Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 22.12.2022 – 7 UF 73/22
Titel:

Anhörungsrüge, Verletzung des rechtlichen Gehörs, Rechtliches Gehör, Gehörsverletzung, nachträgliche Zulassung, Einstellung der Zwangsvollstreckung, Anspruch auf rechtliches Gehör, Entscheidungserhebliches Vorbringen, Rechtsbeschwerdezulassung, Hinweisbeschluss, Auskunftsanspruch, Prozeßhandlungen, Gehörsrüge, Antragstellers, Beschlüsse, Darlegungs- und Beweislast, Nichtzulassung der Beschwerde, Rechtsirrtum, BGH-Beschluss, Entscheidungsgründe

Schlagworte:
Anhörungsrüge, rechtliches Gehör, Stellungnahmefrist, Rechtsauffassung, Prozesshandlung, Zwangsvollstreckung
Vorinstanzen:
OLG Bamberg, Beschluss vom 05.12.2022 – 7 UF 73/22
AG Würzburg, Teilbeschluss vom 24.03.2022 – 5 F 1821/21
AG Würzburg vom -- – 5 F 1821/21
Rechtsmittelinstanz:
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 26.08.2025 – 1 BvR 208/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 61490

Tenor

1. Die Anhörungsrüge der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Senats vom 05.12.2022 wird auf Kosten der Antragstellerinnen zurückgewiesen.
2. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung findet nicht statt.
3. Der Beschluss des Senats vom 05.12.2022 ist nicht zu ergänzen.
4. Der Antrag der Antragstellerinnen, gegen den Senatsbeschluss vom 05.12.20222 die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wird abgelehnt.

Gründe

1
Die nach § 321a ZPO statthafte Anhörungsrüge ist zurückzuweisen, weil eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht vorliegt. Der Senat hat seine Rechtsauffassung im Hinweisbeschluss vom 17.10.2022 mitgeteilt und auf die maßgeblichen Umstände hingewiesen. Die Antragstellerinnen hatten innerhalb einer verlängerten Stellungnahmefrist die Gelegenheit, dazu vorzutragen. Auch vor Erlass des Beschlusses bestand umfangreich die Möglichkeit, tatsächlich und rechtlich Stellung zu nehmen.
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1. § 113 Abs. 1 S. 1 FamFG, § 321a ZPO eröffnet nach allgemeiner Auffassung ausschließlich die Möglichkeit, einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend zu machen. Andere Rechtsverletzungen können nach § 321a ZPO nicht gerügt werden, so dass auf eine Anhörungsrüge hin nur zu prüfen ist, ob das Gericht gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen hat, also seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BGH, Beschluss vom 14. April 2016 – IX ZR 197/15, BGH, Beschluss vom 23. August 2016 – VIII ZR 79/15 –, Rn. 1 – 5, juris). In dem so gesteckten Rahmen ist eine Anhörungsrüge nur zulässig, wenn mit ihr eine neue und eigenständige Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das erkennende Gericht gerügt wird. Dabei ist gemäß § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 5 ZPO in substantiierter Weise darzulegen, dass das Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (BGH, Beschlüsse vom 17. Februar 2015 – XI ZR 17/14, juris Rn. 2; vom 12. Dezember 2012 – V ZR 7/12, juris Rn. 2; jeweils mwN).
3
Denn eine solche Rechtsverletzung kann nicht schon darin gesehen werden, dass das Gericht die Rechtslage abweichend von der Auffassung der Anhörungsrüge beurteilt hat (BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2008 – VII ZR 159/07, juris Rn. 3; vom 20. November 2007 – VI ZR 38/07, NJW 2008, 923 Rn. 6).
4
Vielmehr muss zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hinzukommen, dass sich aus besonderen Umständen des Falles klar ergibt, dass das Gericht entscheidungserhebliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat.
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Zwar lässt in Fällen, in denen das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht eingeht, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, dieser Umstand auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG, Beschluss vom 27. Mai 2016 – 1 BvR 1890/15, juris Rn. 15; BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2016 – VII ZR 28/15, IHR 2016, 124 Rn. 7; vom 16. März 2011 – VIII ZR 338/09, WuM 2011, 300 Rn. 3; jeweils mwN).
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Da das Gericht aber nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich oder jedenfalls mit einer bestimmten Intensität zu befassen, erfordert die substantiierte Darlegung einer Gehörsverletzung in einer Anhörungsrüge unter anderem auch, dass die Rüge sich nicht auf eine wiederholende Darstellung oder Rechtfertigung des vermeintlich übergangenen Vorbringens beschränkt.
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Sie muss vielmehr zugleich anhand der angegriffenen Entscheidung näher herausarbeiten, dass darin ein Rechtsstandpunkt eingenommen worden ist, bei dem das als übergangen gerügte Vorbringen schlechthin nicht unberücksichtigt bleiben konnte und seine Nichtberücksichtigung sich deshalb nur damit erklären lässt, dass es nicht zur Kenntnis genommen worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2012 – V ZR 79/12, juris Rn. 3).
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2. Der Senat hat den Anspruch der Antragstellerinnen auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 113 FamFG, § 321a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 3 ZPO). Auf die beabsichtigte Entscheidung wurde mit Beschluss vom 17.10.2022 hingewiesen. Zu diesem Hinweis haben die Antragstellerinnen mit Schriftsatz vom 25.11.2022 Stellung genommen. Diese Stellungnahme wurde vom Senat geprüft und anschließend ist eine abschließende Entscheidung ergangen. Für eine Gehörsverletzung ist daher kein Raum.
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Die Anhörungsrüge beschränkt sich in ihrem Kern darauf, zu beanstanden, dass im Beschluss der Sachvortrag sowie der eigene rechtliche Standpunkt nicht hinreichend gewürdigt worden seien, und daher die Antragstellerinnen abweichende Rechtsanwendung begehren und diese wiederholen überwiegend die auf den Hinweisbeschluss des Senats vorgetragenen Rechtsargumente – welche der Senat – entgegen der Behauptung der Antragstellerinnen durchaus verstanden und gewertet hat.
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Soweit die Anhörungsrüge beanstandet, der Senat habe nicht berücksichtigt, dass eine Haftung aus Sicht der Antragstellerinnen, der Kinder der Verstorbenen, nicht gewollt gewesen sei, die Zuwendung eines Teils der Immobilie schuldenfrei erfolgen sollte und die Übernahme der Finanzierung als Ausgleich für die Haushaltstätigkeit erfolgte, so wird darauf verwiesen, dass die Antragstellerinnen diese Argumente mehrfach und zuletzt auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 17.10.2022 mit Schreiben vom 25.11.2022 vorgebracht haben. Der Senat hat im Beschluss vom 05.12.2022 auf die aus Sicht des Senates maßgeblichen Umstände Bezug genommen. Insofern die Gehörsrüge meint, dass diese Ausführungen des Senates das rechtliche Gehör der Antragstellerinnen verletzen, so ist dies nicht der Fall. Denn der Senat hat die vorgetragenen Argumente zur Kenntnis genommen und rechtlich den Sachverhalt gewertet. Der Senat hat aufgrund des vorliegenden konkreten Falles im Einzelfall entschieden, dass die Schulden ab dem Zeitpunkt des Erbfalls zu berücksichtigen sind und die Finanzierung durch eine Folgefinanzierung fortgesetzt worden ist. Durch das Versterben der Ehefrau hat sich auch die bis dahin – im Sinne der Antragstellerinnen angenommene – Verteilung verändert (Beschluss, S. 13). Die angebotenen Beweise waren nicht zu erheben, weil diese für den Streitfall unerheblich sind. Die Darlegungs- und Beweislast wird nicht verkannt, sondern zutreffend gewertet. Der Senat hat sich aber aufgrund des Vortrages vielmehr eine eigene Überzeugung bilden können, so dass es auf die Frage der Beweislast letztlich nicht ankommt, da der Sachvortrag gewertet werden konnte. Dies erfolgte anders als die Antragstellerinnen dies begehren.
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Auch soweit die Gehörsrüge ausführt, dass der Senat „im angegriffenen Beschluss wie bereits im vorangegangen Hinweisbeschluss“ davon ausgehe, dass das Darlehen abgelöst worden sei, liegt erkennbar keine Rüge des rechtlichen Gehörs, sondern der Rechtsauffassung des Senats vor.
12
Der Antrag wurde auf § 1698 Abs. 1 BGB gestützt (Antragsschrift S. 7 vom 04.11.2021). Der Antrag der Antragstellerinnen bestimmt den Streitgegenstand und die Rechtswegzuständigkeit.
13
Zur Zurverfügungstellung der Mittel durch Dritte hat der Senat – entgegen der Ansicht in der Antragstellerinnen – Stellung genommen (vgl. Beschluss, S. 19).
14
Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen wurde eine Teilerledigung nicht erklärt, sondern nur angekündigt. Die Erklärung ist nur die Ankündigung einer Erklärung und keine Prozesshandlung an sich. Prozesshandlungen sind grundsätzlich bedingungsfeindlich, d.h. sie dürfen im Interesse der Rechtssicherheit in Hinsicht auf die innerprozessuale Rechtslage im Regelfall in ihrer prozessualen Wirkung nicht vom Eintritt eines ungewissen Ereignisses abhängig gemacht werden. Die Ankündigung eine Handlung vorzunehmen, wenn der Senat seine Rechtsauffassung nicht ändern werde, ist aber eine solch unzulässige Bedingung, denn die Antragstellerinnen haben es nicht in der Hand, ob ihr Vorbringen beim Senat durchgreift oder nicht.
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Soweit die Antragstellerinnen meinen, dass eine Auskunft aufgrund § 1698 Abs. 1, 259 Abs. 1 BGB geschuldet sei und der Senat hierüber nicht entschieden habe, wird auf Tenorziffer 2 und die Gründe auf S. 22 der Entscheidung verwiesen. Einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Erträge haben die Antragstellerinnen nicht. Diesbezüglich führen diese sogar in der Rüge aus, dass sie Erträge nicht behauptet hätten. Ein Auskunftsanspruch auf eine „Verwaltung der vereinnahmten Kaufpreisanteile“ ergibt sich erkennbar nicht. Die Antragstellerinnen wissen, dass der Kaufpreisanteil vom Antragsgegner vereinnahmt worden ist und eine getrennte Aufbewahrung nicht erfolgte. Hinsichtlich der weiteren Ansprüche wird schließlich auf die Ausführungen verwiesen.
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3. Eine Anhörungsrüge führt nur dann zu einer nachträglichen Zulassung der Rechtsbeschwerde, wenn der Senat das rechtliche Gehör verletzt hat und das Verfahren gemäß § 44 FamFG fortsetzt. Es muss sich aus der Anhörungsrüge ein Zulassungsgrund ergeben, welcher in der Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt. Das Gericht kann grundsätzlich die Bindung an seine eigene Entscheidung gemäß § 45 FamFG nicht außer Kraft setzen.
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Dies ist vorliegend aus keinem Gesichtspunkt der Fall, da sich der Senat mit den Argumenten der Antragstellerinnen auseinandergesetzt hat und ausdrücklich über die Nichtzulassung der Beschwerde entschieden hat. Soweit diese meinen, der Senat habe das Recht falsch angewendet, so kann dies nicht vorliegend mit der Rüge geltend gemacht werden, da ein (vermeintlicher) Rechtsirrtum nicht gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verstößt.
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Einen entscheidungserheblicher Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, der darin besteht, dass auf die Zulassungsentscheidung bezogener Vortrag verfahrensfehlerhaft übergangen worden ist, liegt nicht vor. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
19
Die Antragstellerinnen rügen die Anwendung des Rechts auf den vorliegenden Sachverhalt durch den Senat. Selbst wenn man aber den Ausführungen in rechtlicher Hinsicht folgen würde, so läge ein Rechtsirrtum vor, welcher eine nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde nicht begründen kann (BGH, Beschluss vom 09.11.2017, Az.: V ZB 25/17, Rnr. 9, juris). Vielmehr setzten die Antragstellerinnen ihr Verständnis vom Rechtsfall an die Stelle des Senats. Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör folgt allerdings nicht, dass sich das Gericht die Auffassung desjenigen Beteiligten, der die Gehörsverletzung behauptet, zu eigen machen muss.
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4. Aus vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus der Entscheidung des Senats ebenfalls zurückzuweisen war.