Titel:
Ersatz von Mietwagenkosten auch ohne TÜV
Normenketten:
StVG § 7, § 17
StVZO § 29 Abs. 1
Leitsatz:
Die Ersatzpflicht der Mietwagenkosten entfällt nicht deshalb, weil das unfallbeschädigte Fahrzeug nicht rechtzeitig zu Hauptuntersuchung vorgestellt worden ist. Dieser Umstand hat nicht zur Folge, dass man das Fahrzeug im öffentlichen Verkehr nicht mehr hätte führen dürfen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anmietung, Erforderlichkeit, Mietwagenkosten, TÜV
Rechtsmittelinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 14.03.2024 – 2 S 6063/22
BGH Karlsruhe, Urteil vom 03.12.2024 – VI ZR 117/24
Fundstelle:
BeckRS 2022, 60056
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 990,08 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.02.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 1.025 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten um restlichen Schadensersatz (Mietwagenkosten) aus einem Verkehrsunfall.
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Am ... 11.2018 kam es in Erlangen zu einem Verkehrsunfall, wobei der Pkw Mercedes des Klägers einen Totalschaden erlitt. Der Unfall wurde durch Vorfahrtsverletzung mit einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Kraftfahrzeug verursacht, die Beklagte haftet vollständig für den erstattungsfähigen Schaden. Für das Klägerfahrzeug waren die Termine zu Hauptuntersuchung und Abgasuntersuchung überschritten, beides hätte im März 2018 stattfinden müssen. Der Kläger mietete für die Zeit vom 05.11.2018 bis 19.11.2018 ein Ersatzfahrzeug bei der Firma … GmbH an. Hierfür wurden ihm 2.390,97 € (brutto) in Rechnung gestellt. Der Kläger trat seine Ansprüche „gegen den Schädiger und die Haftpflichtversicherung an das Vermietungsunternehmen“ sicherungshalber ab. Mit Schreiben vom 24.11.2021 erklärte die Firma … eine „Rückabtretung“, wegen der Einzelheiten wird auf das vorgelegte Schreiben (Anlage K5) Bezug genommen. In einem Zivilverfahren vor dem Amtsgericht Erlangen, in welchem der Beklagten der Streit verkündet worden war, zwischen der Firma … und dem Kläger wurde der Kläger zur Zahlung von Mietwagenkosten in Höhe von 1.024,73 € verurteilt. Dabei hat das Gericht in den Entscheidungsgründen sinngemäß ausgeführt, dass die angemessenen Mietwagenkosten nach der Schwacke-Liste 1.024,73 € betragen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil vom 01.06.2021 (Aktenzeichen 6 C 568/20) Bezug genommen.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte die Mietwagenkosten erstatten müsse.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.024,73 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % – Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.02.2019 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt:
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Die Beklagte ist unter Bezug auf die erfolgte Abtretung der Auffassung, dass der Kläger nicht aktivlegitimiert sei. An die Feststellungen im Urteil vom 01.06.2021 sei sie nicht gebunden, weil dieses Urteil das Vertragsverhältnis des Klägers mit der Firma … betreffe. Mietwagenkosten könne der Kläger schon deshalb nicht verlangen, weil er mit seinem Fahrzeug aufgrund der fehlenden Hauptuntersuchung nicht hätte fahren dürfen. Die Erforderlichkeit der Anmietung werde mit Nichtwissen bestritten. Außerdem müsse sich der Kläger 15 % Eigenersparnis anrechnen lassen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist weitgehend begründet.
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1. Die Beklagte ist gemäß §§ 7, 17 StVG, § 115 VVG zu weiterem Schadensersatz in Höhe von 990,08 € verpflichtet.
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a) Der Kläger ist aktivlegitimiert. Ungeachtet der Frage, ob der Schadensersatzanspruch nach der (unstreitig gebliebenen) Zahlung des Klägers an die Firma … nicht ohnehin an den Kläger zurückfiel (vgl. BGH, Urteil vom 21-11-1985 – VII ZR 305/84, NJW 1986, 977, beck-online), wurde der Anspruch jedenfalls mit Schreiben vom 24.11.2021 an den Kläger zurück abgetreten. Insbesondere ist das Schreiben – jedenfalls was die Rückabtretung betrifft – nicht unklar.
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b) Die Ersatzpflicht der Mietwagenkosten durch die Beklagte entfällt nicht etwa deshalb, weil der Kläger das unfallbeschädigte Fahrzeug nicht rechtzeitig zu Hauptuntersuchung vorgestellt hatte. Denn dieser Umstand hat nicht zur Folge, dass der Kläger sein Fahrzeug im öffentlichen Verkehr nicht mehr hätte führen dürfen (vgl. LG Frankfurt, Urteil vom 05-02-1992 – 2/16 S 179/91, NJW-RR 1992, 1183, beck-online). Der Verstoß gegen die Untersuchungspflicht gemäß § 29 Abs. 1 StVZO liegt nämlich darin, die Untersuchung des Kraftfahrzeugs nicht rechtzeitig veranlasst zu haben, unabhängig davon, ob das Kraftfahrzeug benutzt wird. Dabei handelt es sich um eine Dauerordnungswidrigkeit (NK-GVR/Gunnar Semrau, 3. Aufl. 2021, StVZO § 29 Rn. 99, beck-online, mit weiteren Nachweisen), sodass in der Benutzung des Fahrzeugs kein (zusätzlicher) Gesetzesverstoß liegt.
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c) Die Erforderlichkeit der Anmietung ist durch die Anmietung indiziert.
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d) Die Dauer der Anmietung von 15 Tagen ist nicht zu beanstanden. Nach dem vorgelegten Gutachten betrug die voraussichtliche Beschaffungsdauer 14 Tage, das Gutachten wurde 3 Tage nach dem Unfall fertiggestellt.
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e) Die Fahrzeugklasse 5 hat die Beklagte nicht bestritten, zur Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten im Übrigen entfaltet das Urteil 6 C 568/20 gemäß §§ 74, 68 ZPO Bindungswirkung für die dortige Streitverkündete und hiesige Beklagte.
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f) Der Kläger muss sich allerdings eine Eigenersparnis in Höhe von 34,65 € anrechnen lassen. Hierzu entfaltet das Urteil 6 C 568/20 keine Bindungswirkung, weil der Gesichtspunkt Eigenersparnis im vertraglichen Verhältnis zum Mietwagenunternehmen ohne Bedeutung ist. Die Ersparnis von Aufwendungen für das eigene Fahrzeug durch Benutzung des Mietwagens bemisst das Gericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landgerichts Nürnberg-Fürth (Urteil vom 10.08.2011, Rdnr. 22) auf 3 % bezogen auf den Grundpreis in Höhe von 1.155 €.
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2. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286, 288 BGB.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3, 4 ZPO, 48, 63 Abs. 2 GKG.