Inhalt

LG Aschaffenburg, Endurteil v. 27.09.2022 – 61 O 125/21
Titel:

Insolvenzverwalter-Haftung, Pflichten des Insolvenzverwalters, Haftung des Insolvenzverwalters, Im Insolvenzverfahren, Nachlassinsolvenzverfahren, Insolvenzgläubiger, Verwertung der Insolvenzmasse, Feststellungsinteresse, Feststellung einer Schadensersatzpflicht, Pflichtteilsanspruch, Verschulden bei Vertragsschluß, Nachlaßverbindlichkeiten, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Insolvenzeröffnung, Abfindungsvergleich, Zugewinnausgleichsanspruch, Dingliche Surrogation, Insolvenzanfechtung, Klageantrag, Gemeinschaftliches Testament

Schlagworte:
Nachlassinsolvenzverfahren, Insolvenzverwalter, Schadensersatzpflicht, Klagezulässigkeit, Klagebegründetheit, Anfechtungsansprüche, Passivlegitimation
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Bamberg, Endurteil vom 17.05.2023 – 3 U 261/22
BGH Karlsruhe, Urteil vom 19.12.2024 – IX ZR 119/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 60108

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.   

Tatbestand

1
Die Klägerin ist auf Grund eigenhändigen gemeinschaftlichen Testaments vom 11.08.2014 Alleinerbin nach ihrem Vater …, der am … verstarb. Aus der Ehe des Erblassers mit Frau … ging neben der Klägerin noch der Sohn … hervor.
2
Mit notariellem Kaufvertrag vom 21.02.2019 vor dem Notar … in …, URNr. …, veräußerte die Klägerin die zum Nachlass gehörenden Anwesen, insbesondere die Anwesen …, und …, zum Kaufpreis von 580.000,00 Euro an den Käufer … Unter Ziffer III. 3. a) wurde vereinbart, dass vom Kaufpreis ein Teilbetrag von 90.000,00 Euro an den Bruder der Klägerin, …, ausbezahlt wird. Der danach verbleibende Restbetrag wurde gem. Ziffer III. 3. b) auf ein Konto der Rechtsanwälte … & Kollegen ausbezahlt. Hinsichtlich der weiteren Details des Kaufvertrages wird auf den Abdruck der notariellen Urkunde (Bl. 46 ff d. A.) verwiesen.
3
Die Mutter der Klägerin, welche im Verfahren 419 XVII 759/15 des Amtsgerichts -Nachlassgericht… unter Betreuung steht – Betreuer ist RA … – begehrte von der hiesigen Klägerin im Wege einer Stufenklage die Auszahlung ihres Pflichtteils. Das Aktenzeichen des Verfahrens vor dem Landgericht … lautet 61 O 60/20. In diesem Verfahren hat die Klägerin und dortige Beklagte beantragt, die Beschränkung der Erbenhaftung auf den Nachlass vorzubehalten (Bl. 117 der Beiakten 61 O 60/20).
4
Mit Beschluss des Amtsgerichts -Insolvenzgericht- … vom 23.04.2021 wurde auf Antrag der Klägerin vom 16.11.2020 hin im Verfahren 654 IN 306/20 das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers eröffnet und RA … als Insolvenzverwalter eingesetzt (Bl. 9 d. A.).
5
Mit Beschluss vom 18.05.2021 wurde im Verfahren 61 O 60/20 festgestellt, dass das Verfahren durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass nach …, verstorben am ... 07.2016, durch Beschluss des Amtsgerichts -Insolvenzgericht- … vom 23.04.2021 im Verfahren 654 IN 306/20 gem. § 240 ZPO unterbrochen wurde. Gegen diesen Beschluss wurde sofortige Beschwerde eingelegt. Die Akten befinden sich seit Ende Juli 2021 beim OLG … zur Beschwerdeentscheidung.
6
Außerdem begehrt die Mutter der Klägerin im Wege der Stufenklage gegenüber der Klägerin vor dem AG – FamG- … die Zahlung von Zugewinnausgleich. Das Aktenzeichen des AG -FamG- … lautet 4 F 1029/20. Dort wurde die hiesige Klägerin durch rechtskräftigen Beschluss zur Auskunftserteilung verpflichtet. Eine Leistungsstufe wurde bislang durch die Mutter der Klägerin nicht aufgerufen.
7
Mit Schreiben vom 29.04.2021 (Bl. 13 d. A.) forderte der Beklagte als Insolvenzverwalter die Klägerin unter Fristsetzung bis sp. 11.05.2021 auf, den restlichen Erlös von 257.679,01 Euro auf ein von ihm eingerichtetes Insolvenzsonderkonto zu überweisen. Des Weiteren wurden vom Beklagten Gläubiger der Klägerin angeschrieben, an die diese aus dem Erlös Zahlungen geleistet hatte. So forderte der Beklagte die LVM, Kfz-Versicherung der Klägerin, mit Schreiben vom 18.05.2021 (Bl. 17 d. A.) auf, von der Klägerin an die Versicherung geleistete Beitragszahlungen in Höhe von insgesamt 908,99 Euro an den Insolvenzverwalter und damit zum Nachlass zurückzuzahlen, was diese auch tat.
8
Die Krankenversicherung der Klägerin, der …, nahm der Beklagte in Höhe von aus dem Erlös bezahlten 11.000 Euro in Anspruch. Den Freund der Klägerin, …, nahm der Beklagte ebenfalls in Anspruch. Insoweit existiert vor der dritten Zivilkammer des Landgerichts … ein Parallelverfahren mit dem Aktenzeichen 61 O 89/21.
9
Die Klägerin trägt vor, schon zum Zeitpunkt der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens sei schon kein Nachlass mehr vorhanden gewesen. Dieser habe im Wesentlichen aus dem Anwesen … in … bestanden, das die Klägerin im Februar 2019 verkauft habe.
10
Die Klägerin habe aus dem verbliebenen Betrag von 257.679,09 Euro noch bestehende Nachlassverbindlichkeiten abgelöst sowie eigene Verbindlichkeiten getilgt. Auch habe sie ein Darlehen an einen Freund gegeben. Daneben habe sie einen Pkw und eine Einbauküche gekauft und außerdem Mietzahlungen erbracht und Weiteres. An die Rechtsanwaltskanzlei … & Kollegen wurde ein Betrag in Höhe von 101.322,99 Euro im Einverständnis mit der Klägerin umgebucht.
11
Der Erlös sei zum 14.01.2021 vollständig aufgebraucht gewesen.
12
Die Mutter der Klägerin habe überraschend Pflichtteils- und Zugewinnzahlungen verlangt, nachdem sie – so die Ansicht der Klägerin – darauf verzichtet hatte. Sie sei die einzige Gläubigerin im Insolvenzverfahren.
13
Da die Klägerin Alleinerbin nach dem Erblasser … sei, sei der Kauferlös aus dem Verkauf der Immobilie keine Masse des Nachlassinsolvenzverfahrens. Der Erlös sei Privateigentum der Klägerin geworden.  Bei Alleinerben sehe das Gesetz eine dingliche Surrogation nicht vor. Dies bedeute, dass der Kauferlös keine Masse sei, auf die der Beklagte als Insolvenzverwalter zugreifen könne. Der Erlös vermische sich mit dem Privatvermögen der Klägerin, das durch den Beschlag im Nachlassinsolvenzverfahren unberührt bleibe: Der Beklagte sei daher nicht berechtigt, die Klägerin als Insolvenzverwalter in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin habe die Zahlungen an ihren Freund … aus ihrem Eigen- oder Privatvermögen geleistet und nicht aus dem Vermögen, das noch zum Nachlass gehört habe und dem Beschlag im Nachlassvermögen unterlegen sei.
14
Die Klägerin habe den Klägervertreter mit der treuhänderischen Verwaltung des Nachlasserlöses beauftragt, da sie befürchtet habe, mit dem Geld nicht kontrolliert umgehen zu können. Die Kanzlei … & Kollegen habe das Geld dann in Absprache mit ihr und nach ihren Wünschen verwendet.  Dazu habe auch gehört, dass noch offene Honorarrechnungen der Kanzlei bezahlt worden seien. Die Klägerin verweist insoweit auf ihre Bestätigung vom 04.05.2021 (Bl. 71 d. A.).
15
Eine strikte Trennung des Nachlasses vom sonstigen Vermögen der Klägerin zwischen Erbfall und Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe es nicht gegeben. Die Klägerin habe auch nicht jeweils klar zum Ausdruck gebracht, für den Nachlass und nicht für das Eigenvermögen handeln zu wollen. Insofern könne auch nicht ausnahmsweise von einem Verbleib des Erlöses in der Nachlassmasse ausgegangen werden. Sie habe stets im Eigeninteresse gehandelt.
16
Das Verhalten des Beklagten sei rechtswidrig.
17
Hierdurch habe die Klägerin auch Schäden erlitten. So habe die … den Versicherungsvertrag mit der Klägerin gekündigt. Die Kosten hierfür habe der Beklagte als Schadensersatz zu erstatten.
18
Schließlich macht die Klägerin die Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandswert von 257.679,01 Euro geltend, auf der Grundlage einer 1,3 Gebühr, der üblichen Pauschale zuzüglich Umsatzsteuer nach RVG.
19
Zunächst hat die Klägerin lediglich Klage gegen den Beklagten persönlich erhoben. Am 25.07.2022 hat sie die Klage erweitert und nun auch gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter über den Nachlass des Verstorbenen … gerichtet.
20
Die Klägerin beantragt zuletzt,
1.
Es wird festgestellt, dass der Kauferlös, den die Klägerin aus dem Verkauf des Anwesens „…“, … erzielt hat, nicht Bestandteil des Nachlasses des Erblassers … geworden ist und Verfügungen der Klägerin über diesen Kauferlös damit auch nicht der Insolvenzanfechtung unterliegen.
2.
Es wird festgestellt, dass der Beklagten der Klägerin auf Ersatz der Schäden haftet, die der Klägerin dadurch entstehen, dass der Beklagte Gläubiger der Klägerin auf Erstattungen von Zahlungen in Anspruch nimmt, die die Klägerin aus dem Erlös des Verkaufs der Immobilie gemäß Ziffer 1 an diese Gläubiger zur Zahlung ihrer Verbindlichkeiten geleistet hat.
3.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 3.865,00 Euro zu zahlen zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab 14.05.2022.
21
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
22
Der Beklagte hält Ziffer 1 des Klageantrags für unzulässig, da insoweit kein Feststellungsinteresse bestehe. Er selbst habe nie behauptet, dass der Erlös aus dem Immobilienverkauf Teil der Insolvenzmasse sei. Dies sei denklogisch nicht möglich, da der Erlös zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung schon vollständig verbraucht gewesen sei.
23
Den Klageantrag Ziffer 2 hält der Beklagte für zu unbestimmt. Es sei nicht klar, welche Ansprüche hiermit gemeint seien.
24
Die Klage sei außerdem unbegründet. Die Klägerin habe durch Handeln des Beklagten keinen Schaden erlitten. Sie habe weder einen Schaden noch eine Rechtsgutsverletzung dargelegt.
25
Vielmehr sei die Klägerin zur Rückerstattung der von ihr verbrauchten Beträge verpflichtet gem. §§ 1978, 1980 BGB. Darüber hinaus treffe diese Verpflichtung auch die übrigen Zahlungsempfänger, soweit sie keine adäquate Gegenleistung an den Nachlass erbracht hätten. Der Anspruch auf Rückzahlung der erhaltenen Zahlungen aus dem Nachlass ergebe sich aus §§ 129, 134, 143 InsO.
26
Der Nachlass sei nicht gleich die Insolvenzmasse. Zahlungsansprüche im Zusammenhang mit der Veräußerung der nachlasszugehörigen Immobilien seien aber jedenfalls Bestandteil des Nachlasses geworden. Der Nachlass bestehe nicht nur aus körperlichen Gegenständen, sondern auch aus Forderungen, also Ansprüchen gegenüber Dritten. Um solche handele es sich bei den vom Beklagten geltend gemachten Ansprüchen. Die seit Erbfall sich ereignet habenden Umschichtungen müssten im Nachlassinsolvenzverfahren soweit wie möglich rückgängig gemacht werden, um den Gläubigern wieder den gesamten Nachlass als Zugriffsobjekt zu verschaffen. Daher sei zunächst für den Beklagten als Insolvenzverwalter der Nachlassumfang im Todeszeitpunkt zu ermitteln.
27
Der aus dem Verkauf der Immobilien erzielte Erlös sei unproblematisch Nachlassbestandteil. Er sei nicht mit dem übrigen Vermögen der Klägerin vermischt worden, da er auf einem Bankkonto der Rechtsanwaltskanzlei … verblieben sei. Die Immobilie als Nachlassgegenstand sei auch im Interesse des Nachlasses verkauft worden. Die Klägerin selbst habe den Kaufpreis zum Nachlassbestandteil gemacht, nachdem sie hiervon Darlehensverbindlichkeiten abgelöst habe, mit denen das Anwesen noch belastet gewesen sei, und im Rahmen eines den Nachlass betreffenden Abfindungsvergleichs den Bruder ausbezahlt habe.
28
Der Beklagte habe entsprechend seiner Aufgabe als Insolvenzverwalter die Zahlungen, die von diesem Resterlös erfolgt seien, nachvollzogen.
29
Die Klägerin als Erbin habe die Verpflichtung gehabt zu überwachen, ob die Möglichkeit bestehe, dass sich noch Verbindlichkeiten zeigen könnten. Dies sei hier naheliegend gewesen, da nicht nur die unter Betreuung stehende Mutter selbst Ansprüche geltend machen könne, sondern auch deren Betreuer, der dies auch frühzeitig getan habe. Von einem unerwarteten Bekanntwerden von Verbindlichkeiten könne keine Rede sein. Insbesondere habe der Betreuer der Mutter der Klägerin, RA …, bereits vor vollständigem Verbrauch des Nachlasses, nämlich Mitte des Jahres 2019, mündlich angekündigt, Pflichtteils- und Zugewinnausgleichsansprüche geltend zu machen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte die Klägerin, so der Beklagte, aufhören müssen, den Nachlas zu verbrauchen und noch vorhandene Restbeträge bis zur abschließenden Klärung der Sach- und Rechtslage separieren müssen.
30
Ein rechtswidriger Vermögensschaden der Klägerin auf Grund des beruflich veranlassten Vorgehen des Beklagten hält der Beklagte nicht für denkbar. Sein Verhalten entspreche in sämtlichen Einzelheiten den Vorschriften des Insolvenzrechts und sei somit rechtmäßig.
31
Bezüglich der weiteren Ausführungen des Beklagten in rechtlicher Hinsicht wird auf den Schriftsatz vom 19.07.2021 (Bl. 28 ff d. A.) verwiesen.
32
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Verfahrensakten des Landgerichts …, Az. 61 O 60/20 und 61 O 89/21, sowie der Insolvenzakten des AG – InsG – …, Az. 654 IN 306/20.
33
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, Protokolle und sonstige Aktenteile.

Entscheidungsgründe

A.
34
Die Klage ist zulässig.
I.
35
Ziffer 1. und 2. der Klageschrift vom 06.10.2021 sind hinreichend bestimmt, nachdem der aus dem Verkauf des Anwesens … in … resultierende Verkaufserlös unstreitig auf ein Anderkonto des Klägervertreters einbezahlt wurde. Insofern steht sowohl der Betrag – 257.679,09 Euro – als auch die von der Klägerin hiervon weggegebenen Beträge fest.
II.
36
Das gem. § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben.
37
1. Bei Ziffer 1. des Klageantrags handelt es sich insoweit um eine Vorfrage, als die Einordnung der Maßnahmen des Beklagten als Insolvenzverwalters im Rahmen des Nachlassinsolvenzverfahrens in Frage gestellt wird. Nachdem sich eine Schadensersatzpflicht des Beklagten letztlich hauptsächlich dann begründen lässt, wenn dessen Vorgehensweise als Insolvenzverwalter nicht ordnungsgemäß gewesen sein sollte, so ist dies eine legitime zu stellende Vorfrage, auch wenn die Bejahung des Antrags alleine zur Begründung einer Schadensersatzpflicht noch nicht ausreichend wäre.
38
2. Auch hinsichtlich des Antrages Ziffer 2. auf Feststellung des Bestehens einer Schadensersatzpflicht dem Grunde nach durch Inanspruchnahme von Gläubigern der Klägerin durch den Beklagten kann ein Feststellungsinteresse deshalb bejaht werden, da eine Bezifferung derzeit noch nicht möglich ist.
39
Das Nachlassinsolvenzverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte als Insolvenzverwalter nicht noch weitere Maßnahmen im Sinne von Rückforderungen unternimmt. Auch der Erfolg der Dritten gegenüber erfolgten Maßnahmen ist noch nicht abschließend bestimmbar.
III.
40
Die Klageerweiterung nun auch gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter wurde nicht gesondert begründet. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass der Klägervertreter Ansprüche damit alternativ gegen den Beklagten in Person einerseits und gegen diesen als Insolvenzverwalter andererseits geltend machen wollte, was beiden Anträgen die Bestimmtheit nähme, vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (Thole in Karsten Schmidt, Insolvenzordnung, 19. Auflage 2016, § 60 InsO Rn 54). Eine diesbezügliche Erklärung wurde nicht abgegeben, so dass von der Zulässigkeit beider Anträge ausgegangen wird.
B.
41
Die Klage ist unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
I.
42
Mit der Klage werden dem Beklagten Schadensersatzansprüche wegen seiner Tätigkeit im Rahmen seiner Insolvenzverwaltertätigkeit zum Nachteil der Klägerin im Rahmen eines Nachlassinsolvenzverfahrens vorgeworfen. Die Feststellung einer Schadensersatzpflicht wird begehrt.
43
1. Letztlich wird ein Handeln des Beklagten als Insolvenzverwalter in den Raum gestellt, die auch Ansprüche aus § 60 InsO oder aus allgemeiner schuldrechtlicher Pflichtverletzung wie §§ 823 ff BGB begründen könnten.
44
Die Klage wegen Ansprüchen aus § 60 InsO richtet sich gegen Verwalter ohne Einschränkung als Partei kraft Amtes bzw. den Zusatz „als Insolvenzverwalter über das Vermögen des …“ (Thole in Karsten Schmidt, Insolvenzordnung, 19. Auflage 2016, § 60 InsO Rn 54; HK-InsO/Lohmann Rn. 53) . Dies gilt erst recht für Ansprüche wegen Verletzung allg. schuldrechtlicher  Pflichtverletzungen.
45
Der Beklagte (als Privatperson) ist also für die geltend gemachten Ansprüche passivlegitimiert.
46
2. Es fehlt jedoch an der Passivlegitimation des Beklagten als Insolvenzverwalter. Eine Klage wäre gegen den Beklagten als Insolvenzverwalter zu richten, wenn dieser hierbei quasi als Vertreter des Nachlasses in Anspruch genommen wird. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
II.
47
Der Verkaufserlös ist Bestandteil des Nachlasses und der Insolvenzmasse. Verfügungen der Klägerin hierüber unterliegen der Anfechtung.
48
Das Verhalten des Beklagten begründet weder Ansprüche aus § 60 InsO noch aus den allgemeinen Vorschriften der § 823 ff BGB.
49
1. Der Verkaufserlös ist Bestandteil des Nachlasses sowie der Insolvenzmasse. Verfügungen der Klägerin hierüber unterliegen der Anfechtung.
50
a). aa) Zum Nachlass gehört grundsätzlich auch der Erwerb kraft dinglicher Surrogation nach § 2041 BGB, um die wirtschaftliche Einheit und auch den Wert des Nachlassvermögens als Gesamthandsvermögen für die Miterben und die Nachlassgläubiger zu erhalten (GrünebergWeidlich § 2041 BGB Rn 1 m N). Die Klägerin ist jedoch nach dem Erblasser Alleinerbin.
51
Für rechtsgeschäftliche Verfügungen des Alleinerben vor der Eröffnung der Nachlassinsolvenz sieht das Erbrecht keine dingliche Surrogation vor. Hat der Erbe einen Nachlassgegenstand veräußert, wird der Anspruch auf die Gegenleistung nicht kraft Gesetzes Massebestandteil.
52
Schließt der Erbe jedoch für den Vertragspartner erkennbar das Rechtsgeschäft unmittelbar für Rechnung des Nachlasses ab, ist das Erworbene unmittelbar dem Nachlass und damit der Insolvenzmasse zuzurechnen, zB Reparatur eines zum Nachlass gehörenden Gebäudes (Döbereiner in Gottwald/Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 6. Auflage 2020, § 112. Masse der Nachlassinsolvenz Rn 5).
53
bb) Das Immobilienvermögen, welches die Klägerin mit notariellem Kaufvertrag vom 21.02.2019 veräußerte, war unstreitig Bestandteil des Erbes nach dem Erblasser … Der Verkauf erfolgte jedenfalls auch im Interesse des Nachlasses. Zum einen wurden schon durch den Notar vom Erlös Auszahlungen an den Bruder zur Abgeltung eventueller Pflichtteilsansprüche getätigt. Außerdem bestanden auch nach dem klägerischen Vortrag Nachlassforderungen in Form von Honorarforderungen, welche der Erblasser dem Klägervertreter schuldete. Schließlich bestanden noch erhebliche Zahlungsverpflichtungen des Nachlasses. Gerade wenn der Erbe auch für den Nachlass erwerben wollte, wird der Gegenstand kraft Parteiwillens Nachlassbestandteil. Dies gilt sogar dann, wenn der Erbe diese Willensrichtung dem Geschäftspartner nicht zu erkennen gegeben hat (Grüneberg-Weidlich § 1978 BGB Rn 3).
54
Im üblichen Geschäftsverkehr findet eine Vermischung des Nachlasses mit dem Privatvermögen des Alleinerben statt. Dies ist hier jedoch bewusst nicht geschehen, da der Erlös auf ein Anderkonto des Klägervertreters einbezahlt wurde. Forderungen bezahlt und Zahlungen geleistet wurden von diesem aus nach Bedarf und nach Anweisung der Klägerin. Eine Überführung des Erlöses durch die Klägerin in ihr Eigenvermögen hat zu keinem Zeitpunkt stattgefunden.
55
b) Die Klägerin hat den Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens offensichtlich gestellt, um nicht für etwaige Pflichtteils- oder – vor allem – Zugewinnausgleichsansprüche ihrer Mutter gegen den Erblasser bzw. Nachlass mit ihrem Privatvermögen zu haften.
56
Als Erbin hat sie jedoch Surrogate, die an Stelle von Erbschaftsgegenstände getreten sind, an den Insolvenzverwalter herauszugeben (Döbereiner in Gottwald/Haas, InsolvenzrechtsHandbuch, 6. Auflage 2020, § 112. Masse der Nachlassinsolvenz Rn 4). Auch Dritte, die aus dem Nachlass etwas ohne eine äquivalente Gegenleistung erhalten haben, haben das Erlangte gem. den §§ 129, 134, 143 InsO an den Insolvenzverwalter herauszugeben. Nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 InsO kann der Insolvenzverwalter Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, anfechten. Die Zahlungsempfänger haben nämlich durch die Anweisung aus Nachlass Eigentum und Besitz an Geldbeträgen bzw. Auszahlungsansprüche gegen deren jeweilige kontoverwaltenden Kreditinstitute erlangt. Da keinerlei Rechtsverhältnis zu dem Nachlass selbst bestand, existierten auch weder Gegenleistungen noch Verpflichtungen solcher Art.
57
2. Nach § 60 InsO ist der Insolvenzverwalter allen Beteiligten zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die Pflichten verletzt, die ihm nach diesem Gesetz obliegen. Er hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen.
58
a) Der Begriff des „Beteiligten“ im Sinne des § 60 InsO wird an den Pflichten des Insolvenzverwalters orientiert ausgelegt. Beteiligter ist daher derjenige, dessen Interessen durch eine Verletzung der dem Verwalter gesetzlich auferlegten Pflichten berührt werden können (Uhlenbruck-Sinz, § 60 InsO Rn 9; BGH, Urteil vom 09.03.2006, Az. IX ZR 55/04, NZI 2006, 350).
59
Schuldner im Nachlassinsolvenzverfahren ist entgegen der amtlichen Begründung zur InsO der Erbe in seiner Eigenschaft als Träger des Nachlasses. Auch wenn in § 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO, § 315 InsO bestimmt wird, dass über einen Nachlass ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, ist damit nur gesagt, dass der Nachlass insolvenzfähig, d. h. Gegenstand des Insolvenzverfahrens ist, jedoch nicht, dass er ohne seinen Rechtsträger am Verfahren als Schuldner beteiligt ist. Gleichwohl kann der Erbe als Träger seines Eigenvermögens Nachlassgläubiger sein, § 326 InsO (MüKoBGB/Küpper, 9. Aufl. 2022, BGB § 1975 Rn. 4).
60
Die Klägerin als Insolvenzschuldnerin ist somit Beteiligte im Sinne des § 60 InsO.
61
b) Gegenüber dem Schuldner des Insolvenzverfahrens ist der Verwalter zunächst generell nicht nur zu einer ordnungsgemäßen, sondern darüber hinaus auch zur optimalen Verfahrensabwicklung verpflichtet. Die Pflichten des Insolvenzverwalters gegenüber den Insolvenzgläubigern entsprechen ganz überwiegend auch denjenigen gegenüber dem Schuldner. Denn nicht nur die Gläubiger, sondern auch der Schuldner hat vor allem bei persönlicher Haftung ein Interesse daran, dass seine Verbindlichkeiten im Rahmen des Insolvenzverfahrens so weit wie möglich abgebaut werden (Uhlenbruck/Sinz, 15. Aufl. 2019, InsO § 60 Rn. 47). Neben der Inbesitznahme, Verwaltung, Erhaltung und optimalen Verwertung der Insolvenzmasse gehört zu den insolvenzspezifischen Pflichten gegenüber dem Schuldner auch die Durchsetzung von Ansprüchen gegen Dritte, die zur Masse gehören, wenn die Erfolgsaussichten günstig sind und die Prozessführung wirtschaftlich vertretbar erscheint (Uhlenbruck/Sinz aaO; BGH 29.10.15 – IX ZR 33/15, ZInsO 2015, 2533).
62
Der Umfang der Aktivmasse bestimmt sich nach den allgemeinen Regeln der §§ 35, 36 InsO.  Maßgeblich für den Umfang der Masse ist der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung, nicht der des Eintritts des Erbfalls. Demgemäß umfasst die Masse auch den Hinzuerwerb aus dem Zeitraum zwischen Eintritt des Erbfalls und Insolvenzeröffnung. Hinzu kommen die insolvenzspezifischen Sonderaktiva gemäß den §§ 1978 II, 1980 und 1985 II BGB. Ferner gelten auch in der Nachlassinsolvenz die Anfechtungsvorschriften der §§ 129 ff. InsO. An Insolvenzforderungen sind in der Nachlassinsolvenz die Nachlassverbindlichkeiten gem. § 325 InsO zu berücksichtigen. Hierzu gehören im Wesentlichen die von dem Erblasser herrührenden Erblasserschulden, die den Erben als solchen treffenden Verbindlichkeiten gem. § 326 InsO sowie Verbindlichkeiten aus Pflichtteilsrechten, Vermächtnissen und Auflagen, § 327 InsO (Harder, Grundzüge des Nachlassinsolvenzverfahrens, NJW-Spezial 2022, 469, 470).
63
c) Die Haftung des Insolvenzverwalters nach § 60 InsO setzt ferner Verschulden iSv § 276 BGB voraus. Der Verwalter hat bei der Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten Vorsatz und jeden Grad von Fahrlässigkeit zu vertreten. Die speziellen Haftungsmaßstäbe anderer Haftungsnormen sind jedoch einschlägig, soweit der Verwalter nach dieser Vorschrift haftet, zB § 69 AO (Uhlenbruck/Sinz, 15. Aufl. 2019, InsO § 60 Rn 90). Der Insolvenzverwalter hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzustehen (§ 60 Abs. 1 S. 2), wobei aufgrund der Anlehnung der Formulierung an die §§ 347 Abs. 1 HGB (Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns), 93 Abs. 1 S. 1 AktG, 34 Abs. 1 S. 1 GenG sowie 43 Abs. 1 GmbHG (Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers) ein objektiver Maßstab zu Grunde zu legen ist. Die Verschuldensbeurteilung hat den Besonderheiten des Insolvenzverfahrens und den Schwierigkeiten der Insolvenzabwicklung Rechnung zu tragen (K/P/B/Lüke § 60 Rn 37; HKEickmann § 60 Rn 11). Durch das Abstellen auf die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters legt das Gesetz einen Mindestsorgfaltsmaßstab fest, der sich einmal an den Anforderungen orientiert, die an eine ordnungsgemäße Insolvenzabwicklung zu stellen sind, zum andern aber den tatsächlichen Schwierigkeiten der Abwicklung in ausreichendem Maße Rechnung trägt. So ist zB zu berücksichtigen, dass der Insolvenzverwalter neu in den Betrieb hereinkommt und eine gewisse Einarbeitungszeit in den ihm nicht vertrauten Geschäftsbereich benötigt. Er arbeitet somit unter ungünstigeren Bedingungen als die bisherige  Geschäftsleitung. Dies ist bei einem Vergleich der Anforderungen an den „ordentlichen Kaufmann“ oder einen „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter“ zu berücksichtigen. Eine analoge Anwendung von § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG kommt mangels Regelungslücke nicht in Betracht (BGH 15.10.15 – IX ZR 296/14, NZI 2016, 52). Übernimmt jemand das Amt eines Insolvenzverwalters, ohne die Kenntnisse zu besitzen, die für die Durchführung des Verfahrens im rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Bereich erforderlich sind, hat er für sämtliche hieraus resultierenden Schäden bei der Verfahrensabwicklung einzustehen. Schuldhaft handelt jedenfalls der Insolvenzverwalter, der das Amt übernimmt, ohne ausreichende Kenntnis hinsichtlich einer Unternehmensfortführung oder der Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens zu haben (Uhlenbruck/Sinz, 15. Aufl. 2019, InsO § 60 Rn. 91).
64
Die Innenhaftung beruht auf der Sonderrechtsbeziehung zwischen Insolvenzverwalter und Schuldner. Der Insolvenzverwalter haftet für schuldhafte Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Inbesitznahme, Verwaltung, Erhaltung und Verwertung der Insolvenzmasse (HaKoWeitzmann § 60 Rn 7; N/R/Rein § 60 Rn 47 ff) und den daraus resultierenden Masseverkürzungsschaden (Uhlenbruck/Sinz, 15. Aufl. 2019, InsO § 60 Rn 115).
65
d) aa) Die Ausführungen unter Ziffer B. II. 2. b) und c) zeigen, dass Hauptaufgabe des Insolvenzverwalters die optimale Verwertung der Insolvenzmasse darstellt. Er ist verpflichtet, Anfechtungen zu erklären, um Rückzahlungen an die Masse zu generieren. Im Hinblick auf §§ 1978, 1980 BGB, 129, 134, 143 InsO ist der Beklagte als Insolvenzverwalter gehalten, Anfechtungen auszusprechen und Rückforderungen gegenüber der Klägerin, aber auch gegenüber Dritten geltend zu machen, sofern nicht diese eine adäquate Gegenleistung an den Nachlass erbracht haben.
66
Auf Grund der oben geschilderten Sachlage waren die vom Beklagten vorgenommenen Anfechtungserklärungen möglich, da der Verkaufserlös Bestandteil der Insolvenzmasse war.
67
bb) Es ist nicht die Aufgabe des Insolvenzverwalters, persönliche Forderungen der Erbin zu sichern, schon gar nicht zu Lasten der Insolvenzmasse.
68
Die vom Kläger benannten Maßnahmen des Beklagten waren daher durchweg ordnungsgemäß.  Adäquate Gegenleistungen der Krankenkasse der Klägerin an die Masse sind ausgeschlossen. Auch Gegenleistungen des Gläubigers … an die Masse (nicht an die Klägerin persönlich) sind weder vorgetragen noch belegt.
69
Leuchtet diese Situation bei üblichen Insolvenzverfahren von Firmen oder Verbrauchern unproblematisch ein, so wird im vorliegenden Fall die Beurteilung dadurch erschwert, dass die Klägerin Alleinerbin ist, also keine Erbengemeinschaft besteht, die gesondert auseinanderzusetzen ist. Für die Klägerseite impliziert dies (offensichtlich) die Vorstellung, die Klägerin könne über den Verkaufserlös nach eigenem Gutdünken verfügen. Allein ändert sich diese Situation durch den – von der Klägerin selbst gestellten – Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahren. Ziel dieses Verfahrens ist allein die Sicherung der Gläubiger. Hierbei handelt es sich vor allem um die Forderungen der Mutter der Klägerin auf Pflichtteil und Zugewinn.
70
Selbst bei Masseunzulänglichkeit würde sich der Aufgabenkreis des Insolvenzverwalters nicht ändern. Auch dann wäre er verpflichtet, das gesamte zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und zu verwerten (§ 208 Abs. 3 InsO). Dazu gehört es, Anfechtungsansprüche durchzusetzen. Anfechtungsansprüche sind Teil der Insolvenzmasse. Eingestellt wird das Insolvenzverfahren erst, wenn der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse nach Maßgabe des § 209 InsO verteilt hat, § 211 Abs. 1 InsO (BGH Beschluss vom 16.07.2009, Az. IX ZB 221/08, DZWIR 2009, 433).
71
Das Vorgehen des Beklagten, durch außergerichtliche Geltendmachung von Anfechtungsansprüche die Masse zu mehren, entspricht dem Sinn des Insolvenzverfahrens und ist nicht zu beanstanden.
72
Die Durchsetzung von Ansprüchen der Masse gegen Dritte dient dem Gesamtinteresse der Gläubiger und des Schuldners und ist insolvenzspezifische Pflicht des Verwalters (MüKoInsO/Schoppmeyer InsO § 60 Rn. 12).
73
Ein Schaden des Insolvenzschuldners ist schon dann eingetreten, wenn der Insolvenzschuldner durch die nicht erfolgte Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur in geringerer Höhe von seinen Schulden frei geworden ist (OLG Hamm 5.4.01 – 27 U 168/00, NZI 2001, 373). Jede Masseverkürzung ist daher potenziell geeignet, auch den Schuldner zu schädigen. Neben der Inbesitznahme, Verwaltung, Erhaltung und optimalen Verwertung der Insolvenzmasse gehört zu den insolvenzspezifischen Pflichten gegenüber dem Schuldner auch die Durchsetzung von Ansprüchen gegen Dritte, die zur Masse gehören, wenn die Erfolgsaussichten günstig sind und die Prozessführung wirtschaftlich vertretbar erscheint (BGH 29.10.15 – IX ZR 33/15, ZInsO 2015, 2533).Uhlenbruck/Sinz InsO § 60 Rn. 47).
74
Dass dies vorliegend nicht gerade oder gerade nicht dem subjektiven Privatinteresse der Klägerin entspricht, ist hierbei unerheblich.
75
Dem Insolvenzverwalter steht bei der Ausübung seiner Tätigkeit grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum zu. Seine Rechtsmacht ist allerdings durch den Insolvenzzweck (§ 1 InsO) beschränkt, weswegen auch solche Rechtshandlungen des Verwalters unwirksam sind, welche dem Zweck des Insolvenzverfahrens – der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger- klar und eindeutig zuwiderlaufen; sie verpflichten die Masse nicht (BGH, Urt. v. 10. 1. 2013 – IX ZR 172/11, ZIP 2013, 531 = NZI 2013, 347, Rz. 8, dazu EWiR 2013, 329 (Schulz)). Voraussetzung des Unwirksamkeitsgrundes der Insolvenzzweckwidrigkeit ist der offensichtliche, ohne Weiteres erkennbare Verstoß gegen die Aufgaben eines Insolvenzverwalters. Der Schutz des Rechtsverkehrs gebietet es, nicht jede für die Masse nachteilige Rechtshandlung des Verwalters als unwirksam anzusehen. Mit der Nichtigkeitssanktion können nur solche Maßnahmen belegt werden, die dem Insolvenzzweck offensichtlich zuwiderlaufen. Beispiele sind Schenkungen aus der Masse, die Anerkennung nicht bestehender Aus- und Absonderungsrechte oder die entgeltliche Ablösung einer offensichtlich wertlosen Grundschuld. Wirksam sind dagegen Verfügungen des Verwalters, die nur unzweckmäßig oder sogar unrichtig sind (BGH ZIP 2013, 531 = NZI 2013, 347, Rn 9). Diese Grundsätze gelten auch im Fall der Abtretung des aus einer Insolvenzanfechtung folgenden Rückgewähranspruchs (BGH ZIP 2013, 531 = NZI 2013, 347, Rn 10; BGH Urteil vom 12.09.2019, Az. IX ZR 16/18, ZIP 2019, 1972).
76
Würde sich der Beklagte so verhalten, wie es die Klägerin wünschte, so würde er das Risiko der Unwirksamkeit seiner Handlungen in Kauf nehmen.
77
e) Die Durchführung einer Beweisaufnahme, etwa durch Vernehmung des Zeugen RA … zu der Frage, wann dieser als Betreuer der Mutter der Klägerin dieser gegenüber erstmals die Geltendmachung von Pflichtteils- und Zugewinnansprüchen angekündigt habe, erübrigt sich. Die Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten entsteht erst mit Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens auf Antrag der Klägerin hin. Ab dann besteht die Verpflichtung des Insolvenzverwalters, durch Rückforderungen des Ausgegebenen die Insolvenzmasse möglichst zu optimieren, um Forderungen zu realisieren. Zur Erreichung dieses Ziels stellt das Gesetz dem Insolvenzverwalter die Anfechtungsmöglichkeiten zur Seite. Auf die Frage, ob die Klägerin bei Ausgabe des Erlöses bösgläubig war, kommt für die Handlungsmaxime des Insolvenzverwalters erstmal nicht an.
78
3. Der Klägerin stehen auch keine Ansprüche wegen Verletzung allgemeiner Schutzpflichten zu.
79
Die Außenhaftung gegenüber Dritten folgt aus den allgemeinen Schutzpflichten. Während es sich bei der Innenhaftung stets um die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten handelt, ist bei der Außenhaftung im Einzelfall zu unterscheiden: Für die Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten haftet der Insolvenzverwalter gegenüber Dritten nach § 60 (für starke Einschränkung: Becker Insolvenzverwalterhaftung, Diss 2016, S. 148 ff, 234 ff), für die schuldhafte Verletzung nichtinsolvenzspezifischer Pflichten dagegen nach den allgemeinen Regeln. In Betracht kommen hier vor allem die deliktsrechtlichen Vorschriften der §§ 823 ff BGB, Verschulden bei Vertragsschluss (c. i. c.; § 311 Abs. 3 BGB) sowie eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten (K/P/B/Lüke § 60 Rn 50; Uhlenbruck/Sinz, 15. Aufl. 2019, InsO § 60 Rn. 116).
80
Zwar könnten derartige Ansprüche der Klägerin als Erbin zustehen, da sie theoretisch auch Nachlassgläubigerin sein könnte. Das Vorliegen eines solchen Anspruches gegen den Nachlass, den die Klägerin schon zum Zeitpunkt des Erbfalls innegehabt haben müsste, wird jedoch auch von der Klägerin nicht behauptet.
81
4. Die geltend gemachte Nebenforderung auf außergerichtliche Rechtsanwaltskosten teilt das Schicksal der Hauptforderung.
82
Die Klage war somit vollumfänglich abzuweisen.
C.
83
Die Kostenentscheidung folgt § 91 ZPO.
84
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.