Inhalt

VG München, Urteil v. 19.10.2022 – M 29 K 21.1505
Titel:

Erfolglose Klage gegen einen einem staatlichen Bauamt erteilten Vorbescheid für hinsichtlich der Errichtung eines Parkhauses mit sechs Vollgeschossen

Normenketten:
BayBO Art. 73
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
BauGB § 31 Abs. 2
VwGO § 124, § 124 a Abs. 4
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Eine Baugenehmigung ist insoweit dann aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden kann. Gleiches gilt auch für einen Vorbescheid. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine nachbarrechtsrelevante Unbestimmtheit der Planunterlagen liegt aber nicht vor. Insbesondere können die Abmessungen und die Situierung des Parkhauses den genehmigten Plänen unzweideutig entnommen werden. Zwar sind diese Planunterlagen nur teilweise (Lageplan Umgriff Ebene 00, Höhenentwicklung im Schnitt) vermasst. Jeder der genehmigten Pläne enthält aber eine Maßstabsangabe, so dass die Maße des gegenständlichen Parkhauses sowie dessen Situierung in Relation zum klägerischen Grundstück aus den genehmigten Plänen herausgemessen werden können. Insoweit ist es unschädlich, dass in den verschiedenen genehmigten Plänen unterschiedliche Maßstäbe verwendet wurden. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Hinsichtlich des Nachbarschutzes im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit wird oder von nicht drittschützenden Festsetzungen. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil eine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt ist. Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte der Nachbarn zu schützen, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit in einer nachhaltig städtebaulichen Entwicklung dient, richtet sich der Nachbarschutz nach den Grundsätzen des im Tatbestandsmerkmal "unter Würdigung nachbarlicher Interessen" enthaltene Rücksichtnahmegebotes. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage gegen Vorbescheid im Zustimmungsverfahren, Bestimmtheit, Befreiung von Festsetzungen eines qualifizierten Bebauungsplanes, Gebot der Rücksichtnahme, Befreiung, Befreiung von Baugrenzen, Nachbarklage, Rücksichtnahmegebot, Vorbescheid, Wohnbebauung, Gemeinde
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 04.02.2025 – 2 ZB 23.624
Fundstelle:
BeckRS 2022, 60259

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

1
Die Kläger sind die Miteigentümer des Grundstücks H. straße …, FlNr. 157/43, Gemarkung … Dieses Grundstück liegt auf der Südseite der in West-Ost-Richtung verlaufenden H. straße. An die Südgrenze des klägerischen Grundstücks schließt sich das Gebiet des Bebauungsplans Nr. 17 a, b S. -, W. straße und Stadtgrenze, Universitätskliniken M. - … der Landeshauptstadt M., rechtsverbindlich seit Oktober 1967, an.
2
Im nordöstlichen Eck des Bebauungsplangebiets ist ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt, im Übrigen ist nach § 1 Abs. 3 Satz 2 der Bebauungsplansatzung das Klinikareal Sondergebiet. An der Nordgrenze des Bebauungsplangebiets zwischen der Z. straße im Westen und dem allgemeinen Wohngebiet im Osten und damit u.a. an das klägerische Grundstück angrenzend setzt der Bebauungsplan einen Grünstreifen fest, der in der Zeichenerklärung mit „Baum- und Strauchanpflanzung erforderlich Abschirmung zur Bebauung an der H. straße 15 m breit“ bezeichnet ist. Südlich dieses festgesetzten Grünstreifens ist als Hinweis eine private Zufahrt dargestellt, wiederum südlich dieses Hinweises ist eine Fläche für Kfz-Stellplätze festgesetzt und wiederum südlich an diese Fläche schließt sich ein durch Baugrenzen definierter Bauraum an, für den hinsichtlich des Maßes der Nutzung eine Höchstgrenze von zwei Vollgeschossen, eine GFZ von 1,0 und eine GRZ von 0,8 festgesetzt ist.
3
Nach der Begründung zum Bebauungsplan hatten u.a. die Anlieger der H. straße Einwendungen vorgebracht, auch dahingehend, dass die in einem Abstand von 10 m auf der Südseite der Siedlung verlaufende private Zufahrt in die Mitte der Stellplatzfläche verlegt und der Grünstreifen auf 15 m verbreitert werden soll sowie dahingehend, dass auf der Südseite der H. straße statt sechsgeschossigen Bauten nur welche mit einer Höhenentwicklung bis zu zwei Geschossen festgesetzt werden sollen. Hinsichtlich der Einwendung betreffend die private Zufahrt und den Grünstreifen wurde festgestellt, dass die Verlegung der Erschließungsstraße in die Mitte der Parkfläche nicht möglich ist, dass aber die Anregung auf Verbreiterung des Grünstreifens von 10 m auf 15 m berücksichtigt und in den Bebauungsplan eingearbeitet wurde. Hinsichtlich der gerügten Höhenentwicklung wurde festgehalten, dass für den Bauraum südlich der H. straße die Anzahl der Geschosse auf zwei und die Geschossflächenzahl auf 1,0 reduziert und damit die vorgebrachten Anregungen voll berücksichtigt wurden.
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Mit Schreiben vom 14. Oktober 2019 beantragte das Staatliche Bauamt M. II bei der Regierung von Oberbayern die Erteilung eines Vorbescheids für den geplanten Neubau eines Parkhauses am Campus … Nach den eingereichten Plänen ist das abgefragte Parkhaus südlich gegenüber dem klägerischen Grundstück mit einem Abstand des Hauptbaukörpers von ca. 55 m (abgegriffen) zur Grundstücksgrenze vorgesehen. Es wurden folgende Vorbescheidsfragen gestellt:
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„1. Innerhalb des Bauraums sind 2 Vollgeschosse festgesetzt. Das geplante Parkhaus würde um zusätzliche 4 Vollgeschosse die festgesetzte Geschossigkeit überschreiten. Die geplante Traufhöhe liegt dabei zwischen 15,5 m und 17 m.
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Wird von der Einhaltung der Geschossigkeit (2 Vollgeschosse) eine Befreiung erteilt?
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2. Das Parkhaus überschreitet mit 6 Vollgeschossen im Westen und im Norden den Bauraum.
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Wird von der Einhaltung der Baugrenze eine Befreiung erteilt?“
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Eine dritte Vorbescheidsfrage betrifft die Zulässigkeit von Baumfällungen und die mit Schreiben des Staatlichen Bauamts M. II vom 9. Juli 2020 nachgereichte vierte Vorbescheidsfrage die Überschreitung der Grenze des Sondergebiets durch das Vorhaben in das allgemeine Wohngebiet.
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Nach dem Erläuterungsbericht zum Vorbescheid ist die Errichtung eines Parkhauses mit den Außenmaßen von ca. 210 m x 35 m für mindestens 1.740 Stellplätze, verteilt auf sechs Parkebenen in Split-Level-Anordnung, beabsichtigt. Das Parkhaus soll zum Zweck des Blend-, Schall- und Korrosionsschutzes überdacht werden und eine Gesamthöhe über Niveau der bisherigen Parkharfe von ca. 15,40 m auf der Nordseite und ca. 16,80 m auf der Südseite erreichen. Die Zufahrt zum Parkhaus und die Ausfahrt aus dem Parkhaus soll von der Südseite her erfolgen. Die Fassade des Parkhauses soll auf allen Seiten mit einer Lamellen-Schallschutzfassade ausgestattet werden, die West-, Nord- und Ostfassade zusätzlich begrünt werden. Hinsichtlich des Schallschutzes wurde ausgeführt, dass aufgrund der im Norden gelegenen Wohnbebauung das Parkhaus mit Schallschutzmaßnahmen ausgestattet wird, so dass Lärmemissionen innerhalb des Parkhauses weitestgehend absorbiert werden und das Herausdringen von Autolärm vermieden werden kann. Vorgesehen dafür sind schallabsorbierende Deckenpaneele bzw. Wandsysteme. Weiter soll durch ein vorgehängtes und ausreichend luftdurchlässiges Fassadensystem in Form von Lamellenfassaden eine erhebliche Lärmminderung erreicht werden. Hinsichtlich des Schallschutzes wurde mit dem Vorbescheidsantrag auch eine Schallschutzbewertung eines Ingenieurbüros vom Oktober 2019 vorgelegt, die zusammenfassend feststellt, dass bei Umsetzung von baulichen Maßnahmen die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte möglich erscheint, wobei im Rahmen der weiteren Planungen eine detaillierte schallschutztechnische Untersuchung zu erstellen ist, in der die einzelnen Maßnahmen im Detail vorgeschlagen und geprüft werden müssen.
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Mit Schreiben vom 14. September 2020 stimmte die Landeshauptstadt M. n den mit den Vorbescheidsfragen 1. und 2. abgefragten Befreiungen zu.
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Am 2. Februar 2021 erteilte die Regierung von Oberbayern dem Staatlichen Bauamt M. II einen Vorbescheid im Zustimmungsverfahren, mit dem die vier gestellten Vorbescheidsfragen positiv beantwortet wurden. Der Vorbescheid enthält u.a. folgende Regelungen:
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„1.1 Für die Errichtung von 6 Vollgeschossen wird von der Einhaltung der mit Bebauungsplan 17 a/b der Landeshauptstadt M. n festgesetzten zwei Vollgeschosse eine Befreiung erteilt.
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1.2 Für die Überschreitung von den mit Bebauungsplan 17 a/b in nördlicher und östlicher Richtung festgesetzten Baugrenzen wird entsprechend den vorgelegten Lageplänen eine Befreiung erteilt.“
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, von der festgesetzten Zahl der Vollgeschosse habe eine Befreiung erteilt werden können, da die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB vorlägen. Die Grundzüge der Planung würden insoweit nicht berührt. Die Planung sei mit der Intention vorgenommen worden, dem Bedarf der Klinik zu entsprechen und ausreichende bauliche Entwicklungsmöglichkeiten zu gewähren. Die Festsetzung der Zahl der Vollgeschosse sei dabei lediglich auf die damalige Planung abgestimmt gewesen, ohne dass es hierfür weitergehende, insbesondere städtebauliche Überlegungen gegeben habe. Gründe des Wohls der Allgemeinheit erforderten die Befreiung. In der Gesamtschau der zu berücksichtigen Belange sei die Planung vernünftig und infolgedessen auch erforderlich. Das Konzept, im Rahmen der Umplanung des Klinikums … die Parkplätze durch ein Parkhaus zu ersetzen, sei schlüssig. Eine gewisse Höhenentwicklung des Parkhauses sei unumgänglich, um den Parkplatzbedarf des Klinikums weiterhin zu decken. Die Abweichung sei auch unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar. Zwischen dem Vorhaben und den Grundstücksgrenzen der Wohnbebauung bestehe ein Abstand von 50 m. Auch hinsichtlich der Befreiung von den Baugrenzen lägen die Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB vor. Die Grundzüge der Planung würden nicht berührt, da sich das Vorhaben überwiegend innerhalb der Baugrenzen befinde. Gründe des Wohls der Allgemeinheit erforderten die Befreiung. Zwar gebe es alternative Standorte für ein Parkhaus, die Errichtung an der gewählten Stelle sei allerdings schlüssig und vernünftig, da auf diese Weise bereits bestehende Erschließungswege weiterhin genutzt werden könnten. Öffentlichrechtlich geschützte nachbarrechtliche Belange seien nicht beeinträchtigt.
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Die Geltungsdauer des Vorbescheids wurde auf 10 Jahre festgesetzt.
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Der Vorbescheid wurde im Amtsblatt der Regierung von Oberbayern vom 19. Februar 2021 öffentlich bekannt gemacht.
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Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom … März 2021, der am gleichen Tag bei Gericht einging, ließen die Kläger Klage gegen den Vorbescheid vom 2. Februar 2021 erheben. Mit Schriftsatz vom ... September 2021 beantragten die Bevollmächtigten der Kläger,
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den Vorbescheid vom 2. Februar 2021 hinsichtlich der Ziffern 1.1 und 1.2 aufzuheben.
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Zur Klagebegründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Vorbescheid sei nicht hinreichend bestimmt im Sinn von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Der Umfang der Befreiungen sei nicht nachvollziehbar. Die dem Antrag auf Vorbescheid beigefügten Anlagen ließen den Umfang der neu geschaffenen Baugrenzen nicht eindeutig erkennen. Bemaßung und Maßeinheiten seien falsch und Legenden fehlten oder seien unleserlich. Die Anlagen verfügten neben Nummerierung und Benennung über keine oder nicht lesbare Legenden und eingetragene Maße sowie über einen falschen Maßstab. Das Vorhaben sei weder bauplanungsrechtlich noch bauordnungsrechtlich zulässig. Die Befreiung von der festgesetzten Vollgeschosszahl sei rechtswidrig erfolgt. Die Grundzüge der Planung seien berührt. Die Vorschriften über die Änderung von Bebauungsplänen dürften nicht durch eine großzügige Befreiungspraxis umgangen werden. § 31 Abs. 2 BauGB solle der Bauaufsichtsbehörde nur die Möglichkeit geben, in nicht vom Satzungsgeber vorhergesehenen Sonderfällen von den auf einer notwendigen Verallgemeinerung beruhenden Festsetzungen abweichen zu können und damit dem Erfordernis einer beweglichen städtebaulichen Planung Rechnung zu tragen. Die Festsetzung über die Zahl der Vollgeschosse gehöre zum Konzept des Bebauungsplans. Die Vorgabe des Bebauungsplans werde mit vier zusätzlichen Vollgeschossen überschritten und eine derartig umfangreiche Abweichung greife in die Grundzüge der Planung ein. Es lägen auch keine Gründe des Wohls der Allgemeinheit für die Befreiung vor. Kein Allgemeinwohlgrund sei das Interesse, vorhandene planerische Festsetzungen geänderten städtebaulichen Vorstellungen anzupassen. Es komme insoweit darauf an, dass sich die Verwirklichung des Allgemeinwohlbelangs aufgrund der besonderen Situation als Sonderfall darstelle. Ein erweiterter Stellplatzbedarf stelle keine solche Situation dar. Weiter sei der Bedarf auch nicht ausreichend dargelegt. Auch ohne den Bau eines Parkhauses halte das Klinikum Stellplätze in ausreichender Zahl vor. Weiter würde das Parkhaus in unmittelbarer Nähe zu einer U-Bahn-Station errichtet, so dass es öffentliches Interesse sein müsste, Anreisende zu einer Benutzung der U-Bahn zu bewegen. Auch die Würdigung nachbarlicher Interessen spreche gegen die Befreiung. Durch die Verdreifachung der Vollgeschosse komme es zu einer Belastung der unmittelbar angrenzenden Nachbarn. Es sei eine sogenannte Parkbatterie geplant, eine Parkgelegenheit mit offenen Wänden. Der halboffene Lamellenvorbau ändere daran nichts. Da das Parkhaus nur über eine Aufwärts- bzw. Abwärtsrampe erschlossen werden solle, führe dies in der offenen Parkpalette zu enormen Lärm- und Abgasbelastungen. Eine geschlossene Lärmschutzwand sei nicht geplant, sondern nur eine Begrünung, die sich aber nicht im Frageteil der Bauvoranfrage wiederfinde. Auch eine begrünte Fassade biete keinen ausreichenden Schutz vor Lärm-, Licht- und anderen Emissionen. Ein verbindlicher und ausreichender Lärmschutz sei nicht vorgesehen, einzuhaltende Lärmwerte seien nicht genannt. Die Befreiung sei darüber hinaus ermessensfehlerhaft erteilt worden. Dies folge schon aus einer mangelhaften Tatbestandsaufklärung. Auch die Befreiung von den festgesetzten Baugrenzen sei rechtswidrig. Die Grundzüge der Planung seien berührt, da das geplante Parkhaus sowohl im Osten als auch im Norden mit sechs Vollgeschossen den festgesetzten Bauraum überschreite. Auch lägen keine Gründe des Wohls der Allgemeinheit vor, da das Parkhaus in dem geplanten Umfang nicht erforderlich sei. Durch die rechtswidrigen Befreiungen würden die Kläger auch in ihren subjektiven Rechten verletzt. Es sei von nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans befreit worden. Aus der Entstehungsgeschichte des Bebauungsplans ergebe sich eindeutig, dass die planerische Entscheidung, nur zwei Vollgeschosse festzusetzen, zu Gunsten der Nachbarn getroffen worden sei. Im Bebauungsplanaufstellungsverfahren hätten sich die Anwohner der H. straße gegen eine zunächst vorgesehene sechsgeschossige Bebauung und für eine höchstens zweigeschossige Bebauung ausgesprochen und diesem Ansinnen sei der Plangeber dann auch nachgekommen. Die Begrenzung der Vollgeschosse sei also im Interesse der benachbarten Grundstücke erfolgt. Auch die Festlegung der Baugrenze sei eindeutig nachbarschützend beabsichtigt. Die Baugrenze nach Norden hin sei von Anfang an deutlich zurückgesetzt gewesen. Die Planzeichnung lasse unschwer erkennen, dass durch die Anordnung der Baugrenzen sowie der Festlegung der Stockwerkszahl und der GFZ Nachbarschutz gewollt gewesen sei. Aus den Unterlagen des Planaufstellungsverfahrens ergebe sich eindeutig, dass die planende Gemeinde mit den Festsetzungen der Baugrenzen und der Geschossflächenzahl den Zweck verfolgt habe, auch die Kläger als „Gebietsnachbarn“ zu schützen. Das Vorhaben verstoße auch gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Durch das um vier Vollgeschosse größere und näher an die Kläger heranrückende Parkhaus komme es zu einer Mehrbelastung durch Lärm und Verkehr. Bisher liege die Schallquelle nur am Boden, dann aber auf sechs Ebenen. Bedeutsam sei insbesondere auch, dass das Parkhaus durchgängig offen sein werde. Gravierend sei auch die zu erwartende Lichtverschmutzung durch die Parkhausbeleuchtung oder das Licht der PKW.
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Mit Schriftsatz vom 29. September 2020 beantragte der Beklagte,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid sei hinreichend bestimmt. Die genehmigten Pläne seien maßstabsgetreu, so dass es unschädlich sei, wenn einzelne Maße fehlten, da diese durch einfaches Messen ermittelt werden könnten. Maßgebliche Teile der Klagebegründung beruhten auf Annahmen, die nicht Regelungsgegenstand des streitgegenständlichen Vorbescheids seien. So seien hinsichtlich der Gestaltung des Parkhauses in weiten Teilen keine konkreten Regelungen getroffen worden, was u.a. für die Zufahrtsituation, die Verkehrsführung im Inneren des Parkhauses, die Außenverkleidung und die Einhaltung von Schallschutzrichtwerten gelte. Diese für die immissionsschutzrechtliche Bewertung relevanten Aspekte seien im Baugenehmigungsverfahren zu klären und mit dem Vorbescheid noch nicht entschieden. Die Befreiung von der Anzahl der zulässigen Vollgeschosse sei rechtmäßig erfolgt. Die entsprechende Festsetzung sei nicht drittschützend, die objektiven Voraussetzungen des Befreiungstatbestands lägen vor. Auch die Ermessensausübung sei ordnungsgemäß erfolgt. Auch die Befreiung hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksflächen sei rechtmäßig erfolgt. Schließlich liege auch kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor.
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Mit Schriftsatz vom … September 2022 brachten die Klägerbevollmächtigten zur Ergänzung der Klagebegründung vor, auf dem geplanten Parkhaus solle eine Photovoltaikanlage errichtet werden, so dass sich die Höhe um mindestens einen halben Meter erhöhe. In der nahen Umgebung des Vorhabens seien viele Parkplätze dazugekommen bzw. geplant, so dass der Bedarf für das geplante Parkhaus nicht gegeben sei. Aus den Unterlagen zum Bebauungsplan ergebe sich, dass die damalige Bebauung in der H. straße durch einen weiten Abstand der Gebäude habe geschützt werden sollen. Das Klinikum … sei durch verschiedene öffentliche Verkehrsmittel sehr gut erreichbar.
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Mit Schriftsatz vom … Oktober 2022 nahmen die Klägerbevollmächtigten zur Klageerwiderung des Beklagten ergänzend Stellung. Aus den Unterlagen sei nicht ohne weiteres erkennbar oder nachmessbar, welche Ausmaße die Baugrenzenüberschreitung nach Norden haben solle. Die entsprechenden Maße seien weder dem Erläuterungsbericht zur Bauvoranfrage noch den Akten zu entnehmen. Die Bebauungsplanfestsetzungen zur Zahl der Vollgeschosse und zum festgesetzten Bauraum seien drittschützend. Die festgesetzte Zahl der Vollgeschosse sei auf Einspruch der Anwohner von einer zunächst vorgesehenen sechsstöckigen Bebauung auf eine zweistöckige Bebauung reduziert worden. Die Befreiungsvoraussetzungen lägen nicht vor. Insbesondere diene das Parkhaus in den geplanten Dimensionen nicht dem Wohl der Allgemeinheit. Das sechsstöckige Parkhaus könne nicht mit dem Bedarf des Klinikums begründet werden.
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Die Verwaltungsstreitsache wurde nach Durchführung eines Augenscheins am 19. Oktober 2022 mündlich verhandelt. Die Parteien stellten die schriftsätzlich angekündigten Anträge.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit (auch) auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH v. 08.07.2013 Az.: 2 CS 13.807 – juris, Rn. 3; BayVGH v. 24.03.2009 Az.: 14 CS 08.3017 – juris, Rn. 20, m.w.N.). Ob eine angefochtene Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, beurteilt sich grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Nur nachträgliche Änderungen zugunsten des Bauherrn sind zu berücksichtigen, Änderungen zu seinen Lasten haben außer Betracht zu bleiben (BVerwG v. 08.11.2010 Az.: 4 B 43/10 – juris, Rn. 9, m.w.N.). Bei der Überprüfung, ob Nachbarrechte verletzt sind, wird dabei das zur Genehmigung gestellte Vorhaben durch die Betriebsbeschreibung im Einzelnen be- und umschrieben und insoweit wird auch der Umfang der Baugenehmigung festgelegt (vgl. BayVGH v. 14.09.2006 Az.: 26 CS 06.2072 – juris, Rn. 17). Diese Grundsätze gelten entsprechend bei einer Nachbarklage gegen einen Bauvorbescheid.
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Der im Zustimmungsverfahren nach Art. 73 BayBO erteilte Vorbescheid verletzt keine die Kläger schützenden Vorschriften im vorgenannten Sinn.
31
Entgegen der klägerischen Auffassung ist der Vorbescheid vom 2. Februar 2021 hinreichend bestimmt im Sinn von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
32
Eine Baugenehmigung ist insoweit dann aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BayVGH v. 05.10.2011 Az.: 15 CS 11.1858 – juris, Rn. 14, m.w.N.). Gleiches gilt auch für einen Vorbescheid.
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Eine nachbarrechtsrelevante Unbestimmtheit der Planunterlagen liegt aber nicht vor. Insbesondere können die Abmessungen und die Situierung des Parkhauses den genehmigten Plänen unzweideutig entnommen werden. Zwar sind diese Planunterlagen nur teilweise (Lageplan Umgriff Ebene 00, Höhenentwicklung im Schnitt) vermasst. Jeder der genehmigten Pläne enthält aber eine Maßstabsangabe, so dass die Maße des gegenständlichen Parkhauses sowie dessen Situierung in Relation zum klägerischen Grundstück aus den genehmigten Plänen herausgemessen werden können. Insoweit ist es unschädlich, dass in den verschiedenen genehmigten Plänen unterschiedliche Maßstäbe verwendet wurden.
34
Die angefochtenen Vorbescheidsfragen, mit denen eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans 17 a/b der Landeshauptstadt M. n hinsichtlich der Überschreitung der zulässigen Zahl der Vollgeschosse sowie hinsichtlich der Überschreitung des festgesetzten Bauraums in Aussicht gestellt wurden, beinhalten keinen Verstoß gegen die Kläger schützendes Bauplanungsrecht.
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Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von der Festsetzung eines Bebauungsplans befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
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1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit, einschließlich des Bedarfs zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden, die Befreiung erfordern oder
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2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
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3. die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde
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und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
40
Hinsichtlich des Nachbarschutzes im Rahmen des § 31 Abs. 2 BauGB ist grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob von drittschützenden Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit wird oder von nicht drittschützenden Festsetzungen. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil eine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt ist. Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte der Nachbarn zu schützen, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit in einer nachhaltig städtebaulichen Entwicklung dient, richtet sich der Nachbarschutz nach den Grundsätzen des im Tatbestandsmerkmal „unter Würdigung nachbarlicher Interessen“ enthaltene Rücksichtnahmegebotes (§ 31 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Nachbarrechte werden in diesem Fall nicht schon dann verletzt, wenn die Befreiung objektiv rechtswidrig ist, sondern nur, wenn der Nachbar durch das Vorhaben in Folge der zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird (BayVGH v. 23.05.2017 Az.: 1 CS 17.693 – juris, Rn. 3; BayVGH v. 26.02.2014 Az.: 2 ZB 14.101 – juris, Rn. 3; jeweils m.w.N.).
41
Die Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 17 a/b über den Bauraum und über die zulässige Geschossigkeit im hier maßgeblichen Bebauungsplanbereich sollen nicht das außerhalb des Plangebiets liegende Grundstück der Kläger schützen.
42
Festsetzungen des Maßes der baulichen Nutzung durch Bebauungspläne haben grundsätzlich keine nachbarschützende Funktion (BayVGH v. 16.07.2002 Az.: 2 CS 02.1236 – juris, Rn. 34). Ob Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung auch darauf gerichtet sind, dem Schutz des Nachbarn zu dienen, hängt von dem Willen der Gemeinde als Plangeber ab (BVerwG v. 09.08.2018 Az.: 4 C 7/17 – juris, Rn. 14). Zwar können Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung auch dann drittschützende Wirkung entfalten, wenn der Bebauungsplan aus einer Zeit stammt, in der man ganz allgemein an einen nachbarlichen Drittschutz noch nicht gedacht hat. Der baurechtliche Nachbarschutz beruht auf dem Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses, in dem der nachbarliche Interessenkonflikt durch Merkmale der Zuordnung der Verträglichkeit und der Abstimmung benachbarter Nutzungen geregelt und ausgeglichen ist. Dieser Gedanke prägt nicht nur die Anerkennung der drittschützenden Wirkung von Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung, sondern kann auch eine nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung rechtfertigen. Stehen solche Festsetzungen nach der Konzeption des Plangebers in einem wechselseitigen, die Planbetroffenen zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbindenden Austauschverhältnis, kommt ihnen nach ihrem objektiven Gehalt Schutzfunktion zu Gunsten der an dem Austauschverhältnis beteiligten Grundstückseigentümer zu. Daraus folgt unmittelbar, dass der einzelne Eigentümer die Maßfestsetzungen aus seiner eigenen Rechtsposition heraus klageweise verteidigen kann (BVerwG v. 09.08.2018 a.a.O., Rn. 15, m.w.N.). Der Umstand, dass ein Plangeber die Rechtsfolge einer nachbarschützenden Wirkung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung zum Zeitpunkt der Planaufstellung nicht in seinem Willen aufgenommen hatte, verbietet es nicht, die Festsetzungen nachträglich subjektiv-rechtlich aufzuladen. Es entspricht allgemeiner Rechtsüberzeugung, dass das öffentliche Baurecht nicht in dem Sinn statisch aufzufassen ist, dass es einer drittschutzbezogenen Auslegung unzugänglich wäre. Baurechtlicher Nachbarschutz ist das Ergebnis einer richterrechtlichen Rechtsfortbildung, welche hierbei von einer Auslegung der dafür offenen Vorschriften ausgeht (BVerwG v. 09.08.2018 a.a.O., Rn. 16, m.w.N.). Es spricht insoweit allerdings einiges dafür, die Möglichkeit einer nachträglichen subjektiv-rechtlichen Aufladung von Festsetzungen eines Bebauungsplanes, die nicht die Art der baulichen Nutzung betreffen, von vorn herein auf (übergeleitete) Bebauungspläne zu begrenzen, die aus einer Zeit vor Inkrafttreten des BBauG und der erst im Jahr 1960 beginnenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Nachbarschutz stammen, und im Übrigen bei jüngeren Bebauungsplänen weiterhin allein auf den (ggf. durch Auslegung zu ermittelnden) Willen des kommunalen Plangebers abzustellen (vgl. BayVGH v. 24.07.2020 Az.: 15 CS 20.1332 – juris, Rn. 26).
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Festsetzungen zu überbaubaren Grundstücksflächen durch Baulinien und Baugrenzen haben grundsätzlich keine drittschützende Funktion. Solche Festsetzungen vermitteln Drittschutz nur dann, wenn sie ausnahmsweise nach dem Willen der Gemeinde als Planungsträgerin diese Funktion haben sollen (BayVGH v. 29.08.2014 Az.: 15 CS 14.615 – juris, Rn. 24, m.w.N.). Ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, wobei sich ein entsprechender Wille aus dem Bebauungsplan selbst, aus seiner Begründung oder auch aus sonstigen Vorgängen im Zusammenhang mit der Planaufstellung ergeben kann. Maßgebend ist, ob die Festsetzung nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen wurde oder (zumindest auch) einen nachbarlichen Interessenausgleich im Sinn eines Austauschverhältnisses dienen sollte (BayVGH v. 29.08.2014 a.a.O., Rn. 25, m.w.N.).
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Für einen beabsichtigten Drittschutz von Festsetzungen für Bereiche außerhalb des Plangebiets sind, da es sich um einen Ausnahmefall handelt, entsprechend deutliche Anhaltspunkte erforderlich (BayVGH v. 02.05.2016 Az.: 9 ZB 13.2048, 9 ZB 13.2051, 9 ZB 13.2052 – juris, Rn. 14, m.w.N.).
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Gemäß diesen Vorgaben kann nicht festgestellt werden, dass der Plangeber mit den hier streitgegenständlichen Festsetzungen im Bebauungsplan außerhalb des Plangebiets gelegene Nachbarn schützen wollte.
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Hinsichtlich der Bauraumfestsetzung sind keinerlei Anhaltspunkte – weder aus dem Bebauungsplan selbst, seiner Begründung oder aus sonstigen Umständen – ersichtlich, die darauf hindeuten könnten, dass mit dieser Festsetzung auch Nachbargrundstücke außerhalb des Bebauungsplanumgriffs geschützt werden sollten. Zwar mag es sein, dass der nach Osten hin „abgetreppte“ Bauraum im Hinblick auf das im Osten bereits vorhandene und im Bebauungsplan als Bestand dargestellte dreizehnstöckige Gebäude, welches aber im Bebauungsplanumgriff liegt, festgesetzt wurde. Für einen Schutz der Bauraumfestsetzung zu Gunsten der nördlich außerhalb des Bebauungsplanumgriffs gelegenen Grundstücke lässt sich daraus aber jedenfalls nichts herleiten. Auch das klägerische Vorbringen, die Baugrenze sei nach Norden von Anfang an deutlich zurückgesetzt worden, rechtfertigt die Annahme einer drittschützenden Baugrenzenfestsetzung zu Gunsten der nördlich gelegenen Nachbarn nicht, da aus den Unterlagen zum Bebauungsplan nicht festgestellt werden kann, dass eine weiter nördlich gelegene Baugrenze erwogen worden wäre, die dann aber zum Schutz der nördlichen Nachbarn nach Süden zurückgesetzt worden wäre.
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Auch hinsichtlich der Maßfestsetzung von maximal zwei Vollgeschossen fehlt es an hinreichend deutlichen Anhaltspunkten für einen Nachbarschutz der nördlich angrenzenden Nachbarn. Zwar ergibt sich hier aus der Bebauungsplanbegründung, dass die Anlieger der H. straße Einwendungen gegen eine zunächst sechsgeschossig vorgesehene Bebauung erhoben hatten, mit dem Ziel, dass lediglich eine Höhenentwicklung bis zu zwei Geschossen festgesetzt wird. Weiter ist den Unterlagen zu entnehmen, dass insoweit für den Bauraum südlich der H. straße die Anzahl der Geschosse auf zwei und die Geschossflächenzahl auf 1,0 reduziert wurde und die vorgebrachten Anregungen damit voll berücksichtigt wurden. Für die Annahme eines beabsichtigten Drittschutzes zu Gunsten der nördlich angrenzenden Grundstücke genügt dies in der vorliegenden Konstellation gleichwohl nicht. Dies folgt aus dem Umstand, dass sich der Plangeber der Thematik eines Drittschutzes zugunsten der Bebauung an der H. straße außerhalb des Bebauungsplangebiets durchaus bewusst war. Unmittelbar südlich an die Grundstücke an der H. straße angrenzend wurde nämlich ein Grünstreifen festgesetzt und mit der Bezeichnung „Baum- und Strauchanpflanzung erforderlich Abschirmung zur Bebauung an der H. straße 15 m breit“ erläutert. Der Wortlaut dieser Erläuterung zeigt unmissverständlich, dass diese Festsetzung zum Schutz der nördlich außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücke getroffen wurde (wobei eine Verbreiterung dieses Grünstreifens von 10 m auf 15 m aus einer Anregung der Anlieger der H. straße resultierte). Der beabsichtigte Drittschutz für Grundstücke außerhalb des Bebauungsplangebiets ist insoweit eindeutig. Mit dieser Festsetzung schafft sich der Bebauungsplan damit gleichsam einen eigenen Maßstab für die Beurteilung der Frage, welche Bebauungsplanfestsetzungen drittschützend zu Gunsten von Nachbarn außerhalb des Bebauungsplangebiets sein sollen. Die Frage eines entsprechenden Drittschutzes weiterer Bebauungsplanfestsetzungen muss sich damit an der Deutlichkeit des mit der Grünstreifenfestsetzung beabsichtigten Drittschutzes messen lassen. Die planerische Absicht, Drittschutz für Grundstücke außerhalb des Bebauungsplanumgriffs zu gewähren, müsste sich also aus der planerischen Festsetzung selbst ergeben. Der Umstand, dass sich aus der Bebauungsplanbegründung ergibt, dass die Reduzierung der zulässigen Zahl der Vollgeschosse auf eine Anregung der planangrenzenden Nachbarn zurückging, kann daher noch nicht genügen, eine konkrete Drittschutzabsicht der getroffenen Festsetzung über das Maß der baulichen Nutzung zu belegen.
48
Die mit dem Vorbescheid ausgesprochenen Befreiungen von den Bebauungsplanfestsetzungen sind damit in nachbarlicher planungsrechtlicher Hinsicht ausschließlich am Gebot der Rücksichtnahme zu messen.
49
Dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und anderseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH v. 06.04.2018 Az.: 15 ZB 17.36 – juris, Rn. 21, m.w.N.).
50
Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot zu Lasten der Kläger durch die in Aussicht gestellte Befreiung für eine Bauraumüberschreitung nach Norden ist offensichtlich nicht gegeben. Der Bauraum wird nach Norden hin durch drei in etwa 8 m breite Treppenhäuser um jeweils ca. 3 m überschritten und an der Nordost-Ecke des festgesetzten Bauraums ist ein Treppenhaus mit Aufzug vorgesehen, das mit ca. 8 m Breite um ca. 5 m nach Norden hervortritt. Der Abstand in direkter Linie zu den Grenzen der Grundstücke auf der Südseite der H. straße beträgt dabei mehr als 50 m. Nach dem genehmigten Schnittplan erreichen die Vorbauten eine Höhe von 15,40 m. Unter Berücksichtigung der genannten Maße ist nicht ersichtlich, wie die Treppenhausvorbauten dem klägerischen Grundstück gegenüber rücksichtslos sein könnten.
51
Auch im Hinblick auf die in Aussicht gestellte Befreiung hinsichtlich der zulässigen Zahl der Vollgeschosse ist kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme zu Lasten der Kläger zu erkennen. Im Hinblick auf die Höhenentwicklung des Parkhauses mit 15,40 m an der Nordwand ist eine erdrückende Wirkung des Gebäudes auf das klägerische Grundstück – zu Recht – nicht geltend gemacht worden und aufgrund der Entfernung zur Grenze des klägerischen Grundstücks von ca. 55 m auch auszuschließen.
52
Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liegt auch im Hinblick auf die von den Klägern befürchtete Immissionsbelastung ihres Grundstücks nicht vor. Die Kläger wenden hier ein, dass Emissionen von sämtlichen vorgesehenen Parkebenen ausgehen würden; weiter befürchten sie, dass die Zu- und Abfahrt zum Parkhaus, die nach den genehmigten Plänen jeweils auf der Südseite liegen, nach Norden verlegt werden könnten.
53
Die angefochtenen Vorbescheidsfragen betreffen das Maß der Nutzung und die überbaubare Grundstücksfläche, nicht aber Fragen des Immissionsschutzes. Die Art der Nutzung – und die daraus resultierende Immissionssituation – wurden mit dem gegenständlichen Vorbescheid nicht abgefragt.
54
Inhalt eines Vorbescheidsantrages sind bestimmte Fragen zur Zulässigkeit des Vorhabens, wobei der Dispositionsbefugnis des Bauherrn kaum Grenzen gesetzt sind (vgl. BayVGH v. 14.10.2008 Az.: 2 BV 04.863 – juris, Rn. 23). Zwar wird diese Dispositionsbefugnis des Bauherrn dort Grenzen finden müssen, wo das Ausklammern einer nachbarrechtsrelevanten Thematik dazu führen könnte, dass sich der Bauherr im nachfolgenden Baugenehmigungsverfahren auch auf den Rechtsstandpunkt stellen könnte, der Vorbescheid entfalte auch insoweit Bindungswirkung. Eine solche Konstellation ist vorliegend jedoch nicht gegeben.
55
Bindungswirkung eines Vorbescheids kann nicht mehr angenommen werden, wenn sich das im Baugenehmigungsverfahren behandelte Vorhaben aufgrund nachträglich eingereichter Unterlagen dann nicht mehr auf das ursprünglich mittels Vorbescheid bereits ausschnittsweise beurteilte Vorhaben bezieht, sondern von diesem abweicht. Die Bindung erstreckt sich nur auf Vorhaben, die inhaltlich dem Vorbescheid vollständig entsprechen oder von diesem ohne Veränderung der Grundkonzeption allenfalls geringfügig abweichen. Das Vorhaben darf mithin nicht derart verändert werden, dass wegen dieser Änderung die Genehmigungsfrage in bodenrechtlicher und/oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht erneut aufgeworfen wird. Wird das Vorhaben derart verändert, dass es in rechtserheblicher Weise von den entschiedenen Punkten abweicht und die Genehmigungsfrage neu aufwirft, entfällt die Bindungswirkung des Vorbescheids (vgl. BayVGH v. 04.08.2011 Az.: 2 CS 11.997 – juris, Rn. 8, m.w.N.). Darüber hinaus wird – wie schon ausgeführt – das Vorbescheidsvorhaben durch die Betriebsbeschreibung im einzelnen be- und umschrieben, wodurch auch der Vorbescheidsumfang festgelegt wird.
56
Für die klägerischen Einwendungen bedeutet dies zunächst, dass sich die Bindungswirkung des gegenständlichen Vorbescheids nicht auf ein Parkhaus erstrecken würde, dessen Zu- und/oder Ausfahrt auf der Nordseite liegen würde. Nach den genehmigten Vorbescheidsplänen (Lageplan Umgriff Ebene 00, Grundrisse EU1, E00, E01 – 04) sind sowohl die Einfahrt in das als auch die Ausfahrt aus dem Parkhaus auf der Südseite angeordnet. Eine Verlegung auf die Nordseite in einem folgenden Baugenehmigungsverfahren würde dazu führen, dass der gegenständliche Vorbescheid für ein solches in maßgeblichem Umfang geändertes Verfahren keine Bindungswirkung entfalten könnte.
57
Zum anderen folgt aus den vorgenannten Grundsätzen, dass sich der Vorbescheid aufgrund der mit dem Vorbescheidsantrag eingereichten Unterlagen keinerlei Bindungswirkung hinsichtlich der Immissionssituation beimisst. Mit dem Vorbescheidsantrag wurde nicht nur ein Erläuterungsbericht eingereicht, der sich unter seiner Ziff. 5. mit Fragen des Schallschutzes befasst, sondern auch eine Schallschutzbewertung eines Ingenieurbüros, die zusammenfassend zu dem Ergebnis kommt, dass im Rahmen der weiteren Planungen eine detaillierte schallschutztechnische Untersuchung zu erstellen ist, in der die einzelnen Maßnahmen im Detail vorgeschlagen und geprüft werden. Damit ist hinreichend deutlich gemacht, dass Fragen des Immissionsschutzes dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten bleiben sollen, dass also der Vorbescheid insoweit keine Bindungswirkung entfalten kann. Der gegenständliche Vorbescheid ist also nicht geeignet, die Kläger im Hinblick auf den Immissionsschutz schutzlos zu stellen.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.