Titel:
Abgrenzung zwischen Innenbereich und Außenbereich
Normenkette:
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3
Leitsätze:
1. Ausschlaggebend für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 BauGB ist, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört; wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten einzelfallbezogen zu entscheiden. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall zwar rechtfertigen, den Bebauungszusammenhang nicht – wie allerdings regelmäßig – am letzten Baukörper enden zu lassen, sondern ausnahmsweise noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o. Ä.) reichende Flächen einzubeziehen, maßgeblich ist dabei aber immer, ob diese besonderen topografischen oder geografischen Umstände den Eindruck der Geschlossenheit bzw. Zugehörigkeit einer Fläche zum Bebauungszusammenhang vermitteln, was stets eine Einzelfallbetrachtung und Bewertung des konkreten Sachverhalts erfordert. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Anschlussbebauung von der bebauten Ortslage aus in den Außenbereich hinein ist in der Regel ein Vorgang der – siedlungsstrukturell unerwünschten – Zersiedlung, wenn das Vorhaben konkret geeignet ist, Nachfolgebebauung nach sich zu ziehen; in einem solchen Fall erfordern es die öffentlichen Belange, den ersten Ansätzen entgegenzutreten. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abgrenzung zwischen Innenbereich und Außenbereich, Bebauungszusammenhang, Außenbereich, Innenbereich, Abgrenzung, unbeplanter Innenbereich, örtliche Besonderheiten, Anschlussbebauung, Nachfolgebebauung, Zersiedlung, öffentliche Belange
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 18.11.2024 – 1 ZB 22.1868
Fundstelle:
BeckRS 2022, 59768
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt einen Vorbescheid.
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Sie beantragte unter dem 23. Oktober 2018 bei der beklagten Stadt einen Vorbescheid für die Erweiterung, den Umbau und die Nutzungsänderung des auf dem Grundstück Flurnummer 370 der Gemarkung … (Vorhabengrundstück) bestehenden Wohn- und Geschäftshauses.
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Das 4775 m² große Vorhabengrundstück grenzt im Norden an die L. -T. -Straße und im Osten an den „…kanal“. Im Westen grenzt es an mehrere bebaute Grundstücke, die über die westlich davon in Nord-Süd-Richtung verlaufende K. -A. Straße erschlossen sind. Das Bestandsgebäude auf dem Vorhabengrundstück befindet sich in dessen nördlichem Teil und ist relativ nahe an der L. -T. -Straße situiert. Der südliche Grundstücksbereich ist unbebaut. Der Abstand des Bestandsgebäudes an seinem südlichen Ende bis zum …kanal im Osten beträgt etwa 15 m. Südlich vom Bestandsgebäude befindet sich unmittelbar westlich des …kanals keine Bebauung. Der Abstand zwischen dem …kanal und der über die K. -A. -Straße erschlossenen Bebauung westlich des …kanals beträgt südlich vom Bestandsgebäude auf dem Vorhabengrundstück zunächst etwa 50 m, verschmälert sich dann auf Höhe des Anwesens K. -A. -Straße 30 auf etwa 27 m, um weiter südlich davon wieder breiter zu werden.
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Der Vorbescheidsantrag beinhaltete folgende Fragestellung:
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„Frage I. Planungsrecht
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Ist der Umbau/Erweiterung des Dachgeschosses, die Umnutzung des Erdgeschosses von Gastronomie/Büro in eine Wohnnutzung samt Rückbau eines Gebäudeteils, die Erweiterung des Gebäudes am Südflügel zu Wohnzwecken sowie die Umnutzung von Gastro und Gastro-Nebenräumen in der Tiefgarage hinsichtlich
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– überbaubarer Grundstücksfläche
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– Sicherung der Erschließung
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planungsrechtlich zulässig?“
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Hilfsweise wurden für den Fall, dass das Bauvorhaben nicht in Gänze als planungsrechtlich zulässig bewertet werde, vier Zusatzfragen gestellt:
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„1. Umbau und Erweiterung Dachgeschoss: (in den Plänen grün dargestellt)
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2. Teilabbruch und Umnutzung Gewerbe EG in Wohnen: (in den Plänen ocker dargestellt)
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3. Anbau Seitenflügel: (in den Plänen blau dargestellt)
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Ist die Erweiterung des Gebäudes am Süd-Flügel zu Wohnzwecken, wie in den beiliegenden Plänen in der Farbe blau dargestellt, hinsichtlich
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– überbaubarer Grundstücksfläche
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– Sicherung der Erschließung
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planungsrechtlich zulässig?
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4. Umnutzung Gastronomie in Wohnen: (in den Plänen violett dargestellt)
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Mit Bescheid vom 10. Oktober 2019 beantwortete die Beklagte die hilfsweise gestellten Vorbescheidsfragen 1 (Umbau und Erweiterung Dachgeschoss), 2 (Teilabbruch und Umnutzung Gewerbe EG in Wohnen) und 4 (Umnutzung Gastronomie in Wohnen) dahingehend, dass diese (Teil-)Vorhaben vorbehaltlich immissionsschutzrechtlicher Belange planungsrechtlich nach § 34 Abs. 1 BauGB zulässig seien. In Bezug auf die hilfsweise gestellte Frage 3 „Anbau Seitenflügel: (in den Plänen blau dargestellt)“ beschied die Beklagte die Klägerin dahingehend, dass der geplante Anbau am Südflügel zu Wohnzwecken planungsrechtlich nach § 35 BauGB nicht zulässig sei. Diese Ablehnung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der geplante trapezförmige Anbau in den Außenbereich hineinrage. Dieses Vorhaben sei daher nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen. Es beeinträchtige öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB.
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Die Klägerin erhob am ... November 2019 Klage.
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Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom … Januar 2020 begründete die Klägerin die Klage näher. Das Vorhabengrundstück liege nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Das Gesamtvorhaben sei nach § 34 BauGB zu beurteilen, da auch die Erweiterungsfläche dem Innenbereich zuzuordnen sei. Es wurde näher dargelegt, dass der Bebauungszusammenhang hier ausnahmsweise nicht mit dem letzten Baukörper ende. Der Bebauungszusammenhang erstrecke sich vielmehr Richtung Osten bis zum …bach, der den Eindruck eines Abschlusses der Bebauung vermittele. Aufgrund der Flächenbegrenzung durch den …bach nehme die Erweiterungsfläche noch am Bebauungszusammenhang teil. Selbst wenn der Bebauungszusammenhang nicht bis zum …bach reichen würde, ende er zumindest erst auf Höhe der nordöstlichen Außenwand des Bestandsgebäudes. In Richtung Norden erstrecke sich der Bebauungszusammenhang jedenfalls in Verlängerung der südwestlichen Gebäudeecke in Richtung …bach. Außerdem wurde näher dargelegt, dass sich das Vorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge.
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Die Klägerin beantragte zuletzt,
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den Vorbescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2019 hinsichtlich der negativ beantworteten Frage 3 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die mit Antrag vom 23. Oktober 2018 gestellte Vorbescheidsfrage 3 zur planungsrechtlichen Zulässigkeit des Anbaus des Seitenflügels positiv zu beantworten.
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Die Beklagte beantragte,
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Sie wandte mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 21. April 2020 im Wesentlichen ein: Der Vorhabenstandort der Erweiterung des bestehenden Wohn- und Geschäftshauses liege vollständig im Außenbereich und beeinträchtige öffentliche Belange. Der Bebauungszusammenhang ende nach Osten hin an der Ostseite des Bestandsgebäudes. Der gesamte Steilhang der unteren Altstadtkrone werde geprägt von einer ein- bis zweizeiligen Bebauung entlang der K. -A. -Straße, die jeweils direkt in den steil abfallenden Hang mit Grünzug münde. Der maßgebliche Bereich sei demgemäß geradezu klassischerweise durch eine nach Osten hin vor- und zurückspringende Grenzlinie zwischen Innen- und Außenbereich geprägt. Der Ansicht, dass das Erweiterungsvorhaben ausnahmsweise noch Teil des Bebauungszusammenhangs sei, könne nicht gefolgt werden. Der …kanal könne nach der Wirkung nicht als ein Geländehindernis eingeordnet werden, das geeignet wäre, den Bebauungszusammenhang auf das Vorhabengrundstück zu erstrecken. Als nicht privilegiertes sonstiges Vorhaben beeinträchtige der Erweiterungsbau öffentliche Belange. Er widerspreche den Darstellungen des Flächennutzungsplans, der die Fläche als Grünfläche, Schutz und Leitpflanzung sowie den Standort eines Naturdenkmals darstelle. Beeinträchtigt seien auch Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege aufgrund des Grüngürtels entlang des …kanals. Zudem lasse das Vorhaben die Entstehung, Erweiterung oder Verfestigung einer Splittersiedlung erwarten. Die Errichtung des Anbaus würde zu einer Erweiterung der Siedlungstätigkeit in den Außenbereich führen und würde dem Bestreben des Gesetzes zuwiderlaufen, eine Zersiedelung des Außenbereichs zu verhindern. Die Errichtung des Erweiterungsbaus führe auch zu einer Beeinträchtigung des in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht ausdrücklich genannten ungeschriebenen öffentlichen Belangs des Planungserfordernisses.
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Die Kammer hat am 17. Februar 2022 durch Einnahme eines Augenscheins Beweis erhoben und anschließend die mündliche Verhandlung durchgeführt. Wegen der beim Augenschein getroffenen Feststellungen und des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf die Augenscheins- und Sitzungsniederschrift verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Streitgegenstand der Klage ist nach dem von der Klägerin abschließend gestellten Klageantrag der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf positive Beantwortung der im Vorbescheidsantrag hilfsweise gestellten Frage 3, ob die in den Plänen blau dargestellte Erweiterung des Gebäudes am Südflügel planungsrechtlich zulässig ist. Soweit die Klägerin in der Klageschrift vom ... November 2019 zusätzlich noch eine Untätigkeitsklage in Bezug auf die von der Beklagten nicht ausdrücklich beantwortete Hauptfrage I erhoben hatte, liegt in dem Umstand, dass dieser Klageantrag abschließend nicht weiterverfolgt wurde, keine konkludente Klagerücknahme. Denn diesem Klageantrag kommt im Falle einer positiven Beantwortung der Hilfsfrage 3 keine weitere Bedeutung mehr zu. Mit einer positiven Beantwortung dieser Frage wäre vielmehr – davon geht auch die Klägerin aus – der gestellte Vorbescheidsantrag insgesamt positiv beschieden.
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2. Die Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine positive Beantwortung der Frage 3 des Vorbescheidsantrags. Die im Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2019 insoweit ausgesprochene negative Antwort ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der geplante Anbau ist planungsrechtlich nicht nach § 34 BauGB, sondern nach § 35 BauGB zu beurteilen (nachfolgend a). Er ist unzulässig, weil es sich um ein nicht privilegiertes, sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB handelt, das öffentliche Belange beeinträchtigt (nachfolgend b).
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a) Der geplante Anbau liegt zumindest zu einem nicht nur unerheblichen Teil nicht im unbeplanten Innenbereich nach § 34 Abs. 1 BauGB. Die Anwendbarkeit des § 34 Abs. 1 BauGB erfordert u.a., dass das Vorhaben innerhalb eines Bebauungszusammenhangs liegt. Ausschlaggebend für dessen Bestehen ist, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten einzelfallbezogen zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des BVerwG, z. B. B. v. 30.08.2019 – 4 B 8/19 – juris Rn. 8 m. w. N.).
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Davon ausgehend ist im vorliegenden Fall aufgrund des beim Augenschein gewonnenen Eindrucks von den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten eine Innenbereichslage zu verneinen. Der geplante südliche Anbau nimmt nicht nur den Bereich in Anspruch, auf dem sich der jetzige kleine eingeschossige Anbau befindet, sondern reicht nicht nur unerheblich weiter nach Osten in die Freifläche hinein. Die gesamte Freifläche, nämlich der Grünzug entlang des …kanals, hat von seinem nördlichen Ende an der L. -T. -Straße an gerechnet nach Süden hin allein bis zur M. -H. -Treppe eine Länge von etwa 190 m und setzt sich danach im Übrigen noch weiter nach Süden hin fort. Der Umstand, dass auf Höhe der Anwesen K. -A. -Straße 30 und S. weg 31a der Grünzug schmäler in Erscheinung tritt, ändert aufgrund des beim Augenschein gewonnenen Eindrucks nichts daran, dass der nördliche Teil dieses Grünzugs (Bereich zwischen der L. -T. -Straße im Norden bis zur Höhe der Anwesen K. -A. -Straße 30 und S. weg 31a) dennoch nach der Verkehrsauffassung als Teil des gesamten Grünzugs erscheint und nicht als Fläche, die entscheidend von der sie umgebenden Bebauung geprägt wird. Der derzeit bestehende kleine eingeschossige Anbau wirkt, nicht zuletzt auch deshalb, weil er in den Hang hinein gebaut ist, wenig dominant. Weitaus prägender tritt der unbebaute Teil des Hangs, der sich unmittelbar daran im Süden bzw. Südwesten anschließt, in Erscheinung. Das Bestandsgebäude insgesamt hat außerdem einen atypischen Grundriss. Es ist in seinem nördlichen, an der L. -T. -Straße liegenden Teil deutlich breiter als an seinem südlichen Ende. Insgesamt prägt das Bestandsgebäude die Freifläche, die von dem geplanten Anbau zusätzlich in Anspruch genommen werden soll, nicht in der Weise, dass dieser Bereich als Teil eines Bebauungszusammenhangs erscheint. Vielmehr erscheint dieser Bereich als außerhalb eines Bebauungszusammenhangs liegende Fläche, die deutlich als zum gesamten Grünzug gehörender Bereich erscheint. Es gibt keine topographischen oder sonstigen Besonderheiten, die die Annahme rechtfertigen würden, dass die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich beim südlichen Teil des Bestandsgebäudes ausnahmsweise nicht an der dortigen Außenwand liegt, sondern der Bebauungszusammenhang nach Osten hin zumindest noch die von dem geplanten Anbau zusätzlich in Anspruch genommene Freifläche erfasst. Der Umstand, dass östlich des Vorhabengrundstücks der …kanal verläuft, führt unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände nicht dazu, dass der Bebauungszusammenhang hier ausnahmsweise bis zu diesem topographischen Hindernis reichen würde. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall zwar rechtfertigen, den Bebauungszusammenhang nicht – wie allerdings regelmäßig – am letzten Baukörper enden zu lassen, sondern ausnahmsweise noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o. Ä.) reichende Flächen einzubeziehen (ständige Rechtsprechung des BVerwG, z. B. B. v. 08.10.2015 – 4 B 28/15 – juris Rn. 6). Maßgeblich ist dabei aber immer, ob diese besonderen topografischen oder geografischen Umstände den Eindruck der Geschlossenheit bzw. Zugehörigkeit einer Fläche zum Bebauungszusammenhang vermitteln, was stets eine Einzelfallbetrachtung und Bewertung des konkreten Sachverhalts erfordert (BVerwG, a. a. O.). Im vorliegenden Fall vermittelt der …kanal diesen Eindruck in Bezug auf die zur Bebauung neu vorgesehene Fläche nicht. Trotz der innerstädtischen Lage befindet sich zwischen der L. -T. -Straße im Norden und der etwa 190 Meter entfernten M. -H. -Treppe im Süden keine Bebauung direkt am Westufer des …kanals. Einzige Ausnahme ist der direkt an der L. -T. -Straße befindliche Teil des Bestandsgebäudes auf dem Vorhabengrundstück selbst. Die dortige Situation ist jedoch atypisch, weil hier der Grünzug nach Süden hin erst beginnt und der …kanal ab dort nach Norden hin unterirdisch verläuft. Prägend ist auch, dass sich das Bestandsgebäude in der Breite nach Süden verschmälert, dessen östliche Außenwand nicht parallel zum …kanal verläuft, sondern der südliche Teil des Bestandsgebäudes vom Kanal weiter entfernt liegt als der unmittelbar an der L. -T. -Straße liegende Gebäudeteil. Insgesamt lässt sich hier deshalb nicht annehmen, dass sich der Bebauungszusammenhang an der Stelle, die durch den geplanten Anbau zusätzlich in Anspruch genommen werden soll, nach Osten hin bis zum …kanal erstreckt. Ebenso wenig ist aufgrund des beim Augenschein gewonnenen Eindrucks anzunehmen, dass der Bebauungszusammenhang am südlichen Ende des Bestandsgebäudes nach Osten hin erst „auf Höhe der nordöstlichen Außenwand des Bestandsgebäudes“ endet, wie die Klägerin in der Klagebegründung ausgeführt hat. Soweit damit gemeint sein sollte, dass der Bebauungszusammenhang am südlichen Ende des Bestandsgebäudes nicht am Gebäude selbst endet, sondern sich dort soweit nach Osten hin erstreckt, dass der Bebauungszusammenhang erst in einem Abstand vom …kanal endet, der dem Abstand der an der L. -T. -Straße befindlichen Gebäudeecke zum …kanal entspricht, kann dem nicht beigepflichtet werden. Gerade deshalb, weil sich die Breite des Bestandsgebäudes nach Süden hin deutlich verschmälert, gibt es unter Berücksichtigung der sonstigen Einzelfallumstände keinen zureichenden Grund, von der Regel abzuweichen, dass im südlichen Bereich des Gebäudes dieser Gebäudeteil selbst nach Osten hin das Ende des Bebauungszusammenhangs markiert.
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b) Der geplante Anbau muss sich deshalb an § 35 BauGB messen lassen, wobei § 35 Abs. 2 und 3 BauGB maßgeblich ist, weil das Vorhaben weder nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert noch nach § 35 Abs. 4 BauGB teilprivilegiert ist. Es ist planungsrechtlich unzulässig, weil es verschiedene öffentliche Belange beeinträchtigt. Es widerspricht zum einen den Darstellungen des Flächennutzungsplans, der nach den Ausführungen der Beklagten insoweit eine Grünfläche vorsieht (§ 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB). Das Vorhaben beeinträchtigt außerdem die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert (§ 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB). Wie der Augenschein gezeigt hat, hat der vorhandene Grünzug einen nicht nur unerheblichen Erholungswert, dessen Bedeutung geschmälert wird, wenn sich seine Fläche durch Bauvorhaben reduziert. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Anbau immerhin drei Vollgeschosse aufweist und mit einer Breite von 10,80 m und einer Länge zwischen 8,95 m und 15,00 m eine nicht nur unerhebliche Grundfläche besitzt. Das Vorhaben beeinträchtigt schließlich auch den öffentlichen Belang des § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB. Die Verwirklichung des Vorhabens ließe ein Ausufern der Bebauung in den Außenbereich hinein befürchten. Die Anschlussbebauung von der bebauten Ortslage aus in den Außenbereich hinein ist in der Regel ein Vorgang der – siedlungsstrukturell unerwünschten – Zersiedlung, wenn das Vorhaben konkret geeignet ist, Nachfolgebebauung nach sich zu ziehen. In einem solchen Fall erfordern es die öffentlichen Belange, den ersten Ansätzen entgegenzutreten (BVerwG, U. v. 25.01.1985 – 4 C 29/81 – juris Rn. 11). Eine solche Eignung, Nachfolgebebauung nach sich zu ziehen, ist hier nicht zu verneinen. Die Zulassung des Vorhabens könnte auch andere Grundeigentümer dazu veranlassen, eine Bebauung bisher unbebauter Flächen im Grünzug entlang des …kanals anzustreben, zumal die Lage dieser Freiflächen sehr attraktiv ist, um dort eine Bebauung zu realisieren.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.