Titel:
Einrichtung und Nutzung einer E-Mail-Adresse für und durch Inhaftierte
Normenketten:
StVollzG § 109
BayStVollzG Art. 2 S. 2, Art. 5 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2, Art. 26–36
GG Art. 5
Leitsätze:
1. Durch die Ablehnung der Nutzung einer E-Mail-Adresse kann nicht nur die Informationsfreiheit sondern auch die Meinungsfreiheit tangiert werden. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Unerlässlichkeitsprüfung iSd Art. 6 Abs. 2 S. 2 BayStVollzG ist jedoch nicht einschränkend dahingehend zu verstehen, dass eine abstrakte Gefahr von den PCs für eine Verneinung des Zugangs ausreichend ist. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
E-Mail-Account, Strafvollzug, Resozialisierung, Ermessenserwägung, Unerlässlichkeitsprüfung, Ermessensreduzierung auf Null, Gefahrenaspekte, Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit, fehlende Einzelfallprüfung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 6874
Tenor
1. Auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 07.02.2022 hin wird der Bescheid der Antragsgegnerin vom 27.01.2022 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, über den Antrag des Antragstellers vom 19.05.2021 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers fallen der Staatskasse zur Last.
3. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller ist Insasse der Justizvollzugsanstalt ..., Abteilung für Strafgefangene.
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Mit Schreiben vom 07.02.2022 hat der Antragsteller einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG gestellt. Konkret beantragte er den ablehnenden Anstaltsbescheid vom 27.01.2021 aufzuheben und die Anstalt sodann zu verpflichten, ihm die E-Mail Nutzung zu ermöglichen.
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Zur Begründung führte er aus, dass er am 19.05.2021 ein Antrag auf E-Mail-Nutzung gestellt habe, der mit Bescheid vom 27.01.2022, ihm ausgehändigt am 28.01.2022, zum wiederholten Mal abgelehnt worden sei. Im Verfahren SR StVK 1129/21 sei es zu einer Verfahrenserledigung gekommen, da auf eine gerichtliche Verfügung hin die Anstalt den ablehnenden Bescheid bezüglich seines Antrags vom 19.05.2021 zurückgenommen habe und nunmehr die Sache neu ablehnend entschieden worden sei. Er wolle E-Mailen. Ausweislich des Bescheids geht die Anstalt von einem ihr unbekannten Sachverhalt aus, was ermessensfehlerhaft sei. Durch die Ablehnung greife die Anstalt u.a. in sein Persönlichkeitsrecht ein. Die Firma ...(Versandhandel) mache seit kurzem nur mehr mit Kunden Geschäfte, die über eine E-Mail-Adresse verfügen würden. Auch sei es ermessensfehlerhaft, dass die Anstalt nicht sehe, dass er neben Besuch, Briefen und Telefonaten auch Faxen dürfe. Die Anstalt versuche zudem Aufgaben des Strafvollzugs auf außenstehende Dritte zu übertragen. Ohne E-Mail-Adresse sei man draußen so gut wie gesellschaftlich isoliert. Es sei zudem nicht zutreffend, dass aus tatsächlichen Gründen die Einrichtung einer E-Mail-Adresse nicht möglich sei. Ganz offensichtlich seien die E-Mail-Dienste zuvor einmal deaktiviert worden, so dass die Umkehrung ebenso erfolgreich grundsätzlich möglich sein müsse. Es sei auch nicht verständlich, weshalb er von der Anstalt einen PC-Kurs erhalten habe, an dem er ausweislich des erhaltenen Zertifikats vom 25.07.2003 erfolgreich teilgenommen habe. Die Inhalte könne er jedoch nie anwenden. Bestandteil dieses Kurses seien auch Internetbasics gewesen. Im Übrigen habe er nie verlangt, dass es unbedingt ein Dienst PC sein müsse. Im PC-Raum der Anstalt könne, sofern kein Internetzugriff vorhanden sei, ein solcher installiert werden und zugleich der Zugriff auf bestimmte Seiten gesperrt werden.
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Mit Schreiben vom 28.02.2022 ergänze der Antragsteller sein Antragsvorbringen. Unter anderem verwies er darauf, dass bei der Auslegung der Grundrechte die Rechtsprechung des EGMR maßgeblich zu berücksichtigen sei.
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Die JVA ... nahm mit Schreiben vom 14.03.2022 Stellung und fügte den Bescheid vom 27.01.2022 bei.
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Die Anstalt führte aus, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung unbegründet sei. Hinsichtlich der ablehnenden Gründe werde auf den beiliegenden Bescheid verwiesen. Soweit der Antragsteller nunmehr die Problematik der Bestellung bei der Firma ... anführe sei anzumerken, dass die Problematik lösbar sei, indem Dritte, z.B. Familienangehörige oder Bekannte über die Firma ... bestellen würden und die Waren direkt an die hiesige Anstalt liefern lassen.
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Im beiliegenden Bescheid ist zunächst der Wortlaut des Antrags vom 19.05.2021 ausgeführt der wie folgt lautete:
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„Es wird aus Gründen meiner Resozialisierung, Behandlung und Angleichung beantragt, mir eine E-Mail-Adresse umgehend, hilfsweise unverzüglich, einzurichten, damit ich im längst etablierten Internetzeitalter bei Bedarf darauf zurückgreifen kann.“
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Zur Begründung für die Ablehnung des Antrags nimmt die Antragsgegnerin zunächst eine Auslegung des Antragsbegehrens vor und kommt zum Ergebnis, dass der Antragsteller sowohl die Voraussetzungen hinsichtlich der Einrichtung als auch der späteren Verfügung über eine E-Mail-Adresse geprüft haben möchte.
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Unter Berücksichtigung aller Umstände kommt die Anstalt zu dem Ergebnis, dass im Bayerischen Strafvollzugsgesetz weder der Umgang mit den neuen Medien noch die Einrichtung einer E-Mail-Adresse für Gefangene ausdrücklich geregelt sei. Ein gesetzlicher Anspruch auf die Einrichtung einer E-Mail-Adresse bestehe für Gefangene nicht. Ein solcher Anspruch könne auch nicht aus den Art. 26 ff BayStVollzG hergeleitet werden. Aus diesen Vorschriften ergebe sich insbesondere, dass der Kontakt mit Personen der Außenwelt auf die Kontaktwege Besuche, Briefe und Telefonate beschränkt sei. Es bleibe dem Antragsteller jedoch möglich, sich extern von Dritten eine E-Mail-Adresse einrichten zu lassen und sich den dortigen Posteingang schriftlich zusenden zu lassen. Skype werde zwar bedingt durch die Pandemie in der Anstalt zugelassen. Gesetzlich sei dies jedoch nicht vorgesehen.
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Aus Art. 5 GG, der sowohl die Informationsbeschaffung als auch die Entgegennahme von Information umfasse, lasse sich ebenfalls kein solcher Anspruch herleiten. Die alleinige Einrichtung einer E-Mail-Adresse falle nicht unter den Anwendungsbereich von Art. 5 GG. Bei einer E-Mail-Adresse handele es sich bereits nicht um eine allgemein zugängliche Quelle im Sinne des Art. 5 GG.
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Auch aus dem Angleichungsgrundsatz (Art. 5 Abs. 1 BayStVollzG), ergebe sich keine Anspruchsgrundlage für die Einrichtung einer E-Mail-Adresse. Aus dieser Vorschrift können Gefangene keine unmittelbaren Rechte herleiten. Es sei zwar zutreffend, dass wohl die meisten Gefangenen eine E-Mail-Adresse besitzen würden. Diese würden jedoch aus der Zeit vor der Inhaftierung stammen. Diese Gefangenen hätten jedoch während der Inhaftierung keinen Zugriff auf ihren bereits bestehenden E-Mail-Account. Wie auch bereits im Verfahren SR StVK 438/19 dargelegt, sei die Einrichtung einer privaten E-Mail-Adresse durch die hiesige Anstalt bereits aus tatsächlichen Gründen nicht möglich. Auf sämtlichen PCs der Anstalt sei ein Zugriff auf private E-Mail-Dienste gesperrt. Auch die kurze Freischaltung über wenige Minuten sei organisatorisch nicht umsetzbar. Die Freischaltung könne nicht anstaltsintern durch die hiesige IT-Abteilung vorgenommen werden. Für die Freischaltung dieser Seiten wäre es erforderlich, dass ein entsprechendes Schreiben der Abteilungsleitung an die hiesige IT-Abteilung gerichtet werde. Über den offiziellen Dienstweg, der zu befolgen sei, müsste die hiesige IT-Abteilung die IT-Leitstelle in der Bayerischen Justizvollzugsakademie informieren. Diese wiederum müsste ein Schreiben in das Rechenzentrum im Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung richten. Dort müsse der Antrag geprüft und verbeschieden werden. Bei positiver Verbescheidung müsste vereinbart werden, wann genau die Freischaltung der Seite für welchen Zeitraum zu erfolgen habe. Nach diesem Termin müssten die Seiten seitens des Landesamtes sodann wieder gesperrt werden. Dies sei ein langwieriges Procedere, so dass eine spontane Einrichtung bzw. ein spontaner späterer Zugriff nicht möglich sei.
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Auch aus Gründen der Resozialisierung oder Behandlung, welche ausweislich Art. 2 S. 2 BayStVollzG lediglich als Vollzugsziel formuliert seien, lasse sich kein Anspruch auf Einrichtung einer E-Mail-Adresse herleiten. Auch sei im Übrigen bekannt, dass die Schwester des Antragstellers über eine E-Mail-Adresse verfüge, so dass die Möglichkeit bestehe, dass diese ihm eine E-Mail-Adresse einrichte und die Daten übermitteln könnte. Diese Möglichkeit habe der Antragsteller bis dato nicht genutzt. Die Einrichtung einer E-Mail-Adresse mit der behördeneigenen E-Mail-Adresse sei nicht zulässig. Auch aus Sicherheitsgründen dürften Gefangene keinen Zugang zu Behördenrechnern haben. Auch bei Zurverfügungstellung von PCs, die nicht an das Behördennetz angegliedert seien, sei die Einrichtung einer E-Mail-Adresse und der Zugriff aus datenschutzrechtlichen bzw. sicherheitsbezogenen Aspekten nicht möglich. Eine durchgehende Überwachung durch Bedienstete sei dann erforderlich. In einer unüberwachten Kommunikation könnten z.B. unproblematisch Fluchtpläne oder sicherheitsrelevante Informationen mitgeteilt werden.
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Auch stelle sich die Frage, auf welchem Computer dem Gefangenen der Zugang zu seinem E-Mail-Account bzw. die Einrichtung der E-Mail-Adresse zu ermöglichen wäre. Dienstliche Computer müssten stets für Bedienstete zugänglich sein. Im EDV Raum seien zwar Computer vorhanden. Auf diesen sei jedoch kein Zugriff auf das Internet möglich. Durch die Rechtsprechung sei bereits ein Computer an sich als Gefahr für die Sicherheit und Ordnung der Anstalt anerkannt worden. Auf den Skype-PCs sei zwar ein Internetzugang vorhanden. Allerdings würden während des Skype-Vorgangs diese Pcs für die Gefangenen lediglich ohne Tastatur und Maus zur Verfügung stehen.
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Auch auf die Generalklausel des Art. 6 Abs. 2 BayStVollzG lasse sich kein Anspruch auf Einrichtung einer E-Mail-Adresse aus den vom Antragsteller genannten Gründen der Resozialisierung, Behandlung und Angleichung stützen. Die Einrichtung einer E-Mail-Adresse würde die Sicherheit und Ordnung der Anstalt in erheblicher Weise gefährden. Allein die Einrichtung einer E-Mail-Adresse habe für den Gefangenen keinen Nutzen. Mit der Einrichtung der E-Mail-Adresse gehe auch die Verfügung bzw. Verwendung dieser einher.
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Einen regelmäßigen Zugang zu seinem E-Mail-Account habe der Antragsteller nicht beantragt. Dies sei jedoch insbesondere aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Die Einrichtung einer E-Mail-Adresse über die JVA sei ebenfalls ausgeschlossen.
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Mit Verfügung vom 16.03.2022 wurde der Anstalt die Möglichkeit einer Abhilfe anheimgestellt.
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Der Antragsteller nahm mit Schreiben vom 21.03.2022 zur Stellungnahme der Anstalt, vom 14.03.2022 Stellung und widersprach allen Angaben, die gegen sein Begehren gerichtet seien. Es sei unlogisch, dass die Anstalt erkläre, eine Nutzung erscheine zweifelhaft. Natürlich wolle er mailen. Die Anstalt überwache Skype-Kommunikation. Insofern könnte die Anstalt auch erfolgreich E-Mail-Verkehr überwachen.
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Die JVA nahm mit Schreiben vom 23.03.2022 ergänzend Stellung und führte aus, dass der Antragsteller nicht nur die Einrichtung einer E-Mail-Adresse begehre, sondern auch eine spätere Verfügung darüber.
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Der Antragsteller erhielt Gelegenheit zur Äußerung.
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Mit weiterem Schreiben vom 30.03.2022 führte der Antragsteller zur Auslegung seines Antrags auf gerichtliche Nachfrage hin aus, dass in einem ersten Schritt er die Einrichtung einer E-Mail Adresse begehre. Da die Anstalt wohl an ihrer Verweigerungshaltung festhalten werde, würde ihm nichts anderes übrig bleiben als sodann in einem weiteren Schritt jede Nutzung konkret zu beantragen.
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Die Anstalt nahm dazu mit Schreiben vom 01.04.2022 ergänzend Stellung und hielt an ihrer Antragsauslegung, wie im Bescheid dargelegt, fest.
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Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die vorgenannten Schriftstücke verwiesen und Bezug genommen.
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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet.
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Das Antragsbegehren im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens ist zwar vom Wortlaut her gerichtet auf Aufhebung des angegriffenen Bescheids und sodann einer Verpflichtung der Anstalt, dem Antragsteller die E-Mail-Nutzung zu ermöglichen. Der Antrag ist jedoch zu Gunsten des Antragstellers dahingehend auszulegen, dass zumindest auch hilfsweise eine Aufhebung des ablehnenden Bescheids mit Verpflichtung der Anstalt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, beantragt wird, da nur diese Auslegung seinem Ziel am ehesten gerecht wird.
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Soweit die Anstalt in ihrem ablehnenden Bescheid, der vorliegend Antragsgegenstand ist, zunächst Ausführungen zum Antragsbegehren des Anstaltsantrags vom 19.05.2021 macht, legt das Gericht in der Gesamtschau des Akteninhalts das Begehren dahingehend aus, dass der Antragsteller die Einrichtung einer E-Mail-Adresse und zwar durch die Anstalt und zudem auch die Verfügung über diese E-Mail-Adresse beantragt, damit er bei Bedarf aus Gründen seiner Resozialisierung, Behandlung und Angleichung darauf zurückgreifen kann. Zwar führt der Antragsteller in seinem ergänzenden Schreiben vom 30.03.2022 aus, dass sein Antrag in Sinne eines zweischrittigen Vorgehens zu verstehen sei. Allerdings handelt es sich hierbei um ein Nachschieben auf eine gerichtliche Nachfrage hin, nachdem die Anstalt ihre Sichtweise im angegriffenen Bescheid bereits kundgetan hat, nämlich dass auch eine E-Mail Nutzung abgelehnt werde. Allerdings ist das Begehren dahingehend zu verstehen, dass je nach Bedarf sich der Antragsteller es sich vorbehält, diesen zu konkretisieren und dann jeden einzeln Bedarf erneut zur Prüfung der Anstalt stellt. Mithin geht es ihm derzeit bei der Frage der Nutzung nur generell darum, ob es dem Grunde nach bei einem konkret auftretenden Bedarf aus den im Antrag genannten Gründen möglich ist von der eingerichteten E-Mail Adresse Gebrauch zu machen. Mithin geht es vorerst nur pauschal um die Möglichkeit der E-Mail Nutzung, wobei bei konkretem Bedarf dieser im Wege eines Antrags vom Antragsteller näher dargelegt wird.
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Der Antrag erweist sich hinsichtlich beider Antragsbegehren (Einrichtung und Nutzung E-Mail Adresse) als zulässig und begründet.
1. Antragsgegenstand Einrichtung einer E-Mail-Adresse:
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Die ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin lässt Rechtsfehler erkennen.
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Das Bayerische Strafvollzugsgesetz sieht explizit keine spezielle Regelung vor, nach welcher einem Strafgefangenen die Einrichtung einer E-Mail-Adresse ermöglicht werden kann.
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Die Einrichtung und mithin sodann das Vorhandensein einer E-Mail-Adresse ist zumindest von der allgemeinen Handlungsfreiheit umfasst, da ansonsten, was unstreitig ist, ohne E-Mail-Adresse bestimmte Dinge wie Bestellungen bei ...-Versand oder die Teilnahme an Online-Petitionen durch den Antragsteller persönlich ohne Einschaltung von externen Dritten nicht möglich ist.
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Insofern darf die Verweigerung nur auf eine gesetzliche Grundlage gestützt werden.
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Das Bayerische Strafvollzugsgesetz enthält in Art. 6 Abs. 2 S. 2 eine Generalklausel für Einschränkungen von Rechten. Diese Generalklausel ist vorliegend heranzuziehen, da keine speziellere Regelung im BayStVollzG für das Antragsbegehren vorhanden ist.
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Die Antragsgegnerin hat diese Norm ausweislich des ablehnenden Bescheids geprüft, allerdings im Ergebnis zu Unrecht einen Anspruch des Antragstellers entsprechend seines Begehrens verneint.
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Die Entscheidung lässt Rechtsfehler erkennen. Art. 6 Abs. 2 S. 2 BayStVollzG enthält auf der Tatbestandsebene unbestimmte Begriffe, welche voll gerichtlich überprüfbar sind. Auf der Rechtsfolgenseite besteht ein Ermessen der Anstalt, welches nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist.
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Das Gericht darf die konkrete Maßnahme auf der Rechtsfolgenseite nur überprüfen im Hinblick auf eine Ermessensüberschreitung, einen Ermessensfehlgebrauch oder einen Ermessensnichtgebrauch oder eine Ermessensunterschreitung.
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Prüfungszeitpunkt ist bei Ermessensentscheidungen der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (Arloth StVollzG, § 115 Rnr. 5).
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Als Ausdruck der Gewaltenteilung darf das Gericht nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Vollzugsbehörde setzen, es sei denn, es liegt ein Fall der Ermessensreduzierung auf Null vor. Der Antragsteller hat daher lediglich einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung.
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Fehlerhaft sind Ermessenserwägungen, wenn sie auf unrichtigen oder unvollständigen Tatsachengrundlagen beruhen, Ermessen nicht ausgeübt oder nicht alle ermessensabwägungsrelevanten Aspekte einbezogen wurden. Als fehlerhafte Ermessenserwägungen ist auch eine Falschgewichtung der abwägungsrelevanten Aspekte zu sehen.
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Die Entscheidung der Anstalt ist bereits auf der Tatbestandsseite mit Rechtsfehlern behaftet. Auf Seite 12 im Bescheid führt die Anstalt zwar aus, dass die Einrichtung einer E-Mail-Adresse die Sicherheit und Ordnung der Anstalt in erheblichem Maße gefährden würde. Einige Zeit später führt die Anstalt aus, dass die Einrichtung der E-Mail-Adresse bereits aus technischen bzw. organisatorischen Gründen nicht möglich sei und legt zuvor dar, dass der Antragsteller mit der Einrichtung der E-Mail-Adresse auch die Verfügung beantrage. Sodann wird ausgeführt, dass neben den technischen bzw. organisatorischen Gründen gleichzeitig durch die Einrichtung bzw. jedenfalls die spätere Nutzung der E-Mail-Adresse, die der Gefangene nicht ausschließe, die Sicherheit und schwerwiegenderweise die Ordnung der Anstalt gefährdet würde, was aus den obigen Ausführungen hervorgehe.
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Diese Ausführungen der Anstalt zeigen, dass die Antragsgegnerin die Einrichtung der E-Mail-Adresse und spätere Nutzung vermischt und nicht explizit bei den beiden Antragsbegehren trennt zwischen in ein und demselben Antrag einerseits beantragter Einrichtung und sodann andererseits beantragter anschließender Nutzung. Es kann ggf. nämlich im Ergebnis möglich sein, dass die Einrichtung den gesetzlichen Vorgaben standhält und ggf. die Nutzung nicht. Schon aus diesem Grunde ist eine Vermischung der Begehren unzulässig und eine Prüfung sorgfältig in zwei Schritten vorzunehmen gewesen. Es wäre mithin zweischrittig seitens der Anstalt zu prüfen gewesen, ob aus Art. 6 Abs. 2 BayStVollzG etwaig nur die Nutzung der E-Mail Adresse ausgeschlossen werden kann, hingegen die Einrichtung durch die Anstalt gewährt werden könnte. Die Ausführungen der Anstalt im Bescheid zeigen, dass die dargelegten Gefahrenaspekte sich lediglich auf die Nutzung beziehen. Es ist nach Überzeugung des Gerichts nämlich kein Grund zumindest in erheblicher Sicht dafür zu erkennen, dass die bloße Einrichtung unter dem Aspekt der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt Gefahren begegnet. Soweit datenschutzrechtliche Aspekte seitens der Anstalt genannt werden, ist dem Begehren des Antragstellers nicht zu entnehmen, dass er die Einrichtung unüberwacht vornehmen möchte. Die Schreiben des Antragstellers lassen lediglich erkennen, dass die spätere Nutzung etwaig durch Sperrung bestimmter Seiten ohne Kon-trolle und Überwachung möglich sein könnte. Überdies ist nicht ersichtlich, weshalb die Einrichtung einer behördeneigenen E-Mail-Adresse wie ...bayern.de nicht möglich sein sollte. Die Anstalt führt in Ihrem Bescheid lediglich aus, dass die Einrichtung einer solchen E-Mail-Adresse nicht zulässig sei. Es ist jedoch bei isolierter Betrachtung der Frage der Einrichtung nicht erkennbar, weshalb bei Besitz dieser Adresse eine erhebliche Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung bestehen würde. Soweit dabei an Aspekte einer missbräuchlichen Verwendung nach einer Entlassung etwaig zu denken wäre, ist dies hier seitens des Gerichts rein hypothetisch, da eine Entlassung sich aktuell in keinster Weise abzeichnet. Überdies könnte die Genehmigung der Einrichtung einer E-Mail-Adresse auch einschränkend dahingehend lediglich erteilt werden, dass diese bei Entlassung wieder aufzulösen ist.
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Soweit die Anstalt auf die fehlenden technischen Möglichkeiten auf den Behörden-PCs verweist ist überdies nicht bedacht worden seitens der Anstalt, dass der Antragsteller Ausführungen zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit erhält und dabei ggf. durch Aufsuchen eines öffentlichen Computers eine Einrichtung vorgenommen werden könnte. Diese Möglichkeit wird nicht in Betracht gezogen im Rahmen der Prüfung des Gefahrenaspekts. Anders als bei einem Behörden PC besteht dadurch keine Gefahr des Einblicks in etwaige behördeninterne Daten und der Gefangene könnte unter Aufsicht die Seite des E-Mail Anbieters öffnen und sodann müsste der begleitende Beamte lediglich bei Eingabe des Passworts für ganz wenige Sekunden die Augen schließen und Wegschauen, so dass denktheoretisch in dieser minimalen Sekundenzeit sich jegliches Gefahrenpotential jedenfalls derart minimiert, dass keine Erheblichkeitsschwelle im Sinne der Generalklausel erreicht ist.
2. Antragsbegehren Nutzung der E-Mail-Adresse:
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Richtigerweise zieht die Anstalt zwar wiederum Art. 6 BayStVollzG im Sinne der Generalklausel mangels expliziter gesetzlicher Regelung hinsichtlich eines Anspruchs auf Nutzung einer E-Mail-Adresse heran, lehnt jedoch jedenfalls ermessensfehlerhaft die Nutzung ab.
43
Eine umfassende Einzelfallprüfung im Rahmen der Ermessensausübung im Sinne der Unerlässlichkeit der Ablehnung verkennt die Anstalt, dass durch die Nutzung der E-Mail Adresse das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) eingeschränkt wird. Die Anstalt befasst sich in ihrem Bescheid mit Art. 5 GG lediglich unter dem Aspekt der Informationsfreiheit und nimmt nicht in den Blick, dass anders als die Einrichtung einer E-Mail-Adresse auch hier eine zweischichtige Prüfung erforderlich ist und mithin jedenfalls für den Aspekt der Nutzung die Meinungsfreiheit tangiert ist. Mit der Nutzung von E-Mail-Adressen naturgemäß geht einher, dass E-Mails nicht nur empfangen, sondern auch selbst welche versendet werden. Zumindest ist dies dem Begehren des Antragstellers zu entnehmen, der betont, mailen zu wollen als eine umfängliche E-Mail-Nutzung bei Bedarf im Sinne des Absendens und Empfangens von Mails. Eine fehlende Einzelfallprüfung ist auch daran zu erkennen, dass die Anstalt auf Seite 11 in ihrem Bescheid bezüglich der PCs im EDV-Raum auf eine gerichtliche Entscheidung auf Seite 10 verweist, diese sich jedoch mit dem Prüfungsmaßstab des Art. 72 BayStVollzG auseinandersetzt. Die Unerlässlichkeitsprüfung im Sinne des Art. 6 Abs. 2 S. 2 BayStVollzG ist jedoch nicht einschränkend dahingehend zu verstehen, dass eine abstrakte Gefahr von den PCs für eine Verneinung des Zugangs ausreichend ist. Auch die konkrete Person des Antragstellers, der gerichtsbekannt sehr viel mit Behörden kommuniziert und daher nicht ausschließbar die Kommunikation über E-Mail als Resozialisierungsbedarf für diese Zwecke benutzen will, wird hingegen nicht vorgenommen. Auch individuelle Gesichtspunkte im Hinblick auf das Verhalten des Antragstellers im Strafvollzug etc. werden nicht gewürdigt.
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Auch setzt die Anstalt sich nicht mit der Möglichkeit auseinander, dass der Antragsteller zum Beispiel händisch oder mit einer Schreibmaschine oder im PC-Raum mithin offline ein Schreiben verfassen könnte, das sodann unter Aufsicht des Bediensteten vom Antragsteller eingescannt werden kann und sodann nur noch abgespeichert werden muss und in der Folge von einem Bediensteten als geschlossener Anhang lediglich auf einem extra für Gefangene eingerichteten PC, auf dem außer E-Mail-Programmen sonstige Internetseiten gesperrt sind, in einem kurzen zeitlichen Akt von wenigen Sekunden dann per E-Mail angefügt wird und sodann die E-Mail unter Aufsicht durch Wegschauen von lediglich Sekunden bei Eingabe des Passwortes versendet wird. Etwaige Missbrauchsgefahren und Aspekten der Sicherheit und Ordnung der Anstalt sind bei diesen kurzen zeitlichen theoretischen Möglichkeiten trotz gesperrten Zugriffs Zugang zu nehmen wohl anders zu beurteilen, als die Anstalt in ihrem Bescheid für die Konstellation, dass der Antragsteller direkt am PC schreibt, der einen Internetzugang hat, es vorgenommen hat.
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Überdies ist es sachfremd, dass die Anstalt damit argumentiert, dass die Beschäftigung mit der E-Mail Nutzung beim Antragsteller derzeit quasi im Hinblick auf die fehlende Entlassungsperspektive verfrüht sei. Extramural ist im Bereich der Kommunikation die Kommunikation mit modernen Kommunikationsmitteln wie E-Mailen weit verbreitet, auch im Bereich zum Zugang zu Behörden. Ein Gefangener, der Kommunikation per E-Mail nicht vertraut ist, ist daher in der Gesellschaft nicht mehr „up to date“ und kann auch mit Ängsten vor einer Entlassung im Hinblick auf das fehlende Zurechtkommen in der Gesellschaft einhergehen. Daher ist bereits ein frühzeitiges Erlernen des Umgangs mit modernen Kommunikationsmitteln sinnvoll und kann ggf. auch ein Motivationsschub sein, aktiv an den erforderlichen Behandlungsmaßnahmen für eine Entlassung mitzuwirken. Vergleich der Argumentation des Bundesverfassungsgerichts, dass Ausführungen zur Erhaltung der Lebenstüchtigkeit bei Strafgefangenen bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe Haftschäden vorbeugen sollen und nicht erst bei Eintritt von Haftschäden damit anzufangen ist, ist dazu vergleichbar auch mit dem Erlernen von Techniken der modernen Kommunikation in einem Stadium anzusetzen, in welchem noch die Möglichkeit besteht, dass durch ein Erlernen solcher Techniken ebenfalls einem Haftschaden im Sinne der Gefahr, dass der Gefangene nicht entlassen werden will aus Angst draußen technikmäßig nicht mehr mithalten zu können und vollständig überfordert zu sein, zu begegnet werden kann.
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Eine Ermessensreduktion auf Null liegt nicht vor, so dass lediglich eine erneute Verbescheidung im Tenor ausgesprochen werden konnte.
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Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 121 Abs. 2 S. 1 StVollzG, die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den § 60, 52 Abs. 1–3 GKG.