Inhalt

SG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 07.03.2022 – S 13 AS 3/22
Titel:

Versagungsbescheid, Beiladung, Hilfsbedürftigkeit, Erbscheinsverfahren, Aufhebung des Bescheides, Klage auf Aufhebung, Bestandskraft, Widerspruchsbescheid, Erbauseinandersetzung, Elektronischer Rechtsverkehr, Sozialgesetzbuch, Mitwirkungspflichten, Nutzungsentschädigung, Erteilung eines Erbscheins, Abänderung, Entscheidung durch Gerichtsbescheid, Sozialgerichtsgesetz, Verwaltungsakt, Folgenbeseitigungsanspruch, Leistungspflichtiger

Schlagworte:
Gerichtsbescheid, Mitwirkungspflichten, Versagungsbescheid, Ermessensfehler, Hilfebedürftigkeit, Beiladung
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 26.02.2025 – L 11 AS 129/22
BSG Kassel, Beschluss vom 19.05.2025 – B 7 AS 38/25 AR
Fundstelle:
BeckRS 2022, 61050

Tatbestand

1
Die Kläger begehren die Überprüfung des Versagungsbescheides vom 28.06.2019 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X), die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 01.04.2019 bis 29.02.2020 zzgl. 4% Zinsen, die Übernahme von Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 15.12.2019 bis 15.03.2020 in Höhe von 900,00 Euro und die Übernahme von Beitragsschulden bei der Krankenversicherung für die Zeit vom 01.04.2019 bis 29.02.2020.
2
Die Kläger erhalten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
3
Am 01.07.2017 verstarb die Stiefgroßmutter des Klägers zu 2., Frau GW. Mögliche Erbprätendenten waren der Kläger zu 2. und seine Halbschwester UN, die die Erbschaft ausschlug. Nach dem Schlussbericht der für sie eingesetzten Betreuerin vom 07.07.2017 verfügte GW bei Beendigung der Betreuung über ein Girokonto bei der Sparkasse R. mit einem positiven Saldo von 755,12 Euro und über ein Taschengeldkonto beim Altenheim mit einem positiven Saldo von 227,52 Euro. Der Bezirk O. – Sozialverwaltung – (Bezirk) trug vom 01.09.2009 bis zum Ableben der GW die Kosten ihrer Heimunterbringung als Leistung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Am 27.10.2017 zeigte der Beklagte gegenüber dem Amtsgericht E. – Nachlassgericht – (AG) den Anspruchsübergang von Erbansprüchen betreffend GW auf sich an. Mangels Ausschlagung galt die Erbschaft seitens des Klägers zu 2 als durch Fristablauf angenommen. Am 16.03.2018 teilten die Kläger auf Aufforderung des Beklagten mit, ein aussagekräftiges Nachlassverzeichnis könne aufgrund zahlreicher Schwierigkeiten derzeit noch nicht erstellt werden. Aus einer Sterbegeldversicherung seien etwa 3.160,00 Euro erlöst worden; beim Bestattungsinstitut habe die Verstorbene ein Treuhandvermögen in Höhe von etwa 2.100,00 Euro hinterlegt. Abzüglich der Bestattungskosten in Höhe von etwa 3.600,00 Euro verbleibe ein Überschuss von etwa 1.660,00 Euro. Hinzu kämen die Beträge auf dem Girokonto (ca. 760,00 Euro) und dem Taschengeldkonto (ca. 280,00 Euro). Die Berufsbetreuerin habe außerdem mitgeteilt, dass in einem Schließfach noch einige Schmuckstücke verwahrt würden; den Goldwert des Schmuckes habe sie auf 2.000,00 Euro geschätzt. Die Ansprüche des Bezirks seien ungeklärt, möglicherweise aber verwirkt. Nach Mitteilung des Bezirks vom 20.06.2018 habe die Verstorbene Bestattungsvorsorge beim Bestattungsinstitut getroffen, welche durch die Zahlung einer Treuhandpolice der Deutschen Bestattungsvorsorge in Höhe von 1.800,00 Euro und einer Lebensversicherung abgedeckt worden sei. Von der Lebensversicherung seien ca. 1.560,00 Euro an das Bestattungsinstitut gezahlt wurden, der Rest müsse an den Kläger zu 2. ausgezahlt worden sein. Das Bestattungsinstitut habe dem Kläger zu 2. mitgeteilt, dass ein Bankschließfach vorhanden sei; ob darin Wertgegenstände gewesen seien, sei nicht bekannt. Es werde um Auskunft des Beklagten gebeten, ob dieser Kenntnis vom Inhalt des Schließfachs erlangt habe. Am 04.09.2018 teilten die Kläger mit, dass der Überschuss aus der Sterbegeldversicherung 1.609,04 Euro betrage. Die Sparkasse R. gewähre Zugriff und Informationen bezüglich des Kontos und des Bankschließfachs nur nach Vorlage eines Erbscheins. Nach Auskunft des AG sei der am 05.01.2018 gestellte Erbscheinsantrag des Klägers zu 2. unvollständig. Einige Angaben müssten an Eides statt versichert werden. Die Verwandtschaftsverhältnisse seien durch Personenstandsurkunden nachzuweisen. Die vom AG geforderten Angaben könne der Kläger zu 2 teilweise nicht machen. Die Fortführung des Erbscheinsverfahrens erscheine nicht sinnvoll. Der zu erwartende Erlös aus der Erbschaft überschreite voraussichtlich nicht den Freibetrag. Am 13.02.2019 beantragten die Kläger die Weiterbewilligung von Leistungen ab 01.04.2019. Der Beklagte forderte sie am 21.02.2019 zur Mitwirkung auf, unter anderem zur Mitteilung des Inhalts des Bankschließfaches und des Gesamtbetrages des Erbes nach Abzug der auf den Bezirk übergegangenen Ansprüche. Hierauf antworteten die Kläger am 04.03.2019 und 21.03.2019, dass die Situation bezüglich der Erbfrage sich als unverändert gegenüber der letzten Mitteilung vom 04.09.2018 darstelle. Der Beklagte benötige außerdem ihre Mitwirkung nicht, um selbst die Erbauseinandersetzung weiterzuführen bzw. den Erbschein zu beantragen. Die Leistungsrelevanz des (erwartbar geringen) Nachlasses sei äußerst fraglich. Mit weiterer Mitwirkungsaufforderung vom 10.04.2019 teilte der Beklagte mit, der Kläger zu 2. habe als Alleinerbe nach GW die Erbauseinandersetzung aktiv zu betreiben, im Einzelnen, den Aufforderungen des AG bezüglich des Erbscheinsverfahrens nachzukommen und den Inhalt des Bankschließfachs bei der Sparkasse R. mitzuteilen. Erst nach Kenntnis des Inhalts des Bankschließfachs könne beurteilt werden, ob eine Berücksichtigung als Einkommen in Frage komme bzw. ob die Vermögensfreibeträge überschritten seien. Für die Weiterbewilligung der Leistungen sei es ausreichend, wenn ein Termin beim AG zur Erteilung des Erbscheins nachgewiesen werde. Der Nachweis sei bis zum 27.04.2019 einzureichen. Sollte bis dahin keine Reaktion erfolgt oder die Unterlagen nicht eingereicht worden sein, könnten die Geldleistungen bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz versagt werden, d.h. die Kläger erhielten keine Leistungen.
4
Ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Kläger beim Sozialgericht Bayreuth (SG – Beschluss vom 24.04.2019 – S 4 AS 242/19 B ER) und dem Bayerischen Landessozialgericht (LSG – Beschluss vom 04.06.2019 – L 11 AS 348/19 B ER) blieb erfolglos. Die erforderliche Folgenabwägung gehe zu Ungunsten der Kläger aus, weil eine abschließende Beurteilung der Hilfebedürftigkeit der Kläger ohne genaue Aufstellung des Schließfachinhalts nicht möglich sei und der Kläger zu 2 es in der Hand habe, durch Öffnung des Schließfachs eine vollständige Auskunft über die Vermögensverhältnisse der Kläger zu erteilen.
5
Mit Bescheid vom 28.06.2019 versagte der Beklagte den Klägern unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 04.06.2019 Leistungen ab 01.04.2019 ganz. Maßgebliche Tatsache sei die Frage, in welchem Umfang die Kläger über Vermögen verfügten; der Inhalt des Schließfachs sei zu benennen. Der Hinweis, im Schließfach sei Schmuck der Verstorbenen im Wert von 2.000,00 Euro hinterlegt, sei unkonkret und nicht nachvollziehbar, zumal das Schließfach bis dato von den Klägern nicht eingesehen werden konnte. Es sei eine Aufstellung der einzelnen Gegenstände vorzulegen. Ohne diese sei eine abschließende Beurteilung der Hilfebedürftigkeit der Kläger nicht möglich. Sollte tatsächlich zur Öffnung des Schließfachs ein Erbschein vorgelegt werden müssen, so führe dies zu keiner anderen Beurteilung. Für eine Weiterbewilligung von Leistungen sei es ausreichend, wenn ein Termin beim AG zur Erteilung eines Erbscheins vereinbart werde. Gründe für eine Unzumutbarkeit seien nicht erkennbar. Soweit vom AG weitere Angaben, Unterlagen und eine eidesstattliche Versicherung gefordert würden, sei dies nicht in Zweifeln an der Erbenstellung begründet, sondern entspreche den notwendigen Voraussetzungen für die Erteilung eines Erbscheins. Bei der Ermessenausübung sei berücksichtigt worden, dass nur bei nachgewiesener Hilfebedürftigkeit und in rechtmäßiger Höhe Leistungen zu erbringen seien. Ermessensgesichtspunkte zugunsten der Kläger seien nicht erkennbar oder vorgetragen. Aufgrund der verweigerten Mitwirkung könne eine begünstigende Entscheidung nicht getroffen werden. Bei Nachholung der Mitwirkung werde geprüft, ob die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien und die Leistungen ganz oder teilweise nachgezahlt werden könnten. Den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 01.07.2019 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.2019 zurück. Grenzen der Mitwirkungspflicht seien nicht überschritten worden; insbesondere habe sich das Jobcenter die erforderlichen Kenntnisse nicht selbst beschaffen können. Die Beantragung des Erbscheins liege allein in der Sphäre des Klägers zu 2. Da jeglicher Schriftverkehr der Bedarfsgemeinschaft von beiden Ehegatten unterzeichnet werde, sei davon auszugehen, dass die Klägerin zu 1. das Verhalten des Klägers zu 2. mittrage. Hinsichtlich dieser Erbschaft finde § 33 SGB II keine Anwendung; der Kläger zu 2. sei Alleinerbe. Ermessenfehler seien nicht erkennbar. Der Beklagte hätte die Weiterzahlung ab 01.04.2019 unter Berücksichtigung des § 41a SGB II aufgenommen, wenn die Bedarfsgemeinschaft die Bereitschaft signalisiert hätte, den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins zu stellen und einen vom Nachlassgericht bestätigten Nachweis über die Antragstellung vorgelegt hätte. Hiergegen wandten die Kläger gegenüber dem Beklagten ein, die Bestandskraft des Widerspruchsbescheides vom 17.07.2019 könne nicht anerkannt werden, da er sich ausschließlich an die Klägerin zu 1. und nicht zumindest auch an den Kläger zu 2. wende. Klage erhoben sie jedoch nicht.
6
Am 11.09.2020 beantragten die Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 28.06.2019. Mit Bescheid vom 03.11.2020 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag bzw. eine Abänderung des Bescheides ab und wies erneut auf die Möglichkeit der Nachholung der Mitwirkung hin. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Bescheid vom 18.01.2021 zurückgewiesen. Klage hiergegen haben die Kläger nicht erhoben.
7
Mit Schreiben vom 21.10.2021 beantragten die Kläger erneut die Überprüfung des Versagungsbescheides vom 28.06.2019 nach § 44 SGB X. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 08.11.2021 wiederum ab und lies den Bescheid vom 28.06.2019 unverändert. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 07.12.2021 zurück.
8
Die Kläger haben am 03.01.2022 Klage erhoben. Die Kläger sind unter Bezugnahme auf das Verfahren S 14 AS 403/21 ER der Ansicht, der Beklagte hätte bei der Leistungsversagung berücksichtigen müssen, dass die Kläger möglicherweise an einer psychischen Störung mit Krankheitswert leiden und, sofern sie keine Leistungen nach dem SGB II erhalten, Leistungen nach dem SGB XII zu gewähren seien. Eine Versagung wegen fehlender Mitwirkung sei daher unzulässig. Der Beklagte sei in dem Verfahren S 13 AS 954/20 zur Rückerstattung von Nutzungsgebühren für die Unterkunft für die Zeit vom 31.03. bis 31.08.2020 verurteilt worden. Der Beklagte hätte aber durch Zahlung an die Gemeinde S. darüber hinaus auch Nutzungsentschädigungen für die Zeit vom 15.12.2019 bis 15.03.2020 geleistet, obwohl Leistungen für den Zeitraum vom 01.04.2019 bis 29.02.2020 versagt wurden. Der Beklagte könne sich daher nicht darauf zurückziehen, dass infolge der Bestandskraft des zu überprüfenden Bescheides keine Möglichkeit der Anfechtung mehr bestehe, zumal er selbst die Bestandskraft durchbrochen habe, in dem er Nutzungsentschädigung für die Zeit vom 15.12.2019 bis 15.03.2020 erbracht habe.
9
Die Kläger beantragen
1.
die Erstattung von rechtswidrig versagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II ab dem 01.04.2019 bis 29.02.2020 zuzüglich 4 von Hundert über Basiszinssatz ab dem 01.04.2019,
2.
die Erstattung von 900 Euro an von den Klägern im Voraus verauslagten Leistungen für Unterkunft und Heizung in Gestalt von Nutzungsgebühren für die Unterkunft zwischen dem 15.12.2019 und dem 15.03.2020
3.
die Erstattung von Folgenbeseitigungsansprüchen in Gestalt der Beitragsschulden gegenüber der Krankenversicherung für den Zeitraum zwischen dem 01.04.2019 bis 29.02.2020 zuzüglich Säumniszuschlägen und Mahngebühren bis zum Ausgleich der Forderung.
10
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
11
Der Beklagte ist der Ansicht, ein erneuter Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X sei nicht statthaft, nachdem der vorangegangene Überprüfungsantrag vom 11.09.2020 rechtskräftig abgelehnt wurde. Im Übrigen hätten sich auch keine neuen Erkenntnisse ergeben.
12
Am 16.01.2022 beantragten die Kläger die Beiladung der B.-Krankenkasse und am 29.01.2022 die Beiladung der Sparkasse R.
13
Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
14
Die Kläger wurden mit Schreiben vom 18.02.2022 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.

Entscheidungsgründe

15
Das Gericht kann gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid und damit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten zu dieser Verfahrensweise angehört wurden.
16
Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein, § 123 SGG. Aus dem Vorbringen der Kläger ergibt sich, dass sie nicht nur die im Antrag zu 1. bis 3. formulierten Leistungen begehren, sondern zunächst und insbesondere die Aufhebung des Versagungsbescheides vom 28.06.2019.
17
Die Klage ist hinsichtlich der Aufhebung des Bescheides vom 28.06.2019 zulässig, aber nicht begründet. Hinsichtlich der von den Klägern formulierten Anträge zu 1. bis 3. ist die Klage unzulässig.
18
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 08.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2021, mit dem der Beklagte die Änderung des Bescheides vom 28.06.2019 ablehnte. Richtige Klageart ist eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Die Anfechtungsklage zielt hier auf die Aufhebung des Überprüfungsbescheides, die Verpflichtungsklage auf die Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung des Ausgangsbescheides, vgl. Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 44 SGB X, Rn. 154.
19
Die Anträge der Kläger zu 1. bis 3. sind unzulässig, weil es diesbezüglich an anfechtbaren Entscheidungen des Beklagten fehlt. Aufgrund der Versagung der Leistung hat der Beklagte eben keine Sachentscheidung hinsichtlich der Gewährung von Leistungen, Kosten der Unterkunft und Heizung, Krankenkassenbeiträgen etc. getroffen. Es müsste zunächst der Versagungsbescheid aufgehoben werden. Sodann müsste der Beklagte eine Entscheidung in der Sache treffen. Beides ist hier nicht erfolgt, so dass das in den Anträgen zu 1. bis 3. formulierte Begehren der Kläger unzulässig ist.
20
Soweit die Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 08.11.2021 und die Verpflichtung des Beklagten begehren, den Versagungsbescheid vom 28.06.2019 aufzuheben, ist die Klage zulässig.
21
Gem. § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
22
Der Antrag ist, entgegen der Ansicht des Beklagten, auch zulässig, wenn die Überprüfung eines Verwaltungsaktes bereits schon einmal abgelehnt wurde. Der Antrag ist allerdings, genauso wie die Klage, unbegründet, weil die Versagung der Leistung mit Bescheid vom 28.06.2019 rechtmäßig erfolgte und nicht zu beanstanden ist.
23
Gem. § 66 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – Allgemeiner Teil – (SGB I) kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind und derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird. Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist, § 66 Abs. 3 SGB I.
24
Die Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Kläger sind ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen, indem sie die Erbauseinandersetzung nicht weiter betrieben und den Inhalt des Bankschließfaches nicht aufgeklärt haben. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 10.04.2019 auf die Folgen einer fehlenden Mitwirkung hingewiesen und eine angemessene Frist gesetzt. Ermessensfehler bei der Versagung der Leistung mit Bescheid vom 28.06.2019 sind nicht ersichtlich.
25
Die Kläger berufen sich auf das Verfahren S 14 AS 403/21 ER, in dem die zuständige Kammer des SG Bayreuth auf Ermessensfehler bei der Versagung von Leistungen hingewiesen hat. In der Sache ging es in dem Verfahren darum, dass die Kläger nicht an der Feststellung ihrer Erwerbsfähigkeit durch eine Untersuchung des ärztlichen Dienstes des Beklagten bzw. durch einen psychiatrischen Vertragsarzt mitgewirkt haben. Bei einer Versagung sei insbesondere zu berücksichtigen, dass auch bei fehlender Erwerbsfähigkeit ein Leistungsanspruch in ähnlicher Höhe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII) bestünde.
26
Die Situation in dem o.a. Verfahren ist allerdings nicht mit der Versagung gem. Bescheid vom 28.06.2019 ab 01.04.2019 vergleichbar. Denn hier ging es um die Feststellung der Hilfebedürftigkeit und nicht der Erwerbsfähigkeit. Bei fehlender Hilfebedürftigkeit kommen auch keine Leistungen nach dem SGB XII in Betracht.
27
Genauso wenig spricht das Argument der Kläger, der Beklagte habe durch Zahlungen an die Gemeinde S. die Bestandskraft des Versagungsbescheides durchbrochen, für eine Rechtswidrigkeit der Versagung. Zwar hat der Beklagte in dem Widerspruchsbescheid vom 07.12.2021 ausgeführt, ein weiteres Verfahren nach § 44 SGB X sei nicht statthaft, weil die Abänderung des Bescheides bereits schon einmal mit Bescheid vom 03.11.2020 rechtskräftig abgelehnt wurde. Dieser Argumentation folgt die Kammer nicht, denn ein Antrag nach § 44 SGB X kann auch durchaus mehrmals gestellt werden. Der Beklagte hat aber seine Begründung im Gerichtsverfahren mit Schriftsatz vom 09.02.2022 noch ergänzt und nachgeholt. Für die Rechtmäßigkeit des Versagungsbescheides vom 28.06.2019 ist es somit ohne Belang, ob eine Bestandskraft des Bescheides durch Zahlungen „durchbrochen“ wurde und es bedarf keiner weiteren Prüfung, ob dies tatsächlich der Fall war.
28
Nach alledem ist das Begehren der Kläger auf Abänderung des Versagungsbescheides unbegründet und die Klage somit abzuweisen.
29
Einer Beiladung der B.-Krankenkasse und der Sparkasse R., wie von den Klägern beantragt, bedurfte es nicht. Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen, § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG. Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie beizuladen, § 75 Abs. 2 SGG. Die Voraussetzungen einer Beiladung sind nicht erfüllt, weil durch die Entscheidung weder die Interessen der B.-Krankenkasse und der Sparkasse R. berührt werden, noch kommen sie als leistungspflichtig in Betracht.
30
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.