Titel:
Rückwirkende Erteilung einer Bewilligung
Schlagworte:
Rückwirkende Erteilung einer Bewilligung, zollfreie Einfuhr, Antidumpingzoll, Einspruchsverfahren, Kommission
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – VII R 1/22
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 8137
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Streitig ist, ob es der Beklagte (das Hauptzollamt - HZA -) zu Recht abgelehnt hat, die der Klägerin erteilte Bewilligung rückwirkend zu erweitern.
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Die Klägerin führt seit mehr als 20 Jahren Fahrradteile aus China ein. Seit dieser Zeit streitet sie mit der Zollverwaltung darüber, unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist, Fahrradteile ohne die Erhebung von Antidumpingzöllen einzuführen.
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Im Jahr 1997 vertrat das damals zuständige HZA Bamberg die Auffassung, dass die Klägerin als Erlaubnisscheininhaberin Fahrradteile in Mengen unter 300 Stück im Monat an andere ausliefern könne, ohne dass hierfür ein Antidumpingzoll entstehe. Dabei bestätigte das HZA, dass je Abnehmer (also pro Kunde der Klägerin) monatlich bis zu 300 Stück geliefert werden dürften.
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Trotz dieser Auskunft forderte das HZA Bamberg nach einer Außenprüfung mit Steueränderungsbescheid vom 17. Mai 2001 für Einfuhrvorgänge des Jahres 1998 Antidumpingzoll nach. Das nach erfolglosem Einspruchsverfahren von der Klägerin betriebene Klageverfahren war im 2. Rechtsgang (14 K 188/10) erfolgreich. Mit Urteil vom 14. Oktober 2010 entschied der Senat, dass die Voraussetzungen für eine Nacherhebung nach Art. 220 Abs. 2 Zollkodex (ZK) nicht vorgelegen hätten. Es könne dahinstehen, ob für die streitgegenständlichen Fahrradteile eine Antidumpingzollschuld entstanden sei, weil monatlich mehr als 299 Stück pro Fahrradteil eingeführt worden seien oder weil die T-GmbH bzw. der M-Verbund die Fahrradteile an Handelsbetriebe und nicht an Montagebetriebe geliefert habe. Denn jedenfalls sei am 5. August 1997 eine falsche Auskunft erteilt worden, was einen Irrtum des HZA darstelle, den die Klägerin nicht habe erkennen können.
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Auch nach einem finanzgerichtlichen Verfahren, das mit dem Urteil vom 14. Oktober 2010 endete, beließ das HZA die Bewilligungen im maßgebenden Teil unverändert. Das HZA ging weder im Schriftverkehr mit der Klägerin (vgl. hierzu insbesondere den Schriftsatz des HZA vom 1. Dezember 2010, Bl. 76 FG-Akte im zwischen den Beteiligten geführten Verfahren 14 K 2001/14) noch bei den neu erteilten Bewilligungen auf das Gerichtsurteil ein und erließ am 16. Dezember 2010, am 9. August 2012, am 7. September 2012, am 21. März 2013 und am 4. Juli 2013 aktualisierte Bewilligungen, die u.a. auf den Art. 14 Buchst. c) der VO (EG) Nr. 88/97 der Kommission vom 20. Januar 1997 betreffend die Genehmigung der Befreiung der Einfuhren bestimmter Fahrradteile mit Ursprung in der Volksrepublik China von dem mit der Verordnung (EWG) Nr. 2474/93 eingeführten und mit der Verordnung (EG) Nr. 71/97 des Rates ausgeweiteten Antidumpingzoll (nachfolgend: VO Nr. 88/97) Bezug nahmen, so dass der Klägerin im Ergebnis bewilligt wurde, 299 Stück wesentlicher Fahrradteile im Monat je Kunde einführen zu dürfen.
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Erst im Jahr 2014 teilte das HZA der Klägerin seine geänderte Rechtsauffassung mit und änderte die Bewilligung zum Nachteil der Klägerin. Auch in den Folgejahren erstreckte das HZA die erteilten Bewilligungen nicht mehr auf Art. 14 Buchst. c) der VO Nr. 88/97. Mit ihren Anträgen vom August bzw. Oktober 2018 begehrte die Klägerin die rückwirkende Erweiterung der Bewilligung (Endverwendung; Bewilligungsnummer DE/8850/FV/0026), die das HZA mit Bescheid vom 26. Oktober 2018 ablehnte. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (vgl. Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2019).
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Mit Ihrer dagegen erhobenen Klage macht die Klägerin Folgendes geltend:
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Der Art. 14 VO Nr. 88/97 sei eine Folge der Verordnung (EG) Nr. 71/97 des Rates vom 10. Januar 1997 zur Ausweitung des mit der Verordnung (EWG) Nr. 2474/93 auf Fahrräder mit Ursprung in der Volksrepublik China eingeführten endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Fahrradteile aus der Volksrepublik China (VO Nr. 71/97). Der 38. Erwägungsgrund zur VO Nr. 71/97 stelle drei Kategorien für eine erforderliche Befreiung dar, nämlich erstens für den Montagebetrieb, der keine Umgehung begehe, zweitens für den Kleinunternehmer mit geringen Mengen und drittens für zwischengeschaltete Unternehmen, die von Einführern an Montagebetriebe verkaufen.
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Diese drei Kategorien ließen sich auch in Art. 14 der VO Nr. 88/97 wiederfinden.
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Der Art. 14 Buchst. a) der VO Nr. 88/97 bezöge sich zumeist auf Gemeinschaftshersteller, die im Anhang II der genannten Verordnung namentlich aufgeführt worden seien. Der Buchst. a) lasse sich also der ersten Kategorie des 38. Erwägungsgrundes zuordnen.
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Der Art. 14 Buchst. b) der VO Nr. 88/97 lasse eine Befreiung von Antidumpingzoll für den Handel mit einem weiteren Inhaber einer Bewilligung zur Endverwendung zu, wobei dieser Händler oder Kleinunternehmer sein könne. Der Buchst. b) treffe die dritte Kategorie des 38. Erwägungsgrundes und ziele auf den befreiten Handel zwischen Bewilligungsinhabern ab, unabhängig davon, ob sie Einführer seien oder nicht.
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Der Art. 14 Buchst. c) der VO Nr. 88/97 erfasse die Kleinunternehmer mit geringen Mengen und lasse sich eindeutig der zweiten Kategorie des 38. Erwägungsgrundes zuordnen. Dabei sei unbeachtlich, dass dieser Erwägungsgrund noch im Auge hatte, den kleinen Fahrradhändler mit Ersatzteilen zu versorgen, während der 8. Erwägungsgrund der VO Nr. 88/97 ausführe, es seien andere Parteien erfasst, die keine Montagevorgänge durchführen, denn der Wortlaut des Buchst. c) schließe die kleinen Werkstätten durchaus ein.
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Es ergebe sich also für jeden Buchstaben eine unterschiedliche Zielrichtung. Während die von der Kommission vom Antidumpingzoll befreiten Montagebetriebe in gleicher Weise beliefert werden könnten, solle zudem der Handel zwischen Inhabern von Bewilligungen zur besonderen Verwendung (Endverwendung) und die Belieferung von Kleinunternehmen, auch wenn sie kein Montagebetrieb seien, ebenso antidumpingzollfrei möglich sein.
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Anders als das HZA ursprünglich gemeint habe, gebe es keinen Grund, die Bewilligung nicht auf Art. 14 Buchst. c) der VO Nr. 88/97 zu erstrecken, weil bereits andere Buchstaben Gegenstand der Bewilligung seien. Eine kumulative Einbeziehung aller Fallgestaltungen in eine Bewilligung entspreche auch dem System der Befreiungstatbestände. Es gebe drei Kategorien, nämlich erstens Montagebetriebe, zweitens Kleinunternehmer und drittens Händler, an die der Einführer auch antidumpingzollfrei liefern können solle. Diese Kategorien habe der Beklagte in seinem Ablehnungsbescheid zu Unrecht auf zwei reduziert.
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Bezüglich der „de minimis“-Menge in Art. 14 Buchst. c) der VO Nr. 88/97 sei die Grenze von weniger als 300 Stück eines bestimmten Fahrradteils auch für den Fall geschaffen worden, dass normale Fahrradgeschäfte gar nicht verzollen wollen und deshalb einen Importeur benötigten, der sie beliefert. Deshalb stehe die Regelung (auch) im Zusammenhang mit einer Belieferung an die Kleinunternehmer („oder an sie geliefert werden“). Danach könne ein Einführer an verschiedene Kleinunternehmer bzw. normale Fahrradgeschäfte liefern, und zwar jeweils bis zu 299 Stück wesentlicher Fahrradteile. Daher sei die ursprüngliche Auslegung des HZA richtig gewesen, wonach pro Fahrradgeschäft 299 Stück antidumpingzollfrei geliefert werden könnten. Es gebe keinen Grund, dass sich jedes Fahrradgeschäft, welches Anspruch auf bis zu 299 Stück habe, einen eigenen Importeur suchen müsse, falls der Importeur seinerseits nur beschränkt sein sollte auf 299 Stück. Das liefe nämlich im Ergebnis darauf hinaus, dass jeder Fahrradladen eine Bewilligung bräuchte, obschon das System gerade vorsehe, dass die Kleinunternehmer gerade nicht selbst importieren müssten. Es gebe also einerseits die Belieferung an große Montagebetriebe mit dem Herstellerprivileg und andererseits eine Belieferung an eine nicht begrenzte Anzahl von Kleinunternehmern.
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Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 26. Oktober 2018 und der Einspruchsentscheidung vom 23. Juli 2019 die ihr erteilte Bewilligung auf Fälle des Art. 14 Buchst. c) der VO Nr. 88/97 rückwirkend zum 01. Januar 2018 zu erweitern und dabei insbesondere zu bewilligen, dass sie 299 Stück wesentlicher Fahrradteile im Monat je Kunde zollfrei einführen darf.
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Es bestreitet im Schriftsatz vom 19. September 2019 nicht generell, dass eine Kombination der Bewilligungen nach Art. 14 Buchst. a), b), und c) sowie d) der VO Nr. 88/97 möglich sei. Sofern die Klägerin selbst monatlich weniger als 300 Stück eines wesentlichen Fahrradteils zum freien Verkehr abfertigen würde, könnte die Bewilligung erteilt werden. Die Ablehnung der Bewilligung beruhe darauf, dass von der Klägerin nicht beabsichtigt sei, die Begrenzung auf weniger als 300 Stück je Monat eines wesentlichen Fahrradteils einzuhalten, da sie der Meinung sei, die Begrenzung gelte für die Lieferung an jeden ihrer Kunden, nicht aber für sie selbst als Zollanmelder und Inhaber der Bewilligung.
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Mit dieser Auslegung könnte ein Kunde auch noch von weiteren Bewilligungsinhabern Fahrradteile beziehen und damit mehr als 299 Stück je Monat eines wesentlichen Fahrradteils beziehen. Auch der 8. Erwägungsgrund der VO Nr. 88/97 spreche nur davon, dass der Bewilligungsinhaber der „besonderen Verwendung“ (Endverwendung) in geringen Mengen liefern dürfe. Eine Erweiterung, dass die Vorschrift als „je Kunde“ auslegungsfähig wäre, sei nicht ersichtlich.
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Insbesondere beziehe sich das Pronomen „sie“ in Art. 14 Buchst. c) der VO Nr. 88/97 (..oder an sie geliefert werden…“) auf die vorgenannte Partei, d.h. den Inhaber der Bewilligung. Die Kunden der Partei seien in dem Verordnungstext nicht genannt, weshalb sich das Pronomen „sie“ nicht auf diese beziehen könnte.
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Eine Wettbewerbsverzerrung sei nicht ersichtlich, wenn jeder Einführer nur insgesamt 299 Stück je wesentlichem Fahrradteil an einen einzelnen Kleinunternehmer bzw. in Summe an alle seine Fahrradläden liefern dürfte. Die einschlägige Verordnung sehe die Möglichkeit vor, monatlich insgesamt 299 Stück je wesentlichem Fahrradteil im Rahmen einer entsprechenden Bewilligung nach Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 zu erhalten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 27. Juli und 26. November 2019, des HZA vom 19. September 2019 sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 27. Januar 2022 und die vorgelegten Akten hingewiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet.
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Das HZA hat es in seinem Ablehnungsbescheid vom 26. Oktober 2018 zu Recht abgelehnt, die von der Klägerin beantragte Erweiterung der Bewilligung auf Fälle des Art. 14 Buchst. c) der VO Nr. 88/97 zu erstrecken. Dabei ist auch die von der Klägerin begehrte Erweiterung der Bewilligung, monatlich 299 Stück eines bestimmten wesentlichen Fahrradteils pro Kunde zollfrei einführen zu können, vom HZA zu Recht abgelehnt worden.
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1. Durch die Verordnung (EWG) Nr. 2474/93 des Rates (ABl. Nr. L 228 vom 9. September 1993, S. 1) ist auf die Einfuhren von Fahrrädern mit Ursprung in der VR China ein Antidumpingzoll eingeführt worden (GrundVO). Mit der Verordnung (EG) Nr. 71/97 vom 10. Januar 1997 (ABl. Nr. L 16 vom 18. Januar 1997, S. 55) hat der Rat den Antidumpingzoll auf die Einfuhren bestimmter Fahrradteile aus diesem Land ausgeweitet (AusweitungsVO). Entsprechend der in Art. 3 der AusweitungsVO enthaltenen Ermächtigung, hat die Kommission hierzu die VO Nr. 88/97 erlassen, die Regelungen enthält, unter welchen Umständen bestimmte Einfuhren wesentlicher Fahrradteile durch Zwischenhändler vom ausgeweiteten Antidumpingzoll befreit werden können.
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Danach werden die direkten Einfuhren wesentlicher Fahrradteile vom Antidumpingzoll befreit, sofern sie von einem Montagebetrieb, den die Kommission vom Zoll befreit bzw. bei ihm eine Untersuchung durchgeführt hat, zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet werden. Außerdem wurden die Einfuhren wesentlicher Fahrradteile vom Antidumpingzoll befreit, sofern sie im Rahmen der Kontrolle der besonderen Verwendung zur Zollbefreiung zugelassen wurden und die Fahrradteile letztendlich an einen vom Zoll befreiten Montagebetrieb geliefert werden oder sofern nur geringfügige Mengen zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet beziehungsweise an eine Partei geliefert werden.
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Art. 2 der VO Nr. 88/97 bestimmt daher, dass die Einfuhren wesentlicher Fahrradteile vom ausgeweiteten Zoll befreit werden, sofern sie von einer befreiten bzw. untersuchten Partei oder in deren Namen oder gem. Art. 14 dieser VO zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet werden.
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Nach Art. 14 der VO Nr. 88/97 werden Einfuhren wesentlicher Fahrradteile, die von einer anderen Person als einer befreiten Partei zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet werden, vom ausgeweiteten Zoll befreit, sofern sie im Einklang mit der Taric-Struktur in Anhang III und vorbehaltlich der sinngemäß geltenden Bedingungen gem. Art. 82 ZK und den Art. 291 bis 304 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (ZKDVO) angemeldet werden und sofern (Buchstabe a) die wesentlichen Fahrradteile an eine gem. Art. 7 oder 12 befreite Partei geliefert werden oder (Buchstabe b) die wesentlichen Fahrradteile an einen anderen Inhaber einer Bewilligung im Sinne des Art. 291 ZKDVO geliefert werden oder (Buchstabe c) monatlich weniger als 300 Stück eines bestimmten wesentlichen Fahrradteils von einer Partei zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet oder an sie geliefert werden.
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Hauptgrund für die Befreiung in Art. 14 Buchst. c) der VO Nr. 88/97 war der Umstand, dass die bewilligungsfähige Anzahl von 300 Stück pro Monat eines bestimmten wesentlichen Fahrradteils wirtschaftlich kaum von Bedeutung sei und die Auswirkungen des mit der GrundVO eingeführten Zolls nicht untergraben werde (vgl. Erwägungsgrund 4 der VO Nr. 88/97).
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Grundsätzlich kann bei Einfuhren wesentlicher Fahrradteile eine Zollbefreiung und damit auch die Gewährung einer Bewilligung auf jede der drei in Art. 14 Buchst. a) bis c) der VO Nr. 88/97 genannten Tatbestände gestützt werden, ohne dass sich die Befreiungen gegenseitig ausschließen würden. Insbesondere ist weder aus der GrundVO noch aus anderen Erwägungen ersichtlich, worauf sich die Meinung des HZA im Ablehnungsbescheid gestützt hat, dass die nach Art. 14 Abs. 1 VO Nr. 88/97 notwendige Bewilligung zur besonderen Verwendung nach Art. 82 ZK in Verbindung mit den Art. 291 bis 304 ZKDVO, wenn sie bereits die nach Art. 14 Buchst. a) und b) erfolgt ist, eine Befreiung nach Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 ausschließen soll.
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Vielmehr kann sich eine Bewilligung grundsätzlich auf alle drei Buchstaben des Art. 14 VO Nr. 88/97 erstrecken, weil sich die Tatbestände nicht ausschließen, sondern ergänzen. Jeder Partei, die die Voraussetzungen des Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 erfüllt, kann somit eine Bewilligung nach Art. 14 Buchst. a) oder b) VO Nr. 88/97 erteilt werden. Davon unabhängig und für die Frage, ob eine Bewilligung überhaupt zu erteilen ist, bleibt der Umstand, wie die Berechnung der erlaubten Bezugsmenge bei der Bewilligung von unterschiedlichen Tatbeständen des Art. 14 VO Nr. 88/97 erfolgt.
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Die Bewilligung nach Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 ist allerdings nur für solche Kleinunternehmer vorgesehen, die unter der Bezugsmenge von 300 Stück je wesentlichem Fahrradteil pro Monat bleiben und damit gerade nicht für größere Unternehmen - wie die Klägerin - gedacht, die diese Grenze in jedem Monat erwartungsgemäß deutlich überschreiten. Wie das HZA in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, sieht auch die Verwaltung die „de-minimis“ Regelung nicht als Freibetrag an, der jedem Unternehmen, unabhängig von seiner Größe zusteht. Der Senat teilt die Auffassung des HZA, dass diese Regelung ausschließlich den Sinn hatte, kleinere Unternehmen mit geringen Bezugsgrößen von der Erhebung des Antidumpingzolls zu verschonen.
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2. Darüber hinaus hat es das HZA auch zu Recht abgelehnt, die bewilligungsfähige Menge der Klägerin auf 299 Stück pro Kunde entsprechend Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 zu gewähren.
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Die sog. „de minimis“-Menge stellt jeweils eine Begrenzung für eine Partei auf weniger als 300 Stück pro Monat dar, und zwar unabhängig davon, ob die Partei sie selbst einführt oder sie geliefert bekommt. Nach Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 können im Rahmen der besonderen Verwendung monatlich höchstens 299 Stück je wesentlichem Fahrradteil ohne Erhebung des Antidumpingzolls eingeführt werden. Die Begrenzung stellt dabei auf die gesamte Menge des Bewilligungsinhabers ab, wie sich aus der Wortwahl in Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 ergibt, da hier formuliert ist „von einer Partei angemeldet oder an sie geliefert worden ist“. Das macht deutlich, dass auf den Bezug durch den Bewilligungsinhaber selbst abgestellt wird und nicht auf die Weiterlieferung an seine Kunden.
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Eine Bewilligung, die monatlich 299 Stück eines wesentlichen Fahrradteils zollfreie Einfuhr an jeden Kunden der Klägerin erlauben würde, stünde damit nicht nur gegen die Absicht der AusweitungsVO, die Verwendung wesentlicher Fahrradteile in geringen Mengen durch Kleinunternehmen durch eine Befreiung zu ermöglichen (38. Erwägungsgrund der AusweitungsVO), sondern ist auch mit dem Wortlaut des Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 nicht vereinbar.
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Diese Überlegungen zur Auslegung des Art. 14 Buchst. c) VO Nr. 88/97 kommen auch in der Entscheidung des EuGH (Urteil vom 29. Juli 2010 C-371/09, Slg. 2010, I-7772) zum Ausdruck. Hier führt er aus (Rn. 36), dass in der genannten Bestimmung eine mengenmäßige monatliche Grenze vorgesehen sei und klargestellt werde, dass die Stückzahl unter Berücksichtigung sämtlicher Parteien berechnet werde, die mit dem Einführer oder dem Anmelder geschäftlich verbunden sind oder Ausgleichsvereinbarungen getroffen haben. So müsse die Kontrolle der besonderen Verwendung gemäß Art. 82 Abs. 1 ZK während des gesamten Bezugszeitraums, d. h. während eines Monats, fortdauern, um zu überprüfen, ob die mengenmäßige Grenze von monatlich 300 Stück eingehalten werde. Auch diese Ausführungen deuten darauf hin, dass die „de minimis“-Regelung auf den Bewilligungsinhaber und nicht nur (wie die Klägerin meint) die einzelnen Lieferungen zu den Kunden mengenmäßig begrenzen soll.
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Dass dieses Ergebnis dem Ziel der Begrenzung von zollfreien Einfuhren von Fahrradteilen entspricht, ist offensichtlich, denn ansonsten wären die Lieferbeziehungen des Zwischenhändlers und die Anzahl seiner Kunden für die zollfreie Bezugsmenge maßgebend, was zu unübersehbaren Mengen von zollfrei eingeführten Fahrradteilen führen würde und eine monatlich zahlenmäßige Begrenzung, wie sie die Antidumpingregelungen für Fahrradteile vorsehen wollten, wäre damit praktisch ausgeschlossen.
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3. Der erkennende Senat hält die von ihm vorgenommene Auslegung des einschlägigen Unionsrechts für eindeutig. Ein Anlass zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH besteht demnach nicht (vgl. EuGH-Urteil CILFIT vom 06.10.1982 - C-283/81, ECLI:EU:C:1982:335, Slg. 1982, 3415).