Inhalt

OLG München, Hinweisbeschluss v. 21.02.2022 – 18 U 3318/20
Titel:

Sittenwidrigkeit, Abschalteinrichtung, Arglistige Täuschung, Klagepartei, Vorsätzliche sittenwidrige Schädigung, Parallelverfahren, Besondere Verwerflichkeit, Abgasskandal, Unzulässigkeit, Greifbare Anhaltspunkte, Verrichtungsgehilfen, Darlegungs- und Beweislast, Unerlaubte Handlung, Aussicht auf Erfolg, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Bewusster Gesetzesverstoß, Zurückweisung, Gesetzeswidrigkeit, Einholung eines Sachverständigengutachtens, Gelegenheit zur Stellungnahme

Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Sittenwidrigkeit, Abschalteinrichtung, Thermofenster, Beweislast, Schadensersatz, Arglist
Vorinstanz:
LG Traunstein, Endurteil vom 27.04.2020 – 5 O 285/20
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 28.03.2022 – 18 U 3318/20
BGH Karlsruhe, Urteil vom 23.07.2025 – VIa ZR 562/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 61259

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 27.04.2020, Az. 5 O 285/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 27.04.2020 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dies zeigt die Berufungsbegründung nicht auf. Das Landgericht hat die auf Schadensersatz wegen des Erwerbs eines angeblich vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw gerichtete Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen.
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Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich um einen Pkw … mit einem Motor der Baureihe EA 288 (EU 6) mit SCR-Katalysator.
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1. Das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§§ 826, 31 BGB) hat die Klagepartei nicht nachvollziehbar dargelegt.
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a) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19 Rn. 15 m.w.N.). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, welche die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH a.a.O.).
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In dem vorstehend zitierten, grundlegenden Urteil zum Diesel-Abgasskandal vom 25.05.2020 (Az.: VI ZR 433/19) hat der Bundesgerichtshof die Sittenwidrigkeit damit begründet, dass der Fahrzeughersteller bei der Motorenentwicklung die strategische Entscheidung getroffen habe, die Typgenehmigung durch arglistige Täuschung des Kraftfahrtbundesamtes zu erschleichen und die derart bemakelten Fahrzeuge sodann in den Verkehr zu bringen und dabei die Arglosigkeit und das Vertrauen der Fahrzeugkäufer gezielt auszunutzen. Ein solches Verhalten stehe einer bewussten arglistigen Täuschung derjenigen, die ein solches Fahrzeug erwerben, gleich (BGH a.a.O., Rn. 25).
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Demgegenüber hält der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 19.01.2021 (Az. VI ZR 433/19 Rn. 17) fest, dass der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) nicht mit der Fallkonstellation zu vergleichen sei, die der grundlegenden Entscheidung vom 25.05.2020 zum … Motor EA189 zugrunde gelegen habe, bei der die Software bewusst und gewollt so programmiert gewesen sei, dass die gesetzlichen Abgaswerte nur auf dem Prüfstand, nicht aber im normalen Fahrbetrieb eingehalten würden (Umschaltlogik). Bei dem Einsatz eines Thermofensters fehle es an einem derartigen arglistigen Verhalten des beklagten Automobilherstellers, das die Qualifikation seines Verhaltens als objektiv sittenwidrig rechtfertigen würde. Bei dieser Sachlage wäre der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber der Beklagten nur gerechtfertigt, wenn zu dem – unterstellten – Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setze jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehle es hieran, sei bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt. Dabei trage die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen die Klagepartei als Anspruchsteller (BGH a.a.O., Rn. 19).
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b) Gemessen an diesen Grundsätzen ergibt sich im Streitfall Folgendes:
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Soweit die Klagepartei das Vorhandensein mehrerer unzulässiger Abschalteinrichtungen an ihrem Fahrzeug behauptet und hierfür zum Beweis die Einholung eines Sachverständigengutachtens oder die Einvernahme von Zeugen angeboten hat, hat das Landgericht zu Recht von der Einholung der angebotenen Beweise abgesehen. Konkreter nachvollziehbarer Vortrag der Klagepartei, aus dem sich das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung verbunden mit einem sittenwidrigen Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen, insbesondere einer arglistigen Täuschung oder eines bewussten Gesetzesverstoßes ergeben könnte, fehlt.
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aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 13.07.2021 – VI ZR 128/20, Rn. 20). Eine Partei darf auch von ihr nur vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Rechtsstreit einführen, wenn sie mangels entsprechender Erkenntnisquellen oder Sachkunde keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen hat (BGH a.a.O., Rn. 21 m.w.N.). Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt (BGH a.a.O., Rn. 22 m.w.N.). Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist allerdings Zurückhaltung geboten. In der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte vorliegen (BGH a.a.O.).
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bb) Selbst unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe fehlen vorliegend greifbare Anhaltspunkte für ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten im oben dargelegten Sinne.
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(1) Der Verweis der Klagepartei auf den Beschluss des BGH vom 28.01.2020, VIII ZR 57/19, verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Anders als im Kaufrecht, wo ein Sachmangel bereits in jeder – im Ergebnis – unzulässigen Abschalteinrichtung vorliegen kann, muss die Klagepartei im Rahmen des § 826 BGB eine unzulässige Abschalteinrichtung darlegen, aus deren Vorhandensein mit ausreichender Wahrscheinlichkeit auf die notwendigen subjektiven Vorstellungen der Verantwortlichen der Beklagten geschlossen werden kann (s.o.). Die Substantiierungslast, d.h. die erforderliche Darlegung greifbarer bzw. hinreichender Anhaltspunkte, ist mithin vorliegend aus Rechtsgründen höher.
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(2) Insbesondere stellen die von der Klagepartei als Indiz für illegale Eingriffe in die Motorsteuerungssoftware vorgetragenen Messergebnisse keine hinreichenden Anhaltspunkte dar. Der Hinweis auf Diskrepanzen zwischen Stickoxidemissionen unter Prüfstandbedingungen, die zur Erlangung der Typgenehmigung für das der Euro-6-Norm unterfallende streitgegenständliche Fahrzeug noch allein maßgeblich waren, und unter normalen Betriebsbedingungen auf der Straße genügt nicht (vgl. zu einem der Euro-5-Norm unterfallenden Fahrzeug BGH, Urteil vom 13.07.2021 – VI ZR 128/20, Rn. 23). Dies gilt vor allem auch für die von der Klagepartei angeführten Messungen der Deutschen Umwelthilfe, die unter nicht nachvollziehbaren Bedingungen auf der Straße stattgefunden haben. Da der europäische Gesetzgeber für die Schadstoffnormen Euro 5 und Euro 6 im Jahr 2013 die Messung allein im Prüfstandbetrieb festgelegt hatte und erst zwischenzeitlich für Neufahrzeuge Messungen im Normalbetrieb vorschreibt, kommt es gerade nicht darauf an, dass das streitgegenständliche Fahrzeug im Normalbetrieb die der Zulassung zugrunde liegenden Werte im NEFZ (Neuen Europäischen Fahrzyklus) nicht einhält.
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(3) Soweit sich die Klagepartei auf einen Rückruf der … Modelle beruft, ergeben sich hieraus noch keine Anhaltspunkte für das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung, geschweige denn für ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten bezogen auf das streitgegenständliche Fahrzeug. Dies gilt umso mehr, als dem Senat aus zahlreichen Parallelverfahren bekannt ist, dass bei einem Rückruf des KBA wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung als Grund ausdrücklich die „unzulässige Abschalteinrichtung“ genannt wird, während beim Modell … der Rückruf wegen einer Konformitätsabweichung bzw. Überschreitung des Euro-6-Grenzwerts für Stickoxide erfolgt ist, was sich aus der Rückrufdatenbank des KBA ergibt. Dies ist auch aus dem von der Beklagten vorgelegten Schreiben des KBA vom 19.11.2018 (Anlage B1) ersichtlich.
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(4) Entgegen der Ansicht der Klagepartei können entsprechende Anhaltspunkte für ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nicht ihrem Vorbringen zu angeblichen Manipulationen im Zusammenhang mit dem SCR-Katalysator, hier das Vorliegen einer Umschaltstrategie durch Lenkwinkelerkennung, Temperaturerkennung und Zeiterfassung, auch beim Motor EA 288 entnommen werden.
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Anhaltspunkte für das Vorliegen einer der Umschaltlogik vergleichbaren Abschalteinrichtung, wonach nur im Prüfstand und nicht im Realbetrieb die Abgasrückführungsrate (AGR-Rate) bis zum Erreichen der Betriebstemperatur des SCR-Katalysators erhöht wird, lassen sich entgegen der Behauptung der Klagepartei weder dem sog. „Statusbericht Diesel“ der Beklagten vom 21.10.2015 noch den sog.
„Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EA 288“ der Beklagten vom 18.11.2015 oder den Darstellungen der Klagepartei selbst entnehmen.
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Insbesondere waren sowohl der Statusbericht Diesel als auch die Applikationsrichtlinien dem KBA nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten seit Ende 2015 bekannt, ohne dass deswegen ein Rückruf des Fahrzeugs durch das KBA angeordnet worden wäre.
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Vielmehr geht aus dem Bericht der Untersuchungskommission „…“ vom April 2016 hervor, dass sich Hinweise, nach denen die aktuell laufende Produktion der Fahrzeuge mit Motoren der Baureihe EA 288 (Euro 6) ebenfalls von Abgasmanipulationen betroffen sei, auf Grundlage der Überprüfungen des KBA nicht bestätigt hätten. Zudem hat das BMVI auf Pressemeldungen am 12.09.2019 nochmals per Twitter reagiert (vgl. Anlage B 3). Es hat hierzu mitgeteilt, dass die Vorwürfe nicht neu seien und das KBA bereits 2016 eigene Messungen, Untersuchungen & Analysen durchgeführt habe. Unzulässige Abschalteinrichtungen hätten dabei NICHT festgestellt werden können und zwar auch nicht in Gestalt einer unzulässigen Zykluserkennung. Dies wird auch durch die vom KBA in zahlreichen Parallelverfahren in den Jahren 2020 und 2021 erteilten Auskünfte zu Fahrzeugen mit Motoren der Reihe des EA 288 bekräftigt. Darin verweist das KBA auf die von ihm durchgeführten, sehr umfassenden Untersuchungen an Fahrzeugen mit Motoren der Reihe EA 288, so z.B. im Rahmen der „Untersuchungskommmission …“, der freizugebenden Software-Updates für das Nationale Forum Diesel sowie im Rahmen spezifischer Feldüberwachungstätigkeiten. Bei keinem der untersuchten Fahrzeuge habe eine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt werden können.
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Im Hinblick auf das Vorhandensein einer Fahrkurvenerkennung verweist das KBA im Übrigen im Rahmen mehrerer in Parallelverfahren erteilten Auskünfte darauf, dass der bloße Verbau einer Prüfstand- bzw. Fahrkurvenerkennung nicht als unzulässig beurteilt werde, solange die Funktion nicht als Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Abs. 10 der Verordnung (EG) 715/2007 genutzt werde. Prüfungen im KBA hätten gezeigt, dass auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten würden. Anhaltspunkte für die gegenteilige pauschale Behauptung der Klagepartei, dass das streitgegenständliche Fahrzeug ohne die von der Klagepartei beanstandete Funktion des Katalysators bei der NEFZ-Prüfung die gesetzlichen Grenzwerte nicht einhalten würde, sind nicht nur weder dargetan noch ersichtlich, sondern auch durch die vorgenannten Auskünfte des KBA widerlegt. Zugleich lässt es der Umstand, dass das KBA trotz Offenlegung der Funktion keinen verbindlichen Rückruf angeordnet, sondern nach umfassenden Überprüfungen das Vorliegen unzulässiger Abschalteinrichtungen bei dem Motor der Baureihe EA 288 verneint hat, als nicht ausschließbar erscheinen, dass auch die Verantwortlichen der Beklagten von der Zulässigkeit einer solchen Funktion ausgingen.
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Angesichts der eindeutigen Positionierung des KBA gerade auch zur Frage der Grenzwertrelevanz kann wiederum den für die Beklagte handelnden Personen nicht unterstellt werden, dass sie in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden oder Emissionen gezielt auf dem Prüfstand zu manipulieren.
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(5) Soweit die Klagepartei behauptet, dass das vorhandene Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, rechtfertigt dies den Vorwurf der Sittenwidrigkeit ebenfalls nicht.
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Wie oben dargelegt, reicht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Einsatz eines Thermofensters – dessen Unzulässigkeit unterstellt – für sich genommen nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB zu begründen. Anhaltspunkte dafür, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung des Thermofensters in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, zeigt die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klagepartei im Streitfall auch in der Berufungsbegründung nicht auf.
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Gegen ein besonders verwerfliches Verhalten der Beklagten sprechen wiederum die vom KBA durchgeführten umfassenden Überprüfungen und die fehlende Beanstandung des Motors. Hinzu kommt, dass die Rechtslage bei der Beurteilung der Zulässigkeit des von allen Herstellern eingesetzten Thermofensters angesichts der kontrovers geführten Diskussion über Inhalt und Reichweite der Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 a VO (EG) Nr. 715/2007 als unsicher anzusehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2021 – VII ZR 179/21 –, juris Rn. 20), was die Klagepartei selbst einräumt (Berufungsbegründung S. 7). Auch in dem Bericht der vom Bundesverkehrsministerium eingesetzten Untersuchungskommission … ist von der Unschärfe dieser Ausnahmevorschrift die Rede, die auch weite Interpretationen zulasse (Anlage B 1, S. 123). Eine möglicherweise nur fahrlässige Verkennung der Rechtslage genügt aber für die Feststellung der besonderen Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten – ebenso wie für den erforderlichen Schädigungsvorsatz – nicht (vgl. BGH a.a.O., Rn. 31 f.). Die vom EuGH nunmehr mit Urteil vom 17.12.2020 (Rechtssache C-693/18, NJW 2021, 1216) vorgenommene Auslegung der vorgenannten Vorschrift vermag an einer zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls vertretbaren Einschätzung der Beklagten nichts zu ändern.
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2. Ein Anspruch der Klagepartei aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheitert bereits daran, dass es an der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden fehlt (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20, Rn. 18 ff.).
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3. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV steht der Klagepartei nicht zu, da der von ihr geltend gemachte Schaden nicht in den Schutzbereich der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV fällt (vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, Rn. 72 ff.; Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20, Rn. 10 ff.). Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs an, der auch die Voraussetzungen einer unionsrechtlichen Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV in Bezug auf § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV und Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 geprüft und verneint hat. Diese Ansicht wird vom VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geteilt (vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.2021 – VII ZR 326/21), der außerdem zutreffend dargelegt und begründet hat, warum die Stellungnahme der Europäischen Kommission vom 19. Dezember 2019 ebenfalls keinen Anlass gibt, an der Annahme eines „acte clair“ zu zweifeln (vgl. BGH a.a.O., Rn. 3).
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4. Ein Anspruch aus § 831 BGB scheidet ebenfalls aus, da eine unerlaubte Handlung eines Verrichtungsgehilfen nicht nachgewiesen ist.