Titel:
Behandlungsbedürftige psychische Erkrankung kein auf einen Dienstunfall zurückzuführender Körperschaden – keine einheitliche Betrachtungsweise von mehreren Einzelereignissen
Normenketten:
BayBeamtVG Art. 45, Art. 46, Art. 47
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1
GG Art. 33 Abs. 5
BayVwVfG Art. 28, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Art. 46
Leitsätze:
1. Auch aus dem Rechtsgedanken der einheitlichen Betrachtungsweise, wonach eine rechtzeitige Widerspruchs-/Klageerhebung hinsichtlich eines bzw. des zeitlich zuletzt liegenden Ereignisses die Überprüfung aller möglichen Dienstunfallereignisse erlauben könnte, kann eine fristgerechte Klageeinreichung nicht hergeleitet werden, wenn der Annahme eines einheitlichen Dienstunfallereignisses das materiell-rechtlich erforderliche plötzliche, nach Zeit und Ort bestimmbare Ereignis entgegensteht. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Normgeber hat unter Abwägung aller Belange, insbesondere der wohlverstandenen Interessen der Beamten, eine abstrakt-generelle Regelung zu Meldepflichten bei Dienstunfällen getroffen; diese darf nicht unter Berufung auf die allgemeine Fürsorgepflicht gegenüber Beamten wieder überspielt und eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Rechtsfolge gefordert werden. (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)
3. Grundsätzlich kann auch eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung einen Körperschaden iSd Art. 46 Abs. 1 BeamtVG darstellen; in der Regel beruhen solche Erkrankungen jedoch nicht auf einem plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren Ereignis iSd Art. 46 BayBeamtVG, wobei das Merkmal "plötzlich" der Abgrenzung eines Einzelgeschehens von einer dauernden Einwirkung dient, da schädliche Dauereinwirkungen grundsätzlich kein plötzliches Ereignis sind. (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Nichtgewährung von Dienstunfallfürsorgeleistungen verletzt bei Unfällen oder Krankheiten im dienstlichen Kontext nicht per se die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, da sie nicht gebietet, über die Alimentation (Besoldung oder Versorgung) und Beihilfegewährung hinaus zwingend weitere Leistungen zu gewähren, wenn ein Beamter infolge dienstlicher Umstände erkrankt. (Rn. 89) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dienstunfall, mehrere Unfallereignisse, Abgrenzung Einzelereignis zum schädlichen Dauerereignis, Meldefristen, PTBS und rezidivierende depressive Störung, Vorrang des Gutachtens eines Amtsarztes, Beweisantrag auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, einheitliche Betrachtungsweise, Fürsorgegesichtspunkt
Fundstelle:
BeckRS 2022, 6980
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der am … 1969 geborene Kläger ist als Berufsfeuerwehrmann Beamter der Beklagten. Wegen dauernder Dienstunfähigkeit wurde er … in den Ruhestand versetzt. Der Kläger begehrt Dienstunfallfürsorge aufgrund von vier nach seiner Auffassung als Dienstunfälle bzw. Dienstbeschädigung zu wertenden Ereignissen.
2
Der Kläger ließ mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 23. November 2018 vier Einsätze als Dienstunfälle bzw. Dienstbeschädigungen anmelden. Die formularmäßigen Dienstunfallmeldungen, unterzeichnet vom Kläger jeweils am 9. Dezember 2018, wurden mit Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 8. Januar 2019 an die Beklagte übermittelt.
- Einsatz am 17. September 2016: Es sei eine bewusstlose Person in einer Wohnung gemeldet geworden. In Anwesenheit des Klägers und seines Kollegen habe der Notarzt nur noch den Tod feststellen können und die Vermutung geäußert, dass die Person ermordet worden sei. Der später überführte Täter habe sich während der Anwesenheit des Klägers noch in der Wohnung befunden.
- Einsatz am 2. Oktober 2016: Eine Person sei auf einen 100 m hohen Funkgittermasten geklettert, um sich dort das Leben zu nehmen. Bei dem Höhenrettungseinsatz unter Beteiligung eines Hubschraubers sei der Kläger selbst in Lebensgefahr geraten.
- Einsatz am 24. Mai 2017: Bei einem Löscheinsatz anlässlich eines Wohnungsbrandes sei eine gefesselte junge Frau tot auf dem Bett direkt neben dem Brandherd gefunden worden.
- Einsatz am 8. November 2017: Es sei Amtshilfe für die Polizei bei der Bergung einer bereits stark verwesten Leiche in einer mit Wasser gefüllten Badewanne erfolgt.
3
Als verletzte Körperteile wurden jeweils „Kopf“ und „Nervensystem“ angegeben, als Art der Verletzung „psychisches Trauma“.
4
Auf das Schreiben der Beklagten vom 18. Januar 2019, dass die Ereignisse am 17. September 2016 und 2. Oktober 2016 nicht innerhalb der Zweijahresfrist des Art. 47 Abs. 1 BayBeamtVG gemeldet worden seien und deshalb beabsichtigt sei, die Anträge insoweit abzulehnen, erklärte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 14. Februar 2019, dass der Kläger aufgrund der erheblichen Beeinträchtigung seiner gesundheitlichen Situation hierzu nicht in der Lage gewesen sei.
5
Mit Bescheiden vom 5. Juni 2019 und 6. Juni 2019 wurde die Anerkennung der Vorfälle vom 17. September 2016 und 2. Oktober 2016 als Dienstunfälle im Sinne des Art. 46 BayBeamtVG abgelehnt. Widerspruch wurde hiergegen nicht eingelegt.
6
In einem amtsärztlichen Zeugnis des Gesundheitsamtes der Beklagten vom 22. Juli 2019 wurde unter Berücksichtigung verschiedener ärztlicher Befunde und Befundberichte festgestellt, es sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger innerhalb der nächsten sechs Monate wieder dienstfähig werde. Eine Nachuntersuchung sei nicht vor Ablauf von weiteren zwei Jahren sinnvoll. Ob die Dienstunfähigkeit überwiegend auf einem Dienstunfall beruhe, müsse durch ein externes psychiatrisches Fachgutachten geklärt werden.
7
Eine Stellungnahme des Gesundheitsamtes durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. … vom 15. Januar 2020 zu der Frage, ob nach wie vor ein externes psychiatrisches Gutachten zur Frage, ob die Dienstunfähigkeit überwiegend auf einem Dienstunfall beruhe, für erforderlich angesehen werde, enthält folgende Beurteilung:
Aus den Unterlagen ist zu entnehmen, dass Herr … bereits im Jahr 2009 in psychotherapeutischer Behandlung gewesen war. Im Jahr 2010 sei auch bereits ein stationärer psychosomatischer Aufenthalt erfolgt. In dem ausführlichen Arztbericht über die stationäre Behandlung in der …klinik … wird die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung gestellt und die erste dazugehörige depressive Episode auf das Jahr 2009 datiert.
Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung wird von Herrn … selbst in seinen Unfallmeldungen nicht angegeben und erscheint lediglich als Verdachtsdiagnose im Arztbericht von Herrn … vom 05.06.2019 ohne dass in diesem Bericht nähere Angaben zur Diagnostik dieses Störungsbildes gemacht werden. Als gesichert wurde auch von Herrn … die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung gestellt.
Da nun dokumentiert ist, dass die von Herrn … beklagte depressive Störung bereits seit dem Jahr 2009 vorliegt, kann sie auch nicht ursächlich durch die von Herrn … angezeigten Ereignisse entstanden sein. Es bleibt die Frage, ob sich die depressive Störung, welche bereits sicher vorher bestand, durch die geschilderten Ereignisse soweit verschlechterte, dass dadurch die Dienstunfähigkeit eingetreten ist. Aber auch dies kann aufgrund der ausführlichen psychopathologischen Befundung während des Aufenthalts in der …klinik … ausgeschlossen werden, da zu diesem Zeitpunkt (also bereits nach den Ereignissen) eine lediglich mittelgradige Episode der rezidivierenden depressiven Störung vorgelegen hat. Sicher waren alle vier Ereignisse für Herrn … psychisch belastend, die von ihm beklagte depressive Störung hat ihren Ursprung jedoch überwiegend im persönlichen und privaten Bereich. Auch dies wurde von den Therapeuten der …klinik … ausführlich dokumentiert.
Aufgrund der zur Verfügung stehenden Unterlagen kann daher aus fachärztlicher Sicht ausgeschlossen werden, dass die Dienstunfähigkeit von Herrn … überwiegend auf einem Dienstunfall beruht. Insofern erübrigt sich ein externes psychiatrisches Gutachten.
rezidivierende depressive Störung ICD-10: F33.1
Störung aus dem psychiatrischen Formenkreis mit allgemein verminderter psychischer Leistungsfähigkeit, Anhedonie, depressiven Verstimmungen, Schlafstörungen und Konzentrationsstörungen.
Beantwortung der Fragestellung:
Ein externes psychiatrisches Gutachten zur Frage, ob die Dienstunfähigkeit überwiegend auf einem Dienstunfall beruht, ist aus fachärztlicher Sicht nicht erforderlich.“
8
In einer weiteren Stellungnahme des Gesundheitsamtes durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. … vom 31. März 2020 zu der Frage, ob die angezeigten Ereignisse vom 24. Mai 2017 und 8. November 2017 ursächlich für die Erkrankung seien, wurde auf die Stellungnahme vom 17. Januar 2020 Bezug genommen und festgestellt, dass die angezeigten Ereignisse vom 24. Mai 2017 und 08. November 2017 nicht ursächlich für die Erkrankung sein könnten, da sie bereits zuvor bestand habe und vom Kläger selbst Ereignisse als ursächlich dafür benannt worden seien, die vor den beiden Ereignissen am 24. Mai 2017 und 08. November 2017 gelegen hätten.
9
Mit Bescheid vom 14. Mai 2020 wurde die Anerkennung der Ereignisse vom 24. Mai 2017 und 8. November 2017 als Dienstunfälle im Sinne des Art. 46 BayBeamtVG abgelehnt.
10
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass im Rahmen des beamtenrechtlichen Untersuchungsverfahrens gemäß Art. 47 Abs. 3 BayBeamtVG ein amtsärztliches Gutachten in Auftrag gegeben worden sei. Nach Auswertung des amtsärztlichen Gutachtens vom 17. Januar 2020, der ergänzenden Stellungnahme vom 31. März 2020 sowie den mit Schreiben vom 2. Oktober 2019 vorgelegten Befundberichten sei zusammenfassend festzustellen, dass die Ereignisse vom 24. Mai 2017 und 8. November 2017 nicht die wesentliche Ursache der geltend gemachten psychischen Erkrankung seien. Nach dem amtsärztlichen Gutachten vom 17. Januar 2020 leide der Kläger unter einer rezidivierenden depressiven Störung (ICD-10: F33.1). Weiterhin sei ausgeführt, dass die bestehende Symptomatik nicht bzw. nicht nur durch die Ereignisse vom 24. Mai 2017 und 8. November 2017 begründet seien, sondern durch die seit 2009 bestehende depressive Störung. Die Ereignisse vom 24. Mai 2017 und 8. November 2017 stellten somit nicht die wesentliche Ursache der Behandlungsbedürftigkeit dar. Die Ereignisse träten im Verhältnis zu der schon gegebenen psychischen Störung (= vorhandenes Leiden) derart zurück, dass die seit 2009 bestehende depressive Störung als allein maßgeblich anzusehen sei.
11
Der Bescheid wurde den Bevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 19. Mai 2020 zugestellt.
12
Mit Schreiben vom 9. Juni 2020 legten die Bevollmächtigten des Klägers Widerspruch ein. Mit weiterem Schreiben vom 13. August 2020 beantragten sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens, da die amtsärztlichen Feststellungen an der fehlenden Erkenntnis litten, dass beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung vorliege und nicht nur alleinig eine Depression. Der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung sei bereits in der fachärztlichen Stellungnahme des Herrn … vom 5. Juli 2019 aufgeführt worden. Die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung sei im Attest der Diplom-Psychologin … vom 16. Juni 2020 festgehalten.
13
Eine daraufhin eingeholte Stellungnahme des Gesundheitsamtes durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. … vom 28. September 2020 kam zu dem Ergebnis, dass auch nach gründlichem Studium der Ausführungen des Rechtsanwalts vom 13. August 2020 kein logischer Fehler in der Argumentationskette in den Stellungnahmen vom 17. Januar 2020 und 31. März 2020 zu erkennen sei. Ein Grund, davon abzuweichen, werde nicht gesehen.
14
Nach erstmaliger Übersendung des psychologischen Attests der Diplom-Psychologin … vom 16. Juni 2020 mit Schreiben der Bevollmächtigten des Klägers vom 23. November 2020 wurde in einer weiteren Stellungnahme des Gesundheitsamtes durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. … vom 4. Januar 2021 ausgeführt:
„Im psychologischen Attest von Frau … vom 16. Juni 2020 wird angegeben, dass sich Herr … seit dem 14. November 2019 auf Grund einer rezidivierenden Depression auf dem Boden einer posttraumatischen Belastungsstörung in ihrer ambulanten verhaltenstherapeutischen Einzelbehandlung befindet.
In der übersandten Stellungnahme vom 17. Januar 2020 konnte auf Grund der zur Verfügung stehenden Unterlagen bereits herausgearbeitet werden, dass die Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung bereits spätestens ab 2010 gestellt wurde.
Insofern kann die von Frau … beschriebene Kausalität der rezidivierenden Depression auf dem Boden einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht nachvollzogen werden und beruht eventuell auf dem Fehlen von Kenntnissen über frühere psychotherapeutische bzw. stationäre psychosomatische Behandlungen.“
15
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2021, den Bevollmächtigten des Klägers zugestellt gegen Empfangsbekenntnis am 24. Februar 2021, wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Auf den Widerspruchsbescheid wird ausdrücklich Bezug genommen.
16
Mit einem qualifiziert signierten Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 23. März 2021, per EGVP beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangen am selben Tag, ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,
Die Ablehnung des Antrages vom 23. November 2018 auf Anerkennung der gesundheitlichen Folgen bei Rettungsdiensteinsätzen des Klägers am 17. September 2016 (Mord mit Todeseintritt in Gegenwart des Tatverdächtigen), am 2. Oktober 2016 (Höhenrettungseinsatz eines Suizidenten auf Windkraftanlage unter akuter Lebensgefahr), am 24. Mai 2017 (ermordete Prostituierte vom Täter angezündet) und am 8. November 2017 (Bergung einer stark verwesten Wasserleiche aus einer Badewanne) als Dienstunfall bzw. Dienstbeschädigung gemäß Bescheiden vom 5. Juni und 6. Juni 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Februar 2021 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Dienstunfallfürsorge zu gewähren.
17
Zur Begründung wurde vorgetragen, der Kläger habe einen Anspruch auf Dienstunfallfürsorge sowie einen Anspruch auf effektiven Rechtsschutz, um gesetzliche Ansprüche aus dem beamtenrechtlichen Dienstunfallrecht durchsetzen zu können.
18
Trotz der Beweislastverteilung erscheine es zynisch, wenn die Beklagte einerseits auf die Beweislastverteilung hinweise, andererseits das Anfertigen eines Sachverständigengutachtens ablehne, weil der Amtsarzt keine posttraumatische Belastungsstörung festgestellt habe.
19
Auf Grund der vielfältigen Erscheinungsformen von Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen habe der Kläger ein Recht darauf, über diese Fragen eine fachärztliche Stellungnahme zu erhalten. Es gehe nicht an, die Diagnosen in Frage zu stellen, den Kläger misszuverstehen, dass die Ereignisse die Depression verstärkt oder erneut hervorgerufen hätten, ohne dass im Einzelfall diagnostisch und im Wege einer fachmedizinischen Aufarbeitung auf die Vorgänge eingegangen werde. Erst bei handwerklich korrekter Feststellung, ob und inwieweit die Ereignisse ein Trauma hervorgerufen hätten und welche Auswirkungen dieses Trauma auf die weitere Verwendungsfähigkeit des Klägers habe, könne die Frage hinreichend beantwortet werden. In der mündlichen Verhandlung werde ein unbedingter Beweisantrag gestellt werden, zur Beantwortung der Frage, ob eine posttraumatische Belastungsstörung vorliege und welche Auswirkungen sie auf die Dienstfähigkeit habe.
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Da Diagnosen bezüglich einer posttraumatischen Belastungsstörung vorlägen, darauf jedoch in der amtsärztlichen Stellungnahme nicht eingegangen worden sei und eine handwerklich korrekte Untersuchung zum Vorliegen und zur Überprüfung des Ausmaßes der posttraumatischen Belastungsstörung beklagtenseits nicht vorgenommen worden sei, lägen auf Grund entsprechender fachärztlicher und psychotherapeutischer Feststellungen und Diagnosen genügend Anknüpfungstatsachen vor, die einer juristischen Beurteilung vorausgehende Aufklärung über die Erkrankung und ihre Auswirkungen auf die Dienstfähigkeit benötigten. Es sei zynisch, in diesem Zusammenhang von einem Beweisausforschungsantrag zu sprechen. Die Feststellung, es sei gerade eine Aufgabe als Feuerwehrmann, lege nahe, dass es offenbar berufsbedingt hinzunehmen sei, wenn man bei seiner Berufsausübung Schaden erleide. So müsse die fehlende inhaltliche Auseinandersetzung mit den Vorfällen in der amtsärztlichen Stellungnahme eingeordnet werden. Es liege keinerlei materielle Stellungnahme vor, welche Auswirkungen die vom Kläger gemeldeten Ereignisse auf einen Menschen haben könnten.
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Wenn nach Ansicht des Amtsarztes die Ereignisse lediglich die depressive Erkrankung aus dem Jahr 2009 verstärkt hätten, erkläre sich nicht, warum nach Ende dieser Depression die Beklagte für den Kläger eine Vielzahl von Fortbildungen durchgeführt habe. Es lasse sich nur schwer in Einklang bringen, dass der Kläger angeblich als eine Art Dauererkrankung depressiv belastet sei, andererseits körperlich und geistig anspruchsvolle Aufgaben habe übernehmen können. Es sei unbekannt, ob die Beklagte vor der Ausbildung die gesundheitliche Eignung des Klägers für eine derartige Tätigkeit amtsärztlich überprüft habe.
22
Es erscheine offenkundig, dass eine posttraumatische Belastungsstörung kein Unfall im Sinne der begrifflichen Definition eines Unfalles sei. Diese Erkrankung sei kein plötzlich eintretendes Ereignis, so dass Ausschlussfristen auf diese Form von Erkrankungen nicht angewendet werden könnten. Bei inhaltlicher Betrachtungsweise komme es auf Verjährung oder Ausschlussfristen nicht an. Dies gelte erst recht, als - wie bereits vom BayVGH festgestellt - posttraumatische Belastungsstörungen häufig erst zeitlich verzögert aufträten und ihre Diagnose erschwert werde, weil unrichtig von einer Depression ausgegangen werde.
23
Richtigerweise seien die vier Vorgänge als einheitlicher Vorgang aufzufassen. Das beamtenrechtliche Disziplinarrecht diene insoweit als Modell, da es dort das Rechtsinstitut des „einheitlichen Dienstvergehens“ gebe. Entsprechend seien die vier Ereignisse als einheitlicher Vorgang aufzufassen und könnten nicht durch formale Überlegungen wie Ausschlussfristen rechtlich in einzelne Vorgänge aufgeteilt werden.
24
Mit weiterem Schreiben vom 22. April 2021 legten die Bevollmächtigten des Klägers ein psychologisches Attest der Diplom-Psychologin … vom 18. März 2021 sowie ein Attest des Facharztes für Psychiatrie, Herrn …, vom 9. April 2021 vor. In beiden Attesten werde eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert.
25
Zudem sei der Kläger seit 2017 wegen der posttraumatischen Belastungsstörung in psychiatrischer und seit 2019 in psychotherapeutischer Behandlung. Die hierbei anfallenden Behandlungskosten seien beihilfefähig, § 18a BBhV i.d.F. vom 1. Dezember 2020. Es sei davon auszugehen, dass das in § 18a BBhV erwähnte umfassende Behandlungskonzept der Beihilfestelle vorgelegt und auch von dieser genehmigt worden sei. Es sei widersprüchlich, Beihilfe wegen posttraumatischer Belastungsstörung zu gewähren, andererseits außerhalb des Beihilferechts das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung zu verneinen und auf die Beweislastsituation hinzuweisen.
26
Die Rechtsprechung zur posttraumatischen Belastungsstörung beziehe sich überwiegend auf Asylrechtsfälle, wo entsprechende Feststellungen häufig zum Erfolg der Rechtsbehelfe führten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 24.7.2019 - 8 C 1/19 - BVerwGE 166, 200-205, Rn. 19) genüge die Mitursächlichkeit einer posttraumatischen Belastungsstörung zur Gewährung staatlicher Leistungen (dort im Rahmen einer Rehabilitierung wegen Gesundheitsschäden durch Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR).
27
Die Gesamtschau der gerichtlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit posttraumatischen Belastungsstörungen ergebe, dass diagnostizierte Belastungsstörungen Rechtsfolgen in materiell-rechtlicher und prozessualer Hinsicht zeigten. Insbesondere an der Aussage des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Mitursächlichkeit ausreiche, orientiere sich der Rechtsvortrag des Klägers.
28
Es werde gebeten zwischen den Beteiligten bezüglich eines Sachverständigengutachtens zu vermitteln. Sofern das Gericht nicht mit dem Bundesverwaltungsgericht zur Ansicht komme, dass bereits die durch Gutachten nachgewiesene Mitursächlichkeit für den Prozesserfolg genüge, erscheine zur umfassenden Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung ein Beweisbeschluss über das Anfertigen eines Sachverständigengutachtens zur Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung und zur Mitursächlichkeit der vorgetragenen beruflichen Vorkommnisse bis zur Dienstunfähigkeit erforderlich.
29
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 11. Juni 2021:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
30
Es wurde ausgeführt, dass die Klage bereits unzulässig sei, soweit sie die Vorfälle vom 17. September 2016 und vom 2. Oktober 2016 betreffe. Die entsprechenden Anträge des Klägers seien mit Bescheiden vom 5. Juni 2019 und 6. Juni 2019 abgelehnt worden und seit langem bestandskräftig, da keine Rechtsbehelfe eingelegt worden seien.
31
Die Ablehnung der Anerkennung der Vorfälle am 24. Mai 2017 und am 8. November 2017 als Dienstunfall sei mit Bescheid vom 14. Mai 2020 auf Grundlage umfassender amtsärztlicher Untersuchungen und Gutachten erfolgt. Der Widerspruch des Klägers sei mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2021, auf dessen ausführliche Begründung vollinhaltlich verwiesen werde, zurückgewiesen worden.
32
Aus der Klageschrift vom 23. März 2021 und im ergänzenden Schriftsatz vom 28. April 2021 ergäben sich keine neuen Erkenntnisse, die eine andere Entscheidung der Beklagten rechtfertigen könnten. Insbesondere aus dem neu vorgelegten Attest der Diplom-Psychologin … vom 18. März 2021, welches sich nur geringfügig vom bereits vorgelegten Attest vom 16. Juni 2020 unterscheide, ergäben sich inhaltlich keine neuen Aussagen. Das Attest vom 16. Juni 2020 sei vom Amtsarzt und dessen Stellungnahme vom 4. Januar 2021 geprüft worden. Auch die Atteste des Facharztes für Psychiatrie … vom 30. November 2018 und vom 9. April 2021 führten zu keinem anderen Ergebnis. Zum Attest vom 30. November 2018 sei anzumerken, dass dem Amtsarzt zur Bewertung ein aktuellerer Bericht des Facharztes vom 5. September 2019 (Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung F34.1) vorgelegen habe. Aus der die Ablehnung der Stadt stützenden amtsärztlichen Stellungnahme gehe zudem eindeutig hervor, dass die Ereignisse aus dem Jahre 2017 nicht allein kausal für die psychischen Beschwerden des Klägers seien. In den ärztlichen Berichten (Bericht …klinik … vom 24.7.2018; Bericht des Facharztes … vom 5.6.2019) und in der Anamnese sei dokumentiert, dass der Kläger selbst angebe, in der Summe aller Belastungen (private Situation, Summe der Einsätze im Feuerwehrdienst allgemein und angezeigte Dienstunfälle aus den Jahren 2016 und 2017) die Ursache seiner Erkrankung zu sehen und diese nicht tragfähig auf die Ereignisse vom 24. Mai 2017 und vom 8. November 2017 zurückführe.
33
Soweit die Klage damit begründet werde, dass beim Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung vorliege, die durch die Ereignisse im Jahr 2017 ausgelöst worden sei und dies im Rahmen des beamtenrechtlichen Untersuchungsverfahrens verkannt worden sei, so treffe dies ausweislich der Ausführungen der streitgegenständlichen Bescheide und in diesen zugrundeliegenden Begutachtungen des Amtsarztes nicht zu.
34
Die Frage, inwieweit die Stadt … im Rahmen der Fürsorgepflicht Hilfestellungen nach belastenden Einsätzen anbiete, sei dem Bevollmächtigten des Klägers gegenüber mit Schreiben vom 5. Juni 2019 bereits ausführlich beantwortet worden. Die Beklagte biete allen Einsatzkräften der Feuerwehr … eine psychologische Unterstützung an, die in vier Stufen stattfinde (Bl. 486 bis 489 der Behördenakte).
35
Dass der Kläger vor Erlass des ablehnenden Bescheids fehlerhaft nicht angehört worden sei, sei nicht ersichtlich. Nach herrschender Rechtsprechung sei die Anhörung gemäß Art. 28 BayVwVfG nur erforderlich bei belastenden Verwaltungsakten, durch die in bereits bestehende Rechte eingegriffen werde. Zudem seien im Rahmen des beamtenrechtlichen Untersuchungsverfahrens gemäß Art. 47 Abs. 3 BayBeamtVG die vorgebrachten Argumente und Unterlagen geprüft und in die Entscheidung einbezogen worden. Im Übrigen würde selbst ein Verfahrensfehler im vorliegenden Fall einer gebundenen Entscheidung gemäß Art. 45 BayVwVfG geheilt.
36
Soweit ein Widerspruch darin gesehen werde, dass beim Kläger trotz seiner verstärkten Depression anspruchsvolle Fortbildungen durchgeführt worden seien, so sei anzumerken, dass die dreijährige G41-Untersuchung vor den jeweiligen Fortbildungen durch den betriebsärztlichen Dienst durchgeführt worden sei und bei diesen Untersuchungen keine gesundheitlichen Bedenken festgestellt worden seien. Im Übrigen handele es sich um übliche und nicht ungewöhnliche Fortbildungen. Der Kläger gehe selbst davon aus, dass auch „aktive Menschen an einer Depression erkranken können, ohne dass Dritte ihnen das anmerken und ohne dass die Erkrankung negative Auswirkungen auf die Arbeitsleistung und auf die Anwesenheit am Arbeitsplatz hat“.
37
Soweit die Klagepartei meine, dass sich der Amtsarzt mit den Vorfällen nicht inhaltlich ausein-andergesetzt habe und keine ordnungsgemäße Anamnese durchgeführt worden sei, so seien keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, die die bisherigen amtsärztlichen Feststellungen in Zweifel ziehen könnten. Ein entsprechender substantiierter Vortrag der Klagepartei sei nicht ersichtlich. Die ins Blaue hinein aufgestellten Behauptungen träfen nicht zu. Aus dem Gutachten ergebe sich, dass der Amtsarzt zu seiner Beurteilung nicht nur alle ihm vorliegenden Unterlagen sorgfältig und umfassend ausgewertet und miteinbezogen habe. Er habe auch nach einer inhaltlichen Auseinandersetzung die belastenden Einsätze des Klägers vollumfänglich gewürdigt. Nach dessen sachverständiger Aussage seien die streitgegenständlichen Einsätze durchaus psychisch belastend, jedoch nicht ursächlich für die Erkrankung im Sinne des BayBeamtVG. Nichts Anderes ergebe sich aus der Kostenübernahme der Beihilfestelle für die psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung. Über diese werde unter völlig anderen Voraussetzungen als in einem Dienstunfallfürsorgeverfahren und in streng getrennten Verfahren entschieden. Der erforderliche Zusammenhang der psychischen Erkrankung im Sinne des Dienstunfallrechts lasse sich schon wegen der unterschiedlichen Fragestellungen durch eine Kostenübernahme durch die Beihilfestelle nicht nachweisen.
38
Eine erneute ärztliche Stellungnahme, wie von der Klagepartei beantragt, werde für nicht erforderlich angesehen. Der zuständige Amtsarzt habe alle vorliegenden Diagnosen ausdrücklich geprüft und das Vorliegen eines Dienstunfalls verneint und auf Grund seines eigenen Sachverständigenwissens nach gründlicher Prüfung ein externes Gutachten als nicht erforderlich angesehen. Die Beurteilung durch den Amtsarzt erfolge auf Grund einer medizinischen Fachkunde, über die gerade und regelmäßig nur ein Amtsarzt verfüge. Einer entsprechenden amtsärztlichen Stellungnahme komme auf Grund dessen neutraler unabhängiger, in Distanz zu beiden Beteiligten stehender Einschätzung als im Verhältnis zu privatärztlichen Attesten eine vorrangige Bedeutung zu (BVerwG, U.v. 16.11.2017 - 2 A 5.16 - juris Rn. 22, 24). Vorliegend sei zudem ein Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie amtsärztlich tätig gewesen, an dessen Kompetenz kein Zweifel bestehe (BayVGH, U.v. 30.7.2019 - 6 ZB 19.538 - juris Rn. 16). Einem Amtsarzt komme eine besondere Kompetenz zu, weil er einerseits Situationen in der öffentlichen Verwaltung, wie deren gesundheitlichen Anforderungen, umfassend und zutreffend beurteilen könne und andererseits auf eine Erfahrung aus einer Vielzahl von gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen zurückgreifen könne.
39
Das im Schriftsatz vom 28. April 2021 neu vorgelegte amtsärztliche Zeugnis vom 22. Juli 2019 sei bezüglich der Frage der Dienstfähigkeit angefertigt worden. Diese Frage sei im weiteren Verfahren abschließend geklärt worden. Insofern bedürfe es wegen dieses Gutachtens keiner weiteren Prüfung. Darüber hinaus stütze sich auch die Ruhestandsversetzung des Klägers auf das aktuellere amtsärztliche Gutachten vom 17. Januar 2020.
40
Nicht zutreffend sei das Vorbringen der Klagepartei, vier Einsätze seien auf Grund der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung als einheitlicher Vorgang zu sehen. Der Vergleich mit dem Begriff eines „einheitlichen Dienstvergehens“ aus dem Disziplinarrecht gehe fehl. Zudem seien die Ereignisse aus dem Jahr 2016 verfristet und bereits bestandskräftig abgelehnt worden. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass sich aus den Attesten und dem Bericht des Facharztes für Psychiatrie Herrn … ergebe, dass sich der Kläger bereits seit dem 2. Mai 2017 in dessen Behandlung befunden habe. Zudem habe sich der Kläger im Zeitraum vom 18. April 2018 bis 23. Mai 2018 einer stationären Behandlung in der …klinik … unterzogen. Obwohl ihm spätestens nach dem stationären Aufenthalt ein Zusammenhang zwischen den Ereignissen aus dem Jahr 2016 und der psychischen Erkrankung bekannt gewesen sei, habe er erst am 9. Dezember 2018 eine Dienstunfallmeldung hinsichtlich dieser Ereignisse gefertigt.
41
Das klägerseits angeführte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2019 (8 C 1/19) beziehe sich inhaltlich auf eine vergangene Flucht aus der DDR und der damit zusammenhängenden verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung. Dies könne nicht für die Klärung im Verfahren der Dienstunfallanerkennung herangezogen werden.
42
Mit Schreiben vom 18. August 2021 regte der Bevollmächtigte des Klägers die Durchführung eines Güterichterverfahrens an. Mit gerichtlichem Schreiben vom 27. September 2021 wurde den Beteiligten mitgeteilt, dass der Güterichter am Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach den Fall für die Durchführung eines Güteverfahrens als nicht geeignet ansehe, da die Frage, ob ein Dienstunfall vorliege, eher nicht verhandelbar sein dürfte.
43
Mit gerichtlichem Schreiben vom 10. Februar 2022 wurde der Bevollmächtigte des Klägers gebeten, kurzfristig eine Einverständniserklärung des Klägers vorzulegen, da beabsichtigt sei, die beim Gesundheitsamt der Beklagten vorhandene Akte des Klägers zum Verfahren beizuziehen. Nach Vorlage der Einverständniserklärung wurde die Akte zum Verfahren beigezogen.
44
Ein in der mündlichen Verhandlung am 23. Februar 2022 gestellter Beweisantrag wurde mit Beschluss desselben Datums abgelehnt. Zuletzt beantragte der Bevollmächtigte des Klägers:
45
Die Bescheide vom 5. und 6. Juni 2019 sowie der Bescheid vom 14. Mai 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2021 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Ereignisse vom 17. September 2016, 2. Oktober 2016, 24. Mai 2017 und 8. November 2017 als Dienstunfälle mit den Folgen Depression und Posttraumatische Belastungsstörung anzuerkennen.
46
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakten einschließlich der Akte des Gesundheitsamtes und hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf das Protokoll verwiesen.
Entscheidungsgründe
47
Soweit der Kläger begehrt, die Ereignisse vom 17. September 2016 und 2. Oktober 2016 als Dienstunfälle anzuerkennen, ist die Klage bereits unzulässig, darüber hinaus aber auch unbegründet (I.). Hinsichtlich der Ereignisse vom 24. Mai 2017 und 8. November 2017 ist die zulässige Klage unbegründet (II.).
48
Der Kläger begehrt die Anerkennung der Ereignisse vom 17. September 2016 und 2. Oktober 2016 als Dienstunfälle.
49
1. Die Klage ist bereits wegen verspäteter Klageerhebung unzulässig.
50
Hinsichtlich des Begehrens des Klägers ist die Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO statthaft. Diese ist gemäß § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 VwGO innerhalb eines Monats nach Ablehnung des Antrages auf Vornahme des Verwaltungsaktes bzw. im Hinblick auf die Möglichkeit des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AGVwGO i.V.m. § 54 Abs. 2 BeamtStG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids zu erheben.
51
Der Antrag vom 23. November 2018 wurde hinsichtlich der Ereignisse vom 17. September 2016 und 2. Oktober 2016 mit Bescheiden vom 5. Juni 2019 und 6. Juni 2019, den Bevollmächtigten des Klägers jeweils zugestellt gegen Empfangsbekenntnis am 13. Juni 2019, abgelehnt. Beide Bescheide waren mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrungversehen.
52
Mangels Einlegung eines Widerspruchs gegen die Ablehnungsbescheide vom 5. Juni 2019 und 6. Juni 2019 innerhalb der Frist des § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO begann die Klagefrist des § 74 Abs. 2 und 1 VwGO am 14. Juni 2019 und endete am 13. Juli 2019. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 23. März 2021 waren die Ereignisse vom 17. September 2016 und 2. Oktober 2016 demnach bereits bestandskräftig abgelehnt.
53
Eine Heilung der Fristversäumnis durch Erlass des Widerspruchsbescheides vom 19. Februar 2021 ist nicht erfolgt. Sowohl der Widerspruch vom 9. Juni 2020 als auch der Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2021 beziehen sich ausschließlich auf die Ereignisse vom 24. Mai 2017 und 8. November 2017, sodass eine Heilung der versäumten Widerspruchsfrist hinsichtlich der Bescheide vom 5. Juni 2019 und 6. Juni 2019 durch Sachentscheidung der Widerspruchsbehörde nicht in Betracht kommt.
54
Auch ist keine einheitliche Betrachtungsweise angebracht, wonach eine rechtzeitige Widerspruchs-/Klageerhebung hinsichtlich eines bzw. des zeitlich zuletzt liegenden streitgegenständlichen Ereignisses die Überprüfung aller möglichen Dienstunfallereignisse erlauben könnte. Der Annahme eines einheitlichen Dienstunfallereignisses, vergleichbar mit dem einheitlichen Dienstvergehen im Disziplinarrecht, steht materiell-rechtlich bereits das Erfordernis eines plötzlichen, nach Zeit und Ort bestimmbaren Ereignisses entgegen. Erst recht kann eine entsprechende Konstruktion prozessual nicht dazu führen, dass ein bestandskräftig abgeschlossenes Verwaltungsverfahren einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unter Umgehung verwaltungsprozessualer Vorgaben zugeführt wird.
55
Ein Antrag auf Widereinsetzung in den vorherigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO wurde nicht gestellt. Im Übrigen sind Gründe für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen gemäß § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO weder glaubhaft gemacht bzw. überhaupt ersichtlich.
56
2. Die unzulässige Klage ist aber auch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Ereignisse vom 17. September 2016 und 2. Oktober 2016 als Dienstunfälle (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO), da er hinsichtlich dieser beiden Ereignisse die Meldefristen des Art. 47 Abs. 1 und 2 BayBeamtVG nicht gewahrt hat.
57
a) Gemäß Art. 47 Abs. 1 BayBeamtVG sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach diesem Gesetz entstehen können, dem oder der Dienstvorgesetzten innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls schriftlich zu melden. Die Frist gilt auch dann als gewahrt, wenn der Unfall bei der Pensionsbehörde gemeldet worden ist. Dabei ist ein meldepflichtiger „Unfall“ nicht nur der - feststehende, ohne Weiteres als solcher zu erkennende - Dienstunfall, der zweifelsfrei Unfallfürsorgeansprüche auslöst, sondern auch ein Unfallereignis, das in Ausübung des Dienstes eingetreten ist und nur möglicherweise - aktuell oder später - einen Körperschaden verursacht und somit Unfallfürsorgeansprüche auslöst (BVerwG, U.v. 30.8.2018 - 2 C 18/17 - juris Rn.14). Ist nach der Unfallmeldung im Zeitpunkt der Entscheidung über das Vorliegen eines Dienstunfalls (noch) kein Körperschaden eingetreten, liegen aber alle sonstigen Voraussetzungen eines Dienstunfalls vor, ist zwar eine Anerkennung des Unfallgeschehens als Dienstunfall (noch) nicht möglich, wohl aber eine Bestätigung, dass sich der Unfall in Ausübung des Dienstes ereignet hat (BVerwG, U.v. 30.8.2018 - 2 C 18/17 - juris Rn.14).
58
Dies berücksichtigend wäre der Kläger verpflichtet gewesen, die Einsätze vom 17. September 2016 und 2. Oktober 2016 als Unfallgeschehnisse zu melden. Wegen der dramatischen Ereignisse, insbesondere bezüglich des Höhenrettungseinsatzes am 2. Oktober 2016, bei dem der Kläger nach eigener Schilderung selbst in Lebensgefahr geraten sei, waren spätere, insbesondere psychische, Unfallfolgen nicht ausgeschlossen. Eine Meldung der Ereignisse bei der Beklagten erfolgte jedoch erst mit Schriftsatz des Bevollmächtigten des Klägers vom 23. November 2018 und damit nach Ablauf der zweijährigen Meldefrist.
59
b) Der Kläger hat aber auch nicht die Frist des Art. 47 Abs. 2 BayBeamtVG eingehalten.
60
Gemäß Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG wird nach Ablauf der Ausschlussfrist Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und glaubhaft gemacht wird, dass mit der Möglichkeit eines Körperschadens oder einer Erkrankung auf Grund des Unfallereignisses nicht habe gerechnet werden können oder dass der oder die Berechtigte durch außerhalb seines oder ihres Willens liegende Umstände gehindert war, den Unfall zu melden. Nach Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBeamtVG muss die Meldung, nachdem mit der Möglichkeit eines Körperschadens oder einer Erkrankung gerechnet werden konnte oder das Hindernis für die Meldung weggefallen ist, innerhalb von drei Monaten erfolgen.
61
Zwar erfolgte vorliegend die Meldung mit Schriftsatz vom 23. November 2018 noch innerhalb der Zehnjahresfrist des Art. 47 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG, hielt jedoch nicht die dreimonatige Meldefrist des Art. 47 Abs. 2 Satz 2 BayBeamtVG ein.
62
Der Kläger befand sind in der Zeit vom 18. April 2018 bis 23. Mai 2018 wegen psychischer Erkrankungen in stationärer Behandlung in den … Kliniken … Diagnostiziert wurden eine rezidivierende Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode (F33.1), nichtorganische Insomnie (F51.0) und gastroösophageale Refluxkrankheit ohne Ösophagitis (K21.9). Die Annahme des Klägers, dass der Auslöser der depressiven Episode im privaten und beruflichen Bereich zu sehen sei, wird im Befundbericht der … Kliniken … vom 24. Juli 2018 durch die behandelnden Ärzte bestätigt. Entsprechend hätte sich dem Kläger spätestens nach Beendigung des stationären Aufenthalts die Möglichkeit aufdrängen müssen, dass ein Körperschaden oder eine Erkrankung auch auf dienstliche Ereignisse zurückzuführen sein könnte. Entsprechend wurde die Dreimonatsfrist spätestens Ende Mai 2018 in Gang gesetzt und wurde mit der Meldung mit Schriftsatz vom 23. November 2018 nicht eingehalten.
63
Nicht entscheidungsrelevant ist demnach, ob der Kläger überhaupt ausreichend glaubhaft gemacht hat, dass mit der Möglichkeit eines Körperschadens oder einer Erkrankung auf Grund des Unfallereignisses nicht habe gerechnet werden können oder dass er durch außerhalb seines Willens liegende Umstände gehindert war, den Unfall zu melden.
64
c) Eine Unfallmeldung war auch nicht entbehrlich, weil der Dienstvorgesetzte über die Einsatzmeldungen von Amts wegen Kenntnis von den Ereignissen hatte. Auch wenn der oder die Dienstvorgesetzte nach Art. 47 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG jeden Unfall, der ihm oder ihr gemeldet oder von Amts wegen bekannt wird, sofort zu untersuchen hat, so ersetzt dies nicht die Meldepflicht, sondern ergänzt diese nur (BVerwG, U.v. 30.8.2018 - 2 C 18/17 - juris Rn.24 ff.).
65
Gleiches gilt hinsichtlich einer Entbehrlichkeit einer Unfallmeldung aufgrund der bestehenden Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Nach § 45 BeamtStG hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Ferner schützt er die Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung. Die durch Art. 33 Abs. 5 GG garantierte allgemeine Fürsorgepflicht hat insbesondere zum Inhalt, dass der Dienstherr bei seinen Entscheidungen die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise zu berücksichtigen hat. Hat der Normgeber jedoch unter Abwägung aller Belange, insbesondere der wohlverstandenen Interessen der Beamten, zu diesem Zweck eine abstrakt-generelle Regelung getroffen, darf diese nicht unter Berufung auf die allgemeine Fürsorgepflicht wieder überspielt und eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Rechtsfolge gefordert werden (BVerwG, U.v. 30.8.2018 - 2 C 18/17 - juris Rn. 30). Eine entsprechende Regelung hat der Gesetzgeber aber gerade durch Festlegung der Meldepflichten in Art. 47 Abs. 1 und 2 BayBeamtVG getroffen, welche unterlaufen würde, wenn auch ohne Unfallmeldung des Beamten das Unterbleiben einer Entscheidung nach § 45 Abs. 3 BeamtVG bzw. Art. 47 Abs. 3 BayBeamtVG ihm gegenüber als Fürsorgepflichtverletzung qualifiziert würde, die die Einhaltung der Meldepflichten entbehrlich machen würde.
66
Die Klage ist, soweit sie sich auf Anerkennung der Ereignisse vom 24. Mai 2017 und 8. November 2017 als Dienstunfälle richtet, zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der Ereignisse vom 24. Mai 2017 und 8. November 2017 als Dienstunfälle, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
67
1. Unbeachtlich ist, dass der Kläger vor Erlass des ablehnenden Bescheides vom 14. Mai 2020 nicht zu der geplanten Ablehnung angehört worden ist. Für den Erfolg einer Verpflichtungsklage ist es maßgeblich, ob der Kläger auf das begehrte behördliche Tätigwerden, hier die Anerkennung der Ereignisse vom 24. Mai 2017 und 8. November 2017 als Dienstunfälle, einen Anspruch hat. Nicht maßgeblich ist, ob der ablehnende Bescheid selbst formell rechtswidrig ist.
68
Die Rechtsprechung vertritt die Auffassung, dass Art. 28 BayVwVfG nach seinem Sinngehalt grundsätzlich nur für solche beschwerenden Verwaltungsakte gilt, mit denen die Behörde in die Rechtssphäre des Bürgers eingreift und gegen die ihm die Anfechtungsklage zusteht; muss er hingegen seine Rechte durch Verpflichtungs- oder sonstige Leistungsklage geltend machen, hat er regelmäßig bei der Antragstellung bereits hinreichend Gelegenheit, alle für die Entscheidung erheblichen Tatsachen vorzutragen, so dass eine nochmalige Anhörung vor der Ablehnung nicht geboten ist (Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Mayen, VwVfG § 28 Rn. 31).
69
Im Übrigen wäre im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bzw. des gerichtlichen Verfahrens eine Heilung eines ggf. vorhandenen Verfahrensverstoßes erfolgt, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG. Hinzukommt, dass es sich bei der Anerkennung eines Dienstunfalles um eine gebundene Entscheidung handelt, so dass ein Anhörungsmangel nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich wäre.
70
2. a) Wird ein Beamter durch einen Dienstunfall verletzt, so wird nach Art. 45 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG Unfallfürsorge gewährt. Dienstunfall ist nach Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Als Ursache im Rechtssinn sind nur solche Bedingungen im naturwissenschaftlichen Sinn anzuerkennen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei einer natürlichen Betrachtungsweise zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Beim Zusammentreffen mehrerer Ursachen ist eine als alleinige Ursache anzusehen, wenn sie bei natürlicher Betrachtungsweise überragend am Erfolg mitgewirkt hat oder zumindest annähernd die gleiche Bedeutung für den Eintritt des Erfolgs hatte wie die anderen Umstände insgesamt. Nicht kausal sind sog. Gelegenheitsursachen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst nur eine zufällige Beziehung besteht, etwa wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden eines Beamten so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte; dies gilt auch, wenn der Unfall Auslöser für die aufgetretene Erkrankung i.S.d. „letzten Tropfens, der das Fass zum Überlaufen bringt“, war, weil er insoweit nur von untergeordneter Bedeutung für die Krankheit war, die früher oder später ohnehin ausgebrochen wäre. Der Beamte trägt die sog. materielle Beweislast dafür, dass eine Schädigung wesentlich auf den Dienstunfall zurückzuführen ist. Der Ursachenzusammenhang muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Lässt sich der erforderliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Körperschaden trotz Ausschöpfung aller zumutbaren Möglichkeiten nicht weiter aufklären, geht die Nichterweislichkeit dieser Tatsache deshalb nach allgemeinen Beweisgrundsätzen zu Lasten des Beamten. (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 25.10.2018 - 3 ZB 15.2728 - juris Rn. 5).
71
Grundsätzlich kann auch eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung einen Körperschaden im Sinne des Art. 46 Abs. 1 BeamtVG darstellen (BVerwG, U.v. 30.8.2018 - 2 C 18/17 - juris Rn. 18), in der Regel beruhen diese jedoch nicht auf einem plötzlichen, örtlich und zeitlich bestimmbaren Ereignis im Sinne des Art. 46 BayBeamtVG. Insoweit dient das Merkmal „plötzlich“ der Abgrenzung eines Einzelgeschehens von einer dauernden Einwirkung, da schädliche Dauereinwirkungen grundsätzlich kein plötzliches Ereignis sind (BVerwG, U.v. 12.12.2019 - 2 A 1/19 - juris Rn. 23).
72
Wird - wie vorliegend - eine PTBS als Unfallfolge geltend gemacht, muss gegenüber dem Gericht auch nachgewiesen werden, dass das traumatisierende Ereignis tatsächlich stattgefunden hat. Allein aufgrund einer psychiatrisch-psychotherapeutischen Begutachtung nach den Angaben des Beamten kann nicht sicher darauf geschlossen werden, dass ein konkretes traumatisierendes Ereignis vorlag. Die Angaben des Betroffenen hierzu unterliegen gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO der vollen Beweiswürdigung durch das Gericht (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 25.10.2018 - 3 ZB 15.2728 - juris Rn. 5).
73
b) Der Kläger macht vorliegend geltend, dass es aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Berufsfeuerwehrmann der Beklagten, insbesondere der streitgegenständlichen Ereignisse, zu einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bzw. chronischen Depression gekommen ist. Er benennt insgesamt vier Ereignisse (wobei nur die Ereignisse vom 24. Mai 2017 und 8. November 2017 Gegenstand der zulässigen Klage sind), die Ursache der PTBS gewesen sein sollen, führt aber nicht aus, welches dieser Ereignisse bei einer natürlichen Betrachtungsweise zum Erfolgseintritt wesentlich mitgewirkt hat. Vielmehr stellt der Bevollmächtigte des Klägers eine Gesamtbetrachtung an, wonach die psychische Erkrankung insgesamt auf den der beruflichen Sphäre zuzuordnenden Ereignissen beruht.
74
Diese Gesamtbetrachtung widerspricht jedoch den Anforderungen an ein plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares Einzelgeschehen sowie daran, dass ein konkretes traumatisierendes Ereignis - unter Ausschluss sonstiger Ursachen - für die Entstehung der PTBS kausal war (BayVGH, B.v. 25.10.2018 - 3 ZB 15.2728 - juris Rn. 7).
75
Einer entsprechenden Gesamtbetrachtung dahingehend, dass das eine PTBS auslösende Ereignis zwar aus verschiedenen Einzelereignissen besteht, sich wegen des Problems festzustellen, welches Einzelereignis die PTBS ausgelöst hat, allerdings über einen längeren Zeitraum erstrecken soll, steht bereits entgegen, dass ein plötzliches Ereignis sich zwar über einige Stunden, ggf. auch Tage, nicht aber über Monate bzw. Jahre hinziehen kann (BVerwG, U.v. 12.12.2019 - 2 A 1/19 - juris Rn. 23 f.). Würde man aber - wie vom Bevollmächtigten des Klägers vorgeschlagen - aus den zwei (24.5.2017 und 8.11.2017) bzw. vier (17.9.2016, 2.10.2016, 24.5.2017 und 8.11.2017) Einzelereignissen ein einheitliches Ereignis generieren, so würde sich dieses über etwa sechs Monate bzw. etwa ein Jahr erstrecken.
76
Auch kann das Unfallereignis nicht in unterschiedliche Teilakte, wobei erst der letzte Teilakt die Vollausbildung der PTBS herbeigeführt hat, aufgespalten werden. Eine entsprechende Betrachtungsweise könnte zwar sich aus Art. 47 Abs. 1 und 2 BayBeamtVG ergebende Härten mildern, ist jedoch nicht mit dem Gesetz vereinbar (BVerwG, U.v. 12.12.2019 - 2 A 1/19 - juris Rn. 25).
77
c) Letztlich kann aber dahinstehen, ob eine Gesamtbetrachtung der Einzelereignisse zu einem Anspruch auf Anerkennung als Dienstunfall mit den Folgen Depression und/oder Posttraumatische Belastungsstörung führen kann, da nicht nachgewiesen ist, dass die Einsatzereignisse wesentlich zum Eintritt der psychischen Erkrankungen des Klägers beigetragen haben.
78
Dies ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus den ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten des Amtsarztes im Gesundheitsamt der Beklagten, Herrn Dr. …, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.
79
Dieser hat in seinen Stellungnahmen vom 17. Januar 2020, 31. März 2020, 28. September 2020 und 4. Januar 2021 ausgeschlossen, dass die Ereignisse vom 24. Mai 2017 und 8. November 2017 ursächlich für die Erkrankung des Klägers gewesen sind. Die depressive Störung sei bereits seit 2009 vorhanden und habe sich durch die geschilderten, durchaus als belastend bewerteten Ereignisse auch nicht derart verschlechtert, dass sich daraus eine Dienstunfähigkeit entwickelt habe.
80
Dem Amtsarzt und einem von ihm ggf. hinzugezogenen Facharzt kommt gegenüber einem von Klägerseite beauftragten Privatgutachter grundsätzlich Vorrang zu. Dies hat seinen Grund in ihrer rechtlichen Stellung. Im Gegensatz zu einem Privatarzt bzw. Privatgutachter, der womöglich bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu erhalten bzw. den Interessen des Auftraggebers zu entsprechen, nehmen sowohl Amtsarzt und ein von ihm hinzugezogener mit dem Krankheitsfall vorher nicht befasster Facharzt die Beurteilung nach ihrer Aufgabenstellung unbefangen und unabhängig vor. Sie stehen Beamten und Dienstherrn gleichermaßen fern. Amtsärztlichen Gutachten kommt auch deshalb besonderes Gewicht zu, weil der Amtsarzt über speziellen Sachverstand verfügt, der einerseits auf der Kenntnis der Belange der Verwaltung sowie der gesundheitlichen Anforderungen, die an einen Beamten der jeweiligen Laufbahn gestellt werden, andererseits auf der Erfahrung aus einer Vielzahl von gleich oder ähnlich gelagerten Fällen beruht (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2019 - 3 ZB 16.1638 - juris Rn. 21; B.v. 9.10.2015 - 3 ZB 12.1708 - juris Rn. 26; B.v. 24.9.2014 - 3 ZB 12.318 - juris Rn. 7; B.v. 3.6.2015 - 6 ZB 14.2773 - juris Rn. 10 f.; BVerwG, B.v. 26.9.2012 - 2 B 97/11 - juris Rn. 5).
81
Die Kammer hat an den Feststellungen des Herrn Dr. … auch keine berechtigten Zweifel. So kommt einem amtsärztlichen Gutachten nur dann Vorrang vor vorhandenen privatärztlichen Stellungnahmen/Gutachten zu, wenn keine begründeten Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes bzw. eines von ihm hinzugezogenen Facharztes bestehen, die medizinische Beurteilung auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruhen sowie in sich stimmig und nachvollziehbar sind und, sofern der Privatarzt seinen medizinischen Befund näher erläutert hat, der Amtsarzt auf diese Erwägungen eingegangen ist und nachvollziehbar dargelegt hat, warum er ihnen nicht folgt (BVerwG, B.v. 26.9.2012 - 2 B 97/11 - juris Rn. 5).
82
Bei Herrn Dr. … handelt es sich um einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, so dass die Sachkunde nicht in Zweifel steht. Die medizinische Beurteilung beruht auch nicht auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage. Der Amtsarzt hat insgesamt vier Stellungnahmen aufgrund Aktenlage (17.1.2020, 31.3.2020, 28.9.2020 und 4.1.2021) und eine Stellungnahme nach eigener Untersuchung des Klägers im Rahmen des Ruhestandsversetzungsverfahren (19.1.2021) erstellt. Dass dabei eine unzutreffende Tatsachengrundlage berücksichtigt worden ist, ist weder schlüssig vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit der Bevollmächtigte des Klägers immer wieder darauf hingewiesen hat, dass sich der Amtsarzt nicht bzw. nicht ausreichend mit dem Vorliegen einer PTBS auseinandergesetzt hat, so ist dies offensichtlich unzutreffend. So ist in den amtsärztlichen Stellungnahmen vom 17. Januar 2020 und 4. Januar 2021 deutlich dokumentiert, dass sich Herr Dr. … auch mit dem Vorliegen einer PTBS auseinandergesetzt hat. Auch hat der Amtsarzt insbesondere in der Stellungnahme vom 17. Januar 2020 unter Berücksichtigung des ausführlichen Berichtes der … Kliniken … vom 24. Juli 2018 erläutert, weshalb er davon ausgeht, dass die depressive Störung des Klägers bereits seit 2009 vorhanden war und sich auch nicht wesentlich durch die angezeigten Einsatzereignisse verschlechtert hat. Plausibel erscheint insoweit das Argument, dass während des stationären Aufenthaltes in den … Kliniken …, der fast sechs Monate nach dem letzten geschilderten Einsatzereignis stattgefunden hat, zum einen kein Hinweis auf eine PTBS vorhanden war und zum anderen eine „lediglich mittelgradige Episode“ der rezidivierenden depressiven Störung vorgelegen hat.
83
Auch hat sich der Amtsarzt explizit mit den jeweils zum Zeitpunkt der Beurteilung vorliegenden privatärztlichen Attesten und Stellungnahmen auseinandergesetzt und dargelegt, weshalb diese nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Er setzt sich mit dem erstmals im Attest des Herrn …, Facharzt für Psychiatrie, vom 5. Juni 2019 geäußerten Verdacht einer PTBS auseinander und weist darauf hin, dass es sich gerade nur um eine Verdachtsdiagnose handle, die ohne nähere Angaben zur Diagnostik des Störungsbildes gemacht werde. Letztlich bestätigt aber gerade auch das Attest des Herrn … vom 5. Juni 2019 die Bewertung des Amtsarztes, soweit dort festgestellt wird, dass der Kläger seit 2009 sieben Jahre in ambulanter Psychotherapie gewesen sei und im Juni/Juli 2010 auch stationär behandelt worden sei, eine nachhaltige Besserung sich aber nicht eingestellt habe, so dass ein weiterer stationärer Aufenthalt im Jahr 2018 erforderlich geworden sei. Daraus ergibt sich nach Überzeugung der Kammer sehr deutlich, dass gerade die seit 2009 bestehende, rezidivierende depressive Störung im Wesentlichen unabhängig von den Einsatzereignissen und unverändert vorhanden war.
84
Mit dem Attest der behandelnden Diplom-Psychologin … vom 16. Juni 2020 setzt sich der Amtsarzt in seiner Stellungnahme vom 4. Januar 2021 auseinander und stellt nachvollziehbar fest, dass in dem Attest schon nicht berücksichtigt wird, dass eine Vorerkrankung vorhanden ist, so dass die in dem Attest vom 16. Juni 2020 festgestellte Kausalität der „rezidivierenden Depression auf dem Boden einer Posttraumatischen Belastungsstörung“, wobei die PTBS „ausschließlich durch Traumata im Rahmen der Ausübung der beruflichen Tätigkeit als Feuerwehrmann ausgelöst“ worden sei, nicht nachvollzogen werden könne. Ergänzend führt Herr Dr. … in seinem Gutachten vom 19. Januar 2021 anlässlich des Ruhestandsverfahrens aus, dass beim Kläger die Diagnose der rezidivierenden depressiven Störung bereits 2009 gestellt worden sei, dabei aber keine Anhaltspunkte und/oder Informationen zu traumatischen Erlebnissen als Auslöser vorgelegen hätten, sondern vielmehr Probleme im privaten Bereich bei gleichzeitig hoher beruflicher Belastung als Hintergrund und Auslöser der erneuten depressiven Episode beschrieben seien. Letztlich sieht Herr Dr. … die Kriterien einer posttraumatischen Verbitterungsstörung als erfüllt an, die aber nicht auf einem Trauma aufgrund der Erlebnisse im Einsatzdienst zurückzuführen ist, sondern auf den als kränkend erlebten Umgang mit der Dienstunfallmeldung.
85
Auch im Übrigen legt der Kläger nicht dar, dass die dem Urteil zugrundeliegenden Stellungnahmen des Amtsarztes erkennbare Mängel aufweisen, etwa nicht auf dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft beruhen oder von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen, unlösbare inhaltliche Widersprüche enthalten bzw. Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters geben. Insbesondere das psychologische Attest von Frau Diplom-Psychologin … vom 18. März 2021 und das ärztliche Attest von Herrn …, Facharzt für Psychiatrie vom 9. April 2021, die zu einer anderen Einschätzung gelangen, können die Beurteilung des Amtsarztes nicht ernsthaft in Frage stellen, weil sie selbst nicht den Anforderungen an ein eine PTBS bestätigendes Attest entsprechen (BayVGH, B.v. 7.12.2016 - 3 ZB 13.1735 - juris Rn. 13 mit Hinweis auf BVerwG, U.v. 11.9.2007 - 10 C 8.07 - juris Rn. 15 und B.v. 26.7.2012 - 10 B 21.12 - juris Rn. 7).
86
So enthält das Attest von Frau Diplom-Psychologin … die Feststellung, dass eine fachgutachterliche Klärung hinsichtlich der Auswirkungen der PTBS sinnvoll sei. Im Übrigen werden die Ausführungen zu der durch den Amtsarzt kritisierten Kausalität aufrechterhalten. Auch das ärztliche Attest von Herrn … vom 9. April 2021 enthält keine neuen Aspekte, die nicht bereits durch den Amtsarzt in seinen Stellungnahmen gewürdigt worden sind.
87
Demnach konnte der in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag als Ausforschungsbeweisantrag abgelehnt werden. Denn ein zusätzliches Gutachten ist nur dann einzuholen, wenn das vorliegende Gutachten seinen Zweck nicht zu erfüllen vermag, dem Gericht die zur Feststellung und Prüfung des entscheidungserheblichen Sachverhalts erforderliche Sachkunde zu vermitteln und so die Bildung der für die Entscheidung notwendigen Überzeugung zu ermöglichen. Liegt dem Gericht bereits ein Gutachten vor, muss es ein zusätzliches Gutachten nur einholen, wenn die vorhandene Stellungnahme erkennbare Mängel aufweist (BayVGH, B.v. 23.10.2020 - 3 ZB 19.1835 und 3 ZB 19.1836 - juris Rn. 22 unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 25.2.2013 - 2 B 57.12 - juris Rn. 5 und BayVGH, B.v. 6.3.2017 - 3 ZB 14.1047 - juris Rn. 14). Entsprechende Mängel sind - wie bereits dargelegt - vorliegend nicht erkennbar.
88
3. Es liegt auch keine Erkrankung im Sinne des Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG vor. Weder PTBS noch rezidivierende depressive Störung sind in der abschließenden Verordnung nach Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG enthalten (Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997).
89
4. Auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebietet nicht die Gewährung von Unfallfürsorgeleistungen Nach § 45 BeamtStG hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Ferner schützt er die Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung. Die durch Art. 33 Abs. 5 GG garantierte allgemeine Fürsorgepflicht hat insbesondere zum Inhalt, dass der Dienstherr bei seinen Entscheidungen die wohlverstandenen Interessen des Beamten in gebührender Weise zu berücksichtigen hat. Hat der Normgeber jedoch unter Abwägung aller Belange, insbesondere der wohlverstandenen Interessen der Beamten, zu diesem Zweck eine abstrakt-generelle Regelung getroffen, darf diese nicht unter Berufung auf die allgemeine Fürsorgepflicht wieder überspielt und eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Rechtsfolge gefordert werden. Im Übrigen verletzt die Nichtgewährung von Dienstunfallfürsorgeleistungen bei Unfällen oder Krankheiten im dienstlichen Kontext nicht per se die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Der Fürsorgegrundsatz gebietet nicht, dass über die Alimentation (Besoldung oder Versorgung) und Beihilfegewährung hinaus zwingend weitere Leistungen zu gewähren sind, wenn ein Beamter infolge dienstlicher Umstände erkrankt. Auch im Falle seiner Erkrankung ist die amtsangemessene Alimentation des Beamten sowie die angemessene Übernahme der durch den Körperschaden oder die Krankheit entstehenden Kosten über die genannten Leistungen gewährleistet (BVerwG, U.v. 12.12.2019 - 2 A 1/19 - juris Rn. 37 ff.).
90
Die Klage war daher abzuweisen.
91
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
92
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor. Insbesondere liegen mit den zitierten Entscheidungen mehrere höchstrichterliche bzw. obergerichtliche Entscheidungen, insbesondere auch zur Anwendbarkeit der Meldefristen auch bei psychischen Erkrankungen, vor, so dass aus Sicht der Kammer gerade keine grundsätzliche Bedeutung vorliegt.