Titel:
Kein Schadensersatz für Porsche-Fahrzeug mit von der Audi AG geliefertem 3,0 Liter-Motor (hier: Porsche Macan S Diesel)
Normenkette:
BGB § 31, § 166, § 826
Leitsätze:
1. Zu - jeweils verneinten - (Schadensersatz-)Ansprüchen von Käufern eines Porsche-Fahrzeugs, in das ein von Audi entwickelter Diesel-Motor eingebaut ist, vgl. auch BGH BeckRS 2021, 37683; OLG Düsseldorf BeckRS 2020, 40872; BeckRS 2021, 24001; OLG Hamm BeckRS 2020, 45663; BeckRS 2020, 40869; OLG Karlsruhe BeckRS 2020, 37836; BeckRS 2021, 36362; BeckRS 2020, 51145; OLG Köln BeckRS 2021, 15099; BeckRS 2020, 25732; BeckRS 2020, 40871; BeckRS 2020, 42411; OLG München BeckRS 2020, 41015; BeckRS 2020, 44392; BeckRS 2021, 7739; BeckRS 2023, 17851; OLG Saarbrücken BeckRS 2021, 43028; OLG Schleswig BeckRS 2021, 22892; OLG Stuttgart BeckRS 2021, 33367; OLG Frankfurt am Main BeckRS 2020, 47639 sowie BeckRS 2021, 22882 mwN in Leitsatz 1; aA OLG Düsseldorf BeckRS 2021, 39269. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nicht feststellbar, dass wenigstens eine Person, für deren Verhalten die Herstellerin einzustehen hat, in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer – billigend in Kauf genommenen – Unrechtmäßigkeit gehandelt hat, was bereits für die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung Voraussetzung wäre. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Zurechnung fremden Wissens entsprechend § 166 BGB erfolgt in einem Konzernverbund nicht. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Porsche, 3,0 l Diesel-Motor, unzulässige Abschalteinrichtung, Sittenwidrigkeit, Bedatung des Warmlaufmodus des SCR-Katalysators, (kein) "großer" Schadensersatz, Konzern, Zurechnung fremden Wissens
Vorinstanzen:
LG München I vom 29.03.2022 – 3 O 9968/20
LG München I, Urteil vom 12.03.2021 – 3 O 9968/20
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Berichtigungsbeschluss vom 21.09.2022 – 9 U 1568/21
BGH Karlsruhe, Urteil vom 11.12.2024 – VIa ZR 1226/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 59882
Tenor
1. Das Versäumnisurteil des OLG München vom 29.03.2022, Az.: 9 U 1568/21 wird aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 12.03.2021, Az. 3 O 9968/20, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Kosten ihrer Säumnis trägt die Beklagte selbst, die übrigen Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
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Der Kläger erwarb am 29.02.2016 beim Autohaus P. Z. in M. mit Kaufvertrag vom 16.06.2015 („Verbindliche Automobilbestellung“) ein Fahrzeug der Marke P. Macan S Diesel mit einem 6 Zylinder V-TDI Dieselmotor, 3,0 Liter, EU 6 zu einem Kaufpreis von 71.141,81 € (Anlage K 1) als Neuwagen. Den darin verbauten Motor EA 897 hat nicht die Beklagte hergestellt und auch die zugehörige Motorsteuerungssoftware nicht entwickelt, sondern die A. AG. Der Kilometerstand des Fahrzeugs betrug am 10.02.2021 51.945 km und am 21.06.2021 65.984 km.
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Der Kläger behauptet, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut gewesen seien (Thermofenster; Aufheizstrategie; On-Board-Diagnose-System). Er begehrt deshalb die Rückabwicklung des Kaufvertrages.
3
Die Beklagte tritt dem entgegen. Das KBA habe für das streitgegenständliche Fahrzeug und den Cayenne Diesel V6 EU 6 allein die Bedatung des Warmlaufmodus des SCR-Katalysators als unzulässig festgestellt. Die Bedatung sei zwischenzeitlich durch Anpassung der jeweiligen Motorsteuerungssoftware von A. geändert worden. Die Beklagte habe nicht mit dem erforderlichen Vorsatz gehandelt. Bei dem angebotenen Software-Update handele es sich lediglich um eine freiwillige Servicemaßnahme.
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Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I vom 12.03.2021, Az.: 3 O 9968/20, Bezug genommen.
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Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben und einen Anspruch aus § 826 BGB bejaht. Die Aufwärmstrategie (Strategie A) stelle eine unzulässige Abschalteinrichtung dar, da sie nahezu nur im Prüfzyklus anspringe. Diese sei auch vom KBA als unzulässige Abschalteinrichtung eingestuft worden. Das Inverkehrbringen des Fahrzeugs mit der unzulässigen Abschalteinrichtung sei der Beklagten entsprechend § 31 zuzurechnen. Nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast könne die Beklagte die Kenntnis ihres Vorstands bzw. verschiedener Abteilungsleiter nicht einfach mit Nichtwissen bestreiten. Die Beklagte habe den Vortrag der Klagepartei, dass der Vorstand und damalige Leiter der Entwicklungsabteilung der Beklagten, Herr H., Kenntnis von der Funktionsweise der Abschalteinrichtung gehabt hätte und als oberster Motorenentwickler des VW-Konzerns maßgeblich an der Entwicklung des im streitgegenständlichen Fahrzeug befindlichen Motortyps beteiligt gewesen sei, nicht substantiiert bestritten. Bei einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km ergebe sich eine anzurechnende Nutzungsentschädigung von 13.703 € und somit ein Zahlbetrag von 65.438,81 €.
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Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie vollständige Klageabweisung, hilfsweise Zurückverweisung an das Landgericht erstrebt. Die Beklagte habe den streitgegenständlichen Motor samt Abgasnachbehandlungssystem nicht hergestellt und die zugehörige Motorsteuerungssoftware nicht entwickelt, sondern die entsprechenden Komponenten einschließlich der Motorsteuerungssoftware von der A. AG bezogen. Vorstände der P. AG hätten bis Juni 2017 keine Kenntnis von der konkreten vom KBA letztlich als unzulässig festgestellten Bedatung der Motorsteuerungssoftware gehabt. Der Kläger habe auch bereits sowohl die freiwillige Servicemaßnahme aus dem Herbst 2016 (WG22) als auch das Software-Update aus dem Jahr 2018 (AJ07) durchführen lassen, zu dem das KBA keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt habe. Bei eigenen Prüfungen habe die P. AG keine unzulässigen Abschalteinrichtungen feststellen können. Zudem habe sich P. explizit bei A. rückversichert. Die Beklagte habe den Kläger nicht sittenwidrig geschädigt. Das Landgericht habe einen Vorsatz der Beklagten lediglich unterstellt, ohne anzugeben, von welchem Vorsatz welcher Person im Hinblick auf welche konkrete Handlung es ausgehe. Richtigerweise hätte das Landgericht den Vorsatz von P. verneinen müssen. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht eine sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf einen vermeintlichen Vorsatz ihrer verfassungsgemäßen Organe angenommen. Dem Kläger sei auch kein Schaden entstanden. Das Urteil des BGH vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19 sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Das Landgericht habe gegen seine Hinweispflicht aus § 139 Abs. 1 ZPO verstoßen, indem es der Klage mit der Begründung stattgegeben habe, dass P. seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen sei. Das Landgericht habe erheblichen Sachvortrag von P. zur fehlenden Kenntnis von P., den Umständen der Entwicklung, Herstellung und Integration des streitgegenständlichen Motors sowie Umfang und Umständen der durchgeführten Fahrtests sowie fehlende Kenntnis von Herrn H. und Herrn S. unberücksichtigt gelassen. Im Fall der vertikalen Arbeitsteilung gelte der sogenannte Vertrauensgrundsatz.
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Im Termin vom 29.03.2022 erschien die Beklagtenvertreterin unentschuldigt nicht, weshalb an diesem Tag ein die Berufung zurückweisendes Versäumnisurteil erging, das der Beklagtenvertreterin am 07.04.2022 zugestellt wurde und gegen welches diese mit Schriftsatz vom 20.04.2022 (Bl. 343/364 d.A.), beim Oberlandesgericht München eingegangen am gleichen Tag, Einspruch eingelegt hat.
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Mit Beschluss vom 30.05.2022 wurde die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Oberlandesgerichts München vom 29.03.2022, Geschäftszeichen: 9 U 1568/21, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 82.500,00 € einstweilen eingestellt.
9
Die Beklagte beantragt daher zuletzt (Bl. 344 d.A.),
- 1.
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Unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 29. März 2022 wird der Berufung der Beklagten vollständig stattgegeben und die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 3. März 2021, Az. 3 O 9968/20 vollständig abgewiesen.
- 2.
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Hilfsweise unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 29. März 2022 und unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht München I zurückverwiesen.
- 3.
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Die Klagepartei trägt mit Ausnahme der durch die Säumnis entstandenen Kosten die Kosten des Rechtsstreits.
- 4.
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Die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil vom 29. März 2022 wird einstweilen ohne, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung, eingestellt.
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Der Kläger beantragt (Bl. 393 d.A.),
das Versäumnisurteil vom 29.03.2022 aufrechtzuerhalten und die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das Ersturteil.
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Die Berufung der Beklagten ist begründet.
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1. Die P. AG hat den streitgegenständlichen Motor nicht entwickelt, sondern lediglich als Zulieferprodukt bei der A. AG zugekauft und diesen nicht selbst entwickelt. Auch wenn der streitgegenständliche Motor der A. AG über eine unzulässige Abschalteinrichtung im Hinblick auf die konkrete Bedatung des Warmlaufmodus des SCR-Katalysators enthalten haben sollte, hat nicht die Beklagte selbst betrogen und getäuscht. Bereits die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber setzt voraus, dass dies in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer – billigend in Kauf genommenen – Unrechtmäßigkeit geschieht (BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 192/20 Rn. 22, WM 2021, 2056; Beschluss vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20 Rn. 28, VersR 2021, 661; Urteil vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19 Rn. 21, NJW 2021, 1669; Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19 Rn. 19, VersR 2021, 388; BGH Urt. v. 25.11.2021 – VII ZR 238/20, BeckRS 2021, 40781).
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2. Ein derartiges Vorstellungsbild hat das Berufungsgericht im Hinblick auf wenigstens eine Person, für deren Verhalten die Beklagte einzustehen hat, nicht feststellen können, auch nicht im Hinblick auf Herrn W. H. Auch die wechselnden Tätigkeiten des Herrn H. für den VW-Konzern und seinen Tochterunternehmen (A. und P.) stellen keine ausreichenden Indizien dar, die eine positive Kenntnis des Zeugen H. vom Herstellen und Inverkehrbringen von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber begründen. Bislang ist auch nicht der Vorsatz eines Vorstandes der Beklagten gemäß § 31 BGB nachgewiesen. Hinsichtlich des Vorsatzes liegt entgegen der Annahme des Erstgerichts kein unzulässiges Bestreiten mit Nichtwissen vor, sondern die Beklagte hat ausreichend zum fehlenden Wissen der Vorstandsmitglieder hinsichtlich der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen aus ihrer Sicht vorgetragen. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass es nach der Rechtsprechung des BGH keinen Beweis des ersten Anscheins beim Vorsatz gibt, sondern dieser zur vollen Überzeugung des Gerichts (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nachgewiesen sein muss. Dies ist aber nicht der Fall, so dass die Beweiswürdigung des Erstgerichts rechtsfehlerhaft ist, da ohne Vorliegen greifbarer Anhaltspunkte und ausreichender objektiver Umstände nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast ein Vorsatz hinsichtlich des Vorhandenseins unzulässiger Abschalteinrichtungen lediglich unterstellt bzw. vermutet wird, ohne diese Vermutung aber auf tragfähige Gründe stützen zu können. Auch eine Kenntnis des Vorstands W. H. von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware ist bislang nicht nachgewiesen. Im Strafverfahren vor dem Landgericht München II bestreitet dieser jegliche Kenntnis. Auch wenn W. H. mehrere Jahre Chef der Aggregateentwicklung bei der A. AG bzw. im gesamten VW-Konzern war und dieses Wissen bei seinem Wechsel 2011 in den Vorstand der Beklagten „mitgenommen“ haben könnte, ist dieses Wissen bislang nicht in ausreichender Weise für eine zivilrechtliche Haftung belegt. Insoweit gelten nicht die Grundsätze der sekundären Darlegungs- und Beweislast, vielmehr trifft die Klagepartei insoweit die volle primäre Darlegungs- und Beweislast. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft München II (Anlage BE 1) hilft über den Nachweis einer positiven Kenntnis des Herrn W. H. nicht hinweg, da auch dort eine solche bislang nicht belegt ist. Der Zeuge W. H. bestreitet jegliche Kenntnis. Die zitierte Äußerung „[… ] Ganz ohne ‚Bescheißen‘ werden wir es nicht schaffen, alle Kunden in das 1 l Fenster hineinzubekommen. […]“, stammt nicht vom Zeugen H., sondern von Dr. B. und ist auch nicht an den Zeugen H. gerichtet. Die wechselnden Tätigkeiten des Zeugen H. innerhalb des VW-Konzerns belegen damit nicht, dass dieser positive Kenntnis von der Herstellung und dem Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung hatte und dieses Wissen bei seinem Wechsel in den Vorstand der Beklagten ab 01.10.2012 mitgenommen hätte. Die beantragte Zeugenvernehmung des Zeugen H. stellt eine unzulässige Ausforschung dar, da außer seinen verschiedenen Tätigkeiten innerhalb des VW-Konzerns keine konkreten Umstände benannt wurden, die auf eine positive Kenntnis des Zeugen von der Herstellung und dem Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung hinweisen und damit eine Beweiserhebung als sinnvoll erscheinen lassen. Wenn – wie vorliegend – Klage nicht gegen den Hersteller des beanstandeten Motors erhoben wird, sondern gegen den Zukäufer, obliegt es dem Kläger in erhöhtem Umfang, konkreten Vortrag hinsichtlich einer Kenntnis der Organe der Beklagten vom Einbau einer behauptenden Umschaltsoftware vorzutragen, bevor eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten in Betracht kommt. Der reine Verweis auf die Konzernzugehörigkeit der Beklagten ist hierfür nicht ausreichend, da eine Zurechnung von bei der Konzernmutter vorhandenem Wissen nicht in Betracht kommt.
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3. Auch eine Aufklärungspflicht kann das Berufungsgericht nicht erkennen. Die verbindliche Bestellung des streitgegenständlichen Fahrzeugs erfolgte bereits am 16.06.2015, also noch vor dem Bekanntwerden des Dieselskandals der VW AG im September 2015. Auch wenn die Lieferung des Fahrzeugs erst danach erfolgte, hat die Beklagte nachvollziehbar dargelegt, dass sie bei eigenen Überprüfungen keine unzulässigen Abschalteinrichtungen habe feststellen können. Zudem habe sie sich bei der A. AG rückversichert.
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4. Die Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962) zur Haftung von VW bezüglich des Motors EA189 lässt sich nicht nahtlos auf den vorliegenden Fall übertragen. Die Beklagte hat den im streitgegenständlichen Fahrzeug P. Macan S Diesel V6 TDI EU6 3,0 Liter verbauten Motor EA897 nicht selbst hergestellt und auch die zugehörige Motorsteuerungssoftware nicht entwickelt, sondern die A. AG. Eine Zurechnung fremden Wissens in einem Konzernverbund entsprechend § 166 BGB kann nicht begründet werden (BGH, Urteil vom 08.03.2021, Az. VI ZR 505/19, NJW 2021, 1669; Urteil vom 28.06.2016, Az. VI ZR 536/15, NJW 2017, 250 sowie Urteile des BGH vom 25.11.2021, Az. VII ZR 238/20, Az. VII ZR 243/20, Az. VII ZR 257/20 und Az. VII ZR 38/21; Urteil des 9. Senats des OLG München vom 26.01.2021, Az. 9 U 7301/19). Auch scheidet eine Haftung wegen einer angeblich unzulässigen Organisation des Typgenehmigungsverfahrens aus. Ebenso wenig tragfähig wäre die Argumentation, dass die Beklagte verpflichtet und in der Lage gewesen sei, den streitgegenständlichen Motor eigenständig auf Gesetzesverstöße zu überprüfen und zu diesem Zweck Auskünfte der A. AG einzuholen. Etwaige Versäumnisse der Beklagten in dieser Hinsicht könnten grundsätzlich nicht den für eine Haftung aus § 826 BGB erforderlichen Vorsatz, sondern lediglich einen Fahrlässigkeitsvorwurf begründen (so im Verhältnis der A. AG zur VW AG beim Motor EA189 vgl. Urteile des BGH vom 25.11.2021, Az. VII ZR 238/20, Az. VII ZR 243/20, Az. VII ZR 257/20 und Az. VII ZR 38/21).
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5. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Meinung des Klägers auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. November 2021 (Az. VII ZR 238/20; Revisionsverfahren zu OLG München, Urteil vom 30. November 2020, Az. 21 U 3457/19). Vielmehr hat der Bundesgerichtshof darin klargestellt, dass eine Haftung nach § 826 BGB nicht über eine Zurechnung einer juristischen Person zu einer anderen juristischen Person begründet werden kann („keine Wissenszurechnung im Konzern“ und keine „Wissenszusammenrechnung“).
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Der Bundesgerichtshof widerspricht damit klar der Rechtsauffassung des OLG München und führt aus:
„Im Ansatz fehlerhaft ist die Auffassung des Berufungsgerichts, das sittenwidrige Verhalten eines verfassungsmäßig berufenen Vertreters der Beklagten könne mittels einer Zurechnung fremden Wissens entsprechend § 166 BGB begründet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB voraus, dass einer ihrer verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB persönlich verwirklicht hat. Über eine Wissenszusammenrechnung führt kein Weg zu dem für das Merkmal der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB erforderlichen moralischen Unwerturteil. So wie sich die die Verwerflichkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren lasst, dass die im Hause der juristischen Person vorhandenen kognitiven Elemente „mosaikartig“ zusammengesetzt werden, weil eine solche Konstruktion dem personalen Charakter der Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB nicht gerecht würde, so lässt sie sich erst recht nicht mit einer Wissenszurechnung über die Grenzen rechtlich selbständiger (Konzern-)Gesellschaften hinaus begründen (vgl. BGH, Urteil vom 8. März 2021 – VI ZR 505/19 Rn. 23, NJW 2021, 1669; Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15 Rn. 13, 22 f., 27 m.w.N., NJW 2017, 250)." – BGH, Urt. v. 25.11.2021 – VII ZR 238/20, S. 9
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6. Es wird Bezug genommen auf die – inzwischen als gefestigt zu bezeichnende – Rechtsprechung des BGH, der eine Haftung von P. für A.-Motoren verneint hat und die Nichtzulassungsbeschwerden in folgenden Fällen jeweils zurückgewiesen hat:
BGH, Beschluss vom 14.09.2021 – VI ZR 848/20 (zu OLG Frankfurt a.M., Urteil v. 05.12.2019 – 16 U 61/18)
BGH, Beschluss vom 19.08.2021 – VII ZR 264/20 (zu OLG Frankfurt, B. vom 28.10.2020 – 6 U 116/19)
BGH, Beschluss vom 19.08.2021 – VII ZR 298/20 (zu OLG Karlsruhe, B. vom 10.11.2020 – 8 U 10/20)
BGH, Beschluss vom 15.09.2021 – VII ZR 17/21 (zu OLG München, Urteil vom 08.12.2020 – 18 U 576/20)
BGH, Beschluss vom 15.09.2021 – VII ZR 34/21 (zu OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2020 – 5 U 318/19)
BGH, Beschluss vom 08.12.2021 – VII ZR 205/21 (zu OLG Oldenburg, Urteil vom 28.01.2021 – 1 U 76/20)
BGH, Urteil vom 21.12.2021 – VI ZR 875/21 (zu OLG Köln, Urteil vom 28.05.2020 – 12 U 89/19)
BGH, Hinweisbeschluss vom 12.01.2022 – VII ZR 491/21 (zu OLG Köln, Urteil vom 29.04.2021 – 15 U 88/20)
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Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage in §§ 91, 97, 344, 539 Abs. 1 und 3 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet in § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung in Übereinstimmung mit der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung.