Titel:
Kein Schadensersatzanspruch wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Dieselfahrzeug (hier: Audi A4 Allroad 3.0 TDI)
Normenketten:
VwVfG § 24 Abs. 1 S. 1, S. 2
ZPO § 522 Abs. 2
BGB § 826
Leitsätze:
1. Greifbare Anhaltspunkte für eine von Arglist getragene Abschalteinrichtung ergeben sich aus den vereinzelten Rückrufen für Fahrzeuge mit Motoren des Typs EA 897 und EA 896 der Schadstoffklasse 5 nicht. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die bloße Behauptung, es sei nicht sicher gestellt, dass in allen Schaltprogrammen die Grenzwerte eingehalten werden, legt noch kein sittenwidriges Verhalten der Herstellerin, insbesondere kein "Erschleichen der Typgenehmigung" nahe. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Überschreitung von Grenzwerten im realen Fahrbetrieb stellt kein Indiz für unzulässige Abschalteinrichtungen dar. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, V6-Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 5), unzulässige Abschalteinrichtung, Thermofenster, Getriebemanipulation, Erschleichen der Typgenehmigung, realer Fahrbetrieb, Überschreitung von Grenzwerten
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 20.09.2021 – 21 U 3427/21
LG Ingolstadt vom 05.05.2021 – 33 O 445/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 02.07.2025 – VIa ZR 242/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 61065
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 05.05.2021, Aktenzeichen 33 O 445/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.567,25 € festgesetzt.
Gründe
1
Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche, die die Klagepartei gegen die Beklagte wegen des Erwerbs eines Diesel-Pkws geltend macht.
2
Die Klagepartei erwarb am 15.12.2015 zu einem Preis von 39.900,00 € brutto einen Gebrauchtwagen … 180 kW. Der Kaufpreis war finanziert, es entstanden Darlehenskosten in Höhe von 681,01 € (im Hinweisbeschluss irrtümlich mit 1.824,08 € bezeichnet).
3
Das Auto ist mit einem V6-Dieselmotor ausgestattet. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich um einen Motor EA 897 (so die Klagepartei) oder um einen Motor EA 896 Gen2 (so die Beklagte) handelt. Die Beklagte ist die Herstellerin des Wagens und des Motors.
4
Das Fahrzeug hat die Schadstoffklasse Euro 5. Es ist nicht von einem Rückruf des Kraftfahrtbundesamts (im Folgenden KBA) betroffen.
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Die Abgasreinigung erfolgt im streitgegenständlichen Fahrzeug über die Abgasrückführung. Dabei wird ein Teil der Abgase wieder der Verbrennung im Motor zugeführt, was zu einer Verringerung der Stickoxidemissionen führt. Die Abgasrückführung wird innerhalb eines bestimmten Temperaturfensters reduziert („Thermofenster“). Das Fahrzeug verfügt nicht über einen SCR-Katalysator zur Abgasnachbehandlung.
6
Die Klagepartei begehrte erstinstanzlich zuletzt die Verurteilung zur Zahlung des Kaufpreises nebst Darlehenskosten und Verzugszinsen, unter Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
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Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.
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Das Landgericht hat die Klage nach formloser Anhörung des Klägers mit Urteil vom 05.05.2021 als unbegründet abgewiesen. Ein Schadensersatzanspruch sei nicht ausreichend dargetan und unter Beweis gestellt.
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Hiergegen wendet sich die Klagepartei mit der Berufung und begründet diese mit Schriftsatz vom 01.07.2021 (Bl. 318 ff. d.A.). Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung verwiesen.
10
Die Klagepartei beantragt unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ingolstadt, 33 O 445/20 verkündet am 05.05.2021 und zugestellt am 06.05.2021,
- 1.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger Partei 39.900 € zuzüglich Darlehenskosten in Höhe von 681,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2020 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 10.013,76 Euro Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges mit der Fahrgestellnummer … zuzahlen.
- 2.
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Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 07.01.2020 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1 bezeichneten Gegenstandes in Annahmeverzug befindet.
- 3.
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Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2434,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2020 zu zahlen.
Hilfsweise zu 3: Die Beklagte wird verurteilt, an die … Versicherung die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1682,01 € und nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.01.2020 zu zahlen und den Kläger von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 752,73 € freizustellen.
Hilfsweise, das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Ingolstadt, 33 O 445/20 verkündet am 05.05.2021 und zugestellt am 06.05.2021, aufzuheben und zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen.
Hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
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Mit Beschluss vom 20.09.2021 hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat.
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Die Beklagte ist dem mit Schriftsatz vom 13.10.2021 beigetreten. Sie meint, ein Anspruch des Klägers bestehe nicht. Das Fahrzeug verfüge nicht über unzulässige Abschalteinrichtungen. Dies ergebe sich auch aus einer als Anlage BE 1 vorgelegten Auskunft des KBA. Das KBA habe Kenntnis von den technischen Gegebenheiten des Thermofensters gehabt.
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Die Klagepartei ist dem Hinweisbeschluss mit Schriftsatz vom 10.11.2021 entgegen getreten. Sie ist der Auffassung, der Senat verkenne die Aussagekraft der „Liste der betroffenen Fahrzeuge“ des KBA. Für die … AG werde in der Liste die Bezeichnung des übergeordneten Motorentyps (OM651) aufgeführt, was vergleichbar mit dem Motor EA 896 oder EA 897 der Beklagten sei.
15
Das vom Landgericht Bielefeld erholte Ergänzungsgutachten … sei auf das streitgegenständliche Fahrzeug übertragbar. Es handle sich zwar um ein anderes Modell, aber unstreitig um den gleichen Motor. Die Übertragbarkeit ergebe sich auch aus dem Gutachten des Sachverständigen …, der die Merkmale für Typ, Variante und Version eines Fahrzeugs erläutere. Zudem stünden die Messungen des Sachverständigen … in keinem ursächlichen Zusammenhang mit einem etwaigen Thermofenster des Fahrzeugs. Dieses habe keinen (negativen) Einfluss auf die vorgenommenen Messungen. Vielmehr sei es dem Gutachter um das Aufspüren von Abschalteinrichtungen gegangen. Die Umgebungstemperatur sei dabei nur einer der möglichen Parameter gewesen.
16
Das KBA habe in der Vergangenheit bei Fahrzeugen der Modelle .. und .. der Schadstoffnorm Euro 6 die Strategien A und B festgestellt. Das Gutachten .. verdeutliche, dass diese Abschalteinrichtungen bereits in Fahrzeugen der Schadstoffklasse 5 zum Einsatz gekommen seien.
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Im Hinblick auf die Getriebemanipulation stelle die Beklagte mittlerweile verfahrensübergreifend unstreitig, dass es ein Warmlaufschaltprogramm gebe, das nur auf dem Prüfstand aktiv sei. Sie habe das Warmlaufprogramm sowie die in dem Fahrzeug vorhandene Lenkwinkelerkennung dem KBA im Typgenehmigungsverfahren nicht offen gelegt. Die Klagepartei wiederholt und vertieft ihren Vortrag zum Warmlaufprogramm, insbesondere führt sie aus, es sei nicht sichergestellt, dass die Grenzwerte auf dem Prüfstand im Dynamischen Schaltprogramm eingehalten würden.
18
Die das Warmlaufprogramm ansteuernde Lenkwinkelerkennung und das Warmlaufschaltprogramm seien damit grenzwertkausal. Die Beklagte habe sich diesbezüglich die Typgenehmigung erschlichen. Das Vorgehen der Beklagten zeuge von einer höheren kriminellen Energie als die „simple“ Implementierung unzulässiger Abschalteinrichtungen, da es sich bei dem Getriebe nicht um einen Teil des Emissionskontrollsystems handle.
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Die Beklagte habe die Durchführung des Anhörungsverfahrens nicht bestritten, lediglich dessen Beendigung sei im Streit.
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Der Generalanwalt des EuGH habe am 23.09.2021 auf die Unzulässigkeit des Thermofensters hingewiesen. Dies werde auch von den Wissenschaftlichen Diensten bestätigt. Die Abgasreinigung werde im streitgegenständlichen Fahrzeug in einem Temperaturfenster zwischen 20 und 30° C heruntergefahren. Die Beklagte habe auch mit Schädigungsvorsatz gehandelt. Sie hätte dem KBA die konkrete Funktionsweise des Thermofensters offen legen müssen.
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Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 05.05.2021, Aktenzeichen 33 O 445/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
22
Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Hinweisbeschluss vom 20.09.2021 Bezug, in dem bereits ausführlich dargelegt wurde, weshalb der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klagepartei durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen und an dem der Senat auch in der nunmehrigen Besetzung festhält. Die Ausführungen im Schriftsatz vom 10.11.2021 geben keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung. Soweit in dem nach dem Hinweisbeschluss eingegangenen Schriftsatz der Beklagten neuer Sachvortrag enthalten war, wurde dieser nicht zur Grundlage der Entscheidung gemacht. Auch ohne diesen Vortrag hat die Berufung keinen Erfolg. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:
23
1. Auch im Lichte des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 13.07.2021, Az. VI ZR 128/21, rechtfertigt der Vortrag der Klagepartei keine andere Entscheidung. Im Hinblick auf die Ausführungen zur Liste des KBA – auch in ihrer neuen Fassung vom 13.01.2022 – liegt für die Motoren EA 896 und EA 897 der Schadstoffklasse 5 auch unabhängig vom Motorkennbuchstaben gerade keine Vielzahl an Rückrufen vor. Greifbare Anhaltspunkte für eine von Arglist getragene Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug ergeben sich aus den vereinzelten Rückrufen für Fahrzeuge mit Motoren des Typs EA 897 und EA 896 der Schadstoffklasse 5 gerade nicht. Insoweit wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss, dort S. 6 f, verwiesen.
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Die unstreitige Durchführung eines Anhörungsverfahrens (vgl. S. 17 f der Stellungnahme), ob abgeschlossen oder nicht, bildet für sich genommen schon keinen greifbaren Anhaltspunkt für das Vorliegen einer von Arglist getragenen Abschalteinrichtung. Überdies ist für das streitgegenständliche Fahrzeug ein freiwilliges Service-Update verfügbar, das eine erfolgte Prüfung des Fahrzeugs auf unzulässige Abschalteinrichtungen vor Freigabe voraussetzt (vgl. die Ausführungen im Hinweisbeschluss S. 7 f).
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2. Hinreichende Indizien für das Vorliegen einer oder mehrerer von Arglist getragener unzulässiger Abschalteinrichtungen in dem streitgegenständlichen Fahrzeug liegen hier, auch unter Berücksichtigung des vom Landgericht Bielefeld eingeholten Ergänzungsgutachtens, nicht vor.
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Die Ausführungen in dem „Ergänzungsgutachten“ aus dem Verfahren vor dem Landgericht Bielefeld vom 31.08.2020 sind – unabhängig von der Vergleichbarkeit des untersuchten Fahrzeugs mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug – wie im Hinweisbeschluss dargelegt, nicht geeignet als greifbarer Anhaltspunkt zum Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vergleichbar der „Umschaltlogik“ beim Motor EA 189. Denn die dortigen Ausführungen bezogen sich auf Änderungen im Abgasverhalten allein in Abhängigkeit von der Außentemperatur. Zwar hätte der Sachverständige nach den Ausführungen der Klagepartei zur Prüfung des Abgasverhaltens bzw. zum Erkennen von der Norm abweichender Abgaswerte auch andere Prüfabläufe durchführen können; er hat sich aber auf die Absenkung der Umgebungstemperatur beschränkt. Warum die Messungen „in keinerlei ursächlichem Zusammenhang mit dem Thermofenster“ stehen sollen, erschließt sich nicht und wird auch nicht erläutert. Der Senat bleibt damit bei seiner Bewertung wie im Hinweisbeschluss erläutert. Greifbare Anhaltspunkte für eine der „Umschaltlogik“ vergleichbare Abschalteinrichtung ergeben sich daraus nicht.
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Zu einer anderen Wertung führt auch nicht das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr.-Ing. … Die von der Klagepartei allgemein dargelegte Systematik der Typgenehmigungsnummer, die sich im Übrigen ergibt aus Anhang VII der RL 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge (Rahmenrichtlinie), verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Die Betroffenheit von einem „identischen Rückrufcode“ (Anlage BB 6, S. 3) ist gerade nicht substantiiert vorgetragen.
28
Auch aus den von Rückrufen betroffenen Modellen der Schadstoffklasse 6 lassen sich angesichts der deutlich unterschiedlichen technischen Anforderungen keine Rückschlüsse auf Abschalteinrichtungen im streitgegenständlichen Fahrzeug, das der Schadstoffklasse 5 angehört, ziehen.
29
4. Soweit die Klagepartei nochmals auf die Nicht-Offenlegung von Lenkwinkelerkennung und Warmlaufprogramm im Typgenehmigungsverfahren abhebt, wird auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss, dort S. 12 f (Bl. 429 f d.A.) verwiesen. Die von der Klagepartei mit ihrer Stellungnahme als Anlagen BB 8 und BB 9 vorgelegten Auskünfte des Kraftfahrtbundesamts ergeben nichts anderes. Zwar erläutert die als Anlage BB 8 vorgelegte Auskunft, dass für bestimmte Fahrzeuge nicht sichergestellt sei, dass die Euro-5-Grenzwerte in jedem Schaltprogramm unter Typprüfbedingungen eingehalten werden und die entsprechenden Fahrzeuge zurückgerufen werden. Für das streitgegenständliche Fahrzeug liegt ein solcher Rückruf jedoch nicht vor, auch ist nicht ersichtlich, ob die Auskunft überhaupt ein vergleichbares Fahrzeug betrifft. Zudem legt die bloße Behauptung, es sei nicht sicher gestellt, dass in allen Schaltprogrammen die Grenzwerte eingehalten werden, noch kein sittenwidriges Verhalten der Beklagten, insbesondere kein „Erschleichen der Typgenehmigung“ nahe.
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Die Überschreitung von Grenzwerten im realen Fahrbetrieb stellt ohnehin kein Indiz für unzulässige Abschalteinrichtungen dar (BGH, Urteil vom 13.07.2021, Az. VI ZR 128/21). Auch eine Gesamtbetrachtung des klägerischen Vortrags zur behaupteten Prüfstandserkennung und der vorgetragenen Messergebnisse führt nicht zu einer anderen Wertung.
31
5. Die Schlussanträge des Generalanwalts … vom 23. September 2021 in Bezug auf Vorlagefragen österreichischer Gerichte betreffend Thermofenster geben keinen Anlass zu einer vom Hinweisbeschluss abweichenden Bewertung. Der Generalanwalt befürwortet, die dort zur Überprüfung gestellten Thermofenster als eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 einzuordnen. Dies hat der Senat aber ohnehin bereits im Hinweisbeschluss zugunsten der Klagepartei unterstellt. Soweit die Klagepartei nunmehr ein Thermofenster zwischen 20 und 30° C behauptet, ist auch dieses nicht so eng bedatet, dass es der „Umschaltlogik“ des EA 189 gleichzustellen wäre, vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.2021, Az. VII ZR 2/21. Weitere Umstände, die ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten nahelegen, sind nicht vorgetragen. Insbesondere ergeben sie sich nicht aus der von der Klagepartei in den Raum gestellten unterbliebenen Offenlegung der genauen Wirkungsweise des Thermofensters gegenüber dem KBA. Selbst wenn die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren – erforderliche – Angaben zu den Einzelheiten der temperaturabhängigen Steuerung unterlassen haben sollte, wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug zu prüfen. Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des KBA und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden, vermag der Senat nicht zu erkennen (ebenso BGH, Beschluss vom 15.09.2021, Az. VII ZR 2/21).
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6. Auch in der Gesamtschau ergibt sich keine andere Wertung. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung, vgl. die Ausführungen in II.8. des Hinweisbeschlusses, zumal seit Erlass des Hinweisbeschlusses weitere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu den hier streitigen Fragen, siehe etwa zum Thermofenster BGH, Beschluss vom 15.09.2021, Az. VII ZR 2/21, ergangen bzw veröffentlicht worden sind. Die entscheidenden Fragen sind höchstrichterlich geklärt.
33
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
34
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
35
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
36
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.