die sich „auch auf das Einlage Flurstück 730“ erstrecke (13 A 19.2045). Zu dieser Klage hat er sich unter anderem mit Schreiben vom 30. November 2019, 12. Dezember 2019, 28. April 2021, 27. November 2021, 19. Februar 2022, 4. März 2022, 14. März 2022, 15. März 2022, 16. März 2022, 18. März 2022, 19. März 2022, 21. März 2022 und 22. März 2022 ergänzend geäußert.
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Am 21. Oktober 2019 hat der Kläger eine „weitere Restitutionsklage gemäß §§ 580 ff. ZPO gegen die Entscheidung des BayVGH vom 22.10.2014“ erhoben“, die sich laut Begründung auf das „Einlagegrundstück (…) Flurstück Nr. 554“, das „Einlage Flurstück (…) Nr. 1046“ und die „Abfindung Nr. 2239“ beziehen soll (13 A 19.2089). Ergänzende Ausführungen zu dieser Klage sind unter anderem mit Schreiben vom 30. November 2019, 12. Dezember 2019, 28. April 2021, 27. April 2021, 19. Februar 2022, 4. März 2022, 15. März 2022, 16. März 2022, 18. März 2022, 19. März 2022 und 22. März 2022 erfolgt.
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Ebenfalls am 21. Oktober 2019 hat der Kläger außerdem eine „Restitutionsklage gem. §§ 580 ZPO gegen die Entscheidung des BayVGH vom 22.10.2014 vollumfänglich (…) gegen alle meine Einlage und Abfindungsflurstücke“ erhoben (13 A 19.2088). Hierzu hat er sich insbesondere mit Schreiben vom 30. November 2019, 12. Dezember 2019, 28. April 2021, 27. November 2021, 19. Februar 2022, 4. März 2022, 15. März 2022, 18. März 2022, 19. März 2022, 21. März 2022 und 22. März 2022 ergänzend geäußert.
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Die Beklagte hat jeweils beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klagen seien unzulässig bzw. rechtsmissbräuchlich.
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Am 24. März 2022 hat die mündliche Verhandlung stattgefunden. Schriftsätzlich vom Kläger gestellte Ablehnungsgesuche sind abgelehnt worden, weil das Vorbringen des Klägers ersichtlich ungeeignet war, die Besorgnis der Befangenheit zu rechtfertigen. Die Verfahren 13 A 19.1288, 13 A 19.2045, 13 A 19.2088 und 13 A 19.2089 sind zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klagen konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung am 24. März 2022 entschieden werden, obwohl der Kläger nicht erschienen ist. In den Ladungen zur mündlichen Verhandlungen wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens eines Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Der Kläger wurde frist- und formgerecht mit Zustellungsurkunden am 18. bzw. 19. Februar 2022 geladen. Ladungsmängel liegen nicht vor. Gründe, weshalb die mündliche Verhandlung am 24. März 2022 hätte abgesetzt bzw. verlegt werden müssen, sind nicht gegeben.
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In der Sache bleiben die klägerseitig erhobenen Restitutionsklagen (§ 153 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 578 ff. ZPO) ohne Erfolg.
18
Auf die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen flurbereinigungsgerichtlichen Verfahrens sind nach § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 153 Abs. 1 VwGO die Vorschriften der §§ 578 ff. ZPO anzuwenden (BVerwG, B.v. 29.8.1986 - 5 B 49.84 - NVwZ 1987, 218).
19
Eine Wiederaufnahmeklage ist zulässig im Fall von rechtskräftigen Urteilen und urteilsvertretenden Entscheidungen, ferner bei rechtskräftigen bzw. unanfechtbaren Beschlüssen, die auf einer Sachprüfung beruhen und ein Verfahren abschließen. Nicht möglich ist hingegen eine Wiederaufnahme bei Beschlüssen, die nach einer Klagerücknahme das Verfahren deklaratorisch einstellen. Ebenso wenig kommt eine Wiederaufnahme bei einer Einstellung nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen in Betracht (BayVGH, U.v. 6.12.2018 - 13 A 18.2319, 13 A 18.2320, 13 A 18.2321, 13 A 18.2322 - juris Rn. 21 f. m.w.N.; Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 153 Rn. 5 f. m.w.N.; Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 153 Rn. 6 f. m.w.N.). Daran gemessen sind die Restitutionsklagen unzulässig, soweit sie sich auf die nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellten Verfahren wegen der Bewertung des alten Wegs Einlageflurstück 1273 (13 A 13.1854 und 13 A 18.1058) sowie die Wertermittlung im Allgemeinen (13 A 17.1710) beziehen (siehe hierzu bereits BayVGH, U.v. 6.12.2018, a.a.O., juris Rn. 22 m.w.N.).
20
Soweit sich der Kläger mit seinen Restitutionsklagen gegen die jeweils durch Urteil vom 22. Oktober 2014 entschiedenen Wertermittlungsklagen (13 A 14.1109, 13 A 14.1110, 13 A 14.1111) wendet, fehlt ihm schon die auch für Restitutionsklagen erforderliche Beschwer (vgl. BGH, U.v. 20.3.1963 - IV ZR 147/62 - juris Rn. 12 f.; Rennert in Eyermann, a.a.O., § 153 Rn. 14). Ein Kläger kann durch ein Urteil nicht beschwert sein, wenn seiner Klage vollumfänglich entsprochen worden war, ihm also durch das Urteil das gewährt worden war, was er beantragt hatte (BGH, U.v. 20.3.1963, a.a.O.). Vorliegend wurde in den Urteilen des Senats vom 22. Oktober 2014 (13 A 14.1109 - 13 A 14.1110 - 13 A 14.1111 - jew. juris) den klägerseitigen Anträgen jeweils vollständig entsprochen und den Klagen jeweils vollumfänglich stattgegeben. Hinsichtlich dieser Urteile sind deshalb mangels Beschwer von vornherein keine Restitutionsklagen des Klägers zulässig.
21
Unbeschadet dessen sind die Klagen auch insoweit unzulässig, als ihnen die Rechtskraft der Urteile des Senats über frühere Restitutionsklagen des Klägers über denselben Streitgegenstand entgegensteht, § 121 VwGO (vgl. dazu schon BayVGH, U.v. 6.12.2018 - 13 A 18.2319, 13 A 18.2320, 13 A 18.2321, 13 A 18.2322 - juris Rn. 23 m.w.N.). Über Restitutionsklagen des Klägers hat der Senat bereits mehrfach rechtskräftig entschieden. Dies betrifft insbesondere Restitutionsklagen hinsichtlich der „Bewertung des alten Wegs Einlageflurstück 1273“ (BayVGH, U.v. 7.12.2017 - 13 A 17.439 - juris; BayVGH, U.v. 6.12.2019 - 13 A 18.2322 - juris) sowie hinsichtlich der Wertermittlung im Allgemeinen (BayVGH, U.v. 6.12.2019 - 13 A 18.2320 - juris). Diese Entscheidungen des Senats sind in Rechtskraft erwachsen, so dass neuerliche Klagen über denselben Streitgegenstand nicht zulässig sind; eine Wiederaufnahme aus demselben Grund kann nicht erneut begehrt werden (vgl. Rennert in Eyermann, a.a.O., § 153 Rn. 20).
22
Nach alldem waren die Restitutionsklagen bereits aus den genannten Gründen abzuweisen und kommt es auf das weitere (wiederholende) Vorbringen des Klägers, unter anderem auch seine schriftsätzlichen Beweisanträge, nicht entscheidungserheblich an. Dahingestellt bleiben kann ferner, ob dem Kläger nicht das Rechtsschutzbedürfnis schon deshalb fehlt, weil seine Schreiben teilweise einen beleidigenden Inhalt haben, er sein Klagerecht missbräuchlich ausübt und es ihm gar nicht auf die Durchsetzung seiner Rechte ankommt, sondern auf dahinterliegende rechtsschutzfremde Ziele (siehe Rennert in Eyermann, a.a.O., vor § 40 Rn. 11, 21).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 147 Abs. 1 FlurbG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
24
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
25
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.