Inhalt

ArbG Würzburg, Endurteil v. 14.12.2022 – 3 Ca 496/22
Titel:

Zuweisung einer zumutbaren Tätigkeit für ungeimpften Arbeitnehmer

Normenketten:
IfSG § 20a Abs. 1, Abs. 3
BGB § 254, § 280, § 615
GewO § 106
Leitsätze:
1. Ein Arbeitgeber verletzt seine Pflicht zur Ausübung des Weisungsrechts, wenn er seiner ungeimpften, als Vertrieblerin tätigen Arbeitnehmerin keine andere zumutbare Tätigkeit zuweist, die im Rahmen des Arbeitsvertrages liegt und die ungeimpfte Arbeitnehmerin in der Lage gewesen wäre, diese auszuführen (räumlich getrennte Betreuung von Kunden, Teil-Freistellung). (Rn. 47 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Anspruch des Arbeitnehmers auf eine arbeitsvertraglich vereinbarte Privatnutzung des Dienstfahrzeugs entfällt nur bei einer rechtmäßigen Freistellung. Anderenfalls besteht ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers. (Rn. 58 – 59) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vertriebstätigkeit, Pflegeeinrichtung, Impf- oder Genesenenausweis, Annahmeverzug, Weisungsrecht, Privatnutzung, Dienstfahrzeug
Rechtsmittelinstanz:
LArbG Nürnberg, Urteil vom 12.12.2023 – 7 Sa 105/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 59454

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, 14.469,31 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 6.438,31 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 8.7.2022 an die Klägerin zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gemäß Arbeitsvertrag vom 22.2.2010 als Vertriebsmanagerin im Außendienst … in dem Verkaufsgebiet … zu beschäftigen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, 5.636,57 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.327,10 € netto und abzüglich erhaltener 406,70 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2022 aus einem Betrag von 2.902,77 € an die Klägerin zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, 174,30 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.8.2022 an die Klägerin zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Kraftfahrzeug der Kategorie 1, Unterkategorie 1B der Anlage 1 „Referenzangebote“ zu der Gesamtvertriebsvereinbarung … vom 11.7.2017 in der jeweils gültigen Fassung zu den in der Gesamtvertriebsvereinbarung angegebenen Bedingungen zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, 5.229,87 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.327,10 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2022 sowie an die Klägerin zu zahlen.
7. Die Beklagte wird verurteilt, 581,00 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.9.2022 an die Klägerin zu zahlen.
8. Die Beklagte wird verurteilt, 5.229,87 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.327,10 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.10.2022 an die Klägerin zu zahlen.
9. Die Beklagte wird verurteilt, 5.229,87 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.327,10 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.11.2022 an die Klägerin zu zahlen.
10. Die Beklagte wird verurteilt, 1.162,00 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 3.11.2022 an die Klägerin zu zahlen.
11. Die Beklagte wird verurteilt, 5.229,87 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.939,25 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.12.2022 an die Klägerin zu zahlen.
12. Die Beklagte wird verurteilt, 581,00 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 8.12.2022 an die Klägerin zu zahlen.
13. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
14. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
15. Der Streitwert wird auf 31.441,87 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin infolge einer mit Wirkung ab dem 8.4.2022 ausgesprochenen Freistellung.
2
Die Klägerin ist seit dem 1.4.2010 bei der Beklagten als Vertriebsmitarbeiterin im Außendienst beschäftigt. Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt unter Einbeziehung einer Telefonkostenerstattung sowie des geldwerten Vorteils des zur privaten Nutzung überlassenen Dienstfahrzeugs 5.810,87 €.
3
Die gegenseitigen Rechte und Pflichten aus dem Vertragsverhältnis sind mit Anstellungsvertrag vom 22.2.2010 (Bl. 11 ff. d.A.) geregelt.
4
Mit Schreiben vom 4.4.2022 (Bl. 22 d.A.) Sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin eine unbezahlte Freistellung von der Arbeit aus, da die Klägerin keinen Genesenen- oder Impfnachweis vorgelegt hat. Mit weiteren Schreiben vom 8.4.2022 (Bl. 23 d.A.) wurde die auf § 20 a IfSG begründete Freistellung nochmals bestätigt.
5
§ 20 a IfSG lautet auszugsweise:
(1) 1. Folgende Personen müssen ab dem 15. März 2022 über einen Impf- oder Genesenennachweis nach § 22a Absatz 1 oder Absatz 2 verfügen:
Personen, die in folgenden Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind:
Krankenhäuser, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken, … Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe, Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungen durchgeführt werden, …
(2) Personen, die in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig sind, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens bis zum Ablauf des 15. März 2022 folgenden Nachweis vorzulegen: einen Impfnachweis nach § 22a Absatz 1, einen Genesenennachweis nach § 22a Absatz 2, ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie sich im ersten Schwangerschaftsdrittel befinden, oder ein ärztliches Zeugnis darüber, dass sie auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft werden können. Wenn der Nachweis nach Satz 1 nicht bis zum Ablauf des 15. März 2022 vorgelegt wird oder wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln.
(3) Personen, die in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen ab dem 16. März 2022 tätig werden sollen, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorzulegen. Wenn Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen, hat die Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des jeweiligen Unternehmens unverzüglich das Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung oder das jeweilige Unternehmen befindet, darüber zu benachrichtigen und dem Gesundheitsamt personenbezogene Angaben zu übermitteln. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Eine Person nach Satz 1, die keinen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 vorlegt, darf nicht in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen beschäftigt werden. Eine Person nach Satz 1, die über keinen Nachweis nach Absatz 2 Satz 1 verfügt oder diesen nicht vorlegt, darf nicht in den in Absatz 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig werden. …
6
Die Klägerin trägt vor:
7
Die ab 15.3.2022 geltende einrichtungsbezogene Impfpflicht sei für das Arbeitsverhältnis nicht einschlägig.
8
Insbesondere finde § 20 a IfSG keine Anwendung, da es sich bei der Beklagten nicht um eine Einrichtung im Sinne der Vorschrift handelt. Zumindest sei die Klägerin als Bestandsmitarbeiterin anzusehen, da sie ihre Kunden bereits vor dem 15.3.2022 als Außendienstmitarbeiterin betreut hat. Für Einrichtungen, die der einrichtungsbezogenen Impfpflicht unterliegen, gelte sie als Altbeschäftigte. Ein Tätigkeits- oder Betretungsverbot seitens des Gesundheitsamtes oder einer Einrichtung sei der Klägerin nicht bekannt. Keiner der von der Klägerin betreuten Kunden habe bisher einen Impfnachweis verlangt.
9
Soweit die Beklagte sich darauf beziehe, dass eine Vielzahl von Bestandskunden den Einsatz von Personal mit Immunitätsnachweis gefordert hätten, sei nicht klar, um welche Kunden es sich dabei handle. Insbesondere sei zu bestreiten, dass dies Kunden der Klägerin sind.
10
Die Klägerin halte sich als Außendienstmitarbeiterin in der Regel nur zeitlich begrenzt in den Einrichtungen auf, etwa um etwas vorbeizubringen oder Produkte kurz vorzustellen oder diese einzuführen. Die Aufenthaltsdauer, auch bei einem Arztkontakt, beschränke sich oft auf etwa 10 Minuten. Die Klägerin habe keine direkten Patientenkontakte. Ihr sei untersagt, die Patienten zu berühren. Soweit sich die Klägerin mit einem Patienten im gleichen Raum befinde, sei für sie verpflichtet, einen gewissen Mindestabstand zu halten. Ein sicherer Abstand zur vulnerablen Personengruppen sei stets gewährleistet.
11
Den Zeitraum von einigen Stunden überschreite der Aufenthalt in der Regel lediglich bei Schulungsveranstaltungen oder Kongressen.
12
Während der Zeit zu Beginn der Coronapandemie seien alle Einrichtungen aus der Ferne betreut worden. Die Betreuung habe fernmündlich, bzw. durch E-Mail erfolgt.
13
Gesprächszeiten vor Ort seien auch durch Videokonferenzen zu absolvieren.
14
Im Außendienst seien darüber hinaus zahlreiche Tätigkeiten außerhalb der betroffenen Einrichtungen zu absolvieren. Hiermit könne die Klägerin betraut werden. Zum Beispiel seien die Zeiten der Vor- und Nachbereitung von Kundenbesuchen, Bürotätigkeiten einschließlich Telefonaten und/oder Videokonferenzen mit Kundinnen und Kunden sowie anderen Ansprechpartnern möglich. Der Besuch von Apotheken und Fachhändlern vor Ort und Einrichtungen, die nicht unter die einrichtungsbezogene Nebenpflicht fallen, sei möglich.
15
Die Klägerin schätze ihre Aufgaben zu 20% als administrativ ein. 10-20% betreffe die Betreuung von Apotheken, 20% von direkt Kunden, Sanitätshäusern, Fachhändlern und überregionalen Kunden. Nach dem Vortrag der Beklagten seien daher bereits 50% der Aufgaben nicht von der Regelung des § 20 a IfSG betroffen. Nur bedingt richtig sei, dass administrative Tätigkeiten nur dann anfielen, wenn auch Außendiensttätigkeiten durchgeführt werden. Auch im Rahmen von Telefon, E-Mail und Videokonferenzsystemen, sowie Schulungen seien diese erforderlich.
16
Die Klägerin habe stets bekundet, zu Kompromissen bei der Ausgestaltung der Tätigkeit bereit zu sein. Dies dürfe jedoch nicht mit Vergütungseinbußen einhergehen.
17
Soweit die Beklagte eine Stelle im Customer Service anspreche, sei dies eine Innendienststelle mit gänzlich anderen Inhalten und wirtschaftlichen Konditionen. Nach Kenntnis der Klägerin betrage das Jahreseinkommen weniger als die Hälfte der bezogenen Vergütung. Überdies sei die Stelle in C-Stadt angesiedelt. Aufgrund der räumlichen Distanz könne ein Einsatz keine Option sein. Zwar sei der Klägerin angeboten worden, die Tätigkeit überwiegend im Home-Office zu verrichten, jedoch sei nicht vollständig ausgeschlossen worden, dass auch in C-Stadt ein Einsatz teilweise erforderlich werden kann.
18
Schließlich sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß beteiligt worden. Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz bedürften der Zustimmung des Betriebsrats, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass es sich um eine mitbestimmungsfreie Einzelmaßnahme handelt. Da die Beklagte keine Einrichtung im Sinne von § 20 a IfSG ist, stelle die Freistellung keinen zu vollziehenden Normbefehl der Vorschrift dar.
19
Die Beklagte sei daher verpflichtet, die Klägerin zu beschäftigen. Darüber hinaus sei für die Zeit der Nichtbeschäftigung Vergütung geschuldet.
20
Laut Ziff. 13.3 des Arbeitsvertrages sei eine Freistellung nur unter Fortzahlung der Bezüge und unter Fortgeltung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen möglich, sofern dies aus Gründen der Sicherung betriebliche Interessen oder aus sonstigen Gründe im berechtigten betrieblichen Interesse erforderlich ist. Ein weitergehendes Freistellungsrecht beinhaltete Arbeitsvertrag nicht, sodass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, die Klägerin freizustellen.
21
Am 21.7.2022 sei das zur Verfügung gestellte Fahrzeug von der Beklagten bei der Klägerin abgeholt worden. Die Klägerin habe seitdem keine Möglichkeit mehr, das Fahrzeug privat zu nutzen. Der zu versteuernde geldwerte Vorteil betrage 581,- € brutto im Monat. Der Nutzungsausfall sei von der Beklagten zu erstatten. Darüber hinaus sei das Fahrzeug entsprechend der Vereinbarung der Klägerin zur Verfügung zu stellen.
22
Der Anspruch auf Zahlung einer Verzugskostenpauschale folge jeweils aus § 288 Abs. 5 BGB. Entgegen der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2018 sei die Pauschale zu leisten.
23
Die Klägerin beantragt daher zuletzt zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, 14.469,31 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 6.438,31 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie nebst Verzugskostenpauschale in Höhe von 120,00 € netto an die Klägerin zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin gemäß Arbeitsvertrag vom 22.2.2010 als Vertriebsmanagerin im Außendienst … in dem Verkaufsgebiet … zu beschäftigen.
3. Hilfsweise für den Fall des Unterleigens mit dem Klageantrag 2:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Tätigkeiten in der Wertigkeit entsprechend eine Vertriebsmitarbeiterin im Außendienst … in dem Verkaufsgebiet … gemäß Arbeitsvertrag vom 22.2.2007 zuzuweisen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, 1.743,00 € brutto abzüglich erhaltener 1.743,00 € netto an die Klägerin zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, 5.636,57 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.327,10 € netto und abzüglich erhaltener 406,70 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2022 aus einem Betrag von 2.902,77 € nebst Verzugskostenpauschale in Höhe von 40,00 € netto an die Klägerin zu zahlen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, 174,30 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.
7. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Kraftfahrzeug der Kategorie 1, Unterkategorie 1B der Anlage 1 „Referenzangebote“ zu der Gesamtvertriebsvereinbarung … vom 11.7.2017 in der jeweils gültigen Fassung zu den in der Gesamtvertriebsvereinbarung angegebenen Bedingungen zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen.
8. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag 7:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ein Kraftfahrzeug der Marke BMW x1 des Fahrzeugtyps xdrive 20d Modell xLine zur privaten Nutzung zur Verfügung zu stellen.
9. Die Beklagte wird verurteilt, 5.229,87 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.327,10 € netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2022 sowie nebst Verzugskostenpauschale in Höhe von 40,00 € netto an die Klägerin zu zahlen.
10. Die Beklagte wird verurteilt, 581,00 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.
11. Die Beklagte wird verurteilt, 5.229,87 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.327,10 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.10.2022 sowie nebst Verzugskostenpauschale in Höhe von 40,00 € netto an die Klägerin zu zahlen.
12. Die Beklagte wird verurteilt, 5.229,87 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.327,10 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.11.2022 sowie nebst Verzugskostenpauschale in Höhe von 40,- € netto an die Klägerin zu zahlen.
13. Die Beklagte wird verurteilt, 1.162,00 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.
14. Die Beklagte wird verurteilt, 5.229,87 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 1.939,25 € netto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.12.2022 sowie nebst Verzugskosten Pauschale in Höhe von 40,00 € netto an die Klägerin zu zahlen.
15. Die Beklagte wird verurteilt, 581,00 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.
24
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
25
Die Beklagte trägt vor:
26
Für Ihre Tätigkeit benötige die Klägerin gem. § 20 a IfSG einen gültigen Immunitätsnachweis. Über diesen verfüge sie nicht.
27
Zur Ausübung ihrer Tätigkeit im Außendienst sei die Klägerin regelmäßig in Arztpraxen, bei Pflegediensten, Home Care Unternehmen und Pflegeeinrichtungen, wie Alten- und Pflegeheimen tätig gewesen. Diese unterfielen dem Anwendungsbereich von § 20 a IfSG. Die Beklagte sei von einer Vielzahl von Kunden aufgefordert worden, nur Personal mit Immunitätsnachweis einzusetzen.
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Zwar seien auch Einrichtungen und Unternehmen von der Klägerin zu betreuen, die nicht diesen Vorgaben entsprechen, jedoch mache dies lediglich einen geringfügigen Anteil am Gesamtkundenkreis aus (10-20%).
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Die Aufenthaltsdauer beim Kunden sollte nach Vorgaben und Erwartungen der Beklagten mindestens 10 Minuten betragen, bei Produktvorstellungen seien Zeiten von 30-60 Minuten durchschnittlich zu erwarten. Bei Schulungsveranstaltungen unter anderem von ärztlichem Personal betrage die Aufenthaltsdauer mehrere Stunden. Die Klägerin halte sich regelmäßig länger als nur wenige Minuten zur Berufsausübung in entsprechenden Einrichtungen und Unternehmen auf. Sie verbleiben dort auch nicht nur für kurze Zeit, etwa wie ein Gast.
30
Der Tätigkeitsschwerpunkt des Außendienstmitarbeiters im Bereich „Community“ liege im niedergelassenen Bereich. Jedoch seien die Außendienstmitarbeiter auch in anderen, in § 20 a IfSG genannten Einrichtungen tätig. Zudem komme es zu direkten Patientenkontakten.
31
Die administrativen Tätigkeiten der Klägerin sollten 20% der Arbeitszeit nicht überschreiten und vielen überdies nur dann an, wenn eine eigene Außendiensttätigkeit beim Kunden tatsächlich durchgeführt wird.
32
Die Beklagte verfüge über keine Stellen im Bereich …, bei der kein Immunitätsnachweis erforderlich ist. Vorübergehend sei der Klägerin daher eine Vollzeitstelle im Bereich „Customer Service“ in C-Stadt angeboten worden. Die Beklagte habe sich auch einverstanden gezeigt, die Klägerin im Home Office zu beschäftigen. Dies sei jedoch aufgrund der geringen Wertigkeit und des fehlenden Dienstwagens abgelehnt worden.
33
Die Klägerin gebe die gesetzlichen Vorschriften unzutreffend wieder. Vom Anwendungsbereich des § 20 a Abs. 2 IfSG („Alt-Arbeitnehmer“) seien nur die Person erfasst, die zum 15.3.2022 in der Einrichtung tätig sind und daher in dieser dauerhaft beschäftigt waren. Als Außendienstmitarbeiterin sei die Kläger jedoch nicht vergleichbar mit dauerhaft beschäftigten Personen in den betroffenen Einrichtungen.
34
Selbst wenn die Klägerin in sämtlichen besuchten Einrichtungen als Alt-Arbeitnehmerin einzustufen wäre, sei die Beklagte trotzdem berechtigt gewesen, die Klägerin unbezahlt von der Arbeit freizustellen.
35
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die entsprechenden schriftsätzlichen Ausführungen Bezug genommen.
36
Bezug genommen wird im Übrigen auf den Inhalt der Verhandlungsniederschriften, sowie auf die gesamte Gerichtsakte.

Entscheidungsgründe

I.
37
Die Klage ist zulässig.
38
Das Arbeitsgericht Würzburg – Kammer Schweinfurt – ist zur Entscheidung über den Rechtsstreit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG im Rechtsweg zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ist gem. § 48 Abs. 1a S. 2 ArbGG begründet. Administrative Tätigkeiten in Zusammenhang mit ihrer Aufgabenerfüllung führt die Klägerin von ihrem am Wohnort eingerichteten Büro aus.
39
Die Klägerin verfolgt ihr Begehren zutreffend im Wege des Urteilsverfahrens, § 2 Abs. 5 ArbGG.
II.
40
Die Klage ist im Wesentlichen begründet.
41
Im Einzelnen gilt folgendes:
42
1. Die Klägerin kann die streitigen Vergütungsansprüche (Ziff. 1, 5, 9, 11, 12, 14 der Anträge) beanspruchen.
43
Der Anspruch folgt §§ 293, 296 S. 1 BGB, da die Beklagte sich im streitgegenständlichen Zeitraum im Annahmeverzug befand. Voraussetzung des Annahmeverzugs ist, dass der Schuldner der Arbeitsleistung die Tätigkeit in der geschuldeten Art und Weise am richtigen Arbeitsort anbietet. Etwaige Leistungshindernisse auf Seiten des Arbeitnehmers führen in der Regel dazu, dass kein Annahmeverzug vorliegt. Ein Angebot der Arbeitsleistung durch die Klägerin liegt unstreitig vor.
44
Die Klägerin hat ihre Leistung auch zutreffend angeboten; die Beklagte hatte daher die Obliegenheit, die Arbeit anzunehmen und gerät bei Nichtannahme in Verzug.
45
a. Die Leistungsannahme war nicht nach § 20 a IfSG ausgeschlossen.
46
Zwar spricht bereits der Wortlaut des § 20a IfSG in Abs. 3 von „tätig werden“, nicht von „in einem Arbeitsverhältnis stehen“. Ein Beschäftigungsverbot besteht jedoch nur für die nach dem 16.3.2022 begründeten Neu-Tätigkeiten. Der Gesetzgeber trifft in der Vorschrift ausdrücklich keine Aussage über Arbeitsverhältnisse, so dass die Vorschrift auch für Dritt-Beschäftigte anwendbar ist.
47
Die Beklagte kann jedoch (unabhängig von dessen Wirksamkeit) kein konkretes Betretungs- und Tätigkeitsverbot durch eine Einrichtung, die § 20 a IfSG unterfällt, vortragen. Die Klägerin bestreitet ausdrücklich, dass einer der von ihr betreuten Kunden den Nachweis vor Aufnahme der Tätigkeit verlangt hat. Eine Nicht-Einsetzbarkeit der Klägerin im Außendienst ist damit nicht nachgewiesen. Schließlich unterlässt es die Beklagte, konkrete etwaige Betretungsverbote und deren Umfang darzulegen. Nur bei Benennung und Nachweis eines in weitem Umfang geforderten Besuchsverbots, könnte eine etwaige Einschränkung auch die Freistellung rechtfertigen.
48
Die Beklagte wäre somit gehalten gewesen, die Einsatzmöglichkeiten der Klägerin im Bereich der räumlich getrennten Betreuung von Kunden zu prüfen. Ebenfalls wäre zu prüfen, ob ggf. eine Teil-Freistellung nicht das verhältnismäßigere Mittel gewesen wäre, eine etwaige Beschäftigungsproblematik aufzufangen.
49
b. Ein vertraglicher Anspruch auf unentgeltliche Freistellung ist nicht zu ersehen.
50
Lediglich Ziff. 13.3 AV enthält ein Freistellungsrecht, dass jedoch zum einen eine Kündigung voraussetzt, zum anderen eine entgeltliche Freistellung zum Inhalt hat. Diese Voraussetzungen sind offensichtlich nicht erfüllt.
51
Aus Vorgenanntem ergibt sich, dass die Beklagte kein Leistungshindernis geltend machen kann, das die Annahme der angebotenen Arbeitsleistung ausschließt. Die Vergütungsansprüche (einschließlich des geldwerten Vorteils der Dienstwagennutzung und der Pauschale) sind damit geschuldet. Leistungseinschränkende Sachverhalte iSd. § 615 S. 2 BGB sind nicht ersichtlich.
52
Die entsprechenden Anträge waren daher begründet; die Verzinsung folgt dem Gesetz, § 288 Abs. 1 BGB.
53
2. Die Klägerin kann den Beschäftigungsanspruch (Ziff. 2 der Anträge) gegenüber der Beklagten geltend machen.
54
Wie bereits ausgeführt, kann die Beklagte kein Beschäftigungshindernis gegenüber dem Einsatz der Klägerin geltend machen. Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses besteht grundsätzlich ein Beschäftigungsanspruch zu den vertraglich vereinbarten Bedingungen. Zwar fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Ausgestaltung des Beschäftigungsanspruchs. Dennoch ist der Beschäftigungsanspruch allgemein anerkannt. Das BAG hat bereits frühzeitig aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers eine Beschäftigungspflicht in einem bestehenden Arbeitsverhältnis hergeleitet. Dieses Ergebnis hat der Große Senat des BAG im Jahr 1985 bestätigt (BAG 27.2.1985 -GS 1/84). Die Beschäftigungspflicht stellt eine sogenannte Nebenpflicht des Arbeitgebers dar (Schaub/Koch, Arbeitsrecht von A-Z, Beschäftigungsanspruch m.w.N.).
55
Es besteht daher eine Beschäftigungspflicht entsprechend den vertraglichen Verpflichtungen, Ziff. 1.1. AV iVm. § 611 BGB.
56
3. Der Anspruch auf Zur-Verfügung-Stellen eines Dienstwagens (Ziff. 7 der Anträge) folgt der Gesamtbetriebsvereinbarung … (Bl. 93 ff. d.A.) in Verbindung mit der Anlage 1 „Referenzangebote“ und Ziff. 3.5 AV.
57
4. Der Schadensersatzanspruch für das Voranhalten des Dienstwagens (Ziff. 6, 10, 13, 15 der Anträge folgt aus § 280 BGB. Für den streitgegenständlichen Zeitraum bestand, wie ausgeführt, eine Beschäftigungspflicht. Diese Pflicht hat die Beklagte durch widerrechtliche Freistellung verletzt. Die Beklagte hat der Klägerin damit den Schaden zu ersetzen, der kausal und pflichtwidrig aus der Vertragsverletzung resultiert.
58
Der Anspruch auf Überlassung eines Fahrzeugs (auch zur privaten Nutzung) besteht (vgl. Ziff. 3 der Gründe). Ziff. 7 der GBV- … regelt die Voraussetzungen der Privatnutzung des Fahrzeugs. Ein Anspruch auf Privatnutzung entfällt (soweit für den vorliegenden Fall erheblich) nur gem. Ziff. 7.2 (Unterpunkt 3) bei einer rechtmäßigen Freistellung. Diese ist jedoch nicht erfolgt. Die Beklagte hat mit Entzug des Fahrzeugs damit die Nutzungsmöglichkeit der Klägerin widerrechtlich entzogen.
59
Die Klägerin hat infolge der Vertragsverletzung daher einen Schadensersatzanspruch gem. § 280 S. 1 BGB. Er entspricht der steuerlichen Bewertung der privaten Nutzungsmöglichkeit gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EstG und ist monatlich mit (unbestritten) 581,- € zu bewerten. Die Anträge sind folglich in vollem Umfang begründet. Der Zinsanspruch folgt dem Gesetz, § 288 Abs. 1 BGB.
60
5. Ein Anspruch auf Zahlung von 1.743,- € brutto abzüglich erhaltener 1.743,- € netto (Ziff. 4 der Anträge) ist bereits unschlüssig und nicht nachzuvollziehen. Es ist kein rechtlicher Gesichtspunkt ersichtlich, aus dem sich eine etwaige Forderung (in welcher Höhe?) ergeben könnte. Der Antrag war mithin zurückzuweisen.
61
6. Zurückzuweisen waren auch die Anträge auf Verzugspauschale gem. § 288 Abs. 5 BGB. Die Vorschrift findet auf Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis keine Anwendung, da § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG eine abschließende Spezialregelung darstellt (LAG Nürnberg vom 21.08.2018, 7 Sa 422/17; BAG vom 24.10.2019 – 8 AZR 528/18).
III.
62
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 46 Abs. 2 ArbGG iVm § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
63
Der Streitwert wurde gemäß §§ 61 Abs. 1, § 46 Abs. 2 ArbGG; 2, 3 ZPO festgesetzt.