Titel:
Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Vertragsstrafe, Servicegebühr, Nebenforderungen, Elektronischer Rechtsverkehr, Streitwert, Verfahren nach billigem Ermessen, Wert des Beschwerdegegenstandes, Rückabwicklung, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Abgetretener Anspruch, Rückzahlung, Unwirksamkeit, Qualifizierte elektronische Signatur, Mietverträge, Formlose Mitteilung, Aufgabe zur Post, Fristsetzung
Schlagworte:
Passivlegitimation, Abtretung, Servicegebühr, Mietvertrag, AGB-Kontrolle, Vertragsstrafe, Verzug
Fundstelle:
BeckRS 2022, 60564
Tenor
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.07.2022 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 20,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
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Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
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Das Rubrum der Beklagtenseite war unstreitig aufgrund des vorgelegten Handelsregisterauszugs bezüglich der Vorstandsmitglieder zu berichtigen.
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Die Klage ist begründet.
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Der Kläger hat einen abgetretenen Anspruch auf Rückzahlung der „Servicegebühr“ in Höhe von 20 € gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB i.V.m. § 398 BGB.
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1. Die Beklagte ist passivlegitimiert.
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Der ursprünglich geschlossene Mietvertrag über das Fahrrad wurde zwischen den Parteien geschlossen, indem die Zedentin per App das Fahrrad am 17.03.2022 anmietete. Dies ist zum einen zwischen den Parteien unstreitig und ergänzend wird auch in den vorgelegten AGB (Anlage K4) unter § 1 Nr. 1) geregelt, dass die V registrierten Kunden Fahrräder in Nürnberg vermietet soweit diese verfügbar sind.
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Die Tatsache, dass das Unternehmen N ergibt sich jedoch keine Änderung bezüglich der Passivlegitimation. Selbst wenn somit die Beklagte ihren Anspruch an das genannte Unternehmen abgetreten hat und dieses die Einziehung für die Beklagte übernommen hat, richtet sich der Kondiktionsanspruch des Schuldners weiterhin gegen den Zedenten. Dies begründet sich aufgrund Vertrauensschutzerwägungen zu Gunsten des Schuldners, wonach die sachgerechte Verteilung der Insolvenzrisiken nur gewährleistet ist, wenn die Rückabwicklung innerhalb der jeweiligen Kausalverhältnisse erfolgt (BGH, Urt. v. 6. 7. 2012 − V ZR 268/11 (LG Berlin), NJW 2012, 3373).
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2. Die Klagepartei hat einen abgetretenen Anspruch auf Rückzahlung der sogenannten Servicegebühr in Höhe von 20,- €, gem. §§ 812, 398 BGB.
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a) Die Beklagte hat die Zahlung der Servicegebühr erlangt, dadurch, dass die Zedentin gemäß § 15 Nr. 1) der AGB gestattet hat, die Nutzungsentgelte per Kreditkarte zu zahlen.
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Die Tatsache, dass der Einzug dann durch die N vorgenommen wurde, führt zu keiner Veränderung, da die Rückabwicklung im Rahmen des Kausalverhältnisses erfolgt.
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b) Die Leistung erfolgte jedoch ohne Rechtsgrund.
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aa) Es wurde nicht individualvertraglich vereinbart, dass die Beklagte eine Servicegebühr aufgrund des vorgetragenen Abstellens außerhalb des vereinbarten Rahmens erheben wird.
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Selbst wenn, wie von der Beklagten vorgetragen, der Kunde, sprich die Zedentin bei der Rückgabe darauf aufmerksam gemacht wird, dass sie sich außerhalb des Abstellortes befindet und sie auf die Kosten hingewiesen wurde, führt dies nicht dazu, dass zwischen den Parteien vereinbart wurde, dass eine solche Servicegebühr anfällt.
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Selbst wenn die Zedentin sofort gesehen haben könnte, dass die Rückgabe außerhalb der Flexzone erfolgte, muss die Beklagte insoweit nachweisen, dass die Zedentin dies auch entsprechend wahrgenommen hat, sodass eine Annahme gemäß § 147 BGB vorliegt. Eine Annahme kann zwar auch eine konkludente Handlung sein, jedoch ist es dafür erforderlich, dass der Annahmewille aus Sicht des Antragenden aktiv zum Ausdruck kommt (MüKoBGB/Busche, 9. Aufl. 2021, BGB § 147 Rn. 4).
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Eine konkludente Annahme kann nicht darin gesehen werden, dass die Zedentin das Mietfahrrad nicht sofort richtig abgestellt hat, denn dafür hätte die Zedentin die Information zu Kenntnis nehmen müssen. Zwar trägt die Beklagte vor, dass die Anzeige sofort in der App erfolgt sei, jedoch hat sie dies entsprechend darzulegen, dass die Information auch zugegangen ist. Eine Bestätigung seitens der Zedentin wurde jedoch durch die Beklagte bereits nicht vorgetragen. Das Stehenlassen des Fahrrades an dem etwaigen falschen Rückgabeort stellt keine Annahme dar bezüglich der Servicegebühr.
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bb) Ein Rechtsgrund liegt auch nicht aufgrund der vorgelegten AGB vor.
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Die Regelung in § 8 Nr. 6) verstößt gegen § 309 Nr. 5 BGB, weshalb die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der sog. Servicegebühr hat.
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(1) Die vorgelegten AGB sind AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB, da dies für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen sind, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt.
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Die Beklagte stellt als Unternehmerin die Bedingungen, wobei die Zedentin unstreitig Verbraucherin ist.
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Aus diesem Grund erfolgt eine Prüfung der AGB i.S.v. § 310 Abs. 3 BGB.
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(2) Die Regelung § 8 Nr. 6 AGB verstößt gegen § 309 Nr. 5 BGB, weshalb die Regelung insoweit unwirksam ist. Dies führt dazu, dass der Verwender seinen Schaden konkret darlegen muss, was jedoch seitens der Beklagtenpartei nicht ausreichend erfolgte.
„Sofern der Kunde aufgrund eigenen Verschuldens das Mietfahrrad nicht an einem unter Abs. 1 bis Abs. 3 definierten Orte abstellt, falsche Angaben zum Standort macht oder vergisst, das Rad abzuschließen, wird ein zusätzliches Serviceentgelt (Vertragsstrafe) entsprechend der aktuellen Preisliste (im Internet auf www.v) durch den Anbieter erhoben.“
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Diese Regelung verstößt gegen § 309 Nr. 5 BGB, da gemäß § 309 Nr. 5 b) BGB dem Vertragspartner ausdrücklich der Nachweis zu gestatten ist, dass ein Schaden oder eine Wertminderung überhaupt nicht entstanden ist oder wesentlich niedriger ist, als die Pauschale.
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Die Regelung stellt einen pauschalisierten Schadenersatzanspruch dar, da die sogenannte Servicegebühr für den Fall anfällt, wenn der Kunde gegen die vertraglichen Voraussetzungen verstößt, indem er/sie das Fahrrad nicht an der vereinbarten Stelle wieder abgibt. Dies ergibt sich auch aufgrund des Wortlautes der verwendeten AGB, wonach die Servicegebühr eine Vertragsstrafe darstellt. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, wäre jedoch der Rechtsgedanke von § 309 Nr. 5 BGB zumindest auch über § 307 BGB für sämtliche Pauschalierung des Verwenders anzuwenden (BeckOK BGB/Becker, 63. Ed. 1.8.2022, BGB § 309 Nr. 5 Rn. 15).
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Die AGB müssen ausdrücklich dem Vertragspartner den Gegenbeweis einer fehlenden oder wesentlich niedrigeren Belastung des Verwenders gewähren (Jauernig/Stadler, 18. Aufl. 2021, BGB § 309 Rn. 6).
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Die streitgegenständliche Klausel gewährt einen solchen Gegenbeweis dem Vertragspartner bereits aufgrund des Wortlautes bereits nicht und verstößt folglich gegen § 309 Nr. 5b) BGB.
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Folge ist die Unwirksamkeit der Klausel, weshalb der Verwender jedoch weiterhin seinen Schaden auch konkret darlegen kann (Beck OK/Becker, 63. Ed. 1.8.2022, BGB § 309 Nr. 5 Rn. 46 f.).
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Zwar trägt die Beklagte vor, dass das Fahrrad an der U-Bahnstation durch einen Mitarbeiter abgeholt werden musste, weshalb die Servicegebühr angefallen sei, jedoch wurde dieser Vortrag seitens der Klagepartei zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Ein Beweisangebot erfolgte seitens der Beklagte nicht. Keine Kosten für die Beklagte wären dagegen angefallen, wenn das Fahrrad durch einen weiteren Nutzer von dem Abgabeort angemietet worden wäre und zu einem anderen Platz gefahren worden wäre.
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Eine Schätzung kann aus diesem Grund mangels Ansatzpunkte seitens des Gerichtes nicht vorgenommen werden. Die Beklagtenpartei hat folglich nicht ausreichend dargelegt, wie hoch der entstandene Schaden ist.
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Die Klage war somit in diesem Einzelfall mangels konkreten Vortrages abzuweisen. Es kann insoweit offen bleiben, inwiefern die Zedentin das Fahrrad außerhalb der Flexzone abgestellt hat und inwiefern diese Regelung wirksam in die AGB einbezogen wurde.
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c) Der Anspruch wurde unstreitig seitens der Zedentin an den Kläger abgetreten, § 398 BGB.
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Die Verurteilung zur Zahlung der Nebenforderung gründet sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB. Die Klageseite wurde aufgrund des Faxes mit Fristsetzung zum 19.07.2022 wirksam in Verzug gesetzt, weshalb die Forderung somit seit 20.07.2022 zu verzinsen gilt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.