Titel:
Gegenerklärung, Hinweisbeschluss, Abschalteinrichtung, Klagepartei, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kosten des Berufungsverfahrens, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Beweisbeschlüsse, Zurückweisung der Berufung, Abgasskandal, Kostenentscheidung, Sicherheitsleistung, Abweichende Beurteilung, Beweisaufnahme, Revisionszulassung, Aussicht auf Erfolg, Streitwert, Darlegungslast, Berufungsgericht, Deliktische Haftung
Schlagworte:
Abgas-Skandal, Gebrauchtwagenkauf, Dieselmotor, Berufungszurückweisung, Kaltstartheizen, Prüfstanderkennungssoftware, Thermofenster
Vorinstanz:
LG Passau, Endurteil vom 29.10.2021 – 4 O 610/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 30.09.2025 – VIa ZR 477/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 61515
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom 29.10.2021, Aktenzeichen 4 O 610/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Passau ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 22.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Klagepartei macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit dem sog. Abgas-Skandal geltend.
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Sie erwarb am 01.08.2019 von dritter Seite einen gebrauchten BMW 330D xdrive A, EU5, für 21.700,00 €. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor des Typs N57 verbaut.
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Die Klagepartei wurde mit Hinweisbeschluss des Senats vom 04.02.2022 darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Hierzu hat sie mit Schriftsatz vom 01.03.2022 Stellung genommen.
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Bezüglich der näheren Einzelheiten wird auf den Inhalt des angegriffenen Urteils, die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats vom 04.02.2022 sowie auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren verwiesen.
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Die Berufung der Klagepartei ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlussweg als unbegründet zurückzuweisen, da der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
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Der Senat hält das Urteil des Landgerichts zumindest im Ergebnis für offensichtlich zutreffend. Auf die Hinweise vom 04.02.2022, in denen der Senat im Einzelnen erläutert hat, weshalb er die Berufung bei Abstellen auf die zur „Dieselproblematik“ ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung i.S.v. § 522 Abs. 2 ZPO für unbegründet hält, wird verwiesen.
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1. Voranzustellen ist, dass die Gegenerklärung im Wesentlichen neuen Vortrag enthält. So wird nunmehr erstmals bei näherer Darlegung zum Einsatz der Funktion des Kaltstartheizens vorgetragen. Weiter wird diesbezüglich eine nicht zielführende Stellungnahme des Sachverständigen Dr.*** vom 09.12.2021 vorgelegt, da sich diese schon nicht auf den streitgegenständlichen Motor N57, EU5, bezieht. Untersucht wurden vielmehr die Motorsteuerungen der BMW-Motoren B37 und B47.
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In der Berufungsbegründung finden sich keine entsprechenden Ausführungen zum Kaltstartheizen noch ist ihr zu entnehmen, dass erstinstanzlich hierzu Vortrag gehalten worden wäre. Es wird lediglich pauschal hinreichend substantiierter Vortrag der Klagepartei bei Verweis auf zwischenzeitlich in Parallelverfahren ergangene Hinweis- und Beweisbeschlüsse behauptet. Darunter finden sich auch solche zur Funktion des Kaltstartheizens, die sich fast ausschließlich wiederum auf andere Motoren beziehen. Der bloße Hinweis auf diese Entscheidungen, der jeder Substanz entbehrt, genügte dabei – wie im Hinweisbeschluss ausgeführt – der Darlegungslast der Klagepartei nicht.
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Der jetzige Vortrag ist mithin unbeachtlich. Die der Klagepartei eingeräumte Frist zur Stellungnahme gemäß § 522 Abs. 2 S.2 ZPO ermöglicht keine Art „zweite Berufungsbegründung“. Die in der Gegenerklärung enthaltenen und im Berufungsverfahren neuen Angriffsmittel sind deshalb schon gemäß §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO zwingend zurückzuweisen (vgl. z.B. Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 530 Rnr. 4; Rimmelspacher in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2012, § 522 Rnr. 28) und werden zurückgewiesen.
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Deren Zulassung würde die Erledigung des Rechtsstreits, die hier sogleich durch eine Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erfolgen kann, verzögern, sollte diesbezüglich – wie nicht – eine Beweisaufnahme veranlasst sein.
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Die Verspätung wurde auch nicht entschuldigt. Es wird nicht erläutert, weshalb erst jetzt zur Funktion des Kaltstartheizens vorgetragen werden konnte. Außerdem erschließt sich nicht, dass und weshalb die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme zu dieser Funktion bei der gebotenen gründlichen Aufarbeitung des Prozessstoffes nicht bereits in erster Instanz bzw. jedenfalls innerhalb der Berufungsbegründungsfrist möglich gewesen sein sollte, zumal die Berufungsbegründung vom 23.12.2021 datiert. Der Senat hat daher davon auszugehen, dass die Verspätung des nunmehrigen Vortrags auf Nachlässigkeit beruht, d.h. unentschuldigt ist.
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2. Die Gegenerklärung der Klagepartei vom 01.03.2022 ergab, dessen ungeachtet, keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung.
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Für eine deliktische Haftung der Beklagten, insbesondere eine solche gemäß §§ 826, 31 BGB und § 831 BGB ist auch bei Abstellen auf die dortigen Darlegungen kein Raum. Eine Beweisaufnahme ist nicht veranlasst.
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a. Die Ausführungen im Hinweisbeschluss zum Fehlen zureichender Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Prüfstanderkennungssoftware bzw. Umschaltlogik (entsprechend der im VW-Motor EA 189 implementierten) und für das Vorhandensein sonstiger verwaltungsrechtlich unzulässiger streitiger Abschalteinrichtungen besitzen nach wie vor Geltung.
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Die Klagepartei kann sich insoweit auch nicht auf den Beschluss des BGH vom 25.11.2021, III ZR 202/20, berufen.
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Der dortige Kläger hat bezüglich der Abgasrückführung ersichtlich zwei unter-schiedliche Betriebsmodi behauptet, je nachdem, ob sich das Fahrzeug im Prüfzyklus oder auf der Straße befindet. Hier fehlt indessen schon schlüssiger Vortrag zum Vorhandensein einer entsprechenden Umschaltlogik. Dass die Bedingungen, unter denen das Fahrzeug „sauber“ ist, unter Prüfbedingungen – anders als im realen Betrieb durch den Nutzer auf der Straße – stets gegeben sind, wie etwa bei einem auf die im Prüfstand herrschenden Außentemperaturen ausgerichteten Thermofenster, genügt dafür nicht.
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Auch nach dem erstmaligen Vortrag in der Gegenerklärung zum Kaltstartheizen differenziert diese Funktion nicht gezielt danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand befindet oder nicht. Dementsprechend soll es im Realbetrieb auch nur seltener zum Kaltstartheizen kommen.
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Zudem waren dort greifbare Anhaltspunkte vorgetragen worden, die den Verdacht begründeten, das Fahrzeug weise eine unzulässige Abschalteinrichtung auf. Nach den bindenden tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Beklagte in dem vom BGH entschiedenen Fall insbesondere nicht in Abrede gestellt, dass die Motorsteuerungssoftware erkennen könne, ob nur die Antriebsachse rotiert, der Lenkradeinschlag nicht mehr als 15 Grad beträgt und Radio sowie Multimedia-Einheit ausgeschaltet sind.
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Hier hat sich die Klagepartei bzw. Berufung indessen bereits überwiegend mit Fahrzeugen und Motoren anderer oder unklarer Provenienz befasst. Dies gilt etwa auch für das vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main erholte Gutachten, mit dem sich der Senat – anders als in der Gegenerklärung behauptet – durchaus auseinandergesetzt hat.
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Im Übrigen wurde auch auf die vorgetragenen Messungen eingegangen.
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Dass dabei – wie in der zitierten BGH-Entscheidung – Messwerte der Deutschen Umwelthilfe vorgelegt worden wären, aus denen sich ergeben hätte, dass ein getestetes vergleichbares EU5-Fahrzeug den Grenzwert für den NOx-Ausstoß im realen Fahrbetrieb um den Faktor 9,7 überschritten hat, ist der Gegenerklärung dabei nicht zu entnehmen. Ausweislich der Berufungsbegründung lagen bei den untersuchten EU5-BMW-Fahrzeugen mit dem Motor N57 vielmehr wesentliche geringere Überschreitungen um den Faktor 4,5 vor.
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Letztlich wurden hier in der gebotenen Gesamtschau etwaige darin zu sehende Anhaltspunkte für das Vorliegen der behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtungen jedenfalls entkräftet.
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So verweist die Gegenerklärung selbst bezüglich der Notwendigkeit einer diesbezüglichen Beweiserhebung auf einen Beweisbeschluss des Oberlandesgerichts München, Az. 32 U 1565/20, betreffend einen BMW, EU5, mit dem Motor N57.
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Die Berufung der dortigen Klagepartei wurde indessen zwischenzeitlich nach der insoweit erholten amtlichen Auskunft des KBA, wie die Klägervertreter wissen, durch Urteil vom 15.07.2021 zurückgewissen. Darin wird ausgeführt, dass die weiteren Messungen des KBA in den letzten Jahren zu keinen weiteren Beanstandungen bei der Beklagten geführt hätten. Im Zuge der Aufarbeitung des Dieselskandals seien auch deren Dieselfahrzeuge untersucht worden. Die Untersuchungen des hier betroffenen Fahrzeugtyps hätten nicht zur Feststellung von unzulässigen Abschalteinrichtungen geführt. Dies habe auch die vom Senat erholte amtliche Auskunft des KBA vom 16.11.2020 bestätigt.
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b. Auch bezüglich des Thermofensters bleibt es bei den Ausführungen im Hinweisbeschluss.
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Anhaltspunkte dafür, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung des Thermofensters im Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, hat die Klagepartei bzw. Berufung nicht aufgezeigt.
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Die, deshalb schon nicht zu sekundärer Darlegung verpflichtete, Beklagte hat dies auch nicht eingeräumt.
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Anlass zur Zulassung der Revision besteht nicht. Die Rechtslage ist bei Verweis auf die im Hinweisbeschluss zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen hinreichend geklärt. Basieren im Ergebnis voneinander abweichende Entscheidungen auf unterschiedlichen tatrichterlichen Feststellungen, führt dies nicht zu einer Divergenz i.S.d. Revisionsrechts. Selbst wenn ein Berufungsgericht im Einzelfall trotz identischen Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis – z.B. bei der Beurteilung der Frage, ob hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorgebracht wurden – als ein anderes gleich- oder höherrangiges Gericht gelangt, begründet auch dies für sich allein nicht die Notwendigkeit der Revisionszulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Es kommt vielmehr darauf an, ob eine Divergenz in Rechtsfragen oder ein Rechtsfehler mit symptomatischer Bedeutung vorliegt (BGH, Beschluss vom 16.09.2003 – XI ZR 238/02). Beides ist hier nach Einschätzung des Senats nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.