Titel:
Klagepartei, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Schutzpflichten der Bank, Sittenwidrigkeit, Elektronischer Rechtsverkehr, Sparkonten, Online-Versteigerung, Auszahlungsbegehren, Streitwert, Umbuchung, Girokonto, Aufklärungspflichtverletzung, Wert des Beschwerdegegenstandes, Kostenentscheidung, Kapitalmarktrecht, Anderweitige Erledigung, Informatorische Anhörung, Schriftsätze, Treu und Glauben
Schlagworte:
Klageabweisung, Bankrecht, Beratungspflicht, Aufklärungspflicht, Schadensersatz, Sittenwidrigkeit, Vollstreckbarkeit
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 18.11.2024 – 14 U 2275/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 60485
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 83.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Schadensersatzansprüche wegen Verletzung vertraglicher Sorgfalts- und Schutzpflichten betreffend zweier Auszahlungsbegehren im Rahmen eines sog. „Enkeltrick“-Betrugs geltend.
2
Der Kläger ist Inhaber eines Girokontos mit der Kontonummer … und eines Sparkontos mit der Kontonummer …. Die Beklagte ist die kontoführende Bank.
3
Der Kläger betrat am Nachmittag des 21.01.2021 die Filiale der Beklagten … in … und begehrte dort am Schalter von der Zeugin … die Auszahlung von … € von seinem Girokonto mit der Kontonummer …. Mangels hinreichender Deckung verwies der Kläger auf sein Sparkonto bei der Beklagten mit der Kontonummer … und übergab die Karte. Die hierfür erforderliche PIN war dem Kläger jedoch nicht (mehr) erinnerlich, so dass eine Umbuchung vom Spar- auf das Girokonto durchgeführt wurde. Während der Wartezeit des Umbuchungsvorgangs entschied sich der Kläger die fehlende PIN zu Hause zu holen und kehrte anschließend in die oben genannte Filiale der Beklagten zurück. Am Schalter der Zeugin … konnte mittels PIN sodann die Auszahlung um 16:24 Uhr erfolgen. Gegen 16:30 Uhr verlies der Kläger mit dem Bargeld die Filiale.
4
Nach 17:45 Uhr am 21.01.2021 betrat der Kläger erneut die oben genannte Filiale der Beklagten, begab sich gezielt zum Schalter der Zeugin … und bat um Auszahlung weiterer … €. Der Kläger gab hierbei an, dass er das Geld kurzfristig für seine Enkeltochter benötigen würde, da diese ein Haus ersteigern wolle. Die Zeugin … fragte den Kläger daraufhin, ob er eine telefonische Anweisung erhalten hätte. Das Geld kam in der Folge – nach zwischenzeitlich erfolgter Umbuchung – zur Auszahlung. … € über das Sparkonto und … € vom Girokonto des Klägers.
5
Der mündige und voll geschäftsfähige Kläger war zum Zeitpunkt der Abhebungen … Jahre alt.
6
Mit anwaltlichem Schreiben vom 22.09.2021 (Anlage K5) forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung von … € bis spätestens 20.10.2021 auf. Mit Schreiben vom 14.10.2021 (Anlage K7) wies die Beklagte eine Verantwortung ihrerseits zurück. Mit anwaltlichem Schreiben vom 03.11.2021 (Anlage K8) räumte der Kläger erneut der Beklagten die Möglichkeit zur Stellungnahme und Klaglosstellung bis 17.11.2021 ein. Eine Reaktion der Beklagte erfolgt hierauf nicht.
7
Der Kläger trägt vor, Trickbetrüger hätten ihn am 21.01.2021 im Rahmen eines sog. „Enkeltricks“ telefonisch unter Druck gesetzt und ihn veranlasst … € von seinem Konto bei der Beklagten abzuheben. Ihm sei erzählt worden seine Enkeltochter habe einen Unfall gehabt. Das Geld sei erforderlich, da seine Enkeltochter andernfalls ihren Führerschein sowie ihre Arbeitsstelle verlieren könnte. Eine Mitarbeiterin der Beklagten habe die Geldbeträge bereitwillig und ohne nähere plausible Prüfung und Nachfrage an ihn ausbezahlt. Er habe das Geld daraufhin den Kriminellen übergeben. Er höre schlecht und sei zu dieser Zeit sehr aufgewühlt, verängstigt und bedrückt gewesen. Bei den … € habe es sich um sein gesamtes Sparvermögen gehandelt. Bei der Beklagten würden – trotz Kenntnis – keine hinreichenden Vorkehrungen/Schulungsmaßnahmen zur Abwendung etwaiger Enkeltrickgefahren für ihre Kunden ergriffen werden.
8
Der Kläger meint, es wäre eine Zweitunterschrift seitens der Bank für die durchgeführte Umbuchung erforderlich gewesen; mit einer Frau … habe er keinen Kontakt gehabt. Auch sei keine Unterschrift seitens des Klägers erfolgt, da er lediglich mit seinen Initialen „…“ unterschrieben habe. Darüber hinaus sei es allgemeinen bekannt – erst Recht würden Bankangestellte darum wissen – dass Hausversteigerungen mit Barzahlungen am späten Donnerstagnachmittag zu Corona-Zeiten (Lockdown) völlig hanebüchen seien. Etwaige Vorgaben der Beklagten seien einfach übergangen worden. Die Beklagte sei innerhalb eines Vertragsverhältnisses verpflichtet, Person, Eigentum und insbesondere aber auch das Vermögen des Vertragspartners (hier des Klägers) im Rahmen des Zumutbaren vor Schäden zu schützen. Bei einer eindringlichen Warnung hätte er einer Überprüfung beigepflichtet und somit den Schaden abgewendet. Er habe einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. den Kontoverträgen.
9
Die Klage wurde an die Beklagte am 16.03.2022 zugestellt (zu Bl. 15 d.A.).
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 83.000,-€ zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit 21.10.2021 zu bezahlen.
11
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
12
Die Beklagte trägt vor, der Kläger habe weder bedrückt noch ängstlich gewirkt. Die Mitarbeiterin habe mehrfach auf den Kläger eingewirkt und ihn konkret auf den „Enkeltrick“ angesprochen. Der Kläger habe der Mitarbeiterin der Beklagten geantwortet, dass ihm der „Enkeltrick“ sehr wohl bekannt wäre, alles in Ordnung sei, er nur mit seiner Enkeltochter gesprochen habe und er nicht auf telefonische Anweisung Dritter handeln würde. Für die Umbuchung habe die Zeugin … eine zweite Mitarbeiterin benötigt. Dies sei Frau … gewesen. Die Originalumbuchungsunterlagen seien sowohl von der Zeugin … als auch von Frau … unterschrieben worden (vgl. Anlage B1). Auch der Kläger habe diese Umbuchung unterschriftlich quittiert (vgl. Anlage B1). Die Unterschrift des Klägers entspräche der Anlage K3. Bei der Versteigerung habe es sich nach den Ausführungen des Klägers um eine Online-Versteigerung gehandelt. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger Opfer eines sog. „Enkeltricks“ geworden sei. Ihre Mitarbeiter seien auch betreffend des „Enkeltricks“ geschult worden.
13
Die Beklagte meint, die Klage sei unschlüssig. Dem Auszahlungsbegehren des Klägers habe sie aus Gründen ihrer vertraglichen Verpflichtungen unbedingt nachkommen müssen. Selbst ohne eine konkrete Nachfrage durch die Mitarbeiterin könne der Beklagten keine Aufklärungspflichtverletzung unterstellt werden, da es keine Verpflichtung zur Abfrage des Verwendungszweckes einer Barabhebung gäbe. Sie habe nicht schuldhaft ihre Rücksichtnahmepflichten verletzt.
14
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin ….
15
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung am 03.06.2022 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
16
Die zulässige Klage ist unbegründet.
17
Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Nürnberg-Fürth ist örtlich (zumindest gem. § 39 ZPO) und sachlich (§§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG) zuständig.
18
In der Sache hat die Klage keinen Erfolg.
19
I. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Zahlung von 83.000,00 €.
20
1. Im Rahmen der allgemeinen Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank muss nach Auskunfts-, Aufklärungs-, Warn- und Beratungspflichten unterschieden werden (so auch Burghardt/Bauer in Höra, Münchner Anwaltshandbuch Versicherungsrecht, 4. Auflage, § 21, Rn. 83; Mülbert in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden, Rn. 3.23).
21
Eine allgemeine Beratungs-, Warn- und Aufklärungspflicht seitens der Bank besteht nicht (Wunderlich in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankR-HdB, 4. Auflage, Band I, § 76, Rn. 126; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2007 – 16 U 3/05, BeckRS 2008, 12667, Rn. 37). Vielmehr sind die allgemeinen Grundsätze zwischen Bank und Kunde anzuwenden. Danach haben beide Seiten in diesem gesetzlichen Schuldverhältnis Rücksichtnahmepflichten gem. § 241 Abs. 2 BGB. Bank wie auch Kunde haben sich so zu verhalten, dass die Interessen, Rechte und Rechtsgüter der anderen Partei nicht verletzt werden (Herresthal in BeckOGK, Stand: 01.04.2022, BGB, § 675, Rn. 165, m.w.N.).
22
Entsprechende Schutzpflichten der Bank sind jedoch nur in sehr engen Grenzen bei Vorliegen besonderer Umstände anzunehmen (BGH, Urteil vom 06.05.2008 – XI ZR 56/07, NJW 2008, 2245, Rn. 14, m.w.N.; Herresthal, a.a.O., Rn. 166; Herresthal, Münchner Kommentar HGB, 4. Auflage, A., Rn. 436 f.). Eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank ist nur dann ausnahmsweise gegeben, wenn im Einzelfall ein besonderes Aufklärungs- und Schutzbedürfnis des Kunden besteht und nach Treu und Glauben ein Hinweis der Bank geboten ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2007 – 16 U 3/05, BeckRS 2008, 12667, Rn. 37; Wunderlich, a.a.O., Rn. 133; Mülbert in Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, Verhaltens- und Schutzpflichten der Bank und des Kunden, Rn. 3.37).
23
Ohne objektive Evidenz massiver Verdachtsmomente besteht keine entsprechende Pflicht der Bank (BGH, Urteil vom 06.05.2008 – XI ZR 56/07, NJW 2008, 2245, Rn. 15 f., m.w.N.; BGH, Urteil vom 22.06.2004 – XI ZR 90/03, NJW-RR 2004, 1637, 1638, m.w.N.; BGH, Urteil vom 24.04.2012 – XI ZR 96/11, NJW 2012, 2422, Rn. 32; Herresthal, Münchner Kommentar HGB, 4. Auflage, A., Rn. 437).
24
Nach diesen Grundsätzen können die tatsächlichen Voraussetzungen für eine solche Warn- bzw. Schutzpflicht im Vorliegenden nicht festgestellt werden, denn kennzeichnend für die Ausnahmefälle, in denen die Rechtsprechung aus Treu und Glauben eine Rückfragepflicht der ausführenden Bank angenommen hat, ist insbesondere die fehlende Kenntnis des Auftraggebers von den die Hinweispflicht begründenden Umständen (BGH, Urteil vom 22.06.2004 – XI ZR 90/03, NJW-RR 2004, 1637, 1638; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2007 – 16 U 3/05, BeckRS 2008, 12667, Rn. 38) i.V.m. objektiv evidenten massiven Verdachtsmomenten (s.o.).
25
a. Aus den von der Klagepartei benannten Auffälligkeiten betreffend des Umbuchungsbelegs lassen sich keine entsprechenden Rückschlüsse ziehen.
26
aa. Soweit die Klagepartei die fehlende notwendige Zweitunterschrift auf dem Umbuchungsbeleg (Anlage K2) rügt, so widerspricht dies dem Umbuchungsbeleg der Anlage B1. Die Beklagte gab diesbezüglich nachvollziehbar und gerichtsbekannt an, dass die Unterlagen, die an den Kunden (hier dem Kläger) herausgegeben werden, stets ohne Unterschriften seien und lediglich die Originalumbuchungsunterlagen (vgl. Anlage B1), welche bei der Beklagten verbleiben würden, unterzeichnet seien. Dem ist die Klagepartei nicht hinreichend entgegengetreten. Die bloße Behauptung die Anlage B1 sei ersichtlich im Nachgang angefertigt worden, reicht hierfür nicht aus.
27
bb. Soweit die Klagepartei vorträgt, dass als zweite Beraterin Frau … auf dem Umbuchungsbeleg (Anlage K2) vermerkt sei, der Kläger jedoch lediglich mit der Zeugin … zu tun hatte, so gab die Beklagte nachvollziehbar an, dass für die Umbuchung eine zweite Mitarbeiterin – neben der Zeugin … – benötigt worden sei. Dies sei Frau … gewesen, welcher nach Aussage der Zeugin der Kläger aus ihrer Tätigkeit in einer anderen Filiale bekannt gewesen war (vgl. Protokoll vom 03.06.2022, Seite 4, Bl. 46 d. A.). Die Originalumbuchungsunterlagen sind ausweislich der Anlage B1 sowohl von der Zeugin … als auch von Frau … und dem Kläger unterschrieben worden. Dem ist die Klagepartei ebenfalls nicht hinreichend entgegengetreten. Hierzu wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
28
Es ist auch nicht ersichtlich, warum es entsprechend dem klägerischen Vortrag „gerade bei Verdachtsmomenten eines Betrugsfalls“ naheliegen würde „einen mit dem Kunden bekannten Mitarbeiter hinzuzuziehen“. Zu einem (besonderen) (Vertrauens-)Verhältnis des Klägers mit der Mitarbeiterin … trägt die Klagepartei nichts vor. Insbesondere auch nicht, ob ein solches – unterstellt vorhandenes – der Zeugin … bekannt gewesen war.
29
cc. Soweit die Klagepartei vorträgt, dass der Kläger lediglich mit seinen Initialen „…“ unterzeichnet habe (vgl. Anlage K2) und dies nicht seiner Unterschrift auf seinen Kontokarten entsprechen würde (Anlage K3), so widerspricht dies der Anlage B1. Auf dieser ist erkennbar, dass der Kläger mit seinem vollen Namen unterzeichnet hat. Der Kläger trägt nicht vor, dass die Unterschrift der Anlage B1 nicht durch ihn erfolgt sei. Auch ein Vergleich mit der Anlage K3 lässt einen solchen Rückschluss nicht zu.
30
dd. Es ist auch nicht ersichtlich und wird auch von der Klagepartei nicht vorgetragen, woraus „ersichtlich“ ist, dass „die Anlage B1 (…) im Nachgang angefertigt“ worden ist. Die pauschale Behauptung ist nicht ausreichend (s.o.).
31
b. Aus dem Alter und der Hörbeeinträchtigung des Klägers lassen sich entgegen der Auffassung der Klagepartei ebenfalls keine entsprechenden Rückschlüsse ziehen, da es sich bei dem Kläger unstreitig um eine mündige und vollgeschäftsfähige Person handelt.
32
Ebenso lassen sich keine entsprechenden Rückschlüsse aus dem Vortrag ziehen, dass dem Kläger zunächst weder seine Kontodeckung noch seine PIN bekannt gewesen war. Insbesondere da der Kläger unstreitig auf seinem Sparkonto über eine ausreichende Deckung verfügte (vgl. Protokoll vom 03.06.2022, Seite 2, Bl. 44 d. A.), er – nach eigenem Vortrag – selbst auf sein Sparkonto verwies und nach seiner Rückkehr die Auszahlung mit entsprechender PIN erfolgen konnte.
33
c. Soweit die Klagepartei vorträgt, der Kläger sei in Eile, sehr aufgewühlt, verängstigt und bedrückt gewesen, so trägt er selbst im Rahmen der informatorischen Anhörung vor, dass er sich bemühte ruhig und seriös zu wirken und sich nichts anmerken zu lassen (vgl. Protokoll vom 03.06.2022, Seite 3, Bl. 45 d.A.).
34
Des Weiteren widerspricht der Vortrag der glaubhaften Aussage der Zeugin …, wonach der Kläger sehr höflich und zuvorkommend gewesen sei, weder aufgeregt gewirkt noch ein auffälliges Benehmen an den Tag gelegt hätte, er sich sachlich und ruhig ihr gegenüber geäußert habe (vgl. Protokoll vom 03.06.2022, Seite 4, Bl. 46 d. A.).
35
Hierbei ist zu beachten, dass es – entsprechend der obigen Ausführungen – allen auf die objektive Evidenz massiver Verdachtsmomente ankommt. Etwaiges subjektive Befinden des Klägers („absoluter (doppelter) Ausnahmezustand“), das nicht nach außen tritt, ist dabei unbeachtlich.
36
d. Auch aus der Tatsache, dass die Deckung auf dem Girokonto des Klägers nicht ausreichend war, um die Abhebung durchzuführen und daher die Übertragung von einem Sparkonto des Klägers erfolgen musste, bietet der Bank keinen hinreichenden Anlass, den Verdacht einer Straftat zu schöpfen. Kreditinstitute haben grundsätzlich keine Schutzpflicht, eine Kontoüberziehung des Kunden zu vermeiden (BGH, Urteil vom 24.04.2012 – XI ZR 96/11, NJW 2012, 2422, Rn. 34, 36, m.w.N.). Im Vorliegenden gilt dies insbesondere, da sich auf dem Spar- und Girokonto des Klägers hinreichend Deckung zur Abhebung der insgesamt … € befand. Hierzu kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
37
e. Soweit eine Bank, die auf Grund massiver Verdachtsmomente argwöhnt jedenfalls dann eine Warnpflicht hat, wenn der Kontoinhaber auf einen entsprechenden Vorhalt den Verdacht nicht ausräumen kann (BGH, Urteil vom 06.05.2008 – XI ZR 56/07, NJW 2008, 2245, Rn. 15), so ist dies im Vorliegenden nicht gegeben.
38
Von einem solchen Argwohn der Zeugin … könnte im Vorliegenden – auch nach dem Vortrag der beklagten Partei – spätestens im Falle des zweiten Auszahlungsbegehrens ausgegangen werden.
39
Diesen Verdacht hat der Kläger mit seiner unstreitigen Erklärung, seine Enkeltochter benötige das Geld, da sie ein Haus ersteigern wolle, überzeugend entkräften können.
40
Ob es sich hierbei um die „Ausrede“ handelte, die dem Kläger am Telefon genannt worden sei, trägt der Kläger nicht vor. Ein Hinweis hierauf war nicht erforderlich, da die beklagte Partei hierauf mit Schriftsatz vom 09.05.2022 bereits hingewiesen hatte (Seite 4, Bl. 24 d. A.).
41
Soweit die Klagepartei vorträgt, dass es hanebüchen – und dies allgemein bekannt – sei, dass eine Hausversteigerung am späten Donnerstagnachmittag zu Corona-Zeiten stattfinde und eine Barzahlung erforderlich sei, so teilt die Kammer diese Auffassung nicht. Soweit die beklagte Partei vorgetragen hat, dass es sich um eine Online-Versteigerung handeln würde, erscheint eine Online-Versteigerung zu Corona-Zeiten auch nicht ungewöhnlich. Es kann daher dahinstehen, ob der Vortrag des Klägers gegenüber der Zeugin … sich auf eine Online- oder eine „normale“ Versteigerung bezogen hat. Soweit die Klagepartei selbst vorträgt, dass von keiner Online-Versteigerung die Rede gewesen ist, so ist die Abbuchung von Bargeld nicht als „völlig hanebüchen“ einzustufen. Auf die Möglichkeit der Bareinzahlung auf einem anderen Konto – evtl. zur Zeitersparnis (vgl. Überweisungsdauer von ggf. drei Tagen) – ist hinzuweisen. Soweit die Klagepartei meint, bei der Bezugnahme der Zeugin … auf einen Fernsehbericht handele es sich um eine Schutzbehauptung, da sie hierzu lediglich pauschal (Welche Sendung? Welcher Inhalt?) vortrug, so ist anzumerken, dass keine entsprechende Nachfrage seitens der Klagepartei oder des Klägervertreters hierzu im Rahmen der mündlichen Verhandlung an die Zeugin gestellt wurde.
42
Darüber hinaus trägt die beklagte Partei vor, dass der Kläger gegenüber der zuständigen Mitarbeiterin der Beklagten glaubhaft dargestellt hat, dass er die Anzahlung durch seine Enkeltochter sichern wolle. Hiermit ist nicht zwangsläufig eine entsprechende Barzahlung der Immobilie verbunden. Dem schließt sich die Kammer an, insbesondere da die Zeugin … für das Gericht nachvollziehbar schilderte, dass sie dem Kläger eine Blitzüberweisung angeboten hatte, dieser jedoch eine solche ablehnte, da ihm dies zu ungewiss sei, und die Zeugin glaubhaft angab, dass die Angaben des Klägers für sie plausibel erschienen (Bericht vorher gesehen, vgl. Protokoll vom 03.06.2022, Seite 4, Bl. 46 d.A.).
43
Darüber hinaus ist es auch unstreitig, dass die Mitarbeiterin der Beklagten zumindest im Rahmen der zweiten Abhebung – auf die Erklärung, seine Enkeltochter wolle ein Haus ersteigern – nachfragte, ob der Kläger telefonische Anweisungen erhalten hätten.
44
Soweit die Klagepartei vorträgt, dass der Kläger hierauf einen Anruf bestätigt habe, wonach die Kollegen am Telefon bei Mitteilung der erfolgten Umbuchung dies bereits ebenso geäußert hätten, so ist dieser Vortrag nicht geeignet, eine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Es ist dabei unbeachtlich, ob die Zeugin … sich hieraufhin Gedanken gemacht hatte oder nicht. Denn die Zeugin … gab im Rahmen der Beweisaufnahme glaubhaft an, dass sie den Kläger bei beiden Abhebungsvorgängen fragte, ob ihm der Enkeltrick bekannt sei. Hierauf habe der Kläger nach der glaubhaften Aussage der Zeugin ihr gegenüber zum einen angegeben sie müsse sich keine Sorgen machen, der Enkeltrick sei ihm bekannt (1. Abhebungsvorgang), zum anderen, dass er direkt mit seiner Enkeltochter bzw. seiner Tochter gesprochen habe (2. Abhebungsvorgang) (vgl. Protokoll vom 03.06.2022, Seite 3 f., Bl. 45 f. d.A.). Soweit die Klagepartei vorträgt, dass eine solche Nachfrage nicht erfolgt sein könne, da der Kläger sich ansonsten spätestens zu Hause bei gezielter Nachfrage seitens der Mitarbeiterin der Beklagten gefragt hätte, ob an dieser Nachfrage etwas dran wäre und „natürlich reagiert“ hätte (vgl. Schriftsatz vom 23.06.2022, Seite 6), stellt dies keine zwingende Schlussfolgerung dar.
45
Weiteres war von der Mitarbeiterin der Beklagten nicht zu verlangen.
46
f. Auch der – beklagtenseits bestrittene – Anruf einer Frau … aus dem Sicherheitszentrum der Beklagten am Abend des 26.01.2021 lässt – bei unterstellter Annahme eines solchen – keine andere rechtliche Beurteilung zu. Insbesondere kann aus dem Vortrag der Klagepartei zu diesem Gespräch (vgl. Klageschrift, Seite 9, Bl. 9 d. A.) kein „Einschüchterungsversuch“ der Beklagten (vgl. Schriftsatz vom 23.06.2022, Seite 10, Bl. 57 d. A.) entnommen werden. Der bloße Vortrag, „dass die Beklagte an der ganzen Sache keine Schuld trage“ (vgl. Klageschrift, a.a.O.) ist hierfür nicht ausreichend. Darüber hinaus wäre ein diesbezügliches Fehlverhalten nicht kausal für den Schaden.
47
2. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB kommt nicht in Betracht, da das Vermögen kein „sonstiges Recht“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB und daher nicht von dessen Schutzzweck umfasst ist.
48
3. Auch ein Anspruch gem. § 826 BGB ist nicht ersichtlich. Die Klagepartei trägt selbst nicht vor, dass die Zeugin … den Kläger in sittenwidriger Weise vorsätzlich geschädigt hat und ihr diesbezügliches Verhalten der Beklagten zuzurechnen ist.
49
Gemäß § 826 BGB haftet allerdings nicht nur, wer die die Sittenwidrigkeit seines Handelns begründenden Umstände positiv kennt, sondern auch, wer sich dieser Kenntnis bewusst verschließt und etwa seine Berufspflichten in solchem Maße grob fahrlässig und leichtfertig verletzt, dass sein Verhalten als bedenken- und gewissenlos zu bezeichnen ist. Aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns kann sich die Schlussfolgerung ergeben, dass mit Schädigungsvorsatz gehandelt worden ist. Von vorsätzlichem Handeln ist auszugehen, wenn der Schädiger so leichtfertig gehandelt hat, dass er eine Schädigung des anderen Teils in Kauf genommen haben muss (BGH, Urteil vom 06.05.2008 – XI ZR 56/07, NJW 2008, 2245, Rn. 46).
50
Aufgrund der obigen Ausführungen ist jedoch weder ein Vorsatz noch eine grobe Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit seitens der Zeugin … im Rahmen ihrer Berufspflicht anzunehmen.
51
Die Zinsforderung teilt das Schicksal des Hauptanspruchs.
52
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO; die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 2 ZPO.