Titel:
Schlußrechnung, Gegenerklärung, Zwischenurteil, Leistungsverweigerungsrecht, offene Teilklage, Honoraransprüche, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Architektenvertrag, Abschlagszahlungen, Materielle Rechtskraft, Zulässigkeit der Klage, Kosten des Berufungsverfahrens, Rechtsschutzbedürfnis, Kostenentscheidung, Streitwert, Zurückweisung der Berufung, Werkvertragsrecht, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Vergütungsanspruch, Landgerichte
Schlagworte:
Zwischenurteil, Teilklage, Schlussrechnung, Rechnungspositionsklage, Berufung, Werkvertragsrecht, Insolvenzrisiko
Vorinstanz:
LG München II, Zwischenurteil vom 23.12.2021 – 3 O 1792/20 Arch
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 19.12.2024 – VII ZR 130/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 60040
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Zwischenurteil des Landgerichts München II vom 23.12.2021, Aktenzeichen 3 O 1792/20 Arch, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Beschlusses vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 230.748,29 € festgesetzt.
Gründe
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Das Landgericht sprach durch Zwischenurteil die Zulässigkeit der Klage aus.
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Soweit der Kläger aus abgetretenem Recht restliche Honoraransprüche aus dem Architektenvertrag Beklagte/Zedentin vom 12.8.2016 fordere, sei die Klage als offene Teilklage zulässig. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München II vom 23.12.2021 Bezug genommen.
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Die Beklagte rügt, das Erstgericht habe verkannt, dass der Kläger nicht lediglich eine offene Teilklage erhoben habe, sondern vielmehr eine „Rechnungspositionsklage“, da er vom restlichen Honorar, welches schlussgerechnet worden sei, nur die Position „entgangener Gewinn“ geltend gemacht habe. Hinzu käme, dass beim Landgericht … der Rest der Schlussrechnung rechtshängig sei. Es bestünde mithin die Besonderheit, dass zwei Teilklagen an unterschiedlichen Gerichten parallel verfolgt werden würden. Dies sei rechtlich nicht möglich.
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Auf die Einzelheiten der Berufungsbegründung wird Bezug genommen.
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Im Berufungsverfahren wird beantragt:
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Die Beklagte beantragt:
Das Zwischenurteil des Landgerichts München II vom 23.12.2020 (Aktenzeichen 3 O 1792/20 Arch) wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
die Zurückweisung der Berufung.
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Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.
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Der Senat hat mit Verfügung vom 23.03.2022 einen umfangreichen Hinweis zur Sach- und Rechtslage erteilt. Auf den Hinweis und die Gegenerklärung der Beklagten vom 19.04.2022 hierzu wird Bezug genommen.
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Die Berufung gegen das Zwischenurteil des Landgerichts München II vom 23.12.2021, Aktenzeichen 3 O 1792/20 Arch, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Der Senat in diesem deutlich gemacht, dass die vorliegende Klage, deren Zulässigkeit durch Zwischenurteil festgestellt wurde, gerade keine reine Rechnungspositionsklage darstellt. Dennoch argumentiert die Gegenerklärung mit dem Gegenteil. Dabei werden die tragenden Erwägungen des Senats aber nicht entkräftet.
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1. Es entspricht der geänderten Meinung der Literatur, dass allein das Argument, eine Schlussrechnung sei eine Saldoforderung, einer Teilklage des Schlussrechnungssaldos nicht entgegengehalten werden kann.
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Voraussetzung ist aber, dass dem Saldierungsmoment ausreichend Rechnung getragen wird. Gerade die vorliegende Konstellation, in welcher der Unternehmer auf Grundlage einer Schlussrechnung unterschiedliche Rechtsstreiten führt, war Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW-RR 2018, 81), auf die der Senat hingewiesen hatte. Soweit die Gegenerklärung dem mit der Rechtsnatur des § 642 BGB entgegentritt, wird verkannt, dass der BGH insoweit Folgendes ausgeführt hat:
„Eine Verbindung des vorliegenden Verfahrens mit dem zwischen den Parteien anhängigen weiteren Verfahren … ist nicht deswegen rechtlich geboten, weil es sich bei den jeweils streitgegenständlichen Klageforderungen um die verbleibenden streitigen Positionen aus der … gestellten Schlussrechnung handelt. Zwar sind die für verschiedene Leistungen angesetzten Beträge in Bezug auf den Schlussrechnungssaldo lediglich als Rechnungsposten anzusehen … Dies schließt es jedoch nicht aus, dass eine Teilforderung aus einem Schlussrechnungssaldo im Wege der Teilklage geltend gemacht wird.“
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Für den Senat ist daher nicht nachvollziehbar, wenn die Gegenerklärung mit vermeintlich entgegenstehenden Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte bzw. dem Bundesgerichtshof argumentiert, die zeitlich erheblich vor der o.g. Entscheidung ergangen sind. Auch geht die Gegenerklärung nicht auf die Erwägungen des Senats in Richtung der Teilprüfbarkeit von Schlussrechnungen ein. Die Rechtsauffassung – Unzulässigkeit einer Rechnungspositionsklage (= die prüfbaren Positionen einer Schlussrechnung) – der Beklagten steht vielmehr im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.
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2. Vor diesem Hintergrund verfängt daher die Argumentation der Gegenerklärung nicht.
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Soweit unter dem Aspekt des Schuldnerschutzes ein Beispiel gebildet wird, wird gerade die Kernaussage des Senats im o.g. Hinweis verkannt.
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Das konstruierte Beispiel nimmt Abschlagszahlungen von mehr als die Hälfte der Schlussrechnungsforderung – insgesamt 60 Prozent – an und leitet hieraus drohende Wertungswidersprüche ab.
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Da die in der Gegenerklärung angeführte mögliche Unterdeckung hinreichend sicher ausgeschlossen ist, gehen die Ausführungen an den Erwägungen des Senats vorbei. Soweit angeführt wird, das Gericht könne keine Prognose in Richtung des parallel geführten Rechtsstreits treffen, folgt der Senat dem nicht. Aufgrund der relativen Geringfügigkeit der Abschlagszahlung mit etwa 10 Prozent (etwa 140.000 Euro), dem Umstand, dass Leistungen des Klägers erbracht wurden, dem Umfang des ursprünglichen Pauschalbetrags (etwa einer halben Million Euro) und dem Volumen der Schlussrechnung (etwa 1,3 Millionen Euro) steht im konkreten Fall hinreichend sicher fest, dass die Abschlagszahlungen der Beklagten ausreichend berücksichtigt wurden.
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Im Hinblick auf die schützenswerten Interessen des Klägers als Unternehmer im Vergleich zum Besteller (auf die Ausführungen unter Ziff. 5 [s.u.] wird insoweit Bezug genommen) ist es für die Zulässigkeit der Klage ausreichend, dass in dem Rechtsstreit, in dem der Saldo berücksichtigt wurde – hier also in Dresden –, ein Überschuss hinreichend wahrscheinlich zu erwarten ist.
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3. Zutreffend und berechtigt weist die Gegenerklärung allerdings darauf hin, dass der Vergütungsanspruch des Klägers gem. § 648 S. 1 BGB streitgegenständlich ist.
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Dieser Umstand entkräftet aber die Erwägungen des Senats nicht. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass es nachvollziehbaren taktischen Erwägungen des Unternehmers entsprechen kann, die komplexen und schwierigen Aspekte der entgangenen Vergütung – die ggf. anhand der Urkalkulation zu bilden ist und häufig Gegenstand komplexer Beweisaufnahmen ist – in einem separaten Verfahren zu verfolgen.
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4. Der Senat hat nicht damit argumentiert, widersprüchliche Entscheidungen seien ausgeschlossen.
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Der Hinweis auf S. 11 wurde offenbar missverstanden. Es gibt vielmehr keinen allgemeinen Rechtssatz, dass widersprüchliche Entscheidungen generell unzulässig sind, wie sich unmittelbar aus der Grenze der Reichweite der materiellen Rechtskraft ergibt (§ 322 ZPO).
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5. Insgesamt stellt die Gegenerklärung allein auf die Interessen der Bestellerseite ab, wobei gerade der Aspekt des Insolvenzrisikos für den Unternehmer nicht ausreichend beachtet wird.
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Die Gegenerklärung verhält sich hierzu nicht. Es ist für den Senat daher nicht geboten, bei umfangreichen Werkverträgen einseitig den zahlungsunwilligen Schuldner zu schützen, indem der Gläubiger gezwungen wird – so versteht der Senat die Zielrichtung der Gegenerklärung – seine Schlussrechnung umfassend und einheitlich gerichtlich zu verfolgen. Die gerichtliche Praxis zeigt, dass gerade Vergütungsprozesse bei Werkverträgen ungewöhnlich zeitaufwändig sind und die Gefahr der Entstehung eines sog. Altverfahrens in sich tragen. Berücksichtigt man weiter, dass der Unternehmer nach den Wertungen des Werkvertragsrechts in Vorleistung geht, muss dieser die Möglichkeit haben, für ihn leichter nachweisbare Vergütungskomponenten isoliert gerichtlich geltend zu machen.
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Die Beklagte verkennt, dass – worauf hingewiesen wurde – ein Schuldner, der Adressat eines Anspruchs ist und der Bedenken gegen die Forderungshöhe hat, jedenfalls nach §§ 311 Abs. 1, 241 Abs. 1 und Abs. 2 BGB den Teil des Anspruchs erfüllen muss, der sich als gerechtfertigt erweist. Das gilt im besonderen Maße wegen der wechselseitigen Kooperationspflicht im Werkvertragsrecht. Eine – behauptete – Zuvielforderung begründet kein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht und der Schuldner muss – natürlich im Rahmen seiner Möglichkeiten – prüfen, welche Forderungsbestandteile jedenfalls berechtigt sind und diese erfüllen.
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Gerade in dem vorliegenden Rechtsstreit zeigt sich aber ein Schuldner, der seine Nebenpflichten insgesamt missachtet und sich überwiegend auf ein Negieren und Bestreiten beschränkt.
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Dann muss er es aber auch hinnehmen, dass er solchen – kostenintensiven – Rechtsstreitigkeiten ausgesetzt ist.
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6. Die weitergehenden Rügen in Richtung des Rechtsschutzbedürfnisses oder dem Nebeneinander von Teilklage wurden in der Gegenerklärung nicht weiter verfolgt, so dass auf den Hinweis des Senats Bezug genommen werden kann.
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Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO bestimmt.
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Die von der Beklagten beantragte Zulassung der Revision gegen diesen Beschluss kommt im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO schon deshalb nicht Betracht, da für den Fall, dass die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO gegeben wären, eine mündliche Verhandlung geboten und vom Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO Abstand zu nehmen wäre. Anhaltspunkte dafür, dass dies der Fall sein könnte, ergeben sich im vorliegenden Fall aber weder aus dem Vorbringen der Parteien noch aus den Umständen. Die Beklagte hat die rechtlichen Erwägungen der o.g. Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht hinreichend berücksichtigt.