Titel:
Abschalteinrichtung, Elektronisches Dokument, Abschaltvorrichtungen, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Sachverständigengutachten, Unzulässigkeit, Elektronischer Rechtsverkehr, Kraftfahrt-Bundesamt, Annahmeverzug, Streitwert, Sittenwidrige Schädigung, Sachvortrag, Sachmängel, Schadensersatzpflicht, Sachverständigenbeweis, Kostenentscheidung, Klageantrag, Anderweitige Erledigung, Gebrauchtwagenkauf, Außergerichtliche Rechtsverfolgung
Schlagworte:
Beweislast, Anspruchsbegründung, Abschalteinrichtung, Sachverständigengutachten, Darlegungslast, Schadensersatzpflicht, Rückrufbescheid
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 13.12.2023 – 7 U 3370/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 59826
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 49.377,35 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger macht Ansprüche im Zusammenhang mit einem – seiner Auffassung nach – vom Dieselskandal betroffenen Fahrzeug geltend. Die Beklagte ist Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
2
Mit Bestellbestätigung vom 25.05.2018 (Anlage K 1) bestellte der Kläger bei der Firma Volkswagen Zentrum Rosenheim, Kufsteiner Straße 72, 83026 Rosenheim, den streitgegenständlichen gebrauchten VW T6 Multivan bei einem Kilometerstand von 17.600 zum Kaufpreis von 52.400 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotortyp EA 288 mit 150 KW (204 PS) ausgestattet und der Schadstoffklasse „Euro 6“ zugeordnet.
3
Der Kilometerstand betrug bei Klageerhebung 33.890 km.
4
Das KBA erließ im April 2019 für alle ausgelieferten T6 Modelle 2.0 Diesel Euro 6, die vor dem 28.11.2017 erstmals zugelassen wurden, einen amtlichen Rückruf aufgrund einer festgestellten Konformitätsabweichung im Hinblick auf das Emissionsverhalten dieser Modelle.
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Mit Schreiben vom 09.11.2021 (Anlage K11) erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag, forderte die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs binnen zwei Wochen und bot die Abholung des Fahrzeugs bei ihm an.
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Der Kläger behauptet, dass in seinem Pkw eine unzulässige Software zur Steuerung der Abgase verbaut sei. Der Kläger sei aufgrund der Herstellerverlautbarungen davon ausgegangen, dass der NOx-Ausstoß des Fahrzeuges innerhalb der für die Abgasnorm EU6 geltenden Bestimmungen liege. Die Einordnung in die Schadstoffklasse sei wesentlich für die Kaufentscheidung gewesen. Der Motortyp EA288 sei Nachfolgemodell des Motors EA189 und mit diesem nahezu baugleich. Im streitgegenständlichen Fahrzeug sei eine temperaturgesteuerte Abschaltvorrichtung verbaut. Die Abschalteinrichtung führe dazu, dass die Emissionsreinigung auf dem Prüfstand ausnahmslos funktioniere. Im realen Fahrbetrieb würden die Emissionsgrenzwerte jedoch nicht durchweg eingehalten. Das Fahrzeug sei so konstruiert, dass es spezifische Parameter ermittle, um zu erkennen, ob es sich auf dem Prüfstand befinde, um in diesem Fall die volle Leistungsfähigkeit der Systeme anzusteuern, die Abgasgrenzwerte einzuhalten und so die Zulassung für den europäischen Fahrzeugmarkt zu erhalten. Aufgrund der massiv erhöhten Emissionen könne das Fahrzeug jedoch nicht in die Abgasnorm EU6 eingestuft werden, da es die gesetzlichen Voraussetzungen aufgrund der überhöhten Stickoxid-Emissionen nicht erfülle. Die Beklagte habe sich damit eine Zulassung erschlichen, die es ohne die Täuschung der Behörden nie gegeben hätte. Die Klägerin trägt vor, dass sie das Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn dies bekannt gewesen sei. Auch der Vorstand der Beklagten sei in die Vorgänge eingeweiht gewesen.
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Die Beklagte hafte wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung nach § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB bzw. § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Schaden des Klägers bestehe in einem wirtschaftlich nachteiligen Vertrag. Darüber hinaus hafte die Beklagte auch aus § 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 31 bzw. § 831 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 263 StGB bzw. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 der EG Fahrzeuggenehmigungsverordnung (EG-FGV).
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Der Kläger beantragt zuletzt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 49.377,35 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23. November 2021 zu zahlen.
Die Verurteilung erfolgt Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs der Marke VW vom Typ T6 Multivan 2.0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) …09 nebst zwei Fahrzeugschlüsseln, Kfz-Schein, Kfz-Brief und Serviceheft.
9
Hilfsweise wird beantragt,
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. v. Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 durch die Beklagte in das Fahrzeug der Marke VW vom Typ T6 Multivan 2.0 TDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) …09 resultieren.
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Weiter wird beantragt,
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme, der in vorgenannten Klageanträgen genannten Zug-um-Zug-Leistung im Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 3.291,54 freizustellen Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte trägt vor, dass im Motor des Typs EA 288 keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei. Das Kraftfahrtbundesamt habe den streitgegenständlichen Motortyp eingehend überprüft und festgestellt, dass dort keine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz komme. Daher habe das Kraftfahrtbundesamt in diesem Zusammenhang keinerlei belastenden Bescheid für die Klageseite erlassen und auch keinen Rückruf angeordnet.
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Die Behauptungen der Klagepartei seien daher nicht substantiiert, so dass die Klage bereits unschlüssig sei. Es handle sich vielmehr um Behauptungen ins Blaue hinein, die keine Beweiserhebung rechtfertigen würden. Zudem sei der Motortyp EA288 mit dem Typ EA189 nicht identisch, sondern vollständig unterschiedlich.
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Sofern überhaupt eine Abschalteinrichtung vorliegen würde, sei nach Artikel 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 zwischen zulässigen und unzulässigen Abschalteinrichtungen zu unterscheiden. Die Messungen des KBA haben allerdings ergeben, dass bei den Motoren des Typs EA288 das verwendete Abgasnachbehandlungssystem bei voller Funktionsfähigkeit aller abgasbehandelnden Bauteile die gesetzlich vorgegebenen Abgasgrenzwerte einhalten würde. Dies erfolge unabhängig von einer Fahrkurvenerkennung. Damit liege bereits tatbestandlich keine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der VO (EG) 715/2007 vor. Zudem sei im streitgegenständlichen Fahrzeug keine Fahrkurvenerkennung (Akustikfunktion) verbaut. Auch dies hätten Messungen des Kraftfahrtbundesamtes bestätigt. Es komme keine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines unzulässigen Thermofensters zum Einsatz. Der Umfang der in den Motor zurückgeführten Abgase sei dabei von der Außentemperatur abhängig. Dies sei bei sämtlichen in der EU produzierten Dieselfahrzeugen mit Abgasrückführung der Fall, da dies technisch unverzichtbar sei, um Motorschäden zu vermeiden. Dabei handle es sich nicht um eine Abschaltvorrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007. Sie diene vielmehr dem Motorschutz und dem sicheren Betrieb des Fahrzeuges im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) 715/2007. Auch dieser Vorwurf sei vom Kraftfahrtbundesamt überprüft und zurückgewiesen worden. Des Weiteren seien die übrigen, von der Klageseite vorgetragenen Vorwürfe zu unzulässigen Abschalteinrichtungen bei den betroffenen Fahrzeugen vom Kraftfahrtbundesamt bereits überprüft und verneint worden. Zudem sei die Behauptung der Klageseite, der Motor EA288 sei mit dem Motor EA189 nahezu baugleich völlig pauschal. Aus vorgenannten Gründen sei es auch zur Nachüberprüfung durch das KBA zu keinem Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung beim streitgegenständlichen Motor gekommen. Das Fahrzeug verfüge daher über eine wirksame Typengenehmigung für die Emissionsklasse Euro-6.
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Das streitgegenständliche Fahrzeug sei zwar von einer sogenannten technischen Konformitätsabweichung erfasst, die im Zusammenhang mit der Regeneration des Dieselpartikelfilters stehe. Diese technische Konformitätsabweichung sei jedoch bereits mittels Software-Update am 15.07.2019 beseitigt worden. Diese Konformitätsabweichung stelle keine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Eine bloße technische Abweichung in Form einer Konformitätsabweichung begründe keine vorsätzliche Täuschung oder gar sittenwidrige Schädigung.
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Wegen des weiteren Parteivortrages wird zur Ergänzung des Tatbestandes zudem auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unter allen rechtlichen Gesichtspunkten unbegründet.
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1. Die Klagepartei hat die Voraussetzungen für einen Anspruch aus §§ 826, 31 BGB nicht nachgewiesen.
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a) Soweit der Kläger das Vorliegen einer der im EA 189-Motor verbauten vergleichbaren Abschalteinrichtung behauptet hat, ist der Vortrag nicht geeignet, um einen Vorwurf gemäß § 826 BGB ansatzweise zu begründen; insbesondere war kein Sachverständigengutachten zu erholen, da der Vortrag der Klägerseite ins Blaue hinein erfolgte.
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Das OLG München führte hierzu zutreffend aus (OLG München Endurteil v. 28.7.2021 – 15 U 2984/19, BeckRS 2021, 42727, beck-online):
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Nach allgemeinen Grundsätzen trägt derjenige, der einen Anspruch aus § 826 BGB geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. In bestimmten Fällen ist es aber Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern. Dabei hängen die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden zunächst davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner – hier die Klagepartei – vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist. Eine sekundäre Darlegungslast trifft den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei, wenn diese keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, Rdnr. 35 ff. m.w.N., zitiert nach Juris). Voraussetzung ist stets ein schlüssiger und erheblicher Sachvortrag der zunächst darlegungs- und beweisbelasteten Klagepartei. Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten. Weiter ist es einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblick in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -nachbehandlung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann. Eine Behauptung ist aber dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Entscheidend ist, ob die Klagepartei ausreichend greifbare Anhaltspunkte zur Begründung ihres Vorwurfs, in dem streitgegenständlichen Fahrzeug komme eine unzulässige Abschalttechnik zum Einsatz, vorbringt (BGH, Beschluss vom 28.01.2020, Az.: VIII ZR 57/19, Rdnr. 7 ff. m.w.N., zitiert nach Juris).
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Diesen Ansprüchen hat der Kläger hier nicht genügt. Dass der im streitggenständlichen Fahrzeug verbaute Motor EA 288 nahezu baugleich mit dem Motor der Baureihe EA189 sei, hat die Klageseite lediglich behauptet. Dies wurde von der Beklagtenseite substantiiert bestritten. Vorliegend fehlt es auch an konkreten Anhaltspunkten, die für die Richtigkeit des klägerischen Vortrages sprechen. Die Tatsache, dass die Klagepartei keinen Einblick in die Geschehensabläufe der Gegenseite habe und die Beweisführung deshalb erschwert sei, führt für sich allein genommen nicht dazu, dass die Klägerseite auch nur vermutete Tatsachen unter Beweis stellen dürfte.
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Der Verweis auf die „Applikationsrichtlinie“ (Anlage K3a) der Beklagten ergibt nichts anderes. Aus der von dem Kläger auszugsweise wiedergegebenen Unterlage lassen sich bereits keine Anhaltspunkte für eine unzulässige Abschalteinrichtung und arglistige Täuschung des KBA, insbesondere auch nicht für eine Übertragung der sog. Akustikfunktion der mit dem Motor des Typs EA 189 ausgestatteten Fahrzeuge auf Fahrzeuge mit dem Motor des Typs EA 288 entnehmen.
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Die Erholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Vorbringen der Klägerseite wäre daher lediglich ein Ausforschungsbeweis. Der Umstand, dass einzelne Fahrzeugtypen eines Herstellers mit einer sog. Abschalteinrichtung versehen sind, führt nicht dazu, dass sämtliche Dieselfahrzeuge dieses Herstellers unter dem Verdacht stehen, ebenfalls manipuliert zu sein, ohne dass es hierfür konkrete Anhaltspunkte, insbesondere auch von Behördenseite gibt.
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Maßgeblich ist hier insbesondere auch, dass die gegenständlichen Vorwürfe einer Überprüfung durch das Kraftfahrtbundesamt unterzogen wurden und es gerade zu keinem Rückruf gekommen ist. Dass die Untersuchungen des KBA keine unzulässigen Abschaltvorrichtungen zu Tage gefördert haben, mag kein hinreichender Beweis gegen das tatsächliche Vorliegen solcher Manipulationen sein. Umgekehrt kann der Kläger sich aber – anders als in den Fällen anderer, von einem Rückruf betroffener Motoren – nicht auf einen solchen Rückruf als Anhaltspunkt für die Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptungen stützen.
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Daraus, dass das Fahrzeug, wie der Kläger unter Vorlage von Messergebnissen behauptet, bei normalem Betrieb auf der Straße die gesetzlichen Grenzwerte überschreitet, lässt sich ebenfalls keine unzulässige Abschaltvorrichtung ableiten. Denn selbst wenn man unterstellt, dass die tatsächlichen Werte von den der Zulassung zugrunde gelegten Emissionswerten abweichen, ergibt sich hieraus nicht zwingend, dass eine unzulässige Abschaltvorrichtung vergleichbar der in den EA 189-Motoren vorhanden sein muss. Vielmehr liegt auf der Hand, dass die Überschreitung der Werte im Straßenverkehr darauf zurückzuführen sein kann, dass der Motor im realen Fahrbetrieb aufgrund der konkreten Verkehrsverhältnisse deutlich mehr Schadstoffe emittiert als in einem zu Vergleichszwecken festgelegten, standardisierten Fahrzyklus auf dem Prüfstand. Dergleichen ist auch bei Herstellerangaben zum Kraftstoffverbrauch allgemein bekannt.
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Da der europäische Gesetzgeber für die Schadstoffnormen EU 5 und EU 6 im Jahre 2013 die Messung allein im Prüfstandsbetrieb festgelegt hatte, kommt es gerade nicht darauf an, dass das streitgegenständliche Fahrzeug im Normalbetrieb die der Zulassung zugrundeliegenden Werte im NEFZ nicht einhält. Die Umschaltvorrichtung in der Software bei Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns mit Motor EA 189 ist vom Kraftfahrbundesamt auch nicht wegen der generellen Abweichung der Emissionswerte im Normalbetrieb als unzulässig beanstandet worden, sondern ausschließlich deshalb, weil sie bei erkannter Abweichung der Fahrt vom NEFZ die Abgasreinigung zugunsten erhöhter Stickoxidwerte veränderte.
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b) Im Übrigen liegt auch kein Schaden vor.
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Diesen hat der BGH in den EA 189-Verfahren maßgeblich auf die drohende Betriebsbeschränkung oder -untersagung aufgrund des KBA-Rückrufbescheids gestützt. Abgestellt wurde darauf, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs für die Zwecke des Käufers nicht voll brauchbar gewesen sei, weil es einen verdeckten Sachmangel aufgewiesen habe, der zu einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung hätte führen können. Für einen solchen Sachmangel gibt es vorliegend jedoch gerade keine Anhaltspunkte. Wenn der Kläger behauptet, im Motor EA 288 sei eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, welche die erteilte Genehmigung in Frage stelle (und welche offensichtlich nach der Vorstellung des Klägers vom KBA im Rahmen der Untersuchungen stets übersehen wurde), und hierzu Sachverständigenbeweis anbietet, übersieht er, dass das KBA die für einen eventuellen Rückruf des Fahrzeugs oder Widerruf der Typengenehmigung maßgebliche Behörde ist. Das (abstrakte) Risiko eines Widerrufs kann mit Null bezeichnet werden, wenn die zuständige Behörde nach (mehrfacher) tatsächlich durchgeführter, sorgfältiger Prüfung keine unzulässige Abschaltvorrichtung festzustellen vermag (vgl. Beispielsweise das Schreiben des KBA vom 26.02.2020, vorgelegt als Anlage B9).
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Soweit bezüglich des streitgegenständlichen PKW ein Rückruf des KBA bestanden hat, hatte dieser keine Relevanz für die streitgegenständliche Thematik, was sich ebenfalls aus dem Schreiben des KBA vom 26.02.2020 (Anlage B3) ergibt. Das KBA führt aus, dass eine als unzulässig einzustufende Abschalteinrichtung insoweit nicht vorliege.
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2. Die Klägerseite hat auch keinen Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB, §§ 6, 27 EG-FGV, da diese Vorschriften kein Schutzgesetz vor ungewollten Verbindlichkeiten sind. Das Gericht schließt sich insoweit den Ausführungen des BGH in seinem Urteil vom 25.05.2020 (Az.: VI ZR 252/19) an (bei Juris Rn. 72 ff; vgl. weiter BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, bei Juris ab Rn. 10 ff).
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3. Ebenso wenig steht der Klägerseite ein Anspruch gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB zu.
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Dazu müssen erstrebter Vermögensvorteil und eingetretener Vermögensnachteil durch dieselbe Vermögensverfügung vermittelt sein. Daran fehlt es bei einem Gebrauchtwagenkauf (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, bei Juris ab Rn. 17 ff).
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Die weiteren Klageanträge auf Feststellung der weitergehenden Schadensersatzpflicht, des Annahmeverzugs und Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sind rechtlich an die Hauptforderung gekoppelt und konnten daher ebenfalls keinen Erfolg haben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.