Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 15.12.2022 – 16 U 2909/20
Titel:

Vorläufige Vollstreckbarkeit, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Klagepartei, Streitwerterhöhung, Kosten des Berufungsverfahrens, Sittenwidrigkeit, Kostenentscheidung, Nutzungsentschädigung, Sicherheitsleistung, Aussicht auf Erfolg, Fahrlässigkeit, Rückabwicklung des Kaufvertrags, Rechtshängigkeit, Rechtsprechung des BGH, Gegenerklärung, Nebenforderungen, Abweichende Schlussfolgerung, Haftungsbegründendes, Aussetzungsentscheidung, Berufungszurückweisung

Schlagworte:
Berufungszurückweisung, Schadensersatzanspruch, Rückabwicklung, Sittenwidriges Handeln, Fahrzeugmangel, Streitwertbestimmung, Vorläufige Vollstreckbarkeit
Vorinstanz:
LG Amberg vom 03.08.2020 – 22 O 15/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 23.07.2025 – VIa ZR 1720/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 61264

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Amberg vom 03.08.2020, Aktenzeichen 22 O 15/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Amberg und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 40.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Amberg vom 03.08.2020 sowie den vom Senat erteilten Hinweis vom 08.11.2022 Bezug genommen.
2
Die Klagepartei beantragt in der Berufungsinstanz:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 36.161,61 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%Punkten über dem Basiszinssatz seit 08.01.2020 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Pkw Audi A5 Coupe 3.0 TDI, Fahrzeug-Ident.-Nr. …, zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs Audi A5 Coupe  3.0 TDI, Fahrzeug-Ident.-Nr. … seit 21.12.2019 in Verzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, als nicht streitwerterhöhende Nebenforderung Kosten der außergerichtlichen Rechtsvertretung in Höhe von 1.954,46 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.
3
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
4
Der Senat hat am 08.11.2022 einen Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO erteilt. Die Klagepartei hat mit Schriftsatz vom 12.12.2022 Stellung genommen.
II.
5
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Amberg vom 03.08.2020, Aktenzeichen 22 O 15/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
6
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
7
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
8
Die Gegenerklärung erschöpft sich weitgehend in Darstellungen und Überlegungen tatsächlicher und rechtlicher Art, die von der Klagepartei im Verfahren bereits vorgetragen wurden und die der Senat geprüft und behandelt hat. Der Senat nimmt zur Kenntnis, dass die Klagepartei den Ausführungen des Senats ihre eigenen – abweichenden – Schlussfolgerungen und Bewertungen entgegensetzt; er hält jedoch an den im Hinweis dargelegten und begründeten Standpunkten fest.
9
Abweichendes ergibt sich insbesondere auch nicht aus der vorgelegten Pressemitteilung der Deutschen Umwelthilfe vom 17. November 2022. Insoweit wird auf die im vorausgegangenen Hinweis des Senats näher ausgeführten Anforderungen an den klägerischen Vortrag zu positiven Anhaltspunkten für die Behauptung haftungsbegründender Umstände im Hinblick auf das streitgegenständliche Fahrzeug verwiesen. Der Vortrag zu Protokollen und Unterlagen aus den Jahren 2006 und 2009 lassen einen konkreten Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug (Baujahr 2012) vermissen. Soweit das Thermofenster betroffen sein soll ändert das pauschale Vorbringen auch nichts an den diesbezüglich maßgeblichen, im vorausgegangenen Hinweis des Senats näher ausgeführten Voraussetzungen für die Annahme sittenwidrigen Handelns. Der Vortrag, man sei zuvor allgemein über „die rechtlichen Probleme“ und darüber informiert worden, dass die Produktparameter Auswirkungen auf die Einhaltung behördlicher Vorschriften „haben können“, ändert daran, dass die Rechtslage diesbezüglich zum Zeitpunkt der Typgenehmigung nicht ausreichend geklärt war, nichts. Im Übrigen beziehen sich die vorgelegten Unterlagen auf Fahrzeuge mit SCR-Abgasnachbehandlungssystemen, welche im streitgegenständlichen Fahrzeug unstreitig nicht vorhanden sind.
10
Mit den Ausführungen des Generalanwalts R. vom 2. Juni 2022 in der beim Europäischen Gerichtshof anhängigen Rechtssache C-100/21 hat sich der Senat in seinem Hinweis umfassend auseinandergesetzt. Der Senat nimmt wiederum zur Kenntnis, dass die Klagepartei den Ausführungen des Senats ihre eigenen – abweichenden – Schlussfolgerungen und Bewertungen entgegensetzt; er hält jedoch auch insoweit an den im Hinweis dargelegten und begründeten Standpunkten fest. Eine den Standpunkten des Senats entgegenstehende Rechtsprechung des BGH ist nicht ersichtlich; eine solche wird insbesondere auch nicht durch eine – in der Sache ohnehin nicht eindeutige – bloße Pressemitteilung oder durch das – nicht näher begründete – Absetzen von Verhandlungsterminen begründet. Eine Aussetzungsentscheidung des BGH im Hinblick auf die anstehende Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-100/21 existiert – anders als in der Vergangenheit zu europarechtlichen Fragen vom BGH praktiziert (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2022, Az: VIII ZR 149/21) – nicht.
11
Aus den Schlussanträgen ergibt sich gerade nicht, dass die in Umsetzung der RL 2007/46/EG erlassenen §§ 6 und 27 EG-FGV als Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zu betrachten wären, die dem Käufer auch bei bloßer Fahrlässigkeit des Herstellers einen deliktischen Schadensersatzanspruch gegen den Hersteller in der Form, dass der Käufer die Rückabwicklung des mit dem Hersteller oder einem Dritten abgeschlossen Kaufvertrages über das Fahrzeug verlangen kann, geben (vgl. hierzu ausführlich Riehm ZIP 2022, 2309, 2310 ff. m.w.Nw.). Das gilt auch soweit sich die Klagepartei auf die Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 RL 2007/46/EG beruft.
12
Mangels Entscheidungserheblichkeit ist damit auch keine Aussetzung gemäß (oder analog) § 148 ZPO veranlasst.
III.
13
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
14
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, §§ 709, 711 ZPO.
15
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.
16
Maßgeblich ist das aus der Gesamtschau (Gestaltung der Anträge; etwaige eigene ausdrückliche Wertangaben) ersichtliche subjektive Rechtsschutzziel der Klagepartei (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2021 – VII ZR 206/21, Rn. 6 ff. bei juris, insbesondere zu Anlass und Umfang der Berücksichtigung einer Nutzungsentschädigung, die als möglicher Abzugsposten in das Ermessen des Gerichts gestellt wird). Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.