Titel:
Ergänzungsgutachten, Abschalteinrichtung, Gegenerklärung, Darlegungs- und Beweislast, Kosten des Berufungsverfahrens, Abgasskandal, Substantiierungslast, Greifbare Anhaltspunkte, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Nutzungsentschädigung, Sicherheitsleistung, Sachverständigengutachten, Außergerichtliche Rechtsverfolgung, Landgerichte, Streitwert, Prüfungsumfang, Annahmeverzug, Tatsächliche Feststellungen, BGH-Entscheidung, Sittenwidrigkeit
Schlagworte:
Abgasskandal, Schadensersatzklage, Thermofenster, Berufungsverfahren, Beweislast, Sachverständigengutachten, Rückrufpflicht
Vorinstanz:
LG Ingolstadt vom 29.09.2021 – 73 O 2128/20 Die
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 25.06.2025 – VIa ZR 701/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 61173
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Ingolstadt vom 29.09.2021, Aktenzeichen 73 O 2128/20 Die, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 30.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Tatsächliche Feststellungen
1
Die Parteien streiten um Schadensersatz nach dem Kauf eines PKWs, der vom sog. Abgasskandal betroffen sein soll.
2
Der Kläger erwarb am 27.04.2016 einen Audi A6 Avant 3.0 TDI zu einem Kaufpreis von 40.590,00 € mit einem Kilometerstand von 89.805 Kilometer. Im Fahrzeug ist unstreitig ein von der Beklagten hergestellter V6-TDI EU5 – Monoturbo-Motor (180 kW) verbaut. Das Fahrzeug ist nicht von einem verpflichtenden Rückruf des KBA betroffen. Zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Erstgericht betrug der Kilometerstand 186.808 km.
3
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 29.09.2021 Bezug genommen, § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO.
4
Das Landgericht Ingolstadt hat die Klage abgewiesen, da der Kläger weder bezüglich des Thermofensters noch bezüglich sonstiger behaupteter Abschalteinrichtungen seiner Darlegungs- und Beweislast, wonach die Beklagte trotz der Überprüfung und abschließenden Beurteilung des KBA deliktisch haften soll, nachgekommen sei.
5
Hiergegen wendet sich der Kläger der Kläger mit seiner Berufungsbegründung vom 29.11.2021 (Bl. 290/326).
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Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ingolstadt vom 29.09.2021, Az.: 73 O 2128/20 Die (Bl. 291):
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 40.590.00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2019 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 12.693,15, Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges Audi A6 Avant 3.0 TDI mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer…, zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 07.12.2019 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 2.025,36 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.12.2019 an die Klagepartei zu zahlen.
4. Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt, Az.: 73 O 2128/20 Die, verkündet am 29.09.2021 und zugestellt am 30.09.2021, aufzuheben und zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Ingolstadt zurückzuverweisen.
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Die Beklagte beantragt (Bl. 333),
die Berufung zurückzuweisen.
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Der Senat hat mit Beschlüssen vom 14.01.2022 (Bl. 328/331) und 29.03.2022 (Bl. 406/417) darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Hierzu hat der Kläger mit Schriftsätzen vom 01.02.2022 (Bl. 393/405) und 06.04.2022 (Bl. 418/426) Stellung genommen.
9
Ergänzend wird auf die von den Parteien im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die Berufung des Klägers ist im Beschlusswege als unbegründet zurückzuweisen, da sämtliche Voraussetzungen hierfür gemäß § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen.
11
Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Ingolstadt vom 29.09.2021 ist richtig. Das Ersturteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Vielmehr rechtfertigen die Tatsachen, die der Senat im Rahmen des durch § 529 ZPO festgelegten Prüfungsumfangs der Beurteilung des Streitstoffes zugrunde zu legen hat, keine andere Entscheidung. Weder die Ausführungen des Klägers in seiner Berufungsbegründung vom 29.11.2021 noch die in den Gegenerklärungen vom 01.02. und 06.04.2022 vermögen dem Rechtsmittel zum Erfolg zu verhelfen, da sie das Ersturteil nicht erschüttern.
12
Zur Begründung wird zunächst auf die Hinweise des Senats Bezug genommen, dabei wurde in dem Hinweis vom 29.03.2022 bereits ausführlich zur Gegenerklärung vom 01.02.2022 Stellung genommen, so dass nur mehr ergänzend zur Gegenerklärung vom 06.04.2022 auszuführen ist:
Zu I. Sachverständigengutachten…
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Die erneuten Ausführungen des Klägers zum Ergänzungsgutachten… vom 31.08.2020 (Anlage K 29) hat der Senat zur Kenntnis genommen, ist aber auch nach deren Lektüre der Überzeugung, dass sich diesem Ergänzungsgutachten kein Anhaltspunkt für eine über das Thermofenster hinausgehende Abschalteinrichtung entnehmen lässt. Dafür war die Versuchsreihe, die sich noch dazu auf ein anderes Fahrzeugmodell mit anderer Form, Gewicht, etc. bezog, zu eindeutig auf die verschiedenen Temperaturbereiche ausgelegt, so dass diese Divergenz jegliche andere möglicherweise bestehende Kausalität überlagert und diesbezüglich zu keinerlei Rückschlüssen taugt. Der Hinweis auf angebliche Ergänzungsfragen des LG Bielefeld vom 16.03.2022 in irgendeinem anderen Diesel (?) – Verfahren vermag ebenfalls keine Anhaltspunkte für eine Haftung der Beklagten zu begründen.
14
Zur etwaigen Haftung der Beklagten im Zusammenhang mit einem Thermofenster, die der Kläger wohl auf S. 2 seiner Gegenerklärung erneut in den Blick nimmt, ist alles gesagt (vgl. S. 6/7 des Hinweises vom 29.03.2022).
Zu II. Übertragbarkeit des Gutachtens
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Da das Ergänzungsgutachten … schon keine Anhaltspunkte für eine etwaige Haftung der Beklagten liefert, kommt es auf dessen Übertragbarkeit und die Erläuterungen des Sachverständigen … nicht an, wie vom Senat bereits im Hinweis vom 29.03.2022, S. 9 ausgeführt.
Zu III. Auskünfte des KBA
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Insoweit wird ebenfalls auf den Hinweis vom 29.03.2022, S. 9, Bezug genommen. Soweit der Kläger die Bewertungen des KBA in Zweifel zieht, ersetzt dies keinen Vortrag, der ein objektiv sittenwidriges Verhalten der Beklagten nahelegen würde.
Zu VI. BGH – Entscheidung zur Substantiierungslast
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Der erneute Hinweis auf den Beschluss des BGH vom 25.11.2021 – III ZR 202/20 ändert ebenfalls nichts, denn der hiesige Sachverhalt unterscheidet sich maßgeblich von demjenigen, welcher dem Beschluss zugrunde lag. Der dortige Kläger hatte greifbare Anhaltspunkte vorgetragen, die den Verdacht begründeten, das Fahrzeug weise eine unzulässige Abschalteinrichtung auf. Davon kann vorliegend keine Rede sein, auch nicht anhand des auf S. 8 der Gegenerklärung zusammengetragenen Klägervortrages, der offensichtlich ins Blaue hinein erfolgt ist und mit dem hiesigen Fahrzeug, für das es gerade keinen Rückruf gibt, nichts zu tun hat. Zudem hatte nach den bindenden tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts die Beklagte im vom BGH entschiedenen Fall nicht in Abrede gestellt, dass die Motorsteuerungssoftware erkennen könne, ob nur die Antriebsachse rotiert, der Lenkradeinschlag nicht mehr als 15 Grad beträgt und Radio sowie Multimedia-Einheit ausgeschaltet sind. Die hiesige Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung vom 01.12.2020 (Bl. 70 ff.) bestritten, dass unzulässige Abschalteinrichtungen zum Einsatz kommen.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1 ZPO und §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.