Titel:
Bestellung eines Notanwalts, Kostenentscheidung, Prozesskostenhilfe, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Rechtsbeschwerde, Einzelrichter, Rechtsverfolgung, Ablehnung der Bestellung, Mitwirkung eines Rechtsanwalts, Vertretungsbereiter Rechtsanwalt, Hauptsachestreitwert, Beschlussgegenstand, Monatsfrist, Streitwert, Nichtabhilfebeschluss, Anwaltsprozess, Fristwahrung, Antrag auf Prozeßkostenhilfe, Landgerichte, Rechtliches Gehör
Schlagworte:
Notanwalt, Beschwerdeverfahren, Rechtsanwaltssuche, Fristversäumnis, Mandatsübernahme, Generalversammlung, Kostenentscheidung
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 06.07.2022 – 6 O 11737/21
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 10.03.2023 – 7 W 1216/22
VerfGH München, Entscheidung vom 24.09.2025 – Vf. 66-VI-22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 61508
Tenor
1. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 6.7.2022 (Az.: 6 O 11737/21) wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,- € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1
Der Kläger ist Mitglied (Genosse) in der beklagten Genossenschaft. Mit seiner von ihm selbst ohne Mitwirkung eines Rechtsanwalts formulierten, am 31.8.2021 bei Gericht eingegangenen Klage wendet er sich gegen einen Beschluss der Generalversammlung der Beklagten vom 31.7.2021. In der Klageschrift hat er die Bestellung eines Notanwalts beantragt.
2
Durch den angegriffenen Beschluss hat das Landgericht die Bestellung eines Notanwalts abgelehnt. Hiergegen richtet sich die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers, der das Landgericht mit Beschluss vom 22.8.2022 nicht abgeholfen hat. Auf den Inhalt von Ausgangsbeschluss und Nichtabhilfebeschluss wird Bezug genommen.
3
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Ablehnung der Bestellung eines Notanwalts wird jedenfalls getragen von der Erwägung des Landgerichts, dass der Kläger ein erfolgloses Bemühen um einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt nicht hinreichend dargetan hat.
4
Im (hier gegebenen, § 78 ZPO) Anwaltsprozess hat das Gericht einer Partei einen Notanwalt zu bestellen, wenn sie einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint (§ 78b ZPO). Das Landgericht hat beide vorstehend genannte Voraussetzungen verneint.
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Der erkennende Einzelrichter lässt ausdrücklich offen, ob – wie das Landgericht meint – die Erfolgsaussicht schon mit der Erwägung verneint werden kann, der Kläger habe die materielle Ausschlussfrist des § 51 Abs. 1 S. 2 GenG versäumt. Zur parallel gelagerten Vorschrift des § 246 Abs. 1 AktG ist hoch umstritten, ob die Monatsfrist durch einen Antrag auf Prozesskostenhilfe jedenfalls dann gewahrt wird, wenn in der Folgezeit Prozesskostenhilfe bewilligt wird (vgl. zum Meinungsstand etwa Spindler / Stilz / Dörr, AktG, § 246 Rz. 17 mit Fn. 30, 31). Für die Fristwahrung könnte sprechen, dass ansonsten das rechtliche Gehör der mittellosen Partei verkürzt würde. Diese Überlegungen gelten für die Frist des § 51 Abs. 1 S. 2 GenG entsprechend und lassen sich möglicherweise auch auf den Antrag auf Bestellung eines Notanwalts übertragen.
6
Dies kann jedoch dahinstehen; jedenfalls ist dem Landgericht darin zu folgen, dass sich der Kläger auf der Basis seines eigenen Sachvortrags nicht hinreichend um die Findung eines vertretungsbereiten Rechtsanwalts bemüht hat.
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Der Kläger schildert, dass er sich bei insgesamt 11 Kanzlei vergeblich um eine Vertretung bemüht hat. Dies würde an sich für die Annahme eines erfolglosen Bemühens ausreichen; die Rechtsprechung verlangt in der Regel die Ansprache von vier bis fünf Kanzleien (vgl. Zöller / Althammer, ZPO, 34. Aufl., § 78b Rz. 24 m.w.Nachw.).
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Soll der angesprochene Anwalt eine fristgebundene Sache vertreten (hier: Wahrung der Frist des § 51 Abs. 1 S. 2 GenG), dann genügt die Ansprache des Anwalts am letzten Tag der Frist nicht für die Annahme, ein vertretungsbereiter Anwalt sei nicht zu finden, weil dann damit zu rechnen war, dass jeder Anwalt das Mandat wegen mangelnder Vorbereitungszeit ablehnen wird (vgl. BAG, Beschluss vom 25.8.2014 – 8 AZN 226/14 [A]; Zöller / Althammer a.a.O.). Damit relativiert sich das vom Kläger vorgetragene Bemühen, denn neun der 11 Kanzleien hat er nach seinem eigenen Vortrag erst am letzten Tag der Frist angesprochen. Damit verbleiben zwei Kanzleien (… & …), die er so rechtzeitig angesprochen hat, dass er mit einer Mandatsübernahme zumindest rechnen konnte. Dies ist angesichts der Vielzahl der in München zugelassenen Rechtsanwälte zu wenig, um davon auszugehen, dass der Kläger einen vertretungsbereiten Rechtsanwalt nicht finden konnte.
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Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass er einige Zeit für die Überlegung brauchte, ob er gegen den Beschluss der Generalversammlung überhaupt vorgehen wollte, ist darauf zu verweisen, dass die Monatsfrist der §§ 246 Abs. 1 AktG, 51 Abs. 1 S. 2 GenG nach der typisierten Vorstellung des Gesetzgebers für den Aktionär oder Genossen ausreichend bemessen ist, um sich zur Inanspruchnahme von Rechtsschutz zu entschließen und einen Anwalt zu mandatieren und zu instruieren.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Als Streitwert für das Beschwerdeverfahren über die Bestellung eines Notanwalts erachtet der erkennende Einzelrichter ein Zehntel des Hauptsachestreitwerts für angemessen (§ 3 ZPO). Den Hauptsachestreitwert bemisst der Senat bei gesellschaftsrechtlichen Beschlussmängelklagen regelmäßig mit 10.000,- € je Beschlussgegenstand. Vorläufig ist nur ein Beschlussgegenstand angefochten.
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Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (§ 574 Abs. 2 ZPO) nicht vorliegen. Zu entscheiden waren lediglich Verfahrensfragen. Die abstrakten Voraussetzungen für die Bestellung eines Notanwalts sind durch die Rechtsprechung geklärt. Auf dieser Basis waren die Umstände des Einzelfalles zu würdigen.
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Aus dem selben Grund verbot sich auch die Übertragung des Beschwerdeverfahrens auf den Senat nach § 568 Abs. 1 S. 2 ZPO. Gesetzlicher Richter ist damit der Einzelrichter des Senats (§ 568 Abs. 1 S. 1 ZPO).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.