Titel:
Auflösende Bedingung, Wiedereinstellungsanspruch, Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Übertragung des Wertguthabens, Bestehendes Arbeitsverhältnis, Manteltarifvertrag, Zustimmung des Integrationsamts, Volle Erwerbsminderung, rentenrechtliche Absicherung, Betriebsrente, Ausscheiden des Arbeitnehmers, Zeitwertkonto, Schwerbehinderte Arbeitnehmer, für ältere Arbeitnehmer, Des Arbeitnehmers, Berechtigtes Interesse, Erwerbsminderungsrente, Besonderer Kündigungsschutz, Arbeitsvertrag - Parteien, Aufhebungsvereinbarung
Schlagworte:
auflösende Bedingung, Erwerbsminderungsrente, Tarifvertrag, Kündigungsschutz, Wiedereinstellungsanspruch, Zeitwertkonto, Streitwertfestsetzung
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG München, Urteil vom 25.04.2023 – 7 Sa 604/22
BAG Erfurt, Urteil vom 01.08.2024 – 6 AZR 191/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 59575
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Streitwert wird festgesetzt auf € 10.940,00.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grundlage einer tarifvertraglichen Regelung durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung aufgrund des Bezugs einer vollen Erwerbsminderungsrente seitens des Klägers geendet hat.
2
Der Kläger begehrt ferner hilfsweise, dass die Beklagte die Auszahlung seines Wertguthabens aus seinem Zeitwertkonto zurückstellt.
3
Der 1966 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.09.1982 zunächst als Auszubildender und im Anschluss daran aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23.07.1984 als Angestellter zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt circa € 1.980,00 beschäftigt.
4
Auf das Arbeitsverhältnis finden die Regelungen der Tarifverträge der D. AG Anwendung.
5
§ 34 des Manteltarifvertrages der D. AG (im Folgenden MTV-D. AG) lautet wie folgt:
„Einem besonderen Kündigungsschutz unterliegt ein Arbeitnehmer, wenn er nach Vollendung des fünfzigsten Lebensjahres eine Postdienstzeit von 15 Jahren vollendet hat.“
6
§ 37 MTV-D. AG bestimmt Folgendes:
„Das Arbeitsverhältnis endet nach Zugang des Bescheides des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung zum Bezug einer Altersrente als Vollrente oder einer Rente wegen voller Erwerbsminderung oder des Bescheides des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung zum Bezug einer Unfallvollrente mit Ablauf des Vormonats des ersten Rentenzahlmonats laut Rentenbescheid.
Erlischt bei dem Arbeitnehmer der Anspruch auf die Betriebsrente, weil die Voraussetzungen zum Bezug dieser Rente nicht mehr vorliegen, ist er auf seinen Antrag unverzüglich und nach Möglichkeit zu gleichwertigen Bedingungen wiedereinzustellen. War dieser Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits von dem besonderen Kündigungsschutz für ältere Arbeitnehmer erfasst, ist er zu gleichwertigen Bedingungen wiedereinzustellen.
Der Arbeitnehmer hat den Zugang des Rentenbescheids unverzüglich der zuständigen Stelle anzuzeigen.“
7
§ 10 TV bAV der D. AG hat folgenden Wortlaut:
„Anspruch auf Betriebsrente Post wegen Erwerbsminderung besteht, wenn der Arbeitnehmer eine volle oder teilweise Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 43 SGB VI) oder eine Unfallvollrente (§ 56 SGB VII) erhält und das Arbeitsverhältnis zur D. AG beendet ist. Der Anspruch endet mit Ablauf des Monats, mit dem die Rente wegen Erwerbsminderung oder die Unfallvollrente wegfällt und nicht durch eine Altersrente ersetzt wird oder in dem der Leistungsempfänger der Betriebsrente verstirbt.“
8
§ 2 Abs. 2 des Tarifvertrages Zeitwertkonto, Nr. 160 bestimmt Folgendes:
„Der Arbeitnehmer kann auf freiwilliger Basis Teile seines Arbeitsentgeltes in das Zeitwertkonto als Wertguthaben einbringen. Die hierauf entfallenden Arbeitgeberbeiträge zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag werden durch die D. AG in das Zeitwertkonto eingebracht. Das Zeitwertkonto wird in Geld geführt.“
9
In § 6 des Tarifvertrages Zeitwertkonto, Nr.160 ist Nachstehendes festgelegt:
„(1) Ab dem Zugang einer Kündigung, der Unterzeichnung einer Aufhebungsvereinbarung, dem Zeitpunkt des Zugangs der behördlichen Feststellung einer Erwerbsminderung sowie dem Zeitpunkt des Todes können keine weiteren Einbringungen in das Wertkonto erfolgen.
Soweit möglich soll in diesen Fällen das Wertguthaben von der Kenntnis der Beendigung bis zum Beendigungszeitpunkt durch Freistellung abgebaut werden.
(2) Kann bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses insbes. auf Grund von Kündigung, Aufhebungsvereinbarung, Erwerbsminderung oder Tod ein Wertguthaben aus zwingenden betrieblichen Gründen bis zum Zeitpunkt der Beendigung nicht mehr oder nicht mehr vollständig für eine Freistellung nicht verwendet werden und macht der Arbeitnehmer von der Möglichkeit der Übertragung des Wertguthabens auf einen neuen Arbeitgeber oder die Deutsche Rentenversicherung ... keinen Gebrauch, so ist das verbleibende Guthaben unverzüglich nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers an den Arbeitnehmer auszuzahlen. Im Fall seines Todes erfolgt die Auszahlung an dessen Hinterbliebene oder Erben.
(3) Eine Auszahlung des Wertguthabens erfolgt stets nach Anwendung der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften.“
10
Mit Schreiben vom 30.03.2021, dem Kläger zugegangen am 06.04.2021, teilte die Beklagte dem Kläger Folgendes mit:
„Sehr geehrter Herr B., laut Bescheid vom 10.03.2021 erhalten Sie eine volle Erwerbsminderungsrente auf Zeit ab dem 01.04.2021, Beginn der laufenden Zahlung.
Ihr Arbeitsverhältnis endet gemäß § 37 Abs. 2 MTV-D. AG nach Zugang des Bescheides des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung zum Bezug einer Altersrente als Vollrente oder einer Rente wegen voller Erwerbsminderung oder des Bescheides des Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung zum Bezug einer Unfallvollrente mit Ablauf des Vormonats des ersten Rentenzahlmonats laut Rentenbescheid. Dabei ist unter Zahlmonat der Monat zu verstehen, in dem Ihre gesetzliche Rente erstmals gezahlt wird.
Die Beendigungsvoraussetzungen sind damit erfüllt, so dass Ihr Arbeitsverhältnis gemäß § 37 Abs. 2 MTV D. mit Ablauf des Monats endet, welcher dem Monat der Aufnahme der tatsächlichen Rentenzahlungen durch den Rentenversicherungsträger vorangeht (mit Ablauf des 31.03.2021). Bitte lesen Sie auch das Beiblatt.“
11
Der Kläger hat nach der oben genannten Tarifbestimmung einen Anspruch auf eine Betriebsrente in Höhe von € 348,45 monatlich.
12
Zum 31.12.2020 hatte der Kläger auf seinem, für ihn ab dem 01.06.2013 eingerichteten Zeitwertkonto ein Guthaben in Höhe von € 14.376,76 (brutto) erwirtschaftet.
13
Der Kläger hat einen Grad der Behinderung von 70%.
14
Der Kläger meint, die tarifliche Bestimmung gemäß § 37 Abs. 2 MTV-D. AG in Verbindung mit § 10 TV bAV der D.-AG würden keine hinreichende wirtschaftliche Absicherung des Klägers darstellen. Insbesondere sei der Weiterbeschäftigungsanspruch gemäß § 37 Abs. 2, Sätze 2 und 3 des vorgenannten Manteltarifvertrages keine rentenrechtliche Versorgung.
15
Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei zudem mangels Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam.
16
Die Beklagte müsse dem Kläger die Zurückhaltung der Auszahlung seines Guthabens aus dem oben genannten Zeitwertkonto aus folgenden Gründen gewähren: Das Arbeitsentgeltguthaben des Klägers aus seinem Zeitwertkonto würde auf seine Erwerbsminderungsrente angerechnet werden, was bei einer Anrechnung in Höhe von 40% von allem, was über € 6.300,00 liege, einem Betrag in Höhe von € 3.230,70 entspreche.
17
Eine Übertragung des Arbeitsentgeltguthabens auf die Deutsche Rentenversicherung sei nicht möglich, da das Entgeltguthaben unter dem Grenzbetrag in Höhe von € 19.740,00 liege.
18
Falls das Zeitwertguthaben ausgezahlt werde, wäre das Zeitwertkonto aufgebraucht, so dass der Kläger nicht, wie beabsichtigt, in der Zeit vor dem Rentenbezug bei vollem Lohnbezug nur noch in Teilzeit arbeiten müsse.
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch den Eintritt einer auflösenden Bedingung beendet worden ist.
2. Die Beklagte wird verurteilt, das Wertguthaben auf dem Zeitwertkonto des Klägers so lange zurückzustellen, bis dem Kläger entweder eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung, Altersrente oder Unfallvollrente gewährt wird oder der Kläger das Wertguthaben für eine Freistellung verwendet oder der Kläger das Wertguthaben auf einen neuen Arbeitgeber oder die Deutsche Rentenversicherung überträgt.
Der Kläger erklärt im Zusammenhang mit der Antragstellung, dass im Falle der Wirksamkeit der auflösenden Bedingung das Ende des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2021 hingenommen wird.
20
Die Beklagte beantragt,
21
Die Beklagte meint, das Arbeitsverhältnis sei durch den Eintritt der in § 37 Abs. 2 des vorgenannten Manteltarifvertrages formulierten auflösenden Bedingung beendet; ein Anspruch auf Zurückstellung der Auszahlung des Guthabens aus dem oben genannten Zeitwertkonto bestehe in Ansehung von § 6 Abs. 2 des Tarifvertrages Zeitwertkonto Nr. 160 nicht.
22
Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien – einschließlich Anlagen – sowie im Übrigen auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
23
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
24
Sämtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen, insbesondere im Hinblick auf den Klageantrag zu 1), liegen vor; der Kläger hat insbesondere gemäß § 21 TzBfG in Verbindung mit § 17 Satz 1 TzBfG in Ansehung des dem Kläger am 06.04.2021 zugegangenen Schreibens der Beklagten vom 30.03.2021 und der am 26.03.2021 beim Arbeitsgericht München – Kammer Ingolstadt – eingegangenen Klageschrift die dreiwöchige Klagefrist gewahrt.
25
Die Klage ist jedoch sowohl im Hauptantrag wie auch im Hilfsantrag unbegründet.
26
1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die auflösende Bedingung gemäß § 37 Abs. 2 MTV-D. AG beendet worden.
27
a) Der Sachgrund des Bezugs einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ist zwar in dem Sachgrundkatalog des § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG nicht genannt. Die Aufzählung ist jedoch nur beispielhaft und soll weder andere von der Rechtsprechung vor dem Inkrafttreten des TzBfG anerkannte noch weitere Gründe für Befristungen oder auflösende Bedingungen ausschließen. Eine auflösende Bedingung für den Fall einer vom Rentenversicherungsträger festgestellten unbefristeten vollen Erwerbsminderung beruht auf der Annahme der Tarifvertragsparteien, der Arbeitnehmer werde künftig die arbeitsvertraglich geschuldeten Leistungen nicht mehr erbringen können. Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Arbeitnehmer, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine daran anknüpfende auflösende Bedingung dient einerseits dem Schutz des Arbeitnehmers, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit zu verrichten und bei dem bei einer Fortsetzung der Tätigkeit die Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes besteht. Andererseits soll dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers Rechnung getragen werden, sich von einem Arbeitnehmer trennen zu können, der gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, seine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung zu erbringen. Diese berechtigten Interessen beider Arbeitsvertragsparteien sind grundsätzlich geeignet, einen sachlichen Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung abzugeben (so BAG vom 15.02.2017, 7 AZR 82/15). Die verminderte Erwerbsfähigkeit stellt allein allerdings keinen ausreichenden Sachgrund für die auflösende Bedingung dar. Erst die Einbindung der Interessen des Arbeitnehmers durch die Anknüpfung an die rentenrechtliche Versorgung rechtfertigt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung. Eine Tarifvorschrift, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Fall der Erwerbsminderung als sachlich gerechtfertigt ansieht, verlangt zu ihrer Wirksamkeit, dass das Arbeitsverhältnis nur bei einem voraussichtlich dauerhaften Rentenbezug enden soll. Eine Rentenbewilligung, die zu keiner rentenrechtlichen Absicherung auf unbestimmte Dauer führt, ist als Auflösungstatbestand ungeeignet (so BAG, a. a. O.).
28
b) Die auflösende Bedingung des § 37 Abs. 2 Satz 1 des MTV-D. AG ist wirksam.
29
Nach dieser Bestimmung endet das Arbeitsverhältnis nach Zugang des Bescheides des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung zum Bezug … einer Rente wegen voller Erwerbsminderung … .
30
Diese Bestimmung dient dem Schutz des Arbeitnehmers, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr imstande ist, seine bisherige Tätigkeit zu versehen, und bei dem die Gefahr besteht, dass sich sein Gesundheitszustand verschlechtert, wenn er seine Tätigkeit fortsetzt. Ferner will die Tarifvorschrift dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, sich von einem Arbeitnehmer zu trennen, der gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Diese berechtigten Interessen beider Arbeitsvertragsparteien sind grundsätzlich geeignet, einen sachlichen Grund für die auflösende Bedingung abzugeben (so BAG vom 27.07.2011, 7 AZR 402/10).
31
Grundsätzlich ist erst die mit dem Bezug dauerhafter Rentenleistungen verbundene wirtschaftliche Absicherung des Arbeitnehmers geeignet, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund auflösender Bedingung zu rechtfertigen. Eine Rentenbewilligung, die zu keiner rentenrechtlichen Absicherung des Arbeitnehmers führt, ist daher als Auflösungstatbestand ungeeignet.
32
Eine rentenrechtliche Absicherung ist jedenfalls dann ausreichend, wenn
aa) die Rente der Höhe nach eine wirtschaftliche Absicherung darstellt,
bb) der Arbeitnehmer die einmal bezahlte Rente auch behalten darf, wenn die Anspruchsvoraussetzungen später entfallen und
cc) seine Interessen in diesem Fall auch im Übrigen hinreichend berücksichtigt sind (so BAG vom 27.07.2011, 7 AZR 402/10).
33
c) Die vorgenannten Voraussetzungen für eine ausreichende rentenrechtliche Absicherung des Klägers sind erfüllt.
34
Der in § 37 Abs. 2 MTV-D. AG enthaltene Auflösungstatbestand der Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ist mit einer ausreichenden rentenrechtlichen Absicherung des Klägers verbunden.
35
Der Kläger hat im Arbeitsverhältnis ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von ca. € 1.980,00 erhalten. Nach dem Bescheid der Deutschen Rentenversicherung erhält der Kläger eine feste monatliche Rente in Höhe von € 1.233,88 brutto, ohne jegliche Rückzahlungsverpflichtungen. Hinzu kommt nach § 10 TV bAV D.-AG ein Anspruch auf Betriebsrente Post in Höhe von € 348,45 monatlich. Bei dieser Sachlage besteht zugunsten des Klägers eine hinreichende finanzielle Absicherung.
36
Für den Fall, dass die Anspruchsvoraussetzungen des Rentenbezugs später entfallen sollten, sind die Interessen des Klägers auch im Übrigen hinreichend berücksichtigt.
37
Der Kläger unterliegt dem besonderen Kündigungsschutz gemäß § 34 des oben genannten Manteltarifvertrages; er hat mithin gemäß § 37 Abs. 2 Satz 3 des vorgenannten Manteltarifvertrages einen unbedingten Wiedereinstellungsanspruch, der nicht voraussetzt, dass ein freier Arbeitsplatz vorhanden ist.
38
Nach den vorgenannten Grundsätzen ist nicht erforderlich, dass die ausreichende Absicherung des Klägers ausschließlich im Bezug einer Rente besteht; der Auffassung des Arbeitsgerichts Hannover vom 18.02.2022, 13 Ca 179/21 Ö, kann daher nicht gefolgt werden.
39
d) Die Zustimmung des Integrationsamts (§ 175 SGB IX, vormals § 92 SGB IX) zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses war nicht erforderlich.
40
Zweck der vorgenannten Bestimmung ist die Prüfung des Integrationsamts, ob der schwerbehinderte Mensch mit Hilfe einer Änderung der Arbeitsbedingungen, einer Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz oder anderer Maßnahmen weiterbeschäftigt werden kann. Die verlangte Zustimmung des Integrationsamts beruht hinsichtlich der Erwerbsminderung auf Zeit und der sogenannten Erwerbsunfähigkeit auf Zeit darauf, dass hier ggf. zu erwarten ist, dass sich die Erwerbsfähigkeit des Arbeitnehmers in kurzer Zeit erheblich verbessert. Dagegen ist das Ausscheiden eines Arbeitnehmers aufgrund des Eintritts voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI nicht zustimmungsbedürftig, weil der Arbeitnehmer in diesem Fall überhaupt nicht mehr beschäftigt werden kann und die Zustimmung des Integrationsamts auf jeden Fall erteilt werden müsste. Das Korrektiv der Zustimmung des Integrationsamts ist nicht erforderlich, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer durch einen Wiedereinstellungsanspruch geschützt ist, wie es in § 37 Abs. 2 des vorgenannten Manteltarifvertrags enthalten ist. Er hat eine andere Sicherung. Ein Wiedereinstellungsanspruch macht zwar deutlich, dass der Zustand des Beschäftigten ggf. zeitweilig ist. Der Zweck der Zustimmung des Integrationsamts besteht nach § 175 SGB IX (vormals § 92 SGB IX) darin, den schwerbehinderten Arbeitnehmer bei nur zeitweiligen Veränderungen vor dem endgültigen Verlust des Arbeitsplatzes nach Zugang der Betriebsrentenmitteilung zu schützen. Das Korrektiv des Wiedereinstellungsanspruchs schließt daher eine in den Fällen des § 175 SGB IX (vormals § 92 SGB IX) vergleichbare Interessenlage aus. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer braucht den Sonderbeendigungsschutz der Zustimmung durch das Integrationsamt nicht, weil er durch einen Wiedereinstellungsanspruch besonders geschützt ist (so BAG vom 27.07.2011, 7 AZR 402/10).
41
2. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die (hilfsweise) begehrte Zurückstellung der Auszahlung seines Guthabens aus seinem Zeitwertkonto.
42
a) Nach der eindeutig formulierten und mithin keiner weiteren Auslegung zugänglichen Vorschrift gemäß § 6 Abs. 2 TV Zeitwertkonto Nr. 160 ist das verbleibende Zeitwertguthaben bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen unverzüglich nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers an diesen auszuzahlen.
43
b) Die von dem Kläger angeführten Nachteile gründen ausschließlich in Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts bzw. in seiner subjektiven Motivationslage und können daher die Wirksamkeit der soeben erwähnten Tarifbestimmung nicht beeinflussen.
44
Die Kosten des Rechtsstreits hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.
45
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG in analoger Anwendung, wobei für den Klageantrag zu 1) drei Bruttomonatsgehälter des Klägers und für den hilfsweisen Antrag zu 2) € 5.000,00 zugrunde gelegt wurden.
46
Gegen dieses Urteil kann der Kläger Berufung einlegen; für die Beklagte ist mangels Beschwer kein Rechtsmittel gegeben.
47
Im Einzelnen gilt Folgendes: