Titel:
Provisionsansprüche, Anspruch auf Buchauszug, Erteilung eines Buchauszugs, Handelsvertretervertrag, Handelsvertreterverhältnis, Stufenklage, Klage und Widerklage, Stornogefahrmitteilung, Teilurteil, Auskunftsanspruch, Rückerstattungsansprüche, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Versicherungsvertrag, Versicherungsfall, Feststellungsantrag, Provisionsabrechnung, Stornierung, Schluss der mündlichen Verhandlung, Entscheidungsreife, Unterlassungsanspruch
Schlagworte:
Buchauszug, Provisionsansprüche, Entscheidungsreife, Stufenklage, Auskunftsanspruch, Provisionsrelevanz, Teilurteil
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Urteil vom 24.10.2024 – 23 U 3874/22
BGH Karlsruhe vom -- – VII ZR 176/24
Fundstelle:
BeckRS 2022, 59855
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger einen vollständigen Buchauszug gem. § 87 c Abs. 2 HGB für den Zeitraum vom 01.12.2016 bis 26.04.2022 über alle Verträge, die in dem Zeitraum vom 01.12.2016 bis zum 26.04.2022 provisionsrelevant waren oder bei denen Streit darüber besteht, ob sie provisionsrelevant waren, zu erteilen, wobei der Buchauszug mindestens folgende Angaben für alle Verträge in geordneter Zusammenstellung zu enthalten hat:
a) Name und Anschrift des Kunden
c) Policierungsdatum / Datum der Annahme des Geschäfts
d) Versicherungsscheinnummer bzw. Vertragsnummer
e) Art und Inhalt des Vertrags (Sparte, Tarifart, provisionsrelevante Vereinbarungen)
g) Versicherungsbeginn / Vertragsbeginn
h) Laufzeit des Vertrages, ggf. der Verlängerung
i) Nettojahresprämie (Höhe, Fälligkeit und Zahlungsweise, Tag des Eingangs der Prämie)
j) Im Falle der Stornierung:
- Gründe für die Stornierung
- Art der ergriffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen
II. Im Übrigen wird die Klage bezüglich der Anträge auf Erteilung eines Buchauszugs (Antrag 1.a der Stufenklage) und Erteilung von Auskunft (Antrag 1.b der Stufenklage) abgewiesen.
III. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 € vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über wechselseitige Ansprüche im Hinblick auf durch den Kläger für die Beklagte getätigte Versicherungsvermittlungsleistungen.
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Die Beklagte vermittelt Versicherungsverträge. Der Kläger war vom 01.10.2015 bis 30.06.2020 als Handelsvertreter für die Beklagte tätig. Der Kläger hat das Vertragsverhältnis gekündigt und wechselte zu einer anderen Versicherungsgesellschaft. Der Kläger verlangt von der Beklagten unter anderem Erteilung eines Buchauszugs für den Zeitraum ab 01.12.2016 sowie die Erteilung von Auskunft über gekündigte bzw. abgeänderte Verträge. Diese Ansprüche werden in vorliegendem Teilurteil behandelt.
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Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 19.05.2021 angeboten, einen Buchauszug nach Terminvereinbarung mit den im Schreiben bezeichneten Mitarbeitern der Beklagten abzuholen (Anlagen K 19, B 2). Zu einer Übergabe an den Kläger kam es jedoch nicht.
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Der Kläger trägt vor, der geschuldete Buchauszug habe ihm am 04.08.2021 trotz Vorabinformation des Vorstandes der Beklagten nicht zur Abholung bereit gestanden. Die Beklagte befinde sich daher im Schuldnerverzug. Der Kläger meint, ihm stehe ein Buchauszug gemäß § 87 c Abs. 2 HGB zu. Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Provisionsabrechnung seien nicht einmal Voraussetzung für den Anspruch. Der Buchauszug sei auch für den Zeitraum 01.12.2016 bis 31.12.2016 geschuldet, da die Provisionsansprüche aus 2016 erst am 01.01.2017 fällig geworden seien und Verjährung daher erst mit Ablauf des 31.12.2020 eintreten würde. Der Buchauszug habe die im Einzelnen im Klageantrag aufgeführten Angaben zu enthalten. Die Beklagte schulde auch die daneben geltend gemachten Auskünfte aus § 87 c Abs. 3 HGB. Der Kläger bezweifelt, dass die Beklagte in der Vergangenheit, die dem Kläger zustehenden Pensionsansprüche vollständig und richtig abgerechnet habe. Teilweise seien die Vermittler der Beklagten dazu übergegangen, nach dem Ausscheiden ihrer Vorgänger aus den Diensten der Beklagten an Versicherungsnehmer, deren Versicherungsverträge von den ausgeschiedenen Vermittlern stammten, heranzutreten, um diesen Rabatte einzuräumen, wenn sie den bestehenden Versicherungsvertrag kündigen und einen neuen Vertrag abschließen würden. Hierdurch werde der Provisionsanspruch des ausgeschiedenen Handelsvertreters aber unzulässigerweise verkürzt.
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Der weiter geltend gemachte, in diesem Teilurteil nicht behandelte, Unterlassungsanspruch resultiere aus dem Umstand, dass die Beklagte am 18.02.2021 gegenüber der Auskunftsstelle für Versicherungs-/Bausparkassen-Außendienst und Versicherungsmakler in Deutschland e.V. (AVAD) die unwahre Behauptung aufgestellt habe, dass sich der Saldo auf dem Abrechnungskonto, das die Beklagte für den Kläger führe, auf Euro 18.649,49 erhöht habe.
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Die Stufenklage ist ursprünglich als Widerklage vor dem Landgericht Oldenburg, Aktenzeichen 5 O 2410/20, anhängig gemacht worden. Ein Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung sowie ein Zahlungsantrag wurden auf einer zweiten Stufe angekündigt. Die Widerklage wurde mit Beschluss des Landgerichts Oldenburg vom 26.05.2020 abgetrennt (Bl. 55 d.A.) und an das Landgericht München I verwiesen (Bl. 69 a/c d.A.). Mit Schriftsatz vom 04.08.2021 hat der Kläger seine Klageanträge erweitert (Bl. 112/119).
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Der Kläger beantragt zuletzt:
I. Die Beklagte wird im Rahmen der Stufenklage verurteilt,
a) einen vollständigen Buchauszug gem. § 87 Abs. 2 HGB für den Zeitraum vom 01.12.2016 bis zu dem Tag, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren entspricht, über alle Verträge, die in dem Zeitraum vom 01.12.2016 bis zu dem Tag, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, provisionsrelevant waren oder bei denen Streit darüber besteht, ob sie provisionsrelevant waren, zu erteilen, wobei der Buchauszug mindestens folgende Angaben für alle Verträge in geordneter Zusammenstellung zu enthalten hat:
(3) Geburtsdatum/Eintrittsalter im Personenversicherungsgeschäft
(5) Policierungsdatum/Datum der Annahme des Geschäfts
(6) Versicherungsscheinnummer bzw. Vertragsnummer
(7) Art und Inhalt des Vertrags (Sparte, Tarifart, prämien- oder provisionsrelevante Vereinbarungen)
(8) Versicherungssumme/Zeichnungssumme/Versicherungsbeitrag
(9) Versicherungsbeginn/Vertragsbeginn
(10) Laufzeit des Vertrages ggf. der Verlängerung
(11) Eintritt und Datum des Versicherungsfalls
(14) Nettojahresprämie (Höhe, gegebenenfalls Abweichung vom Regelprämiensatz, Fälligkeit und Zahlungsweise, Tag des Eingangs der Prämie)
(15) Bei Dynamisierung des Vertrags:
- -
-
Erhöhung der Jahresprämie
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Bewertete Versicherungsprämie
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Erhöhung der Versicherungssumme
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Zeitpunkt der Erhöhung
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Anpassungszeitraum
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Steigerungssatz
- -
-
Ggf. Aussetzungszeiträume
(17) Datum und Höhe der gezahlten Provision
(18) Einbehaltene Stornoreserve
(19) Von … behaupteter Stornohaftungszeitraum für den Vertrag
(20) Datum der leistungsstatistischen Erfassung des Vertrages
(21) Im Falle der Stornierung:
- -
-
Datum der Stornierung
- -
-
Gründe der Stornierung
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Datum der Stornogefahrmitteilung
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Adressat der Stornogefahrmitteilung
- -
-
Art der ergriffenen Bestandserhaltungsmaßnahmen
b) Auskunft zu erteilen, welche ursprünglich von dem Kläger an die Beklagte vermittelten Verträge nach der Beendigung des Handelsvertretervertrages der Parteien durch die Kunden gekündigt oder in der Beitragszahlung eingeschränkt worden sind und bei denen der jeweilige Kunde im Anschluss an die Kündigung oder Beitragseinschränkung einen Ersatz- oder Ergänzungsvertrag über das gleiche versicherte Risiko oder Produkt bei den Gesellschaften der … Versicherungsgruppe abgeschlossen hat und hierbei Folgendes anzugeben:
(1) Name und Anschrift des Kunden
(2) Art und Inhalt des Vertrages, der gekündigt oder in den Beiträgen reduziert wurde
(3) Versicherungsscheinnummer/Vertragsnummer, der gekündigt oder in den Beiträgen reduziert wurde
(4) Datum der Wirksamkeit der Kündigung oder Beitragsreduzierung
(5) Im Falle der Beitragsreduzierung Höhe der Beitragsreduzierung
(6) Versicherungsscheinnummer/Vertragsnummer des Anschluss- oder Ergänzungsvertrags
(7) Laufzeit des Anschluss- oder Ergänzungsvertrages
(8) Höhe und Fälligkeit der Prämie des Anschluss- oder Ergänzungsvertrags
(9) Name und Anschrift des den Anschlussvertrag vermittelnden Vermittlers
II. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu Euro 250.000,00 ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten im Wiederholungsfall, Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Vorsitzenden des Vorstandes der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu behaupten, aus der Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten bestehe ein Saldo in Höhe von Euro 16.649,49.
III. Es wird festgestellt, dass der Beklagten gegen den Kläger zu keinem Zeitpunkt ein Saldo in Höhe von Euro 18.649,49 wie gegenüber dem AVAD gemäß der als Anlage 1 zum Antrag beigefügten Nachmeldung vom 18.12.2021 behauptet, zustand.
IV. Die Beklagte wird verurteilt, gegenüber dem AVAD mitzuteilen, dass die Auskunft der Beklagten an den AVAD vom 18.02.2021, es bestünde ein Saldo in Höhe von Euro 18.649,49 falsch ist.
V. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 3.229,15 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz auf Euro 1.211,50 seit dem 05.11.2020 sowie um weitere 217,65 seit dem 30.03.2021 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte trägt vor, sie habe dem Kläger mit Schreiben vom 19. Mai 2021 angeboten, den Buchauszug nach Terminvereinbarung mit den im Schreiben genannten Mitarbeitern abzuholen (Anlage K 19). Der Kläger habe es unterlassen, einen entsprechenden Abholtermin abzustimmen. Nur deshalb habe der Klägervertreter den seit 19.05.2021 von der Beklagten vorgehaltenen Buchauszug nicht mitnehmen können. Der von der Beklagten erstellte Buchauszug enthalte die aus ihrer Sicht erforderlichen, nicht aber die nicht provisionsrelevanten und daher auch nicht geschuldeten Angaben. Anhand dieses Buchauszugs könne der Kläger sowohl Entstehung als auch Höhe, Fälligkeit und gegebenenfalls Entfall seiner Provisionsansprüche vollständig ermitteln und so die Provisionsabrechnung überprüfen.
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Die Beklagte ist der Rechtsauffassung, bei dem Buchauszug handele es sich um eine Holschuld. Die Beklagte meint unter Verweis auf das OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25.03.2008, Aktenzeichen I-16 W 77/07, dem Angebot auf Abholung käme Erfüllungswirkung zu. Der Anspruch des Klägers sei daher infolge Erfüllung erloschen. Darüber hinaus seien einige der vom Kläger geforderten Angaben im Buchauszug nicht provisionsrelevant und damit auch nicht geschuldet. Es sei zu beachten, dass gem. Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO die Verarbeitung und Weiterleitung personenbezogener Daten auf das notwendige Minimum zu beschränken sei. So sei nicht erkennbar, weshalb ein Buchauszug die Anschrift des Kunden enthalten sollte. Kundenname und Versicherungsnummer würden ausreichen. Auch Geburtsdatum und Eintrittsalter im Personenversicherungsgeschäft seien nicht relevant. Auch etwaige prämienrelevante Sondervereinbarungen seien nicht provisionsrelevant. Ferner sei bezüglich der folgenden Angaben eine Provisionsrelevanz nicht erkennbar: Versicherungssumme/Zeichnungssumme, Eintritt und Datum des Versicherungsfalls, Aufschubzeit, Abrufphase, Abweichung von Regelprämiensatz und Angaben bei Dynamisierung des Vertrages. Bezüglich der geforderten Angaben zum Provisionssatz, zum Datum und Höhe der gezahlten Provision, der einbehaltene Stornoreserve und dem behaupteten Storno-Haftungszeitraum, sei es Sache des Klägers, die Provision aus den aus dem Buchauszug ersichtlichen Angaben über das Geschäft anhand der vertraglichen Vereinbarungen selbst zu ermitteln. Diese Information kenne der Kläger zum Teil aus eigener Wahrnehmung. Statistische Erhebungen seien für den Provisionsanspruch des Klägers auch nicht relevant. Der vom Kläger geltend gemachte Auskunftsanspruch bestehe jedenfalls nicht in dem geltend gemachten Umfang. Der Kläger könne nicht pauschal erfragen, ob es zu Ersatzverträgen gekommen sei, sondern allenfalls im Einzelfall, nämlich dann, wenn bei Stornierung des Altvertrages eine Provision (anteilig) belastet worden sei.
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Die Beklagte trägt weiter vor, sie habe dem Kläger während der Vertragszeit laufend Provisionsvorschüsse ausbezahlt. Die Beklagte habe Anspruch auf Rückzahlung der infolge von Stornierungen unverdienten Provisionsvorschüsse aus § 87 Abs. 3 Satz 2 HGB. Die Summe der unverdienten und ausbezahlten Vorschüsse betrage Euro 24.453,94.
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Widerklagend beantragt die Beklagte daher:
I. Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte Euro 24.453,94 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
II. Hilfsweise für den Fall einer beabsichtigten Zug-um-Zug-Verurteilung:
Es wird festgestellt, dass sich der Kläger mit der Annahme des Buchauszuges in Verzug befindet.
die Widerklage abzuweisen.
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Der Kläger erwidert, die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche bestünden nicht. Die Ausführungen der Beklagten zur Höhe der vermeintlichen Provisionsrückerstattungsansprüche seien nicht nachvollziehbar. Er bestreitet diese mit Nichtwissen. Der Vortrag der Beklagten zur Nachbearbeitung der notleidenden Verträge sei unsubstantiiert. Eine sachgerechte Verteidigung sei erst möglich, wenn der Kläger den Buchauszug sowie die begehrte Auskunft von der Beklagten erhalten habe. Der Kläger gehe davon aus, dass ihm noch ganz erhebliche Provisionsansprüche zustünden. Bis dahin mache er vorsorglich ein Zurückbehaltungsrecht geltend und erhebe hinsichtlich der wechselseitigen Zahlungsansprüche die Zug-um-Zug-Einrede.
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Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2022 (Bl. 178/179 d.A.) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist in der Auskunftsstufe bezüglich des Anspruchs auf Erteilung eines Buchauszugs überwiegend begründet und bezüglich des Auskunftsanspruchs unbegründet. Mangels Entscheidungsreife konnte eine Entscheidung über die darüber hinausgehenden Ansprüche sowie über die Widerklage nicht ergehen.
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Die als Stufenklage erhobene Klage ist in der Auskunftsstufe zulässig.
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Das vorliegende Teilurteil behandelt die klägerischen Ansprüche auf Buchauszug und Auskunft. Über den weiter geltend gemachten Unterlassungsanspruch, den Feststellungsantrag sowie die wiederklagend geltend gemachten Rückerstattungsansprüche konnte eine Entscheidung nicht ergehen. Im Hinblick auf die unbehandelten Ansprüche liegt zum einen bereits keine Entscheidungsreife vor: So bedarf es – worauf die Kammer in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat – weiteren konkreten Vortrags der Beklagten hinsichtlich der behaupteten Rückerstattungsansprüche. Hiervon hängen wiederum die klägerischen Ansprüche auf Unterlassung sowie der Feststellungsantrag ab, da diese ebenfalls von dem Bestehen der Provisionsrückerstattungsansprüche abhängig sind. Die hier entschiedenen Ansprüche auf Buchauszug und Auskunft sind hingegen unabhängig von den restlichen in Klage und Widerklage geltend gemachten Ansprüchen, so dass ein Teilurteil ergehen konnte, § 301 ZPO.
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Im Übrigen ist auch im Hinblick auf die Widerklage die Rangordnung zwischen Auskunfts- und dem angekündigten Leistungsantrag bei der klägerischen Stufenklage zu berücksichtigen. Da der in der Widerklage erhobene Provisionsrückerstattungsanspruch im Rang dem angekündigten Leistungsantrag gegenübersteht, erscheint eine Entscheidung auf der ersten Stufe verfrüht (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation OLG Hamm, Teilurteil vom 10.2.2020 – 18 U 27/16, ZVertriebsR 2020, 131 Rn. 40).
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Die Klage ist in der Auskunftsstufe nur teilweise begründet.
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I. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs aus § 87 c Abs. 2 HGB in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
22
a) Voraussetzung für den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs nach § 87 c Abs. 2 HGB ist lediglich, dass der Handelsvertreter ihn fordert und die Möglichkeit von Vergütungsansprüchen des Handelsvertreters besteht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Das Bestehen des Handelsvertreterverhältnisses sowie der Abschluss von provisionspflichtigen Geschäften sind zwischen den Parteien nicht umstritten.
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b) Der Buchauszug steht dem Kläger jedoch nicht in dem von ihm im Einzelnen begehrten Umfang zu.
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Der Buchauszug dient dem Zweck, dem Handelsvertreter die Möglichkeit zu verschaffen, Klarheit über seine Provisionsansprüche zu gewinnen und die vom Unternehmer erteilte Abrechnung zu überprüfen. Aus diesem Grund muss der Buchauszug eine vollständige, geordnete und übersichtliche Darstellung aller Angaben enthalten, die für die Provision von Bedeutung sind, die der Handelsvertreter mithin zur Überprüfung der Provisionsansprüche benötigt (BGH, Urteil vom 20.9.2006 – VIII ZR 100/05, NJW-RR 2007, 246).
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Die Beklagte hat zum Teil die vom Kläger geforderten Angaben gerügt und deren Provisionsrelevanz im Einzelnen bestritten. Insoweit ist eine Prüfung veranlasst, wobei es grundsätzlich dem Kläger obliegt, unter Bezugnahme auf die jeweils mit dem Unternehmer vereinbarten Provisionsregelungen vorzutragen, aus welchen Gründen die verlangten Angaben bedeutsam sind bzw. sein können (OLG Hamm, ZVertriebsR 2018, 375; vgl. auch OLG München, Urt. vom 14.7.2016, Az. 23 U 3764/15, ZVertriebsR 2016, S. 304). Unter Zugrundelegung des Zwecks des Buchauszugs war dem Antrag daher nicht vollumfänglich stattzugeben. Im Einzelnen:
i. Geburtsdatum/Eintrittsalter im Personenversicherungsgeschäft:
Die Möglichkeit der Identifikation des jeweiligen Kunden über Name und Anschrift ist ausreichend. Darüber hinausgehende Angaben wie Geburtsdatum und Eintrittsalter erscheinen nicht geboten (vgl. zu solchen Angaben und der datenschutzrechtlichen Problematik: OLG München, Urteil vom 31.7.2019 – 7 U 4012/17, ZD 2020, 43). Der Kläger hat die Relevanz des Eintrittsalters für die im Streit stehenden und von ihm vermittelten Geschäfte auch nicht dargelegt.
ii. Prämienrelevante Vereinbarungen:
Der Inhalt und die – von der Beklagten bestrittene – Provisionsrelevanz entsprechender Angaben erschließt sich dem Gericht nicht (vgl. OLG München Endurteil v. 9.12.2015 – 7 U 1163/15, BeckRS 2015, 20352).
iii. Versicherungssumme/Zeichnungssumme:
Auch hier ist mangels Darlegung des Klägers nicht ersichtlich, inwiefern der Kläger solche Angaben für die Überprüfung seiner Ansprüche benötigt.
iv. Eintritt und Datum des Versicherungsfalls/Aufschubzeit/Abrufphase/Abweichung vom Regelprämiensatz:
Von der Beklagten wurde hierzu unwidersprochen vorgetragen, dass diese Angaben für die Provisionsberechtigung des Klägers ohne Bedeutung sind. Eine Provisionsrelevanz drängt sich auch nicht auf.
v. Dynamisierung des Vertrags:
Die Relevanz entsprechender dynamischer Werte wurde seitens der Beklagten bestritten und wurde vom Kläger ebenfalls nicht dargetan.
vi. Provisionssatz/Datum und Höhe der gezahlten Provision:
Solche Angaben sind ebenfalls nicht geschuldet. Den Provisionssatz und den Provisionsbetrag kann der Handelsvertreter der nach § 87 c I HGB zu erteilenden Abrechnung entnehmen (vgl. BGH, Urteil vom 21.3.2001 – VIII ZR 149/99, NJW 2001, 2333).
vii. Einbehaltene Stornoreserve/Stornohaftungszeitraum:
In den Buchauszug sind nach der Rechtsprechung nur solche Umstände aufzunehmen, die die Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmer und seine Kunden betreffen. Dagegen nicht wiederzugeben sind Tatsachen, die allein dem Vertragsverhältnis zwischen dem Unternehmer und dem Handelsvertreter entspringen (BGH, Urteil vom 21.3.2001 – a.a.O.). Die von der Beklagten einbehaltene Stornoreserve sowie der Stornohaftungszeitraum betreffen aber gerade nicht die Geschäftsbeziehung zu den Kunden sondern das Vertragsverhältnis zum Kläger. Eine Aufnahme in den Buchauszug ist daher nicht geschuldet.
viii. Datum der leistungsstatistischen Erfassung des Vertrages:
Die – von der Beklagten bestrittene und sich auch nicht aufdrängende – Relevanz dieser Information wurde seitens des Klägers ebenfalls nicht dargelegt.
ix. Datum und Adressat der Stornogefahrmitteilung:
Datum und Adressat der Stornogefahrmitteilungen betreffen erneut das Innenverhältnis zwischen Kläger und Beklagter und sind damit nicht Gegenstand des nach § 87 c Abs. 2 HGB geschuldeten Buchauszugs.
x. Im Übrigen ist der Buchauszug zu erteilen.
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c) Der Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs ist auch nicht durch Erfüllung erloschen, § 362 Abs. 1 BGB.
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Erfüllung ist vorliegend nicht bereits deshalb eingetreten, weil die Beklagte dem Kläger angeboten hat, den Buchauszug an ihrem Sitz in München abzuholen. Bei dem Buchauszug handelt es sich zwar in der Regel um eine Holschuld, die am Sitz des Unternehmens zu erfüllen ist. (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1974, 2185). Unabhängig von der Frage, ob durch das Angebot der Beklagten im vorliegenden Fall Gläubigerverzug eingetreten ist (§§ 293, 295 BGB), läge – diesen unterstellt – hierin jedenfalls keine Erfüllung des nach § 87 c Abs. 2 HGB geschuldeten Buchauszugs. Der Buchauszug wurde dem Kläger unstreitig nicht übergeben. Da vorliegend die Bucheinsicht ausweislich des Beklagtenvortrags mittels umfangreicher körperlicher Unterlagen gewährt werden soll, ist eine Erfüllung mangels Übergabe nicht eingetreten. Die Beklagte bleibt daher grundsätzlich weiter zur Leistung verpflichtet (vgl. BeckOGK/Dötterl, 1.3.2022, BGB § 293 Rn. 102). Dem steht auch nicht der von der Beklagten angeführte Beschluss des OLG Düsseldorf, a.a.O.) entgegen. Der Beschluss betrifft das unzulässige Bestreiten der Erfüllung mit Nichtwissen, nachdem der Buchauszug am Ort des Unternehmens zur Abholung bereitgehalten wurde.
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II. Ein Anspruch des Klägers auf Auskunft nach § 87 c Abs. 3 HGB besteht nicht.
29
Der Anwendungsbereich des Auskunftsanspruchs erstreckt sich auf solche Umstände, die sich nicht aus den schriftlichen Geschäftsunterlagen des Unternehmers ergeben und aus diesem tatsächlichen Grund nicht Gegenstand des Buchauszugs werden könne (BGH, Urteil vom 21.03.2001 a.a.O.). Der Auskunftsanspruch erfasst solche Umstände, die für die Entstehung, die Berechnung und die Fälligkeit des Provisionsanspruchs von Bedeutung sein können. Der Handelsvertreter muss genau angeben, über welche Umstände er Auskunft haben will. Im Streitfalle muss er weiter darlegen und beweisen, inwieweit diese Umstände für seinen Provisionsanspruch wesentlich sind (MüKoHGB/Ströbl, 5. Aufl. 2021, HGB § 87 c Rn. 71). Diesen Anforderungen wird der Kläger nicht gerecht. Der klägerische Antrag betrifft – worauf die Kammer in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat – alle von dem Kläger vermittelten Verträge unabhängig davon, ob bei diesen eine Belastung der klägerischen Provision erfolgt ist. Damit wird auch Auskunft über solche Umstände begehrt, die nicht provisionsrelevant sind. Eine Bezeichnung der betroffenen Verträge hat der Kläger trotz des gerichtlichen Hinweises nicht vorgenommen. Eine ersatzweise Bestimmung der relevanten, auskunftsbelasteten Verträge durch das Gericht ist nicht möglich. Hierzu fehlt jeder Vortrag. Im Übrigen wird eine Bestimmung ggf. erst nach Einsichtnahme in den Buchauszug möglich sein. So wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass die Auskunft nach § 87 c Abs. 3 HGB erst dann verlangt werden kann, nachdem ein Buchauszug erteilt wurde und weiterhin Unklarheiten über das Bestehen von Provisionsansprüchen verbleiben (so MüKoHGB/Ströbl, 5. Aufl. 2021, HGB § 87 c Rn. 71 mit weiteren Nachweisen), ohne dass es auf diese im Einzelnen umstrittene Frage vorliegend entscheidend ankäme.
30
Soweit der nachgereichte Schriftsatz des Klägers vom 02.05.2022 – mit Ausnahme der nachgereichten Anlage – anderes als bloße Rechtsausführungen oder solchen Vortrag enthält, der sich auf von Amts wegen zu prüfende Umstände bezieht, war dieser gemäß § 296 a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 132 Rdnr. 4). Eine Wiedereröffnung der Verhandlung nach § 156 ZPO hinsichtlich des neuen Vortrags war nicht geboten (vgl. auch BGH NJW 2000, 142 f. und Zöller/Greger, ZPO, 32. Auflage, § 156 Rdnr. 4 und 5).
31
Die Entscheidung über die Kosten ist dem Schlussurteil vorzubehalten.
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E. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.